Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 22 A 369/20
Tenor
Die Anträge werden abgelehnt.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die im Zulassungsverfahren entstandenen Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu je ½. Im Übrigen findet ein Kostenausgleich nicht statt.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 91.980,- Euro festgesetzt.
Gründe:
1Die auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO (Beklagter) bzw. § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO (Beigeladene) gestützten Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.
21. Ernstliche Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus den insoweit maßgeblichen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Zulassungsvorbringen des Beklagten und der Beigeladenen nicht.
3Zur Darlegung des Zulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bedarf es einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist in substanziierter Weise an der Gedankenführung des Verwaltungsgerichts orientiert aufzuzeigen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. In der Sache liegen ernstliche Zweifel vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
4Derartige Zweifel wecken weder das Antragsvorbringen des Beklagten noch das der Beigeladenen.
5Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf Verpflichtung zur Neubescheidung des auf die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides zur Errichtung einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-101 (Nabenhöhe 149 m, Gesamthöhe 199,5 m) auf dem Grundstück Gemarkung U. , Flur 6, Flurstück 85 in L. gerichteten Antrags der Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, die 1. Änderung des Flächennutzungsplanes vom 11. Oktober 2017, auf die sich der Beklagte bei seiner Ablehnungsentscheidung gestützt habe, sei wegen mindestens eines formellen Fehlers und einer Vielzahl materieller Mängel unwirksam. Zur Begründung einer bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens könne sich der Beklagte auch nicht auf den Flächennutzungsplan der Beigeladenen vom 11. Dezember 2008 oder die 20. Änderung ihres (damaligen) Flächennutzungsplans vom 1. Oktober 1998 berufen. Beide Pläne seien nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden; es habe an einem den Geltungsbereich verdeutlichenden Hinweis und an der Erkennbarkeit einer unmittelbaren Rechtswirkung gefehlt. Im Hinblick auf den Flächennutzungsplan vom 11. Dezember 2008 komme hinzu, dass dieser durch Aushang bekanntgemacht worden sei, ohne dass ein Hinweis hierauf im Amtsblatt oder in einer Tageszeitung erfolgt sei. Zudem litten beide Pläne an durchgreifenden, noch beachtlichen Fehlern im Abwägungsvorgang und im Abwägungsergebnis. Die Kammer habe bereits mehrfach entschieden, dass es (auch) insoweit an einem schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzept fehle.
6Diesen im Einzelnen jeweils eingehend begründeten Ausführungen des Verwaltungsgerichts setzen die Zulassungsvorbringen nichts Erhebliches entgegen, das im oben genannten Sinne zu ernstlichen Zweifeln an der (Ergebnis-)Richtigkeit der Entscheidung führen könnte.
7a) Der Beklagte stellt die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die 1. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen vom 11. Oktober 2017 sei wegen der aufgeführten Vielzahl von Planungsmängeln unwirksam, nicht substanziiert in Frage, sondern beschränkt sich insoweit auf vorliegend ersichtlich nicht zielführende rechtspolitische Erwägungen zu angeblich nicht erfüllbaren Planungsanforderungen. Ausgehend hiervon zeigt der Beklagte dann nicht auf, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, auch die früheren Konzentrationszonenplanungen der Jahre 1998 und 2008 seien unwirksam, in entscheidungserheblicher Weise ernstlich zweifelhaft sein könnte.
8In diesem Zusammenhang mag dahinstehen, ob die Darstellung zu angeblichen, nicht aktenkundigen Äußerungen des früheren Vorsitzenden des 8. Senates des beschließenden Gerichts in früheren Verfahren (Seite 4 des Begründungsschriftsatzes vom 2. März 2020) zutrifft. Eine wie immer geartete Bindungs- oder auch nur Präjudizwirkung ergäbe sich daraus jedenfalls nicht.
