Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 10 D 254/20.NE
Tenor
Der Bebauungsplan „Q. -N.-straße / T.-straße “ der Stadt N1. ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan „N.-straße / T.-straße – Q.“ der Stadt N1. (im Folgenden: Bebauungsplan). Sie ist seit Februar 2017 Eigentümerin der im Plangebiet gelegenen Grundstücke Gemarkung T1., Flur 37, Flurstücke 72 (N.-straße 81 und F.-straße 5) und 74 (F.-straße 1-3).
3Das Plangebiet ist nahezu identisch mit dem des 1970 in Kraft getretenen Bebauungsplans „N.-straße /F1.-straße – Q.“ (im Folgenden: Vorgängerbebauungsplan).
4Es ist nördlich der F1.-straße entlang der T.-straße und der I.-straße mit Doppelhäusern bebaut. In diesem Teilbereich befinden sich auch zwei ursprünglich als Schulgebäude genutzte Baudenkmäler. Südlich der F1.-straße stehen auf den großen Grundstücken der Antragstellerin drei achtgeschossige Wohngebäude. Östlich davon gibt es eine öffentliche Grünfläche mit Spielplatz. Daran schließen sich weiter östlich drei- und viergeschossige Wohnhäuser und entlang der N2.-straße eine Blockrandbebauung mit zwei- bis dreigeschossigen Gebäuden aus der Gründerzeit an.
5Das Aufstellungsverfahren nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf: Der Planungsausschuss beschloss in seiner Sitzung am 20. September 2016 die Aufstellung des Bebauungsplans.
6Nach der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden im Jahre 2016 gab es nach der Planbegründung Bestrebungen eines Investors für eine bauliche Nachverdichtung auf den Grundstücken der Antragstellerin. Es seien zwar mehrere Bebauungsvorschläge erörtert worden, doch habe letztlich „auf eine Nachverdichtung an dieser Stelle verzichtet werden“ sollen.
7Der Planentwurf mit der Begründung lag in der Zeit vom 26. März 2019 bis zum 28. Mai 2019 öffentlich aus. Die Antragstellerin gab hierzu keine Stellungnahme ab. Parallel dazu fand die Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange statt. Der Rat beschloss den Bebauungsplan in seiner Sitzung am 10. Oktober 2019 als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde im Amtsblatt vom 15. November 2019 bekannt gemacht.
8Der Bebauungsplan setzt ein gegliedertes Allgemeines Wohngebiet (WA1 bis WA11) fest. Für die Grundstücke der Antragstellerin, die im WA8 liegen, bestimmt er eine Grundflächenzahl von 0,4, lässt maximal acht Vollgeschosse zu und setzt Baugrenzen jeweils entlang der Außenwände der drei vorhandenen achtgeschossigen Wohngebäude fest.
9Nach der Planbegründung sollen die Festsetzungen des Bebauungsplans an den Bestand angepasst und moderate bauliche Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen werden. Die Nutzung des Schulgebäudes an der T.-straße sei bereits eingestellt worden. Der Vorgängerbebauungsplan habe dort eine große Fläche für eine Nutzung als Schule vorgesehen und keine Festsetzungen für die vorhandene Wohnbebauung getroffen. Diese Wohnbebauung solle nunmehr gesichert und fortentwickelt werden. Auch der Standort der Grundschule an der N2.-straße solle in absehbarer Zeit aufgegeben werden. Für diese Flächen, zu denen auch die der Turnhalle und des Bolzplatzes gehörten, schaffe der Bebauungsplan die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Entwicklung von Wohnbebauung. Südlich der F1.-straße solle im Wesentlichen der Bestand gesichert werden. Der Rat wolle mit dem Bebauungsplan Potenziale für eine Innenentwicklung nutzen, künftige Bebauung in einen bereits besiedelten Bereich lenken und damit eine moderate Nachverdichtung ermöglichen.
10Die Antragstellerin hat am 12. November 2020 den Normenkontrollantrag gestellt.
