Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 A 1793/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.100,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klageanträge zu 2., 4. und 5. seien unzulässig. Für die Klageanträge zu 2. und 4 habe die Klägerin das erforderliche Feststellungsinteresse nicht dargetan. Hinsichtlich des Klageantrags zu 2. liege ein Rehabilitations- bzw. Genugtuungsinteresse nicht vor; es sei nicht ersichtlich, dass der aufgehobene Teil der Ordnungsverfügung diskriminierenden Charakter gehabt oder sich aus ihm eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin ergeben habe. Hinsichtlich des Klageantrags zu 4. sei keine Präjudizität für einen etwaig bevorstehenden Amtshaftungsprozess gegeben, die drittschützende Amtspflicht der Behörde zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Bauzustandsbesichtigung beziehe sich auf für Leib und Leben des Bauherren sicherheitsrelevante Tatsachen, betreffe jedoch nicht den Vermögensschutz des Bauherren. Die Unzulässigkeit des Klageantrags zu 5. folge daraus, dass die Klägerin keinen entsprechenden bescheidungsfähigen Bauantrag bei der zuständigen Behörde gestellt habe. Der Klageantrag zu 1. sei zulässig, aber unbegründet. Die Ordnungsverfügung vom 22.8.2018 in der Gestalt des Schreibens der Beklagten vom 27.1.2021, wonach der Klägerin der Nachweis der Eintragung einer Grunddienstbarkeit für ein Geh- und Leitungsrecht zugunsten der Grundstücke P. -B. -Straße 28-24 durch Vorlage eines Grundbuchauszugs aufgegeben werde, sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Rechtsgrundlage sei § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2000. Danach könne eine Ordnungsverfügung nachträglich zur Durchsetzung einer der Baugenehmigung beigefügten Nebenbestimmung erlassen werden. Die bestandskräftige Baugenehmigung vom 27.10.1992 einschließlich der Nebenbestimmung Nr. 12 sei wirksam; Nichtigkeitsgründe bestünden nicht. Die Nebenbestimmung Nr. 12 der Baugenehmigung sei auch bestimmt und vollstreckbar. Dem Bauschein sei in Zusammenschau mit den Bauvorlagen eindeutig zu entnehmen, auf welches Grundstück sich die Baugenehmigung einschließlich der Nebenbestimmung Nr. 12 beziehe. Ermessensfehler seien nicht feststellbar. Nicht zu beanstanden sei auch die Androhung des Zwangsgelds. Die in den Anträgen zu 3. und 6. enthaltenen Anträge, das Zuziehen eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, seien unbegründet, da ein solches nicht stattgefunden habe.
4Das Vorbringen der Klägerin führt nicht zur Zulassung der Berufung.
51. Es weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
6a) Dies gilt zunächst für ihre Einwendungen hinsichtlich des Klageantrags zu 1.
7aa) Ohne Erfolg rügt die Klägerin, das Verwaltungsgericht habe die im Wortlaut der Nebenbestimmung Nr. 12 zur Baugenehmigung vom 27.10.1992 nur geforderte Vorlage eines Grundbuchauszugs unkritisch mit der Forderung zur Eintragung einer Grunddienstbarkeit gleichgesetzt. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr auf Seite 10 des Urteilsabdrucks angenommen, Inhalt der Nebenbestimmung Nr. 12 sei die „Eintragung einer Grunddienstbarkeit bzw. deren Nachweis durch Vorlage eines Grundbuchauszuges“. Das ist nicht zu beanstanden.
8bb) Des Weiteren rügt die Klägerin, § 61 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW a. F. sei nicht als Ermächtigungsgrundlage geeignet. Soweit nachbarschützende Belange von einer Baugenehmigung betroffen seien, könnten nur die bauordnungsrechtlich subjektiv-öffentlich geschützten Abwehrrechte privater Dritter Gegenstand einer entsprechenden bauordnungsrechtlichen Auflage sein, Zugriffsrechte, die wie die Eintragung einer Grunddienstbarkeit ausschließlich dem Regelungsbereich des Zivilrechts unterfielen, dürften dagegen nicht einseitig hoheitlich per Zwang abverlangt werden, die Behörde dürfe nicht mit Auflagen die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen der Beteiligten untereinander gestalten. Diese Rüge greift ebenso wenig durch. Denn die- unterstellte - Rechtswidrigkeit der Nebenbestimmung Nr. 12 zur Baugenehmigung vom 27.10.1992 könnte der vom Verwaltungsgericht angenommenen Vollstreckbarkeit auf Grundlage der Bestandskraft der Baugenehmigung nicht entgegen gehalten werden.