9Soweit sich der Zulassungsvortrag im Anschluss unter 3. c) eingehend mit der Rechtsprechung der Bausenate des beschließenden Gerichts (und des Niedersächsischen OVG) zu den auch vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten, hier nicht erfüllten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bekanntmachung eines Flächennutzungsplanes, der die Rechtsfolgen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeiführen soll, befasst und in diesem Kontext ernstliche Zweifel in erster Linie wegen einer fehlenden höchstrichterlichen Bestätigung geltend macht, genügt der Hinweis, dass diese inzwischen durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2020 - 4 CN 2.19 -, BVerwGE 170, 26 erfolgt ist.
10Nochmals bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2022 - 4 BN 39.21 -, BauR 2022, 1025 = juris Rn. 7; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 7 B 304/22.AK -, juris Rn. 25 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 24. Juni 2021 - 12 KN 191/20 -, juris.
11Im Anschluss daran hat sich auch der 8. Senat des beschließenden Gerichts diese Rechtsprechung zu Eigen gemacht.
12Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 - 8 A 1183/18 -, ZNER 2021, 308 = juris Rn. 133 ff.
13Vor diesem Hintergrund sieht der beschließende Senat keinen Anlass, diese gefestigte Rechtsprechung einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen, zumal die inhaltlichen Ausführungen des Beklagten nicht überzeugen können. Dies gilt namentlich für die Überlegungen zu einer Vorrangzonenplanung auf der Ebene der Regionalplanung. Eine solche steht hier nicht in Rede, sodass dahingestellt bleiben kann, wann in einem solchen Fall von einer hinreichenden, den Anforderungen des Rechtsstaatsgebotes genügenden Bekanntmachung ausgegangen werden könnte. Dass dieses zumindest verlangt, dass der Normunterworfene erkennen kann, dass eine Norm mit unmittelbarer Außenwirkung in Kraft gesetzt wird, bedarf aus Sicht des Senats indes keiner weiteren Erläuterung. Eine solche Rechtswirkung ist aber mit einem Flächennutzungsplan regelmäßig gerade nicht verbunden und bedarf deshalb der hinreichenden Verdeutlichung in der Bekanntmachung. Insoweit geht es auch nicht um eine „Anstoßfunktion“, sondern um eine verlässliche Information über das für den Einzelnen geltende Recht. Schon deshalb ist es auch nicht von Belang, ob Kommunen zumindest früher in Verkennung der Rechtslage diese Anforderungen regelmäßig nicht beachtet haben. Dieses dürfte im Übrigen eher damit zusammenhängen, dass trotz der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 2003 ‑ 4 CN 6.03 - und vom 21. Oktober 2004 - 4 C 2.04 - die Rechtsnormqualität der Flächennutzungspläne mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht hinreichend gewürdigt wurde. Inwieweit dem hier vertretenen Verständnis der Wortlaut des § 6 Abs. 5 BauGB in Anbetracht der ebenfalls primär auf eine Bekanntmachung der Genehmigung abstellenden Formulierung des § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen sollte, erschließt sich dem Senat im Weiteren nicht.
14Die unter 3. d) wohl vertretene Auffassung des Beklagten, die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Bekanntmachungsanforderungen im Hinblick auf die Kennzeichnung, dass eine Ausschlussplanung verfolgt wird, und deren räumliche Konturierung dürften jedenfalls nicht auf die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans vom 11. Dezember 2008 angewandt werden, stellt - ungeachtet der unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Erkennbarkeit des ausnahmsweise diesem Flächennutzungsplan in Teilen zukommenden Normcharakters ohnehin fehlenden inhaltlichen Überzeugungskraft der Überlegungen - die Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung schon deshalb nicht in Frage, weil das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang entscheidungstragend auch auf einen weiteren Bekanntmachungsmangel in Form der Verletzung des § 4 Abs. 1 lit. c BekanntmVO in der damals (und in der Sache weiterhin, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) geltenden Fassung abgestellt hat. Der für die gewählte Bekanntmachungsform durch Anschlag (Aushang) erforderliche zusätzliche Hinweis im Amtsblatt oder in der Tageszeitung sei offensichtlich nicht erfolgt. Hierauf geht wiederum die Begründung des Zulassungsantrags des Beklagten mit keinem Wort ein; sie zeigt insbesondere nicht auf, dass diese Feststellung des Verwaltungsgerichts fehlerhaft sein könnte.
