Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 19 E 899/21
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.
Der Streitwert für das erstinstanzliche Klageverfahren wird auf 25.000,00 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
1
Das Oberverwaltungsgericht entscheidet über die Beschwerde durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil auch der angefochtene Streitwertbeschluss eine Einzelrichterentscheidung ist (§ 66 Abs. 6 Satz 1, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG). Diese Vorschriften finden nach ihrem Sinn und Zweck nicht nur auf eine erstinstanzliche Einzelrichterentscheidung nach § 6 VwGO Anwendung, sondern auch auf eine erstinstanzliche Berichterstatterentscheidung gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO.
2OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Mai 2021 - 19 E 311/21 -, juris, Rn. 1, vom 6. Juli 2020 - 4 E 845/19 -, juris, Rn. 1, und vom 23. Oktober 2018 - 13 E 737/18 -, juris, Rn. 1; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11. April 2014 - 1 S 400/14 -, juris, Rn. 2 ff.; vgl. zum Streitstand Jacob, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 87a Rn. 19; a. A. OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 18. März 2019 ‑ OVG 3 L 36.19 -, juris, Rn. 4, alle m. w. N.
3Eine Übertragung des Beschwerdeverfahrens an den Senat nach § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG kommt nicht in Betracht, da es weder besondere Schwierigkeiten aufweist noch die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
4Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Mit ihr begehrt der Kläger die Herabsetzung des Streitwerts für das durch Rücknahme beendete erstinstanzliche Klageverfahren von 50.000,00 Euro auf 15.000,00 Euro mit der Begründung, im korrespondierenden Eilverfahren habe der Senat den Streitwert auf 7.500,00 Euro festgesetzt. Mit diesem Begehren hat er in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
5Streitgegenstand dieses Klageverfahrens waren die Führungsuntersagung in Nr. I.1. und I.2. und die Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 50.000,00 Euro in Nr. II. der Untersagungsverfügung vom 11. Juli 2018.
6I. Die Streitwertbeschwerde ist begründet, soweit der Kläger mit ihr die Herabsetzung des Streitwerts von 50.000,00 Euro auf 25.000,00 Euro begehrt. In Anlehnung an Nr. 1.7.1 Satz 3 und Nr. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 (NWVBl. 2014, Heft 1, Sonderbeilage, S. 4) ist der Streitwert vorliegend auf den für die Zwangsgeldandrohung anzusetzenden Betrag von 25.000,00 Euro festzusetzen, da er höher ist als der für die Grundverfügung selbst zu bemessende Streitwert. Denn die Bedeutung der Untersagung der Führung eines Titels, eines Grads oder einer Bezeichnung für den Kläger, auf die es nach diesen Vorschriften für die Streitwertfestsetzung ankommt, bemisst der Senat in ständiger Praxis in Anlehnung an Nr. 18.7 des Streitwertkatalogs mit dem dreifachen Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG, also 15.000,00 Euro.
7OVG NRW, Beschlüsse vom 24. September 2021 ‑ 19 B 854/21 ‑, juris, Rn. 3, und vom 9. Januar 2020 ‑ 19 B 757/19 ‑, juris, Rn. 11 ff., vom 27. Februar 2018 ‑ 19 B 4/18 -, juris, Rn. 4, und vom 13. August 2013 ‑ 19 B 1032/12 -, juris, Rn. 41 m. w. N.
8Dabei folgt der Senat der obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach in Anlehnung an Nr. 1.7.1 Satz 3 des Streitwertkatalogs für eine Zwangsmittelandrohung nicht der volle angedrohte Betrag in Höhe von 50.000,00 Euro festzusetzen ist, sondern der halbe Wert in Höhe von 25.000,00 Euro, der auch in einem selbstständigen Vollstreckungsverfahren anzusetzen wäre. Mit dieser Halbierung tragen Nr. 1.7.1 Satz 3 des Streitwertkatalogs und die daran anknüpfende Streitwertpraxis der Gerichte dem Umstand Rechnung, dass die Behörde mit einer Zwangsgeldandrohung noch keine unmittelbare Zahlungsverpflichtung begründet, die allein den vollen Betrag als Streitwert rechtfertigen könnte. In der Formulierung in Nr. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs findet diese Erwägung keinen erneuten Ausdruck. Sie kann daher bei zu eng am Wortlaut haftender Anwendung zu einem Wertungswiderspruch zu Nr. 1.7.1 Satz 3 des Streitwertkatalogs führen (Nr. 1.7.2 Satz 2: „Soweit die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes bzw. des für die Ersatzvornahme zu entrichtenden Vorschusses höher ist als der für die Grundverfügung selbst zu bemessende Streitwert, ist dieser höhere Wert festzusetzen.“). Es gibt keinen sachlichen Grund, den Streitwert für eine Zwangsgeldandrohung bei einer Verbindung mit der Grundverfügung mit dem vollen Zwangsgeldbetrag zu bemessen, während der Streitwert bei einer Zwangsgeldandrohung, die Gegenstand eines selbstständigen Vollstreckungsverfahrens ist, nach Nr. 1.7.1 Satz 3 des Streitwertkatalogs nur in Höhe der Hälfte des angedrohten Zwangsgelds festzusetzen ist.
