Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 10 B 362/22.NE
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag ist zulässig.
3Die Antragsteller sind antragsbefugt.
4Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis in einem gegen einen Bebauungsplan angestrengten Normenkontrollverfahren ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind grundsätzlich auch dann keine höheren Anforderungen zu stellen, wenn es – wie hier – um das subjektive Recht des Antragstellers aus § 1 Abs. 7 BauGB auf fehlerfreie Berücksichtigung seiner privaten Belange im Rahmen der Abwägung geht. Auch insoweit reicht es aus, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen. Antragsbefugt ist hiernach, wer sich auf einen abwägungserheblichen privaten Belang, das heißt auf ein mehr als nur geringfügig schutzwürdiges Interesse, berufen kann. Denn wenn es einen solchen Belang gibt, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass der Plangeber ihn bei der Abwägung nicht korrekt berücksichtigt hat. Die bloße Behauptung einer theoretischen Rechtsverletzung mag allerdings im Einzelfall dann nicht zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO genügen, wenn diese Behauptung nur vorgeschoben erscheint, tatsächliche eine Rechtsverletzung aber offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet.
5Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juli 2013 – 4 BN 13.13 –, juris, Rn. 4, und vom 17. Dezember 2012 – 4 BN 19.12 –, juris, Rn. 3, mit weiteren Nachweisen.
6Eine fehlerhafte Behandlung der Belange der Antragsteller in der Abwägung erscheint nach ihrem Vortrag jedenfalls insoweit möglich, als es um den Schutz ihres Grundeigentums vor im Plangebiet anfallendem Niederschlagswasser geht, das nach den planbedingten Bodenversiegelungen unter Umständen von dort auf ihr Grundstück abfließen kann. § 1 Abs. 7 BauGB verlangt, dass einem Bebauungsplan ein Erschließungskonzept zugrunde liegt, nach dem das in dem Plangebiet anfallende Niederschlagswasser so beseitigt werden kann, dass Gesundheit und Eigentum der Planbetroffenen innerhalb und außerhalb des Plangebiets keinen Schaden nehmen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1, Nr. 7 Buchstabe e BauGB).
7Vgl. BVerwG, Urteile vom 4. November 2015 – 4 CN 9.14 –, juris, Rn. 13, und vom 31. März 2002 – 4 CN 14.00 –, juris, Rn. 15; OVG NRW, Urteil vom 15. Februar 2012 – 10 D 46/10.NE –, juris, Rn. 88; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24. Juli 2019 – 5 S 2405/17 –, juris, Rn. 20; Bay. VGH, Beschluss vom 13. April 2018 – 9 NE 17.1222 –, juris, Rn. 16.
8Eine tatsächliche Gefährdung des Grundstücks der Antragsteller durch unkontrolliert aus dem Plangebiet abfließendes Niederschlagswasser ist nicht offensichtlich ausgeschlossen. Der Boden im Plangebiet, der unversiegelt bleiben soll, ist für eine Versickerung nicht ausreichend durchlässig und das Plangebiet fällt in Richtung des Grundstücks der Antragsteller ab. Die Entwicklung eines tragfähigen Entwässerungskonzepts war vor dem Hintergrund dieser topographischen und hydrogeologischen Eigenschaften des Plangebiets ein wesentlicher Aspekt der Planung. Insoweit steht auch im Streit, inwieweit Einzelheiten der Entwässerung des Plangebiets bereits auf der Planungsebene hätten geregelt werden müssen, statt sie auf die Ebene der Umsetzung der Planung zu verlagern.
9Der Antrag ist unbegründet.
10Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
11Das Erfordernis eines schweren Nachteils bindet die Aussetzung der Vollziehung einer Norm an erheblich strengere Voraussetzungen als sie sonst für den Erlass einstweiliger Anordnungen gemäß § 123 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz verlangt werden. Die Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans zur Abwehr eines schweren Nachteils ist nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gerechtfertigt, die durch Umstände gekennzeichnet sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung gleichsam unabweisbar erscheinen lassen.
12Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1998 – 4 VR 2.98 –, juris, Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 9. November 2006 – 7 B 1667/06.NE –, juris, Rn. 5.
13Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts stellt allein der Umstand, dass die Umsetzung des angegriffenen Bebauungsplans unmittelbar bevorsteht, noch keinen schweren Nachteil im Verständnis von § 47 Abs. 6 VwGO dar. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Verwirklichung des Bebauungsplans in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eine schwerwiegende Beeinträchtigung rechtlich geschützter Positionen des jeweiligen Antragstellers konkret erwarten lässt.
14Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Oktober 2016 – 2 B 1368/15.NE –, juris, Rn. 7, vom 29. Februar 2016 – 10 B 134/16.NE –, juris, Rn. 5, vom 21. September 2005 – 10 B 9/05.NE –, juris, Rn. 8, und vom 9. November 2006 – 7 B 1667/06.NE –, juris, Rn. 11 ff.
15Aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten sein kann die Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans, wenn sich dieser bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich unwirksam erweist und seine Umsetzung den Antragsteller konkret so beeinträchtigt, dass die einstweilige Anordnung jedenfalls deshalb dringend geboten ist.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Oktober 2016 – 2 B 1368/15.NE –, juris, Rn. 11, vom 29. Februar 2016 – 10 B 134/16.NE –, juris, Rn. 7, vom 27. April 2009 – 10 B 459/09.NE –, juris, Rn. 7, vom 25. Januar 2008 – 7 B 1743/07.NE –, juris, Rn. 8.
17Die begehrte einstweilige Anordnung ist hier weder zur Abwehr schwerer Nachteile noch aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten.
18Der Bebauungsplan schafft die planungsrechtliche Grundlage für die Errichtung von Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern sowie Mehrfamilienhäusern im Plangebiet. Nach der Planbegründung soll die entwässerungstechnische Erschließung im Trennsystem erfolgen. Bis zur Realisierung eines geplanten Baugebiets C1. (südlich der Straße C1.) werde jedoch ein Anschluss der Niederschlagswasserentsorgung an den Mischwassersammler in der Straße C1. vom Kreis V. geduldet. Eine Versickerung des Niederschlagswassers innerhalb des Plangebiets sei nach dem Ergebnis des Geotechnischen Berichts – Hydrogeologisches Gutachten und Baugrund – der S. Baustoffprüfstelle vom 1. April 2021 (im Folgenden: hydrogeologisches Gutachten) nicht möglich. Um die Kapazität der bestehenden Mischwasserkanäle nicht zu überschreiten, sei mittels eines geplanten Regenrückhaltebeckens, bei dessen Dimensionierung (circa 680 cbm) ein 30-jähriges Regenereignis zugrunde gelegt worden sei, eine verzögerte Niederschlagswassereinleitung gewährleistet. Da das gesamte Gebiet ein durchgehendes Gefälle von Norden nach Süden habe, könnten weder auf den Grundstücken noch auf der Straßenoberfläche die erforderlichen Rückhalteräume realisiert werden. Daher sei die Straßenplanung so ausgerichtet, dass im Fall des Versagens der Entwässerungskanäle das Niederschlagswasser über die Mittelrinne der Straßenoberflächen in Richtung Regenrückhaltebecken abfließen könne. Auf der Höhe des Regenrückhaltebeckens sei die Straße in ihrem Querschnitt zu diesem hin geneigt, so dass das Niederschlagswasser bei Starkregen dorthin abgeleitet werde. Aus dem Regenrückhaltebecken werde das Niederschlagswasser stark gedrosselt in die vorhandene Kanalisation abgeleitet. Die im Plangebiet angelegten Schmutzwasserleitungen würden an den Mischwassersammler in der I.-L.-Straße angeschlossen. Die zugehörige Kläranlage habe laut Auskunft ihres Betreibers, des M., noch eine Reservekapazität, die durch die zusätzliche Bebauung im Plangebiet nicht ausgeschöpft werde.
19Die Antragsteller befürchten, dass infolge der Umsetzung der Planung ihr Wohnhaus durch Niederschlagswasser, das in Richtung ihres südöstlich an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks abfließe, und durch planbedingt steigendes Grundwasser beschädigt werde. Bereits jetzt drückten Niederschlagswasser und Grundwasser von Nordwesten gegen die Kellerwände ihres Wohnhauses.
