Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 4842/19
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 4.326,80 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der ausdrücklich auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO und sinngemäß auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg.
3I. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 3.028,76 Euro für Aufwendungen für einen refraktiven Linsenaustausch mit Implantation von torischen Multifokallinsen abgewiesen und das Verfahren im Übrigen nach Klagerücknahme eingestellt. Zur Begründung der Klageabweisung hat es ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide vom 26. Januar 2018 und 30. April 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2018 seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf Gewährung von Beihilfen zu den Aufwendungen für die erfolgten Augenoperationen, da es an der Notwendigkeit der Aufwendungen fehle. Ob Aufwendungen notwendig seien, richte sich danach, ob sie medizinisch geboten seien. Die Implantation von torischen Multifokallinsen sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Aus beihilferechtlicher Sicht sei eine Operation am Auge zur Korrektur einer Fehlsichtigkeit nur dann medizinisch notwendig, wenn die Sehfähigkeit im gesamten Lebensbereich nicht in ausreichendem Maße durch das Tragen einer Sehhilfe ausgeglichen werden können. Eine Versorgung der Klägerin mit Hilfsmitteln (Gleitsichtbrille und Kontaktlinsen) wäre hier ausreichend gewesen. Die Beseitigung der Fehlsichtigkeit durch eine Augenoperation sei gegenüber einer Versorgung mit Hilfsmitteln beihilferechtlich nicht vorrangig. Eine Verweisung des Beamten auf Hilfsmittel sei möglich und zumutbar. Dies ergebe sich unter anderem aus der Regelung des § 3 Abs. 1 BVO NRW, der die Beseitigung und den Ausgleich von Körperschäden als gleichrangig ansehe. Ferner werde in § 4 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für medizinische Behandlungen nicht als vorrangig gegenüber der Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 4 Abs. 1 Nr. 10 BVO NRW) geregelt. Den von der Klägerin eingereichten Attesten und ärztlichen Bescheinigungen lasse sich nicht entnehmen, dass in ihrem Fall ausnahmsweise eine Kompensation der Fehlsichtigkeit mittels Hilfsmitteln nicht möglich gewesen sei. Die Klägerin habe die Unverträglichkeit einer Gleitsichtbrillenversorgung, gegebenenfalls in Kombination mit anderen Hilfsmitteln (z. B. Kontaktlinsen und Lesebrille), nicht ausreichend dargetan. Die Beklagte verweise zu Recht darauf, dass es für eine Beihilfefähigkeit der erfolgten Operationen nicht ausreiche, dass der refraktive Linsenaustausch bei der Klägerin zu einer Verbesserung der Gesundheit geführt habe. Die Notwendigkeit der Operation sei vielmehr durch den amtsärztlichen Dienst der Beklagten mehrfach verneint worden. Auch den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Belegen lasse sich nicht entnehmen, dass abweichend von der üblichen Behandlung mittels Brille oder Kontaktlinsen ein operativer Eingriff medizinisch zwingend erforderlich gewesen sei. Diese Unterlagen sprächen vielmehr dafür, dass auch ohne diesen Eingriff die Fehlsichtigkeit die Klägerin in ihrer Lebensqualität nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt habe. Der Stellungnahme der Augenärztin Dr. I. vom 20. Mai 2019 lasse sich nicht entnehmen, dass die Operation unumgänglich gewesen sei. Die von dieser Ärztin geforderte Korrektur der hohen Myopie und des Astigmatismus könne grundsätzlich auch durch Hilfsmittel wie Brille oder Kontaktlinsen erfolgen. Dass trotz noch hinnehmbarer Visuswerte allein wegen schlechterer Daten bei einer Fernbrille und zunehmender Unverträglichkeit von Kontaktlinsen nach Auffassung der Klägerin die medizinische Notwendigkeit vorliegen solle, überzeuge nicht. Zwar stelle Dr. I. fest, dass es bei trockenen Augen zu einer zunehmenden Kontaktlinsenunverträglichkeit kommen könne. Dass die Klägerin in einem Ausmaß an trockenen Augen leide, das eine Kontaktlinsenversorgung ausschließe, werde hingegen nicht ausdrücklich