11Ihr Rechtsschutzbedürfnis stehe außer Frage, zumal der Vorgängerbebauungsplan unwirksam sei. Seine Festsetzungen zur zulässigen Höhe baulicher Anlagen seien unbestimmt, weil der jeweils untere Bezugspunkt für die Bestimmung der Bauhöhen nicht festgelegt sei. Zudem fehle der Beitrittsbeschluss des Rates zur Genehmigung des Vorgängerbebauungsplans durch die Landesbaubehörde S.
12Der Bebauungsplan sei wegen seiner fehlerhaften Ausfertigung unwirksam. Für die textliche Festsetzung Nr. 7 Abs. 5, die zudem unbestimmt sei, fehle eine Ermächtigungsgrundlage. § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB gestatte nur die Festsetzung von konkreten baulichen und sonstigen Vorkehrungen. Solche Vorkehrungen seien auf der Planurkunde nicht einmal ansatzweise genannt. Selbst bei einer Heranziehung der Planbegründung sei eine eindeutige Auslegung der Festsetzung, in der nur von Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen die Rede sei und die keine Beschränkung auf bauliche oder technische Maßnahmen enthalte, nicht möglich.
13Auch die textliche Festsetzung Nr. 7 Abs. 3 sei unbestimmt. Die zeichnerischen Festsetzungen sähen insoweit nur einen Bereich mit einer Lärmbelastung größer 60 dB(A) und einen solchen mit einer Lärmbelastung kleiner/gleich 60 dB(A) vor. Es sei unklar, ob der Bereich, in dem die Lärmbelastung größer 60 dB(A) sei, im Süden der zeichnerischen Eintragung nur bis zu der dort festgesetzten öffentlichen Verkehrsfläche reiche oder ob dazu auch das Plangebiet südlich dieser öffentlichen Verkehrsfläche gehöre. Die Planbetroffenen könnten auch nicht erkennen, welcher konkreten Lärmbelastung ihre jeweiligen Grundstücke ausgesetzt seien. Die entsprechenden Isophonlinien hätten entweder in der Planzeichnung selbst oder in einem Beiblatt zur Planurkunde eingezeichnet werden müssen, um eine parzellengenaue Abgrenzung der verschiedenen Lärmpegelbereiche kenntlich zu machen.
14Der Bebauungsplan beruhe zudem auf Abwägungsfehlern. Der Belang der Innenentwicklung sei bei der Abwägungsentscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden. In der Planbegründung sei der Belang der Innenentwicklung zwar unter Nr. 3.2 „Ziele der Planung“ behandelt worden, doch beschränkten sich sämtliche Maßnahmen der Nachverdichtung auf den Teilbereich nördlich der F1.‑straße. Im Vergleich zum Vorgängerbebauungsplan seien überdies die ehemals großzügig festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen durch eng um die vorhandenen Gebäude gezogene Baugrenzen so verkleinert worden, dass die Errichtung neuer Gebäude nur nach Beseitigung des bisherigen Baubestandes möglich sei. Auch die maximal zulässige Gebäudehöhe entspreche der Höhe der vorhandenen Bebauung, sodass im Ergebnis jede Nachverdichtung auf den Grundstücken südlich der F1.-straße unmöglich sei. Es sei auch nicht erkennbar, dass das Prinzip der Innenentwicklung zugunsten anderer, vom Rat als höherrangig eingestufter öffentlicher oder privater Belange zurückgestellt worden sei. Die Aussage, dass zusätzliche Baukörper in den Bereichen F1.-straße und N.-straße nicht geplant seien, lasse keinen Rückschluss auf eine hinter dieser Aussage stehende Abwägung erkennen. Der Rat gebe keine Begründung dafür, weshalb die innerhalb des Plangebiets gelegenen beträchtlichen innerstädtischen Freiflächen uneingeschränkt erhalten bleiben sollen. Ebenso wenig lasse sich eine solche Begründung aus den Aufstellungsvorgängen entnehmen. Im Aufstellungsverfahren sei nur untersucht worden, ob sich ein alternativer Standort für den veralteten Bolzplatz im Plangebiet finden lasse. Dies sei angesichts der Größe und Lage ihrer, der Antragstellerin, Grundstücke, die unmittelbar an eine rund 7.600 qm große öffentliche Grünfläche mit Spielplatz angrenzten, nicht nachvollziehbar, zumal die großen begrünten Freiflächen auf ihren Grundstücken im Privateigentum stünden. Im Verhältnis zur Größe ihrer Grundstücke seien die dafür gegebenen Nutzungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Dem Rat hätte sich aufdrängen müssen, diese Umstände unter den Aspekten des angespannten Wohnungsmarktes und der Innenentwicklung stärker in den Blick zu nehmen. Stattdessen sei er offenbar fälschlich davon ausgegangen, dem Aspekt der Innenentwicklung durch die Festsetzungen in dem Teilbereich zwischen der T.‑straße und der F1.-straße ausreichend Rechnung getragen zu haben. Auch eine unvollständige Abwägung sei fehlerhaft.
