Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 10 B 368/22
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die den Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 30. August 2021 für den Neubau eines Mehrfamilienhauses auf dem Grundstück Gemarkung J., Flur 126, Flurstück 303, (C.-straße 13 in J.) einschließlich der darin erteilten Befreiungen (im Folgenden: Vorhaben) anzuordnen, mit der Begründung abgelehnt, die nach den §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragstellerin aus, weil die Baugenehmigung wahrscheinlich nicht gegen Nachbarschutz vermittelnde Vorschriften verstoße.
4Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Die Antragstellerin macht auch im Beschwerdeverfahren ohne Erfolg einen Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO geltend. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass ein Grundstückseigentümer Einschränkungen bei der Belichtung und Besonnung seines Grundstücks durch eine Bebauung des Nachbargrundstücks regelmäßig hinzunehmen habe, wenn die landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften beachtet seien. Unabhängig davon, ob die Beachtung der Abstandsflächenvorschriften generell ein Indiz dafür ist, dass ein Neubau die erforderliche Rücksicht auf das angrenzende Nachbargrundstück und die dortige bauliche Nutzung walten lässt, ist hier nach den Umständen des Einzelfalls und bei einer wertenden Gesamtbetrachtung nichts dafür ersichtlich, dass das Vorhaben zu Lasten des Grundstücks der Antragstellerin rücksichtslos sein könnte. Insbesondere ist es entgegen ihrer Annahme nicht so, dass die Beigeladenen bei der Verwirklichung des Vorhabens Rücksicht darauf nehmen müssten, dass das Fachwerkhaus auf ihrem Grundstück nur in einem Abstand von 0,73 bis 0,75 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze steht. Die von ihr betonte Situationsgebundenheit des Eigentums bedeutet in diesem Zusammenhang in erster Linie, dass sie selbst die Beeinträchtigungen, die mit der auf ihrem eigenen Grundstück vorhandenen, wenn auch historisch gewachsenen, grenznahen Bebauung typischer Weise einhergehen können, grundsätzlich hinzunehmen hat.
5Soweit die Antragstellerin meint, dass der Festsetzung der vorderen Baugrenze des Bebauungsplans Nr. L.-straße, von der den Beigeladenen eine Befreiung erteilt worden ist, eine drittschützende Wirkung zukomme, zeigt sie nicht auf, dass der Rat diese Festsetzung ausnahmsweise auch im Interesse und zum Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke oder gar sämtlicher Grundeigentümer im Plangebiet getroffen hat.
6Ihre Überlegungen dazu, dass sich aus einer Gesamtschau des Bebauungsplans mitsamt seinen Änderungen und Begründungen ergebe, dass das Zurückspringen der vorderen Baugrenze nach dem Willen des Rates dem Nachbarschutz dienen solle, weil andere Begründungen für die konkrete Festsetzung dieser Baugrenze nicht ersichtlich seien, sind spekulativ. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen ausgeführt, dass sich weder in den Festsetzungen des Bebauungsplans selbst noch in der Planbegründung Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen des Rates finden ließen. Soweit die Antragstellerin nochmals die Begründung zur 1. vereinfachten Änderung des Bebauungsplans bemüht, wonach der Rat die „städtebaulichen Rahmenbedingungen für dieses schutzbedürftige Fachwerkhaus“ habe verbessern wollen, setzt sie sich nicht mit dem zutreffenden Argument des Verwaltungsgerichts auseinander, dass die Baugrenze so bereits im Ursprungsplan aus dem Jahr 1985 festgesetzt gewesen sei und sich nicht feststellen lasse, dass der Rat damals den Willen gehabt habe, mit ihrer Festsetzung auch die Grundstücksnachbarn vor Beeinträchtigungen zu schützen.
7Ebenso wenig ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen, dass die Baugenehmigung Rechte der Antragstellerin verletzen könnte, weil einer Verwirklichung des Vorhabens etwa wegen eines gebotenen Umgebungsschutzes (§ 9 Abs. 1 Buchstabe b DSchG NRW) Gründe des Denkmalschutzes entgegenstünden. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Umgebungsschutz würde voraussetzen, dass das Vorhaben, würde es verwirklicht, das Erscheinungsbild des als Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragenen Hauses beeinträchtigen würde. Hierzu trägt die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nichts Belastbares vor. Nach der Rechtsprechung des Senats setzt ein Anfechtungsrecht eines Denkmaleigentümers aus § 9 Abs. 1 Buchstabe b DSchG NRW voraus, dass die Beziehung zwischen dem Denkmal und seiner engeren Umgebung von Gewicht für den Denkmalwert ist und dieser Denkmalwert durch die angegriffene bauliche Maßnahme erheblich beeinträchtigt wird. Das denkmalrechtliche Erscheinungsbild ist in diesem Zusammenhang als der von außen sichtbare Teil eines Denkmals zu verstehen, an dem jedenfalls der sachkundige Betrachter den Denkmalwert, der dem Denkmal innewohnt, abzulesen vermag. Da das Erscheinungsbild des Denkmals mit Blick auf Maßnahmen in seiner Umgebung geschützt werden soll, muss die Beziehung des Denkmals zu seiner Umgebung außerdem für den Denkmalwert von Bedeutung sein.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2021 – 10 B 13/21 –, juris, Rn. 14 f.
9Dass diese Voraussetzungen hier im Hinblick auf das Fachwerkhaus der Antragstellerin im Verhältnis zu dem Vorhaben auf dem Nachbargrundstück erfüllt sein könnten, legt die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nicht dar. Sie setzt sich mit den dargestellten denkmalrechtlichen Anforderungen und den entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu dem Denkmalwert des Fachwerkhauses auch nicht weiter auseinander, sondern macht pauschal Einschränkungen bei der optischen Wahrnehmung des Fachwerkhauses geltend, aus denen allein sich ein denkmalrechtlicher Umgebungsschutz nicht ergeben kann. Dass das Vorhaben die Ablesbarkeit des dem Fachwerkhaus innewohnenden Denkmalwertes wesentlich erschweren könnte, zeigt die Antragstellerin auch mit ihrem Vorbringen, das ursprüngliche Bauernhaus habe nicht in einem engen innerstädtischen Bebauungszusammenhang gestanden, nicht ansatzweise auf. Der Umstand, dass das Fachwerkhaus ursprünglich von Freiflächen umgeben gewesen sein mag, lässt einen Zusammenhang mit den von dem Verwaltungsgericht zitierten Gründen für seine Unterschutzstellung nicht erkennen.
10Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
11Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
12Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- 10 B 13/21 1x (nicht zugeordnet)