Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 778/21.A
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
1
G r ü n d e
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen.
3Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2020– 1 A 1854/19.A –, juris, Rn. 3 f. m. w. N.
5Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung nicht.
6Der Kläger hat zwar den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung benannt; er hat aber weder eine entsprechende Rechts- oder Tatsachenfrage herausgearbeitet noch ist er konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit einer solchen Frage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingegangen.
7Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass er die Frage,
8ob es zulässig ist, dass das Verwaltungsgericht daraus, dass ein anwaltlich vertretener Asylbewerber an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat, Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit seines Verfolgungsschicksals zieht,
9für grundsätzlich bedeutsam hält, hätte der Kläger nicht darlegt, dass diese Frage klärungsbedürftig ist.
10Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn das Tatsachengericht im Einzelfall bei der Beurteilung des Vorbringens eines Klägers auch dessen Verhalten im Verfahren würdigt und dabei auch sein Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung berücksichtigt. Dies könne Anhaltspunkt für die Art seiner Einlassung sowie für die Einschätzung seiner Persönlichkeit und damit für Umstände sein, die bei der Würdigung und Prüfung der Frage, ob der Asylbewerber gute Gründe für eine Furcht vor Verfolgung zur Gewissheit des Gerichts dargetan habe, eine entscheidende Rolle spielen könnten. Es gebe aber keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass ein zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht erschienener Asylbewerber keinen Asylgrund habe. Abgesehen von triftigen Verhinderungsgründen wie Krankheit, räumlicher Entfernung oder beruflicher Inanspruchnahme sei denkbar, dass ein Asylbewerber aus Angst oder aus der Überlegung heraus dem Termin fernbleibe, seine Rechtssache werde vor Gericht durch seinen Prozessbevollmächtigten ausreichend oder besser vertreten als durch ihn selbst. Wolle das Verwaltungsgericht das Fernbleiben eines anwaltlich vertretenen Asylbewerbers von der mündlichen Verhandlung bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens zu seinen Lasten berücksichtigen, so habe es zu prüfen und darzulegen, dass und warum dieses im konkreten Einzelfall den Rückschluss auf sein Desinteresse am Ausgang des Verfahrens und darüber hinaus auf das Fehlen eines Asylgrundes gestatte. Andererseits sei der Asylbewerber im Rahmen seiner sich aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO ergebenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, die konkreten Gründe für sein Fernbleiben dem Verwaltungsgericht offenzulegen, wenn er eine für ihn nachteilige Schlussfolgerung des Gerichts vermeiden wolle.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1983 – 9 C 1036.82 –, juris, Rn. 9 ff.
12Mit dieser Rechtsprechung setzt sich der Kläger nicht im Ansatz auseinander und zeigt etwa darüber hinausgehenden Klärungsbedarf auf.
13Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe konkret in seinem Fall unzulässige Rückschlüsse aus seinem persönlichen Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung gezogen, macht er allein (ernstliche) Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend. Hierbei handelt es sich jedoch von vornherein nicht um einen Zulassungsgrund im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylG.
14Selbst wenn der Kläger mit dem Vortrag, das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft sein Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung zu seinen Lasten verwertet, noch sinngemäß den Zulassungsgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) geltend machen wollte, hätte er auch diesen nicht hinreichend dargelegt. Er hat schon nicht angegeben, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.
15Vgl. zu dieser Voraussetzung einer begründeten Gehörsrüge etwa: OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2022 – 1 A 237/21.A –, juris, Rn. 11 f. m. w. N.
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
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Referenzen
- 1 A 1854/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 237/21 1x (nicht zugeordnet)