festgestellt. Auch retrospektiv werde nicht ausgeführt, dass bei der Klägerin bereits zum Operationszeitpunkt eine Kontaktlinsenunverträglichkeit bestanden habe. Stattdessen sei der Klägerin von Dr. T. noch im Jahr 2016 zu einer Linsenversorgung geraten worden, wenngleich sie die Kontaktlinsen lediglich max. sechs bis acht Stunden täglich hätte tragen sollen. Aus den Befunden von Dr. T. aus dem Jahr 2016 ergebe sich nur, dass „subjektiv“ eine Häufung von Migräne vorliege, die auf ein zunehmendes Druckgefühl der Augen (im Sinne von Kontaktlinsentragebeschwerden) zurückzuführen sei. Mögliche andere Ursachen der Migräne habe Dr. T. allerdings – soweit ersichtlich – nicht weiter in Betracht gezogen. Mit Blick auf die von der Klägerin geschilderte Versorgung von drei unterschiedlichen Gleitsichtbrillen in kurzen Zeitabständen sei hingegen nicht auszuschließen, dass Anpassungsschwierigkeiten und Eingewöhnungsphase diverse gesundheitliche Beschwerden hervorgerufen hätten. Soweit die Klägerin nunmehr Schwierigkeiten beim Tragen von Kontaktlinsen (Unverträglichkeit von Augentropfen), beim Wechsel der Gleitsichtbrille zu anderen Brillen sowie beim Wechsel von Gleitsichtbrille zu Kontaktlinsen beklage, seien diese Gesichtspunkte von den Augenärzten der Klägerin nicht angegeben bzw. bestätigt worden. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin Anpassungsprobleme bei der Verwendung von Geleitsichtbrillen unterstelle, sei davon auszugehen, dass jedenfalls nach einer Eingewöhnungszeit und korrekter Anpassung der jeweiligen Gleitsichtbrille für Zeitabschnitte, bei denen kaum ein Wechsel von Nah- und Fernsehen erfolge, auch andere Brillen (z. B. Lese- oder Bildschirmbrille) als Hilfsmittel hätten in Betracht gezogen werden könnten. Auch hätten die verschiedenen Hilfsmittel im Laufe des Tages gewechselt werden können. Zudem sei zu berücksichtigen, dass nach Angaben des Operateurs nach der Operation durch den Linsenaustausch lediglich „fast“ eine Brillenfreiheit anzustreben sei. Auch unter Fürsorgegesichtspunkten stehe der Klägerin kein Anspruch auf die geltend gemachte Beihilfe zu. Die Klägerin sei mit diversen Hilfsmitteln zweckmäßig, erfolgversprechend und ausreichend versorgt gewesen. Für die Angemessenheit der lediglich ergänzenden Beihilfe komme es auf ein traditionelles Anspruchsniveau der Beamtenschaft nicht an. Es sei auch nicht ersichtlich, dass es der Klägerin angesichts eines Fehlbetrages von ca. 3.000 Euro nicht zumutbar sei, diesen Differenzbetrag selbst aufzubringen. Da die Operationen bereits seit Sommer des Jahres 2017 beabsichtigt gewesen seien, habe die Klägerin auch über mehrere Monate Gelegenheit gehabt, hierfür Rücklagen zu bilden.
4II. Die Berufung hiergegen ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Dabei bedeutet „darlegen“ i. S. v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2013– 1 A 106/12 –, juris, Rn. 2 m. w. N.; ferner etwa Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 186, 194 m. w. N.
6Hiervon ausgehend rechtfertigt das – fristgerechte – Zulassungsvorbringen in der Antragsbegründungsschrift vom 22. Januar 2020 die begehrte Zulassung der Berufung weder wegen ernstlicher Zweifel an der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dazu 1.), wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, dazu 2.) noch wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, dazu 3.).
71. Eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung kommt nicht in Betracht.
8Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht unrichtig ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und konkret aufzeigen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen sie ernstlichen Zweifeln begegnen. Er muss insbesondere die konkreten Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art benennen, die er mit seiner Rüge angreifen will. Diesen Darlegungsanforderungen wird (beispielsweise) nicht genügt, wenn und soweit sich das Vorbringen in einer Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags erschöpft, ohne im Einzelnen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung einzugehen.
9Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2018 – 1 A 249/16 –, juris, Rn. 2 ff.
10Nach Maßgabe dieser Grundsätze zeigt das Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auf. Die Klägerin führt aus: Es sei schlechterdings falsch, dass ihre Augenärzte ihren ergänzenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung zur Alternativlosigkeit der Augenoperation nicht bestätigt hätten. Sie habe in der mündlichen Verhandlung dargestellt, dass sie die Kontaktlinsen kaum bis mittags tragen könne und Schmerzen wie bei einem Fremdkörper im Auge empfunden habe. Deshalb habe sie im April 2015 eine Gleitsichtbrille erhalten, die dann zu zunehmenden Kopfschmerzen geführt habe. Auch habe sie erläutert, dass die Gleitsichtbrille Sehfehler nicht habe so ausgleichen können wie Kontaktlinsen. Die wegen ihrer besseren Verträglichkeit empfohlenen weichen Kontaktlinsen hätten die Hornhautkrümmung allerdings nicht ausgleichen können. Zudem habe die Klägerin auch bei weichen Kontaktlinsen weiterhin Augentropfen nutzen müssen, sodass sie letztlich auf die Benutzung der Gleitsichtbrille angewiesen gewesen sei. Hier sei dann das Problem entstanden, dass sich der Visus wieder deutlich verschlechtert habe. Zu Beginn des Jahres 2017 sei die Situation für sie nicht mehr haltbar gewesen. Sie habe unter permanenten Hornhautreizungen, Schmerzen durch die Brille auf der Nase und einen nicht genügenden Ausgleich der Sehfehler gelitten und sogar Schmerzmittel eingenommen. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, nach einer Eingewöhnungszeit und korrekter Anpassung der jeweiligen Gleitsichtbrille hätten auch andere Hilfsmittel in Betracht gezogen werden können, beruhe auf der Einschätzung des Richters als Brillenträger und stehe im Gegensatz zu der ausdrücklichen Bestätigung im Attest vom 20. Mai 2019. Sie habe die Gründe, die eine Kontaktlinsenversorgung ausschlössen, in der mündlichen Verhandlung genau dargestellt. Das Verwaltungsgericht habe diese Angaben nicht widerlegt, sondern lediglich festgestellt, dass sie von den behandelnden Augenärzten nicht bestätigt worden seien. Dies habe die Klägerin mit ihrer Darlegung in der mündlichen Verhandlung entsprechend ergänzt. Mit dem Rat zu einer Linsenversorgung hätten die sie behandelnden Ärzte im Jahr 2016 lediglich eine nicht risikofreie Operation (zunächst) verhindern wollen. Es liege auf der Hand, dass ein behandelnder Arzt vor einer Operation jeden anderen Weg ausschöpfe.
11Dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
12Die Grundannahme des Verwaltungsgerichts, eine Operation am Auge zur Korrektur einer Fehlsichtigkeit sei nur dann medizinisch notwendig, wenn die Sehfähigkeit im gesamten Lebensbereich nicht in ausreichendem Maße durch das Tragen einer Sehhilfe ausgeglichen werden könne, greift die Klägerin mit der Zulassungsbegründung nicht an. Dass ihre Sehschwäche durch das Tragen eines Hilfsmittels nicht in ausreichendem Maße ausgeglichen werden kann, legt die Klägerin auch mit der Zulassungsbegründung nicht hinreichend dar. Insbesondere zieht die Klägerin die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Sehschwäche der Klägerin könne durch eine Gleitsichtbrille, gegebenenfalls in Kombination mit anderen Hilfsmitteln, ausreichend begegnet werden, nicht durchgreifend in Zweifel.
13Eine vollständige Kontaktlinsenunverträglichkeit ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin weder dem Attest von Frau Dr. I. vom 20. Mai 2019 noch dem Attest von Dr. T. vom selben Tag zu entnehmen. Frau Dr. I. führt zwar aus, dass es bei trockenen Augen zu einer zunehmenden Kontaktlinsenunverträglichkeit kommen könne. Dass die „Trockenheitsbeschwerden“, die sie feststellte, bereits ein solches Ausmaß angenommen haben, dass der Klägerin ein Tragen von Kontaktlinsen– auch nur stundenweise – nicht möglich ist, ist dem Attest von Frau Dr. I. allerdings nicht zu entnehmen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem genannten Attest von Dr. T. , der lediglich eine Begrenzung der Tragedauer auf 6-8 Stunden pro Tag empfahl.