15Die Antragstellerin beantragt,
16den Bebauungsplan der Stadt N1. „N.-straße / T.‑straße – Q.“ für unwirksam zu erklären.
17Die Antragsgegnerin beantragt,
18den Antrag abzulehnen.
19Sie trägt vor, der Antragstellerin fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag. Die planungsrechtliche Situation würde sich auch bei einem Erfolg des Normenkontrollantrags nicht zu ihren Gunsten ändern, da dann der Vorgängerbebauungsplan mit nahezu identischen Festsetzungen wieder aufleben würde. Da der Rat mit dem Bebauungsplan deutlich gemacht habe, dass eine Erweiterung der Bebauungsmöglichkeiten im südlichen Plangebiet nicht in Betracht komme, sei nicht zu erwarten, dass er – sollte sich der Bebauungsplan als unwirksam erweisen – einen neuen Bebauungsplan aufstellen werde, dessen Festsetzungen für die Antragstellerin möglicherweise günstiger wären.
20Der Antrag sei auch unbegründet. Die Ausfertigung sein nicht wegen des in der Unterschriftenleiste auf der Planurkunde fehlenden Datums des Satzungsbeschlusses unwirksam. Die Einwände der Antragstellerin gegen die textlichen Festsetzungen Nr. 7 Abs. 3 und 5 seien unbegründet. Der Begriff „Schallschutzmaßnahmen“ umfasse denknotwendig bauliche Maßnahmen, die schädliche Umwelteinwirkungen abwehren sollten. Das „natürliche“ Schallschutzmaßnahmen gemeint sein könnten, sei auch angesichts der geringen Distanz zu den Verkehrsflächen fernliegend.
21Die Isophonlinie veranschauliche eindeutig die Bereiche mit Lärmbelastungen größer beziehungsweise kleiner/gleich 60 dB(A). Die Planbetroffenen könnten anhand der Planurkunde in Verbindung mit den in der schalltechnischen Untersuchung betrachteten Immissionsorten eindeutig die für ihre jeweiligen Grundstücke prognostizierten Lärmbelastungen ermitteln und erkennen, ob die Grundstücke in dem Bereich lägen, in dem gegebenenfalls Schallschutzmaßnahmen erforderlich seien.