20Einen schweren Nachteil in dem oben angesprochenen Sinne legen die Antragsteller damit nicht dar. Auch eine konkrete Betroffenheit der Antragsteller unterhalb der Schwelle des schweren Nachteils, die eine einstweilige Anordnung gebieten könnte, lässt sich nicht feststellen. Es ist nicht anzunehmen, dass die von den Antragstellern befürchteten Schäden an ihrem Wohnhaus infolge der Umsetzung des Bebauungsplans tatsächlich zu erwarten sein könnten.
21Das nach Umsetzung des Bebauungsplans auf den versiegelten Flächen im Plangebiet künftig anfallende Niederschlagswasser wird der Planung zufolge regelmäßig über die Kanalisation dem Regenrückhaltebecken zugeführt. Es wird weder versickern noch oberflächlich abfließen. Die Antragsgegnerin geht nachvollziehbar davon aus, dass die topographischen Verhältnisse im Plangebiet und die Anlage der dort vorgesehenen Straßen gewährleisteten, dass im Fall von Starkregenereignissen, die die Kanalisation im Plangebiet überlasten, das von dort oberflächlich abfließende Niederschlagswasser in das Regenrückhaltebecken gelangt. Zusätzlich zu dem planmäßigen gedrosselten Ablauf von 7 l/sec. werde das Regenrückhaltebecken noch mit einem Notablauf ausgestattet. Das über den Notablauf abfließende Wasser gelange über den im Bebauungsplan festgesetzten Fuß- und Radweg in Richtung der Straße C1., von wo aus es über den Straßengraben auf ihrer Südseite abfließen könne. Bei einer Überfüllung des Grabens würde das Niederschlagswasser auf die südlich angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen übertreten.
22Ausgehend hiervon vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die Annahme der Antragsgegnerin, das Grundstück der Antragsteller werde in keinem Fall dem aus dem Plangebiet abfließenden Niederschlagswasser ausgesetzt, grundlegend fehlerhaft sein könnte. Die Antragsteller stellen die Tauglichkeit des vorstehend beschriebenen Entwässerungskonzepts auch nicht grundsätzlich in Frage. Ihre Vermutung, die für das Plangebiet vorgesehenen Entwässerungsanlagen seien möglicherweise zu niedrig dimensioniert, weil die mit der Ausarbeitung des Entwässerungskonzepts betraute O. Ingenieurgesellschaft mbH (im Folgenden: O.) hinsichtlich der Flächen, die im Plangebiet versiegelt werden dürften, von falschen Ausgangswerten ausgegangen sein könnte, ist nicht berechtigt. Nach den Angaben in der von der O. im Auftrag der N. GmbH & Co. KG erstellten Netzanzeige (§ 57 Abs. 1 LWG NRW) vom 23. Februar 2022 (im Folgenden: Netzanzeige) beruhen die Berechnungen für die Dimensionierung des Regenrückhaltebeckens auf der Annahme, dass die kanalisierte Fläche circa 2,36 ha betrage. Ausgehend von der in der Planbegründung enthaltenen Flächenbilanz lässt sich nicht feststellen, dass diese Annahme fehlerhaft zu niedrig sein könnte. Das Vorbringen der Antragsteller zu einer ihrer Auffassung nach bestehenden Pflicht der Antragsgegnerin, einen Überflutungsnachweis nach der DIN 1986-100 zu erstellen beziehungsweise zu veröffentlichen, und zu dem diesbezüglichen, vermeintlich widersprüchlichen Vortrag der Antragsgegnerin führt ebenfalls nicht weiter. Mit der von ihnen insoweit zuletzt selbst in Bezug genommenen Netzanzeige soll der geforderte Überflutungsnachweis jedenfalls geführt werden können. Das Regenrückhaltebecken sei „sinngemäß für den Überflutungsnachweis nach DIN 1986-100 dimensioniert“. Auch in diesem Zusammenhang tragen die Antragsteller nichts Konkretes dazu vor, warum dem Überflutungsschutz mit der Dimensionierung des Regenrückhaltebeckens nicht ausreichend Rechnung getragen werde.