15Vor diesem Hintergrund kommt es letztlich nicht mehr darauf an, ob die in Rede stehenden Planungen auch materiell fehlerhaft und ob diese Mängel ggf. nach § 215 BauGB in der jeweils einschlägigen Fassung unbeachtlich geworden sind. In diesem Zusammenhang merkt der Senat indes an, dass jedenfalls die Änderungsplanung aus dem Jahr 1998 nach den vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Maßstäben des beschließenden Gerichts aus den vom Verwaltungsgericht angeführten, von dem Beklagten als solche nicht in Zweifel gezogenen Gründen offensichtlich an einem Bekanntmachungsmangel leidet, der auf den Hinweis nach § 215 Abs. 2 BauGB a. F. durchschlägt, so dass auch etwaige Rügefristen nicht zu laufen begonnen haben.
16Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2022 - 4 BN 39.21 -, BauR 2022, 1025 = juris Rn. 6 f.
17Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen die bis zum Inkrafttreten des EAG Bau im Jahr 2004 auch Fehler im Abwägungsergebnis erfassende Ausschlussfrist des § 215 BauGB a. F. verfassungskonform einzuschränken ist und ob diese Anforderungen hier gegeben wären, kommt es mithin von vornherein nicht an. Demgegenüber erfassen die seit 2004 geltenden Fassungen des § 215 BauGB Mängel im Abwägungsergebnis nicht (mehr). Einen solchen hat hier indes das Verwaltungsgericht mit Blick auf eine angesichts der Größenrelationen objektiv zumindest naheliegende Feigenblattplanung für den Flächennutzungsplan 2008 in ohne Weiteres nachvollziehbarer Weise konstatiert, ohne dass der Beklagte dem inhaltlich argumentativ entgegengetreten wäre.
18Schließlich mag dahinstehen, ob die Auffassung des Beklagten zutrifft, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei deshalb fehlerhaft, weil es aus den Verkündungsmängeln jeweils auf die Unwirksamkeit des Flächennutzungsplanes insgesamt und nicht nur im Hinblick auf die intendierte Ausschlusswirkung geschlossen habe. Denn selbst wenn man die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur zutreffenden Tenorierung im prinzipalen Normenkontrollverfahren auf eine Inzidentprüfung übertragen wollte ‑ was allerdings wegen der fehlenden Allgemeinverbindlichkeit einer solchen inzidenten Feststellung mindestens fernliegt - und den Ausführungen des Verwaltungsgerichts eine solche Aussage entnehmen wollte, wäre dieser Fehler jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Denn entscheidungstragend war für das Verwaltungsgericht offenkundig allein die fehlende Ausschlusswirkung der Konzentrationszonenplanung, nicht aber die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit sonstiger Darstellungen des Flächennutzungsplans.
19b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergeben sich auch nicht aus dem Zulassungsvorbringen der Beigeladenen. Im Gegensatz zum Beklagten wendet sich die Beigeladene in diesem Zusammenhang ausschließlich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die 1. Änderung des Flächennutzungsplans vom 11. Oktober 2017 sei aus formellen und materiellen Gründen unwirksam.
20Es kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht zu Recht bereits von durchgreifenden formellen Mängeln ausgehen konnte. Insoweit trifft zwar der Einwand der Beigeladenen zu, dass die Offenlegungsbekanntmachung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen der auf die damalige Rechtsprechung des beschließenden Gerichts gestützten Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden ist.
21Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2021 - 4 BN 50.20 -, BauR 2021, 1559 = juris Rn. 4 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 17. November 2021 - 2 B 1460/21.NE -, juris Rn. 21.