22Die durch den Vorgängerbebauungsplan festgelegten Bebauungsmöglichkeiten im Südlichen Teil des Plangebiets blieben erhalten. Der Plangeber sei nicht verpflichtet, jedes einzelne Grundstück innerhalb eines Plangebiets für Maßnahmen der Innenentwicklung vorzusehen. Eine solche habe der Rat als Abwägungsdirektive sehr wohl im Blick gehabt. Er habe aber keine städtebaulich adäquate Möglichkeit gesehen, insbesondere auf den Grundstücken der Antragstellerin eine größere bauliche Ausnutzung zu ermöglichen, die auch der Unterbringung des ruhenden Verkehrs, dem Nachbarschutz sowie dem Schutz der Bäume und des Klimas Rechnung getragen hätte. Im Bewusstsein der planungsrechtlichen Situation sei der Rat davon ausgegangen, dass der fragliche Bereich bereits bebaut sei. Auch wenn die Freiflächen auf den Grundstücken der Antragstellerin auf den ersten Blick großzügig dimensioniert erschienen, kämen sie nur in eingeschränktem Umfang für eine potenzielle Erweiterung der Bebauung in Betracht. Vor den Außenwänden der drei achtgeschossigen Wohngebäude seien jeweils Abstandsflächen mit einer erheblichen Tiefe von Bebauung freizuhalten. Auch lägen die notwendigen Rettungswege und Aufstellflächen für die Feuerwehr innerhalb dieser Freiflächen. Eine bauliche Nachverdichtung auf den Grundstücken der Antragstellerin würde zudem den dort vorhandenen Hochhäusern die ihnen im Vorgängerbebauungsplan zugedachte Funktion als städtebauliche Dominante nehmen.
23Die Festschreibung der bestehenden städtebaulichen Situation auf den Grundstücken der Antragstellerin sei weder willkürlich noch unverhältnismäßig. Für die Sicherung des „status quo“ sprächen mehrere städtebaulich relevante öffentliche Belange. Der in der Abwägung zu berücksichtigende öffentliche Belang, sparsam und schonend mit Grund und Boden umzugehen, stehe mit dem Plankonzept nicht im Widerspruch. Es gebe keine Verpflichtung, bereits bebaute Flächen durch die Festsetzung weiterer Bebauungsmöglichkeiten weiter baulich zu verdichten.
24Im Rahmen der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs habe die Antragstellerin keine Bedenken gegen die nun von ihr beanstandeten Festsetzungen des Bebauungsplans vorgetragen. Für den Rat sei mithin nicht erkennbar gewesen, dass der Wunsch der Antragstellerin, die Bebauung auf ihren Grundstücken wesentlich zu erweitern, in die Abwägung einzustellen gewesen wäre. Die Erwartung der Planbetroffenen, dass sich durch die Planung die planungsrechtlichen Bedingungen generell zu ihren Gunsten verbessern würden, sei nicht schutzwürdig und damit bei der Abwägung nicht zu beachten.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Aufstellungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 bis 9) Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter.
28Der Antrag ist zulässig.
29Die Antragstellerin ist nach § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Die Antragsbefugnis wegen einer möglichen Eigentumsverletzung ist grundsätzlich zu bejahen, wenn sich – wie hier – der Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen eine Festsetzung des Bebauungsplans wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft und damit Inhalt und Schranken seines Grundeigentums bestimmt.
30Ist die Antragsbefugnis des Antragstellers zu bejahen, hat er regelmäßig auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse für den Normenkontrollantrag, es sei denn, dessen Ergebnis wäre für ihn wertlos, weil es seine Rechtsstellung nicht verbessern würde.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2020 – 4 CN 4.19 –, juris, Rn. 10 f.
32Für die Überprüfung eines Bebauungsplans kann es ein Rechtschutzinteresse auch dann geben, wenn – würde der Plan für unwirksam erklärt – ein älterer, für den Antragsteller ungünstigerer Bebauungsplan wieder aufleben würde, sofern nach den jeweiligen Fallumständen die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Plangeber bei einem Erfolg des Normenkontrollantrags einen neuen Bebauungsplan aufstellen würde, der für den Antragsteller möglicherweise günstigere Regelungen enthielte.
33Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. September 1997 – 4 BN 17.97 –, und vom 14. März 2018 – 6 BN 3.17 –, juris, Rn. 24.
