Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 B 851/22
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 1. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
31. Die gegen die Ablehnung der begehrten Zwischenentscheidung gerichtete Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthaft. Hiernach steht den Beteiligten gegen alle Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in der Verwaltungsgerichtsordnung etwas anderes bestimmt ist. Eine abweichende Bestimmung in diesem Sinne greift vorliegend nicht ein. Die Beschwerdemöglichkeit ist insbesondere nicht nach § 146 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen. Eine vom Verwaltungsgericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes getroffene Zwischenentscheidung bzw. deren Ablehnung stellt keine – insoweit nur in Betracht kommende – prozessleitende Verfügung i. S. v. § 146 Abs. 2 VwGO dar. Denn sie bezieht sich nicht allein auf den äußeren, förmlichen Fortgang des Verfahrens. Sie trifft vielmehr eine sachliche, wenn auch nur befristete Entscheidung über das vorläufige Rechtsschutzbegehren des jeweiligen Antragstellers.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Januar 2022 ‑ 6 B 1999/21 -, juris, Rn. 4, vom 18. Februar 2021 ‑ 5 B 175/21 -, juris, Rn. 2, vom 16. Juli 2020 ‑ 8 B 907/20 -, juris, Rn. 2, vom 10. Dezember 2014 ‑ 1 B 1251/14 -, juris, Rn. 3, vom 14. Dezember 2012 - 1 B 1411/12 -, juris, Rn. 2, und vom 5. November 2008 ‑ 8 B 1631/08 -, juris, Rn. 4 f., jeweils m. w. N.
52. Die mithin statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist aber unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Hängebeschlusses liegen nicht vor.
6Ob eine Zwischenentscheidung in Form eines sogenannten Hängebeschlusses im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren ergeht, ist im Wege einer Interessenabwägung zu ermitteln. Der Erlass einer Zwischenentscheidung ist zulässig und geboten, wenn der Eilantrag nicht offensichtlich aussichtslos ist und ohne die befristete Zwischenentscheidung die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gefährdet wäre. Eine Zwischenentscheidung wäre danach erforderlich, wenn zu befürchten wäre, dass bis zur Entscheidung im gerichtlichen Eilverfahren unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des effektiven Rechtsschutzes vollendete Tatsachen geschaffen werden, weil irreversible Zustände oder schwere und unabwendbare Nachteile drohen.
7Vgl. BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 11. Oktober 2013 - 1 BvR 2616/13 -, Rn. 7; BVerwG, Beschluss vom 12. November 2020 - 4 VR 6.20 -, juris, Rn. 2 m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. Oktober 2021 - 5 S 2503/21 -, juris, Rn. 9; Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 42. EL Februar 2022, § 80, Rn. 359 m. w. N.
8In Anwendung dieser Grundsätze ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass eine Zwischenentscheidung – über den 17. Juli 2022 hinaus – nicht erforderlich ist.
9Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin führt zu keiner abweichenden rechtlichen Bewertung. Denn die Antragstellerin hat auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass ihr ein irreversibler Zustand oder schwere und unabwendbare Nachteile drohen, die aus Gründen effektiven Rechtsschutzes eine Zwischenregelung erforderlich machen.
10a. Soweit die Antragstellerin unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihres Chief Marketing Officer darauf abstellt, dass ihr täglich ein Umsatz in Höhe eines vierstelligen Betrages verloren gehe, legt sie nicht dar, dass hierdurch irreversible Zustände einzutreten drohen. Zwar entstehen der Antragstellerin infolge der Befolgung der angegriffenen Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15. Juni 2022 wirtschaftliche Einbußen. Dies allein genügt aber nicht für den Erlass der begehrten Zwischenentscheidung, da die Antragstellerin schon nicht geltend macht, dass das Abwarten des alsbald zu erwartenden Ausgangs des Eilverfahrens zu einer endgültigen Aufgabe ihrer Geschäftstätigkeit führen könnte oder aus sonstigen Gründen unumkehrbare Folgen eintreten. Es erschließt sich auch sonst nicht, weshalb die Antragstellerin im Falle eines erfolgreichen Eilantrags ohne Zwischenregelung ihre Geschäftstätigkeit nicht wieder vollumfänglich aufnehmen können sollte, nachdem sie die ihr untersagte Online-Teilnahme an den kostenpflichtigen TV-Gewinnspielen einstweilen einstellen musste. Insbesondere kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass eine im Falle eines Erfolgs des Eilrechtsschutzverfahrens nur vorübergehende Einstellung der Online-Teilnahme an den kostenpflichtigen TV-Gewinnspielen zu einer unumkehrbaren Abwanderung von Kunden führt. Näheres hat die Antragstellerin auch mit der Beschwerde nicht vorgetragen.