23Eine Schädigung des Wohnhauses der Antragsteller durch planbedingt verstärkt „drückendes Grundwasser“ ist ebenfalls nicht zu erwarten. Die Antragsgegnerin hat, was sich auch aus der Netzanzeige ergibt, unter Bezugnahme auf eine fachliche Stellungnahme der O. vom 22. März 2022 erläutert, dass um das Regenrückhaltebecken eine Ringdrainage in einer Tiefe von circa 1 bis 2 m unterhalb des Urgeländes angelegt werde, die an das Drosselbauwerk angeschlossen werden solle. Gegen das Regenrückhaltebecken drückendes unterirdisch fließendes Wasser aus dem Plangebiet werde daher schon im Bereich des Regenrückhaltebeckens drainiert und abgeführt. Die Antragsteller tragen auch hiergegen nichts Substantiiertes vor. Sie bemängeln in diesem Zusammenhang, dass die Messungen, auf die sich das hydrogeologische Gutachten stütze, im Sommer 2019 und damit in einer Zeit stattgefunden hätten, in denen die Grundwasserstände durch langanhaltende Trockenheit erheblich reduziert gewesen seien. Inwieweit dies zu einem erheblichen Fehler der Entwässerungsplanung geführt haben könnte, legen sie nicht dar. Ein solcher Fehler drängt sich auch nicht auf. In dem hydrogeologischen Gutachten, auf das sich die O. bei der Ausarbeitung der Entwässerungsplanung gestützt hat, werden Veränderungen der Grundwasserstände bei länger anhaltenden Regenfällen thematisiert.
24Dass sich die mit der Umsetzung der Planung verbundenen Veränderungen hinsichtlich der Beseitigung des auf den Flächen des westlich des Plangebiets liegenden Garagenhofs anfallenden Niederschlagswassers zu Lasten des Grundstücks der Antragsteller auswirken könnten, ist ebenfalls nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat erläutert, dass der Garagenhof über eine bestehende unmittelbar nördlich der südlichen Plangebietsgrenze verlaufende Leitung DN 150 in Richtung der Straße C1. entwässert werde. Diese Leitung münde an der südöstlichen Ecke des geplanten Regenrückhaltebeckens in dessen neue Ablaufleitung DN 300. Der Notwasserweg für die Entwässerung des Garagenhofs werde zukünftig auf die Straße nördlich der Bebauungsfläche WA 3.4 geführt. Von hier aus werde das Niederschlagswasser über die Straßenoberfläche in Richtung des Regenrückhaltebeckens abgeleitet. Ein Abfließen des auf dem Garagenhof anfallenden Niederschlagswassers in Richtung der Grundstücke südlich des Plangebiets einschließlich des Grundstücks der Antragsteller sei daher ausgeschlossen. Auch dem sind die Antragsteller nicht im Einzelnen entgegengetreten.
25Die auf die fachliche Stellungnahme der O. vom 22. März 2022 gestützten Ausführungen der Antragsgegnerin dazu, dass die Mischwasserkanäle in der Straße C1. und in der I.-L.-Straße für die Aufnahme der Abwässer aus dem Plangebiet ausreichend dimensioniert seien, greifen die Antragsteller nicht substantiiert an.
26Soweit die Antragsteller meinen, der Rat hätte jedenfalls die Einzelheiten des Entwässerungskonzepts bereits auf der Planungsebene festschreiben und nicht dem nachfolgenden Verfahren der Planumsetzung überlassen dürfen, verhilft dies ihrem Eilantrag ebenfalls nicht zum Erfolg.
27Eine hiermit geltend gemachte Verletzung des im Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB wurzelnden Gebots der Konfliktbewältigung zumal mit der Folge eines schweren Nachteils oder einer konkreten Betroffenheit in dem oben angesprochenen Sinne liegt nicht vor. Das Gebot der Konfliktbewältigung verlangt in dem hier vorliegenden Zusammenhang der Entwässerung, dass der Plangeber die durch seine Planung ausgelöste Entwässerungsproblematik grundsätzlich im Bebauungsplanverfahren löst und nicht zu Lasten der möglicherweise nachteilig Betroffenen letztlich offenlässt. Dies schließt es allerdings nicht aus, Problemlösungen aus dem Bebauungsplanverfahren auf ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren zu verlagern. Die Grenzen einer zulässigen Verlagerung einer Konfliktbewältigung in ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren sind allerdings überschritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offengelassene Interessenkonflikt dort nicht sachgerecht wird lösen lassen. Eine Verlagerung der Konfliktbewältigung ist mithin nur zulässig, wenn die Durchführung der Maßnahmen zur Konfliktbewältigung auf einer nachfolgenden Stufe möglich und sichergestellt ist. Der Plangeber muss sich im Aufstellungsverfahren einen Kenntnisstand verschaffen, der ihm im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses eine sachgerechte Beurteilung der Möglichkeit einer nachfolgenden Konfliktbewältigung erlaubt. Dies wiederum setzt voraus, dass er die Konfliktsituation erkennt und die Möglichkeit einer Konfliktbewältigung im nachgelagerten Verwaltungsverfahren aufklärt.
28Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24. Juli 2019 – 5 S 2405/17 –, juris, Rn. 37 ff., mit weiteren Nachweisen.
29Bei Erlass des Satzungsbeschlusses muss der Plangeber davon ausgehen können, dass das für das Baugebiet notwendige Entwässerungssystem in dem Zeitpunkt tatsächlich vorhanden und funktionstüchtig sein wird, in dem die nach dem Plan zulässigen baulichen Anlagen fertiggestellt und nutzungsreif sein werden.
30Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 – 4 CN 14.00 –, juris, Rn. 16; OVG NRW Urteil vom 15. Februar 2012 – 10 D 46/10.NE –, juris, Rn. 89.
31Diesen Anforderungen hat der Rat genügt. Er hat erkannt, dass es gerade mit Blick auf die topographischen und hydrogeologischen Verhältnisse im Plangebiet einer besonderen Betrachtung der Niederschlagswasserproblematik bedurfte. Ein Entwässerungskonzept für das Plangebiet wurde erarbeitet. Dieses hat der Rat seiner Planung zugrunde gelegt. Er hat insbesondere eine Fläche für die Anlage eines Regenrückhaltebeckens an geeigneter Stelle im Bebauungsplan festgesetzt. Nach Nr. 4 der textlichen Festsetzungen soll das Rückhaltevolumen mindestens 679 cbm betragen. Der Rat hat zudem den Straßenverlauf im Plangebiet durch die Festsetzung öffentlicher Verkehrsflächen und Straßenbegrenzungslinien und die Straßenhöhen nach Ausbauplanung in Metern über NHN geregelt und die unter anderem mit Leitungsrechten zugunsten der Versorgungsträger, der Stadt und der Anlieger zu belastenden Flächen festgesetzt. Damit waren die wesentlichen planerischen Voraussetzungen für die Umsetzung des Entwässerungskonzepts im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses erfüllt. Anhaltspunkte dafür, dass eine sachgerechte Umsetzung des Entwässerungskonzepts, die auf die Interessen der möglicherweise nachteilig Betroffenen ausreichend Rücksicht nimmt, im nachgelagerten wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren nicht möglich sein könnte, sind nicht ersichtlich. Ein ordnungsgemäßer Anschluss der einzelnen Baugrundstücke an das Entwässerungssystem, insbesondere die Zuführung des anfallenden Niederschlagswassers in das Regenrückhaltebecken, kann im Übrigen im jeweiligen Baugenehmigungsverfahren sichergestellt werden. Wenn der Rat bei der planerischen Konfliktbewältigung unter anderem berücksichtigt hat, dass die Eigentümer von Grundstücken, die unterhalb eines stark hängigen Plangebiets liegen, wegen der Lage ihrer Grundstücke situationsgebunden die Obliegenheit trifft, in einer ihnen wirtschaftlich zumutbaren Weise durch eigene technische Vorkehrungen in rückstaugefährdeten Untergeschossen möglichen Kellerüberflutungen bei Starkregenereignissen vorzubeugen, ist dies nicht zu beanstanden.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 – 4 CN 14.00 –, juris, Rn. 18.
33Soweit die Antragsteller im Übrigen eine fehlerhafte Berücksichtigung von Belangen des Klimaschutzes rügen, ist weder dargetan noch sonst erkennbar, dass sich hieraus ein sie selbst treffender schwerer Nachteil oder eine konkrete Betroffenheit in eigenen Rechten ergeben könnte, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen würde. Dies gilt auch, soweit sie einen Verstoß gegen die Grundsätze der Abwasserbeseitigung (§ 44 Abs. 1 LWG NRW in Verbindung mit § 55 Abs. 2 WHG) geltend machen.
34Die von den Antragstellern im Weiteren aufgeworfenen Fragen betreffend die Wirksamkeit des Bebauungsplans können in diesem Eilverfahren nach dem Vorstehenden offenbleiben.
35Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.
36Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
37Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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