34Danach ist jedenfalls dann von einem Rechtsschutzinteresse eines Antragstellers auszugehen, wenn der Plangeber bei einem Erfolg des Normenkontrollantrags nach § 1 Abs. 3 BauGB objektiv-rechtlich zur Neuplanung verpflichtet wäre oder er hat erkennen lassen, dass er unabhängig davon einen neuen Bebauungsplan aufstellen würde, der für den Antragsteller möglicherweise günstigere Festsetzungen enthielte. Für die Annahme eines Rechtsschutzinteresses in der hier gegebenen Situation ist allein maßgeblich, ob überhaupt damit zu rechnen ist, dass ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werden würde. Bejahendenfalls ist es angesichts des nunmehr geäußerten konkreten Interesses der Antragstellerin an einer baulichen Nachverdichtung ihrer Grundstücke und einer Berücksichtigung dieses Interesses bei einer künftigen Abwägung jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Bebauungsplan insoweit für sie günstiger sein könnte als die bisherigen Pläne. Danach ist von einem Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin, die dargelegt hat, dass auch der Vorgängerbebauungsplan unwirksam sei, auszugehen.
35Der Antrag ist auch begründet.
36Der Bebauungsplan ist nicht ordnungsgemäß ausgefertigt. Für das nordrhein-westfälische Landesrecht ist in der Rechtsprechung geklärt, dass es mangels ausdrücklicher normativer Vorgaben für die Ausfertigung von Bebauungsplänen ausreichend, aber auch erforderlich ist, wenn eine Originalurkunde geschaffen wird, auf welcher der (Ober-)Bürgermeister als Vorsitzender des Rates, des zuständigen Beschlussorgans der Gemeinde, zeitlich nach dem Ratsbeschluss und vor der Verkündung der Satzung schriftlich bestätigt, dass der Rat an einem näher bezeichneten Tag diesen Bebauungsplan als Satzung beschlossen habe.
37Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2017 – 10 D 6/16.NE –, juris, Rn. 28.
38Das hier in dem Ausfertigungsvermerk fehlende Datum des Satzungsbeschlusses führt dazu, dass sich der Ausfertigung nicht mit der für die Wirksamkeit einer Rechtsnorm notwendigen Klarheit die Feststellung der Identität der zu verkündenden Fassung der Rechtsnorm mit der vom Normgeber beschlossenen Fassung entnehmen lässt. Das fehlende Datum mag unschädlich sein, wenn auf der Planurkunde an einer anderen Stelle das Datum des Satzungsbeschlusses vermerkt ist,
39vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 2006 – 7 D 8/04.NE –, juris, Rn. 77; Nds OVG, Urteil vom 11. Februar 2020 – 1 KN 183/17 –, juris, Rn. 31,
40doch gibt es hier einen solchen Vermerk an einer anderen Stelle auf der Planurkunde nicht. Soweit die Antragsgegnerin unter Hinweis auf die Ausführungen des Niedersächsischen OVG in dem zitierten Urteil geltend macht, dass der Bebauungsplan an dem betreffenden Tag nur Gegenstand eines einzigen Satzungsbeschlusses gewesen sei, sodass die Gefahr einer Verwechselung nicht bestehe, ändert dies an dem aufgezeigten Ausfertigungsmangel nichts. Die Ausfertigung auf der Planurkunde soll sicherstellen und dokumentieren, dass der Rat an einem bestimmten Tag diesen Bebauungsplan, das heißt einen mit dem Inhalt der Planurkunde identischen Bebauungsplan, beschlossen hat, und nicht etwa einen inhaltlich davon abweichenden Bebauungsplan. Dies hat der (Ober-)Bürgermeister mit seiner Unterschrift auf der Planurkunde zu bestätigen.
41Der Bebauungsplan hat keine weiteren Mängel.
42Formelle Fehler, die nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich wären und zu seiner Unwirksamkeit führen würden, sind nicht ersichtlich.
43Der Bebauungsplan ist auch nach seiner Grundkonzeption im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich gerechtfertigt. Dem Bebauungsplan liegt ausweislich der im Tatbestand dargestellten Planbegründung eine von städtebaulich legitimen Zielen getragene positive Planungskonzeption zugrunde, weil der Rat beabsichtigt, insbesondere im nördlichen Teil des Plangebiets Wohnbebauung zur Schaffung von Wohnraum zu ermöglichen (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB).