14Auch unter Berichtigung des Zulassungsvorbringens ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass in Zeiten, in denen die Klägerin keine Kontaktlinsen tragen kann, ihre Sehschwäche durch eine Gleitsichtbrille oder durch andere Brillen hinreichend ausgeglichen werden kann. Allein der Umstand, dass durch eine Gleitsichtbrille der Sehfehler nicht vollständig korrigiert werden kann, begründet noch keine medizinische Notwendigkeit für eine Operation. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass der beim Tragen einer Gleitsichtbrille verbleibende Sehfehler sie in ihrer Lebensführung erheblich beeinträchtigt. Der schlichte Verweis auf einen „nicht genügenden Ausgleich der Sehfehler durch die Brille“ reicht nicht aus. Gegen eine erhebliche Beeinträchtigung spricht auch, dass vor der Operation ohne Korrektur eine Sehfähigkeit von 0,8 für beide Augen festgestellt worden ist. Diesen Sehfehler hat Dr. G. , Amtsarzt der Stadt X. in seiner Stellungnahme vom 5. Oktober 2017 als „gering“ bezeichnet. Auch soweit die Klägerin „Schmerzen durch die Brille auf der Nase“ beklagt, spricht dies nicht durchgreifend gegen eine Brillenversorgung. Es ist nicht ersichtlich, dass diesen Schmerzen nicht durch eine korrekte Einstellung der Brille begegnet werden kann.
15Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dem auch nicht das Attest von Frau Dr. I. vom 20. Mai 2019 entgegen. Dieses Attest belegt nicht, dass die Sehschwäche der Klägerin nicht durch eine Gleitsichtbrille, gegebenenfalls in Kombination mit anderen Brillen, in ausreichendem Umfang ausgeglichen werden kann. Allein der Umstand, dass sich mit der „Fernbrille ein schlechterer Visus“ ergibt als mit Kontaktlinsen, genügt nach dem Vorstehenden in Anbetracht des nur geringen Sehfehlers ohne Korrektur nicht. Dass eine Brillenversorgung aus anderen Gründen nicht in Betracht kommt, ist weder den vorgelegten Attesten nach dem sonstigen Zulassungsvorbringen nachvollziehbar zu entnehmen. Insbesondere belegen die Atteste nicht, dass die Klägerin durch die Gleitsichtbrille Kopfschmerzen bekommt. Auch die Ausführungen im Attest von Dr. T. vom 20. Mai 2019 zu der von der Klägerin geklagten Migräne beziehen sich auf „Contaktlinsen Tragebeschwerden“ und damit nicht auf das Tragen einer Gleitsichtbrille.
16Angesichts einer möglichen Brillenversorgung kommt es auch nicht darauf an, dass eine Lasik-Operation bei der Klägerin nicht möglich war.
172. Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
18Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn sich die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nach allgemeinen Auslegungsregeln und auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten lässt. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes ist die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
19Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 1989– 4 B 163.89 –, juris, Rn. 8; OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Februar 2018 – 1 A 2517/16 –, juris, Rn. 32, und vom 13. Oktober 2011 – 1 A 1925/09 –, juris, Rn. 31 f., m. w. N.
20In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht vor. Die Klägerin hat schon keine Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen, die sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich hält.
213. Eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf bzw. den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses regeln. Ein Verfahrensmangel ist nur hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird.
22Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2017– 5 B 10.17 –, juris, Rn. 19, m. w. N., und OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2019– 1 A 2216/18 –, juris, Rn. 21.
23Diesbezüglich führt die Klägerin aus, das Verwaltungsgericht habe im Urteil entgegen einer fachärztlichen Einschätzung eine eigene Einschätzung abgegeben, wie sie die medizinische Problematik selbst hätte verbessern können. Nach dem Grundsatz der Amtsaufklärung habe das Verwaltungsgericht hierzu Beweis erheben müssen, mindestens durch schriftliche Nachfrage bei Dr. I. .