11Vgl. auch zur vorübergehenden Schließung einer Spielhalle VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20. Juli 2021 - 6 S 2237/21 -, juris, Rn. 17.
12Solch irreversible Folgen erscheinen auch vor dem Hintergrund, dass der Antragstellerin die Einnahmen aus den Gewinnspielen verbleiben, die über die anderen beiden Teilnahmewege (Telefon und SMS) generiert werden, und sie darüber hinaus ausweislich ihres Internetauftritts (https://www.ad-alliance.de/cms/unternehmen/ueber adalliance.html) zahlreiche weitere Werbedienstleistungen für unterschiedliche Medien anbietet, fernliegend. Die Antragstellerin trägt insoweit weder vor, wie hoch die ihr danach verbleibenden Einnahmen sind, noch wie viel Prozent ihrer Einnahmen über die ihr allein untersagte Online-Teilnahme erwirtschaftet werden. Angesichts dessen können die geltend gemachten Folgen auch nicht als schwere und unabwendbare Nachteile eingestuft werden, die aus Gründen effektiven Rechtsschutzes die begehrte Zwischenregelung erforderten.
13Ist danach bereits nicht erkennbar, dass der Antragstellerin die Befolgung der Untersagungsverfügung bis zur abschließenden Entscheidung im vorliegenden Eilverfahren unzumutbar ist, kann dahingestellt bleiben, ob die wirtschaftlichen Schäden abgemildert würden, wenn sie das Angebot zur Online-Teilnahme kostenfrei zur Verfügung stellte. Ungeachtet dessen ist der Vortrag der Antragstellerin, bei einer kostenlosen Phase trete ein Gewöhnungseffekt bei den Kunden ein, der zu einem Kundenverlust bei einer Rückumstellung auf ein kostenpflichtiges Angebot führe, durch nichts weiter belegt und damit rein spekulativer Natur.
14Auf die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob das Verwaltungsgericht davon ausgehen durfte, dass „etwaige rechtswidrige Nachteile“, welche die Antragstellerin durch die Umstellung des kostenpflichtigen Angebots auf ein kostenloses Angebot erleiden werde, im Wege des Schadensersatzes wieder gut zu machen sein könnten, kommt es vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht an.
15b. Der weitere Einwand der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass in Ziffer 3 der Untersagungsverfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 30.000 Euro angedroht werde und die Antragsgegnerin zudem auf eine mögliche Geldbuße bis zu 500.000 Euro hinweise, greift ebenfalls nicht durch. Diese Folgen kann die Antragstellerin selbst abwenden, indem sie die vollziehbare Untersagungsverfügung befolgt. Dass sie dies nicht beabsichtigt, hat sie im Übrigen schon nicht geltend gemacht.
16In diesem Zusammenhang dringt die Antragstellerin auch nicht mit ihrer weiteren Rüge durch, dass es ihr nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zuzumuten sei, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen.
17Vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 7. April 2003 ‑ 1 BvR 2129/02 -, juris, Rn. 14.
18Anders als in dem Verfahren, das der vorstehend zitierten Entscheidung zu Grunde lag, wird die Antragstellerin infolge des Nichterlasses der begehrten Zwischenentscheidung nicht auf ihr zur Verfügung stehende Rechtsmittel in einem – soweit ersichtlich schon nicht anhängigen – Bußgeldverfahren verwiesen. Vielmehr wird die Frage, ob die Antragstellerin unerlaubtes öffentliches Glücksspiel veranstaltet, vermittelt, unterstützt oder bewirbt und dadurch ordnungswidrig nach § 28a Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 15 GlüStV 2021 handelt, im Rahmen des beim Verwaltungsgericht anhängigen Eilverfahrens überprüft werden.
19c. Schließlich dringt die Antragstellerin auch nicht mit ihrer Rüge durch, die Antragsgegnerin sei bislang nicht eingeschritten, obgleich ihr das Angebot, das bereits seit 2016 auf dem Markt sei, seit spätestens März 2017 bekannt gewesen sei, da dieser Einwand angesichts des vorstehend dargestellten Maßstabes für die Entscheidung über den Erlass oder die Ablehnung der begehrten Zwischenentscheidung unerheblich ist.
20Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich. Die durch das Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten gehören zu den Kosten des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO. Es liegt insofern kein gegenüber jenem Verfahren selbständiges Nebenverfahren vor.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2021 ‑ 5 B 175/21 -, juris, Rn. 24, m. w. N.
22Einer Streitwertfestsetzung bedarf es in der Folge ebenfalls nicht.
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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