44Die erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerte Kritik der Antragstellerin an der textlichen Festsetzung Nr. 7 Abs. 5 ist unbegründet. Als Ermächtigungsgrundlage für diese Festsetzung kommt § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB in Betracht. Von den verschiedenen Festsetzungsmöglichkeiten, die die Vorschrift enthält, kann der Plangeber hier nur die Festsetzung von baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes sowie zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen gewollt haben. Der Einwand der Antragstellerin, der Rat habe keine konkreten baulichen oder sonstigen technischen Vorkehrungen festgesetzt, ist unbegründet. Dass der Rat – wie die Antragstellerin vorträgt – mit der Festsetzung auch Schallschutzmaßnahmen „natürlicher Art“ wie Anpflanzungen oder Begrünung von Dächern und Wänden gemeint haben könnte, die nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt wären, liegt bei der gebotenen Auslegung dieser Festsetzung fern. Die textlichen Festsetzungen unter Nr. 7 betreffen alle das Schalldämmmaß von Außenbauteilen, sodass nicht zweifelhaft sein kann, dass der Rat auch mit der Festsetzung Nr. 7 Abs. 5, wonach für Terrassen, Balkone und Loggien unter bestimmten Voraussetzungen Schallschutzmaßnahmen zu treffen sind, nur bauliche oder technische Schallschutzmaßnahmen im Auge gehabt hat. Weitere Einzelheiten können gegebenenfalls in einem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren festgelegt werden.
45Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2006 – 4 BN 55.05 –, juris, Rn. 8.
46Das von der Antragstellerin zur Begründung ihrer Auffassung herangezogene Urteil des Senats vom 20. März 2002 – 10a D 48/99.NE –, juris, Rn. 5, betraf einen anderen Fall. Der Senat hatte in dieser Entscheidung eine Festsetzung, nach der „durch geeignete bauliche Maßnahmen sicherzustellen (ist), dass die Ausbreitung des Lärms in südliche bis östliche Richtung vermieden wird“, für unbestimmt gehalten, weil vor allem unklar sei, was der Plangeber unter einer „Vermeidung der Ausbreitung von Lärm“ verstehe und der Normadressat nicht erkennen könne, in welchem Umfang er die „Ausbreitung von Lärm zu vermeiden“ habe. Einen verallgemeinerungsfähige Aussage, bei einer Festsetzung von Schallschutzmaßnahmen seien diese beispielhaft zu benennen, lässt sich der zitierten Entscheidung nicht entnehmen.
47Auch die textliche Festsetzung Nr. 7 Abs. 3 ist nicht – wie die Antragstellerin meint – unbestimmt, weil etwa unklar wäre, ob der in der Planurkunde dargestellte Bereich mit einer Lärmbelastung größer 60 dB(A) nur bis zu der als öffentliche Verkehrsfläche festgesetzten F1.-straße reicht oder ob auch das Plangebiet südlich davon dazu gehört. Das in diesem Zusammenhang von der Antragstellerin angesprochene Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2012 – 7 D 64/10.NE –, juris, Rn. 68 ff., betraf wiederum einen anderen Fall, in dem es um eine Festsetzung ging, in der Lärmpegelbereiche der Kategorien III, IV, V und VI angesprochen waren, die der Plangeber in der Planurkunde nicht hinreichend konkret bezeichnet hatte und deren jeweiliger Geltungsbereich auch unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des erkennbaren Willens des Plangebers nicht durch Auslegung ermittelt werden konnte. So liegt der Fall hier nicht. Die Planurkunde stellt zeichnerisch – ergänzt durch die Eintragung der jeweils prognostizierten Außenschallpegel – lediglich zwei Bereiche mit unterschiedlichen Lärmbelastungen dar, nämlich einen vollständig umgrenzten Bereich mit einem Außenschallpegel kleiner/gleich 60 dB(A) und einen sich jenseits dieser Umgrenzung in alle Richtungen ausdehnenden Bereich mit einem Außenschallpegel größer 60 dB (A) dar. Soweit die Antragstellerin meint, es sei unklar, ob der Bereich mit einem Außenschallpegel größer 60 dB (A) am nördlichen Rand der F1.