22Die weitere vom Zulassungsvortrag der Beigeladenen thematisierte Frage, ob ein hinreichender Ausschluss befangener Ratsmitglieder konstatiert werden kann, hat das Verwaltungsgericht hingegen offengelassen. Insoweit merkt der Senat vorsorglich an, dass hieran vor dem Hintergrund des § 31 Abs. 4 GO NRW jedenfalls erhebliche Zweifel bestehen. Ein schlichtes „Abrücken“ der befangenen Ratsmitglieder vom Sitzungstisch dürfte danach offenkundig nicht ausreichen. Zugleich bestehen keine Zweifel daran, dass der Wortlaut des § 31 Abs. 4 GO NRW auch im Gemeindegebiet der Beigeladenen Vorrang vor lokalen Besonderheiten und Traditionen hat. Die Ratsmitglieder wären also jedenfalls gut beraten, sich in Zukunft an diesem Wortlaut des Gesetzes zu orientieren und sich entsprechend zu verhalten.
23Dies bedurfte hier indes keiner abschließenden Entscheidung, weil das Zulassungsvorbringen jedenfalls keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen lässt, dass das Verwaltungsgericht zu Recht von der materiellen Fehlerhaftigkeit der 1. Änderung des Flächennutzungsplanes vom 11. Oktober 2017 ausgegangen ist. Insoweit hat es zahlreiche Mängel detailliert aufgeführt, die jeweils für sich genommen zur Unwirksamkeit des Flächennutzungsplanes führen.
24Ist das angefochtene Urteil - wie hier - auf mehrere, die Entscheidung jeweils selbstständig tragende Begründungen gestützt, muss in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht werden und vorliegen.
25Vgl. nur Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 196, m. w. N. zur Rechtsprechung.
26Angesichts dessen bedarf es an dieser Stelle keiner abschließenden Feststellung, ob diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts in allen Einzelpunkten den Angriffen der Beigeladenen standhalten. Denn es lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass die insgesamt wenig substanziierten Einwände der Beigeladenen jede dieser Annahmen zu durchgreifenden Abwägungsmängeln der Flächennutzungsplanung ernstlich zweifelhaft erscheinen ließen.
27Dies gilt schon deshalb, weil die Begründung des Zulassungsantrages sich zu verschiedenen vom Verwaltungsgericht aufgeführten Planungsfehlern überhaupt nicht verhält, sondern lediglich einzelne Aspekte selektiv herausgreift. Sie geht namentlich nicht darauf ein, dass und warum das Verwaltungsgericht mit der Einschätzung fehlliegen könnte, in der Konzentrationszonenplanung seien zu Unrecht im Flächennutzungsplan dargestellte Wohnbauflächen, gemischte Bauflächen und gewerbliche Bauflächen als harte Tabuzonen behandelt worden. Allein die Darstellung im Flächennutzungsplan begründet kein rechtliches oder tatsächliches Hindernis.
28Vgl. OVG NRW, Urteile vom 20. Januar 2020 - 2 D 100/17.NE -, ZNER 2020, 142 = juris Rn. 135 ff., und vom 6. März 2018 - 2 D 95/15.NE -, DVBl. 2018, 950 = juris Rn. 139 ff.; so auch - bezogen auf eine im Flächennutzungsplan dargestellte Vorrangzone für Bodenabbau - Nds. OVG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - 12 KN 216/13 -, BauR 2016, 470, 473 f.; für Siedlungsflächen auch Nds. OVG, Urteil vom 13. Juli 2017 - 12 KN 206/15 -, DVBl. 2017, 1303, 1304.
29Gleiches gilt für die vom Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der weichen Tabukriterien bemängelten Vorsorgeabstände zu Siedlungsbereichen und zu FFH-Gebieten, regionalplanerisch festgelegten BSN und Naturschutzgebieten. Die Vorsorgeabstände zu Siedlungsbereichen (weiches Tabu) werden auf Seite 7 des Begründungsschriftsatzes lediglich in der Überschrift angesprochen, jedoch nicht inhaltlich behandelt. Auf die Begründung des Verwaltungsgerichts, dass und warum die Berücksichtigung von Vorsorgeabständen von 500 bzw. 200 m um Schutzgebiete (Einzelfallkriterium) in der vorliegenden Form jenseits der Frage, ob es sich bei den Gebieten selbst um harte Tabuzonen handelt, nicht nachvollzogen werden könne (Urteilsausfertigung Seiten 29-31), geht die Beigeladene an dieser Stelle ebenfalls nicht ein.