9Ebenso OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2019 - 14 E 1003/19 -, juris, Rn. 3 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 16. März 2017 - 9 C 17.324 -, NVwZ-RR 2017, 512, juris, Rn. 6; Sächs. OVG, Beschlüsse vom 29. Juni 2015 - 1 E 48/15 -, juris, Rn. 3, und vom 8. April 2015 - 3 E 16/15 -, juris, Rn. 8 ff.
10In den Fällen, in denen die Rechtsprechung den Streitwert davon abweichend auf den vollen Betrag des angedrohten Zwangsgelds festsetzt, geschieht dies zumeist ohne inhaltliche Begründung.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2021 - 14 B 151/21 -, juris, Rn. 7; Bay. VGH, Beschluss vom 8. Januar 2021 - 9 ZB 19.282 -, juris, Rn. 25; Sächs. OVG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2019 - 6 B 44/19 -, juris, Rn. 21, und vom 29. November 2019 ‑ 6 B 143/18 -, NVwZ-RR 2020, 777, juris, Rn. 83; Nds. OVG, Beschluss vom 18. Juni 2018 ‑ 11 LA 237/16 -, ZfWG 2018, 428, juris, Rn. 114; OVG Berlin-Bbg. Beschlüsse vom 29. September 2017 ‑ OVG 2 S 14.17 -, juris, Rn. 22, und vom 2. Dezember 2016 - OVG 1 S 104.15 -, ZfWG 2017, 45, juris, Rn. 55; Hess. VGH, Beschluss vom 4. März 2014 - 6 B 2049/13 -, juris, Rn. 43.
12Soweit ein Wertungswiderspruch zu Nr. 1.7.1 Satz 3 des Streitwertkatalogs mit der Begründung verneint wird, dass bei einer mit einer Zwangsgeldandrohung verbundenen Grundverfügung das auf die Beseitigung des Grundverwaltungsakts bezogene Interesse des Antragstellers zu berücksichtigen sei,
13so Hess. VGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - 6 TE 2258/06 -, NVwZ-RR 2007, 427, juris, Rn. 2,
14vermag dies im Ergebnis nicht zu überzeugen. Denn Nr. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs greift nur, wenn der für die Grundverfügung selbst zu bemessende Streitwert hinter dem für die Zwangsgeldandrohung anzusetzenden Betrag zurückbleibt. Wenn in diesem Fall bei einer mit einer Zwangsgeldandrohung verbundenen Grundverfügung der Streitwert nach dem vollen Zwangsgeldbetrag bemessen wird, obwohl die Behörde das Zwangsgeld bislang lediglich angedroht und noch nicht festgesetzt hat, wäre der Streitwert höher als die Summe der Streitwerte, die für eine isolierte Grundverfügung und eine isolierte Zwangsgeldandrohung anzusetzen wären (im vorliegenden Fall: 15.000,00 Euro + 25.000,00 Euro = 40.000,00 Euro). Dies widerspräche auch der Wertung der Nr. 1.7.2 Satz 1 des Streitwertkatalogs, wonach bei einer mit einer Zwangsgeldandrohung verbundenen Grundverfügung die für die Bemessung des Streitwerts maßgebliche Bedeutung der Sache für den Kläger (§ 52 Abs. 1 GKG) geringer zu bewerten ist als bei zwei selbstständig angegriffenen Verfügungen.
15II. Die weitergehende Streitwertbeschwerde ist unbegründet. Für die vom Kläger begehrte weitere Herabsetzung des Streitwerts auf 15.000,00 Euro fehlt eine Grundlage. Ohne Erfolg bleibt der Kläger insbesondere mit seinem Hinweis auf die Streitwertfestsetzung auf 7.500,00 Euro im korrespondierenden Eilverfahren (OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2021 ‑ 19 B 854/21 ‑, juris). Hierbei lässt der Kläger die an Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs anknüpfende Praxis außer Betracht, in Eilverfahren für die Zwangsgeldandrohung ein Achtel des angedrohten Zwangsgelds als Streitwert anzusetzen.
16Der Kostenhinweis ergibt sich aus § 68 Abs. 3 GKG.
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 14 B 151/21 1x (nicht zugeordnet)
- 6 B 143/18 1x (nicht zugeordnet)
- 6 TE 2258/06 1x (nicht zugeordnet)
- 14 E 1003/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 E 48/15 1x (nicht zugeordnet)
- 3 E 16/15 1x (nicht zugeordnet)
- 19 B 757/19 1x (nicht zugeordnet)
- 6 B 2049/13 1x (nicht zugeordnet)
- 11 LA 237/16 1x (nicht zugeordnet)
- 13 E 737/18 1x (nicht zugeordnet)
- 6 B 44/19 1x (nicht zugeordnet)
- 19 E 311/21 1x (nicht zugeordnet)
- 19 B 854/21 2x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 19 B 1032/12 1x
- 4 E 845/19 1x (nicht zugeordnet)
- 19 B 4/18 1x (nicht zugeordnet)
- 1 S 400/14 1x (nicht zugeordnet)