-straße ende, überzeugt ihr dafür bemühtes Argument, wonach in Planurkunden die Flächen mit unterschiedlichen Festsetzungen durch die Begrenzungen festgesetzter öffentlicher Verkehrsflächen üblicherweise voneinander abgegrenzt würden, schon deshalb nicht, weil die den Bereich mit einem Außenschallpegel kleiner/gleich 60 dB(A) umschließende Isophonlinie einschließlich der Eintragungen der prognostizierten Außenschallpegel ungeachtet ihrer Bezeichnung in der Legende auf der Planurkunde keine planerischen Festsetzungen im eigentlichen Sinne sind. Die Einzeichnung und die Eintragungen machen nur – quasi informatorisch – das Ergebnis der im Aufstellungsverfahren eingeholten schalltechnischen Begutachtung auf der Planurkunde kenntlich. Auch wenn den planbetroffenen Grundstückseigentümern gleichwohl ein Interesse zuzugestehen sein mag, der Planurkunde die Lärmbelastung ihrer jeweiligen Grundstücke entnehmen zu können, weil diese Lärmbelastung sich auf die Vorgaben zur Bebauung der Grundstücke auswirken kann, ist dies hier ohne weiteres möglich. Bei verständiger Würdigung aller Umstände drängt es sich auf, dass mit der Einzeichnung und den zugehörigen Eintragungen die Lärmbelastung im gesamten Plangebiet dargestellt werden soll. Insoweit sprechen bei zwangloser Betrachtung nicht nur die Einzeichnung und die Eintragungen für sich, sondern fehlen auch jegliche Anhaltspunkte für die von der Antragstellerin für möglich gehaltenen anderen Sichtweise. Wäre es nämlich so, wie sie vorträgt, fehlten für die südlich der F1.-straße gelegenen Flächen jegliche Angaben zu deren Lärmbelastung, was der Rat, der an die Überschreitung eines Außenlärmpegels von 60 dB(A) im gesamten Plangebiet bestimmte Anforderungen gestellt hat, sicher nicht gewollt hat.
48Der Bebauungsplan beruht auch nicht auf beachtlichen Fehlern bei der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung.
49Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot umfasst als Verfahrensnorm das Gebot zur Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) und stellt inhaltlich Anforderungen an den Abwägungsvorgang und an das Abwägungsergebnis. Es ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet.
50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. September 2015 – 10 D 82/13.NE –, juris, Rn. 30.
51Entgegen der Darstellung der Antragstellerin sind die jeweils festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen auf den ihr gehörenden Flächen im Bebauungsplan und im Vorgängerbebauungsplan im Wesentlichen identisch. Ihre Kritik, ehemals großzügig ausgestaltete überbaubare Grundstücksflächen seien durch eng um die vorhandenen Gebäude gezogene Baugrenzen verkleinert worden, ist unzutreffend. Der Bebauungsplan verhindert also nicht etwa eine bislang planungsrechtlich mögliche Nachverdichtung auf ihren Grundstücken, sondern er belässt es hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen bei der gegebenen planungsrechtlichen Situation.
52Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, dass der Belang der Innenentwicklung im Rahmen der Abwägungsentscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Dass der Rat sämtliche Möglichkeiten zu einer Nachverdichtung auf den Teilbereich des Plangebiets nördlich der F1.-straße begrenzt hat, erklärt sich damit, dass er einen konkreten Planungsbedarf nur für den Bereich zwischen der T.-straße und der F1.-straße gesehen hat, weil dort die bisherige Nutzung größerer Flächen zu Schulzwecken aufgegeben worden ist beziehungsweise aufgegeben werden soll. Für den Bereich südlich der F1.-straße hat der Rat, wie sich aus der Planbegründung ergibt, keinen Anlass für eine Festsetzung zusätzlicher überbaubarer Grundstücksflächen gesehen und deshalb insoweit nur geringfügige Änderungen unter Berücksichtigung des vorhandenen Gebäudebestandes vorgenommen. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden, zumal die Antragstellerin im Rahmen der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs – drei Jahre nachdem sie erfolglos mit Überlegungen zu einer baulichen Entwicklung auf ihren Grundstücken an die Antragsgegnerin herangetreten war – keine Stellungnahme zu der insoweit unveränderten Planung mehr abgegeben und keine konkreten Planungsabsichten geäußert hat.
53Der Rat musste auch nicht, wie die Antragstellerin offenbar meint, anlässlich der Aufstellung des Bebauungsplans eine Nachverdichtung sämtlicher Flächen im Plangebiet konkret in Erwägung ziehen.
54Nach § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen. § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB ergänzt hierzu mit Blick auf den Umweltschutz, dass mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden soll; dabei sind zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen.
55Die in § 1a Abs. 2 Satz 1 (und 2) BauGB genannten Belange setzen der Gemeinde im Rahmen der planerischen Abwägung keine strikten, unüberwindbaren Grenzen. Der Gesetzgeber hat diesen Belangen auch keinen generellen gesetzlichen Vorrang eingeräumt. Ob sich die genannten Belange im Einzelfall durchsetzen, hängt von dem Gewicht der ihnen gegenüberstehenden abwägungserheblichen öffentlichen beziehungsweise privaten Belange ab. Ein Zurückstellen der in § 1a Abs. 2 Sätze 1 und 2 BauGB genannten Belange bedarf einer Rechtfertigung, die dem Gewicht dieser vom Gesetzgeber herausgehobenen Belange Rechnung trägt.
56Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2008 – 4 BN 8.08 –, juris, Rn. 4.
57Diese gesetzlichen Vorgaben zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden zielen darauf ab, eine weitere Inanspruchnahme unbebauter Flächen im Außenbereich zu vermeiden. Daraus folgt jedoch nicht, dass die planende Gemeinde etwa gehalten wäre, in jedem Baugebiet die größtmögliche Nachverdichtung anzustreben oder die bislang zulässige Baudichte zu erhalten.
58Vgl. Nds OVG, Urteil vom 14. Mai 2019 – 1 KN 101/17 –, juris, Rn. 86.
59Es ist danach nicht zu beanstanden, dass der Rat, der ausweislich der Plangebegründung den vorhandenen Bestand im Plangebiet ermittelt und seiner Planung zugrunde gelegt hat, nur im nördlichen Teil des Plangebiets zusätzliche Bebauungsmöglichkeiten in Erwägung gezogen und letztlich festgesetzt hat. Ob die Ausführungen in der Antragserwiderung, wonach auf den Grundstücken der Antragstellerin nur in eingeschränktem Umfang Erweiterungsflächen vorhanden seien, tragfähig sind, bedarf vor diesem Hintergrund keine Vertiefung.
60Im Übrigen bestand für den Rat insbesondere wegen der bereits erheblichen baulichen Ausnutzung der Grundstücke der Antragstellerin mit drei jeweils achtgeschossigen Wohnhäusern, kein Anlass, dort die Festsetzung größerer Baufenster in Betracht zu ziehen. Er hat der Antragstellerin mit den Festsetzungen des Bebauungsplans auch keine Baurechte genommen, sondern sich insoweit an die Festsetzungen des Vorgängerbebauungsplans angelehnt und ihr damit die bisherigen Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Ausnutzung ihrer Grundstücke belassen. Demgegenüber hat die Antragstellerin innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 BauGB und auch danach keine substanziellen Rügen erhoben, mit denen sie eine unangemessene Einschränkung ihrer Eigentumsrechte aufgezeigt hätte.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
62Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
63Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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