30Auch soweit sie vom Verwaltungsgericht herausgearbeitete Abwägungsfehler thematisieren, sind die Ausführungen der Zulassungsbegründung jedenfalls weitestgehend nicht geeignet, Zweifel an den einschlägigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu wecken. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit gilt dies namentlich nicht für die Annahme der Beigeladenen, für die vom Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit Ziel 5 des Gebietsentwicklungsplans für den Regierungsbezirk Detmold - Teilabschnitt: Oberbereich Bielefeld - dargelegten Mängel der Regionalplanung, die sie als solche nicht in Zweifel zieht, sei sie nicht verantwortlich zu machen. Dass die Berufung auf eine vorgebliche Bindung nicht durchgreift, entspricht der ständigen höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung, die die Beigeladene vollständig ausblendet.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2003 - 4 CN 14.01 -, BVerwGE 117, 351 = juris Rn. 25; OVG NRW, Urteile vom 17. Januar 2019 - 2 D 63/17.NE -, juris Rn. 112 ff., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2019 - 4 BN 30.19 -, ZfBR 2020, 373 = juris, vom 6. März 2018 - 2 D 95/15.NE -, DVBl. 2018, 950 = juris Rn. 131 ff., und vom 3. September 2009 - 10 D 121/07.NE -, ZNER 2009, 284 = juris Rn. 96 ff.
32Denn auch eine interne Bindung ändert an der objektivrechtlichen, vom Verwaltungsgericht im Einzelnen im Einklang mit der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts begründeten Feststellung, dass dem Gebietsentwicklungsplan insoweit keine wirksamen Zielfestsetzungen entnommen werden können, nichts. Dies mag allenfalls die subjektive Verantwortung für den damit verbundenen Planungsfehler verlagern; diese Frage spielt im hiesigen Verfahren indes keine Rolle. Denn dies liefe darauf hinaus, dass die potenzielle Rechtsverletzung durch eine unzulässige Negativplanung auf Ebene der Raumordnung durch den hiervon Betroffenen nicht beseitigt werden könnte; eine Anfechtungsmöglichkeit Privater gegen Regionalpläne war in NRW jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht gegeben. Ein „Schuldvorwurf“ gegenüber der Beigeladenen ist mit der getroffenen Feststellung demgegenüber nicht verbunden. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht in diesem Kontext auch - zutreffend - ausgeführt, dass der Regionalplan die Vorgaben des Landesentwicklungsplans nicht hinreichend beachtet, an den wiederum die Beigeladene ebenfalls gebunden ist. Mit gleichem Recht wäre im Übrigen nach der Argumentation der Beigeladenen jegliche Inzidentkontrolle eines Bauleitplans in einem Genehmigungsverfahren nicht statthaft, nachdem die Genehmigungsbehörde hieran ebenfalls grundsätzlich gebunden ist. Diese Auffassung wird indes - soweit ersichtlich - zu Recht nicht vertreten.
33Die Ausführungen der Beigeladenen zur aus Sicht des Verwaltungsgerichts fehlerhaften Behandlung von Waldflächen gehen an dessen Argumentation vorbei. Das Verwaltungsgericht hat insoweit auf den Seiten 25-27 seines Urteils dezidiert und detailliert ausgeführt, dass schon nach der Planbegründung selbst eine pauschale Herausnahme sämtlicher Waldflächen nicht gerechtfertigt ist. Auf den prozentualen Anteil der Waldflächen im Stadtgebiet hat das Verwaltungsgericht an dieser Stelle hingegen nicht abgestellt, sondern dies in anderem Zusammenhang, nämlich im Hinblick auf eine hier nicht gegebene Waldarmut, angesprochen. Im Übrigen liegt es entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht in ihrem freien planerischen Ermessen, ob bzw. in welchem Umfang sie Waldflächen als weiches Tabukriterium heranziehen darf. Insoweit ist sie vielmehr an die Anforderungen an ein schlüssiges Gesamtkonzept bei der planerischen Ausweisung gebunden.