24Diese sinngemäße Rüge eines Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO greift nicht durch. Nach dieser Vorschrift ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen bis hin zur Grenze der Zumutbarkeit aufzuklären, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Um eine Aufklärungsrüge erfolgreich geltend zu machen, ist substantiiert darzulegen, welche Tatsachen auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung durch einen unbedingten Beweisantrag oder jedenfalls eine sonstige Beweisanregung hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 7 B3.17 –, juris, Rn. 11; OVG NRW, Beschlüsse vom 19. April 2018 – 8 A 1590/16 –, juris, Rn. 42, und vom 22. Februar 2022 – 8 A 1687/21 –, juris, Rn. 42.
26Nach diesem Maßstab liegt keine Verletzung der Amtsermittlungspflicht vor. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2019 hat die anwaltlich vertretene Klägerin keinen unbedingten Beweisantrag gestellt. Auch hat sie nicht dargelegt, dass sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste. Wie ausgeführt belegen auch die von ihr vorgelegten Atteste der sie behandelnden Augenärzte nicht, dass die Klägerin auch bei Versorgung mit verschiedenen Brillen durch den verbleibenden Sehfehler in ihrem Leben durchgreifend beeinträchtigt ist.
27Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass mit den Stellungnahmen des Amtsarztes Dr. G. vom 5. Oktober 2017 und vom 18. September 2018 bereits zwei amtsärztliche Stellungnahmen vorliegen, nach denen keine Indikation zur Durchführung eines refraktiven Linsenaustausches mit Implantation von torischen Multifokallinsen bestand. Liegen bereits Gutachten oder Auskünfte vor, so steht es nach § 98 VwGO, §§ 404 Abs. 1, 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts, ob es zusätzliche Auskünfte oder Sachverständigengutachten einholt. Das Gericht kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht (sogar) auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen stützen, die – wie hier – von der zuständigen Behörde im vorausgehenden Verwaltungsverfahren eingeholt worden sind. Das Gericht ist nur verpflichtet, ein weiteres Gutachten einzuholen, wenn sich ihm auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung eine weitere Sachaufklärung aufdrängen muss, d. h. wenn das vorhandene Gutachten nicht (hinreichend) geeignet ist, dem Gericht die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Dies ist der Fall, wenn das vorliegende Gutachten auch für den Nichtsachkundigen erkennbare (grobe) Mängel aufweist, etwa nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruht, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters gibt. Die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens folgt hingegen nicht schon daraus, dass ein Beteiligter das vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält.
28Ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 6. Februar 1985 – 8 C 15.84 –, juris, Rn. 16, 23, m. w. N., sowie Beschlüsse vom 26. Februar 2008 – 2 B 122.07 –, juris, Rn. 29 f., vom 3. Februar 2010 – 2 B 73.09 –, juris, Rn. 9, und vom 16. Mai 2018 – 2 B 12.18 –, juris, Rn. 9; aus der – ebenfalls ständigen – Rechtsprechung des beschließenden Senats vgl. etwa die Beschlüsse vom 9. Juli 2013– 1 A 2509/11 –, juris, Rn. 27 f., vom 11. Oktober 2017 – 1 A 1511/16 –, juris, Rn. 17 f., vom 15. November 2017 – 1 A 2597/16 –, juris, Rn. 27 f., und vom 11. Dezember 2019 – 1 A 1815/17 –, juris, Rn. 13 f., jeweils m. w. N.
29Derartige Mängel der amtsärztlichen Stellungnahmen zeigt das Zulassungsvorbringen nicht im Ansatz auf.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
31Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 und 3 GKG.
32Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 124 1x
- 1 A 1925/09 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 2509/11 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 249/16 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 1815/17 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 2216/18 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 2517/16 1x (nicht zugeordnet)
- 8 A 1590/16 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 1x
- §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 und 3 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- 1 A 1511/16 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 2597/16 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 106/12 1x (nicht zugeordnet)
- 8 A 1687/21 1x (nicht zugeordnet)