34Vgl. in diesem Zusammenhang schon OVG NRW, Urteil vom 6. März 2018 - 2 D 95/15.NE -, DVBl. 2018, 950 = juris Rn. 62, 184 ff.
35Diesen ist sie hier indes aus den vom Verwaltungsgericht zutreffend angeführten Gründen nicht gerecht geworden.
36Im Hinblick auf die unter I. 2. a) cc) angesprochenen Potenzialflächen gehen die Überlegungen der Beigeladenen ebenfalls weitestgehend an den Ausführungen des Verwaltungsgerichts vorbei. Dieses hat nämlich nicht, wie die Beigeladene offenbar meint, die Berücksichtigungsfähigkeit einer Mindestgröße von Vorrangzonen dergestalt, dass sie mindestens drei Windenergieanlagen aufnehmen können, generell verneint, sondern - neben berechtigter Kritik an den ergänzend gewählten Ausnahmekriterien „benachbart“ und „in der örtlichen Erscheinung“ für kleinere Vorrangflächen, die die Beigeladene schlicht ignoriert - im Hinblick auf die dargestellten Vorrangzonen 7 und 8 sowie 1 und 2 festgestellt, dass sich die Beigeladene an eine solche vermeintliche Vorgabe tatsächlich nicht gehalten hat, wie dies bei einem weichen Tabukriterium erforderlich gewesen wäre. Hierauf wiederum geht die Begründung des Zulassungsantrages nicht ein.
37Schließlich beruhen auch die Ausführungen unter I. 2. b) auf einer allenfalls partiellen Berücksichtigung der erstinstanzlichen Entscheidung. Zur Frage, ob die Flächennutzungsplanung die Maßgabe erfüllt, der Nutzung der Windenergie substanziell Raum zu verschaffen, hat das Verwaltungsgericht nicht, wie die Beigeladene wohl annimmt, allein den hier nach Abzug der harten Tabuzonen verbleibenden Anteil der Vorrangflächen von 4,1 % der für die Windkraftnutzung potenziell zur Verfügung stehenden Gemeindefläche für sich genommen und generell als unzureichend betrachtet, sondern im Kern moniert, dass dieser vergleichsweise geringe Anteil der Beigeladenen keinen Anlass gegeben habe, ihr Standortkonzept und die Auswahl der weichen Tabukriterien noch einmal einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Dass dies erforderlich ist, entspricht indes langjähriger höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung.
38Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 4 CN 1.11 -, BVerwGE 145, 231 = juris Rn. 18 f.; OVG NRW, Urteile vom 22. September 2015 ‑ 10 D 82/13.NE -, ZfBR 2016, 52 = juris Rn. 79, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 12. Mai 2016 - 4 BN 49.15 -, juris Rn. 4 ff., vom 20. Januar 2020 - 2 D 100/17.NE -, BauR 2020, 1120 = juris Rn. 231 ff., vom 24. September 2020 - 7 D 64/18.NE -, juris Rn. 57, und vom 10. Mai 2021 - 2 D 100/19.NE -, juris; vgl. auch VerfGH NRW, Urteil vom 1. Dezember 2020 - VerfGH 10/19 -, ZNER 2021, 56 = juris Rn. 83; Nds. OVG, Urteil vom 7. Februar 2020 - 12 KN 75/18 -, BauR 2020, 758 = juris Rn. 99 ff.
39Insoweit hat das Verwaltungsrecht auch zutreffend zugrunde gelegt, dass nach der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts bei einem entsprechenden Flächenanteil von 10 % regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass mit der Flächennutzungsplanung der Windkraft ausreichend Raum verschafft wird, das gesamträumliche Konzept jedoch umso stärker zu hinterfragen ist, je weiter dieser Wert verfehlt wird.
40Ausführlich hierzu OVG NRW, Urteile vom 22. September 2015 ‑ 10 D 82/13.NE -, ZfBR 2016, 52 = juris Rn. 85 ff., und vom 14. März 2019 - 2 D 71/17.NE -, ZUR 2019, 550 = juris Rn. 183 ff.; Tyczewski, BauR 2014, 934, 947.
41Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht zweifellos zu Recht angenommen, dass bei der hier vorliegenden deutlichen Verfehlung dieses Anteils eine erneute Prüfung unabdingbar gewesen wäre. Hiermit wiederum setzt sich die Beigeladene nicht auseinander.
422. Vor diesem Hintergrund weist die Rechtssache auch nicht die von dem Beklagten und der Beigeladenen gesehenen besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Weitergehende, entscheidungserhebliche und nicht bereits unter 1. erschöpfend erörterte Aspekte zeigt jedenfalls das Zulassungsvorbringen des Beklagten nicht auf. Insbesondere sind die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bekanntmachung von Flächennutzungsplänen, die die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeiführen sollen, jedenfalls soweit sie hier von Bedeutung sind, hinreichend geklärt.
43Demgegenüber können die Erwägungen der Beigeladenen dazu, dass mit den früheren Flächennutzungsplanungen der Windkraft entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bereits substanzieller Raum geschaffen worden sei, jenseits ihrer fehlenden inhaltlichen Überzeugungskraft aufgrund der auch hier fehlenden Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung und der gefestigten Rechtsprechung im Übrigen, schon deshalb keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen, weil das Verwaltungsgericht - wie ausgeführt zu Recht - insoweit (auch) von einer Unwirksamkeit der Flächennutzungspläne aus formellen Gründen ausgegangen ist. Hierzu verhält sich die Beigeladene in der Begründung ihres Zulassungsantrages indes mit keinem Wort.
443. Aus dem Zulassungsvorbringen des Beklagten ergibt sich schließlich nicht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hätte. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im betreffenden Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substanziiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
45Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht. Der Beklagte formuliert schon keine konkrete Frage, die aus seiner Sicht klärungsbedürftig sein soll, sondern regt letztlich nur an, auch der - damals zuständige - 8. Senat solle als Immissionsschutzsenat über die in der Rechtsprechung der Bausenate des beschließenden Gerichts geklärten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bekanntmachung von Flächennutzungsplänen entscheiden. Abgesehen davon, dass es sich hierbei gerade nicht um eine immissionsschutzrechtliche Fragestellung handelt und der 8. Senat des beschließenden Gerichts in seinem Urteil vom 1. März 2021 - 8 A 1183/18 -, ZNER 2021, 308 = juris Rn. 133 ff., diese Entscheidung bereits getroffen hat, ist die höchstrichterliche Klärung inzwischen - wie ausgeführt - jedenfalls insoweit erfolgt, wie dies vorliegend entscheidungserheblich sein könnte. Weitergehender Klärungsbedarf besteht mithin nicht mehr.
46Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 1 VwGO.
47Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.4, Nr. 19.1.2 und Nr. 19.1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
48Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit der Ablehnung der Zulassungsanträge ist das angefochtene Urteil rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 215 BauGB 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124 6x
- VwGO § 124a 1x
- § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB 3x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 5 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 1 lit. c BekanntmVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 215 Abs. 2 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 31 Abs. 4 GO 2x (nicht zugeordnet)
- 7 B 304/22 1x (nicht zugeordnet)
- 12 KN 191/20 1x (nicht zugeordnet)
- 8 A 1183/18 2x (nicht zugeordnet)
- 2 B 1460/21 1x (nicht zugeordnet)
- 2 D 100/17 2x (nicht zugeordnet)
- 2 D 95/15 3x (nicht zugeordnet)
- 12 KN 216/13 1x (nicht zugeordnet)
- 12 KN 206/15 1x (nicht zugeordnet)
- 2 D 63/17 1x (nicht zugeordnet)
- 10 D 121/07 1x (nicht zugeordnet)
- 10 D 82/13 2x (nicht zugeordnet)
- 7 D 64/18 1x (nicht zugeordnet)
- 2 D 100/19 1x (nicht zugeordnet)
- 12 KN 75/18 1x (nicht zugeordnet)
- 2 D 71/17 1x (nicht zugeordnet)