9Gleiches gilt danach für die weiteren Einwände der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vom 27.10.1992 bzw. deren Nebenbestimmung Nr. 12, ihr Grundstück sei an die P. -B. -Straße angebunden und habe einen südlich gelegenen Eingang, so dass sie auf den Verbindungsweg zwischen der N. -F. -Straße im Westen und dem Geh- und Radweg östlich des Hauses mit der Nummer 14 nicht angewiesen sei, zudem komme der im Norden ihres Hauses gelegenen Gebäuderückseite ein besonderes Schutzbedürfnis zu, das durch die Nutzung des Verbindungswegs verletzt werde, die Nebenbestimmung Nr. 12 missachte die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 VwVfG NRW und sei ermessenswidrig.
10cc) Die Klägerin erschüttert ferner nicht die Bewertung des Verwaltungsgerichts, die bestandskräftige Baugenehmigung vom 27.10.1992 einschließlich der Nebenbestimmung Nr. 12 sei nicht nichtig.
11Die Nebenbestimmung Nr. 12 leidet nicht an einem besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG NRW. Dafür ist es nicht ausreichend, dass die Nebenbestimmung dem Bauherren bzw. seinem Rechtsnachfolger keinen Vorteil einräumt. Ein Verwaltungsakt leidet nur dann an einem besonders schwerwiegenden Fehler, wenn er mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar ist. Der dem Veraltungsakt anhaftende Fehler muss diesen schlechterdings unerträglich, d. h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.1.2012 - 1 A 1226/10 -, juris.
13Das ist hier nicht der Fall.
14Ein besonders schwerwiegender und offensichtlicher Fehler ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, auf der streitigen Grundstücksfläche sei seit Erteilung der Baugenehmigung im Jahr 1992 keine Leitung verlegt worden, dies sei auch angesichts des Verlaufs sämtlicher üblicher Ver- und Entsorgungsleitungen aller Häuser über die P. -B. -Straße nicht erforderlich, so dass sich die Nebenbestimmung Nr. 12 als Willkür darstelle. Ebenso ist die Baugenehmigung einschließlich der Nebenbestimmung Nr. 12 nicht aufgrund einer mangelnden Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit nichtig.
15Die Nebenbestimmung Nr. 12 ist auch nicht nichtig gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW. Die Klägerin rügt, die Nebenbestimmung fordere die Vorlage eines Grundbuchauszugs „bis zur Inbenutzungnahme“, danach habe sich die Auflage im Sinne einer Ausschlussfrist „verbraucht“. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, bei verständiger Auslegung sei die Formulierung nicht so zu verstehen, dass die genannte Pflicht nach „Inbenutzungnahme“ entfallen solle, darin liege kein Verstoß gegen die durch den Wortlaut gezogene Auslegungsgrenze.
16Die Klägerin zeigt auch keine ernstlichen Zweifel an der Bewertung des Verwaltungsgerichts auf, es liege kein Fall von § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG NRW vor. Sie rügt, die Nebenbestimmung Nr. 12 sei aufgrund eines bewussten und kollusiven Zusammenwirkens in Form eines „Etikettenschwindels“ sittenwidrig, vorliegend sei die eigentlich gewollte Anlage eines öffentlichen Fußwegs zur Erreichbarkeit der entgegen der Erschließungssituation in den Norden gelegten Hauseingänge unzulässig, so dass die zulässige Nutzung als rein privater Fußweg vorgeschoben worden sei, der ursprüngliche Bauherr habe eine „Baulastfläche“ beantragt, die Beklagte habe jedoch im weiteren Verfahren auf die Baulast verzichtet, da es an einem öffentlichen Interesse daran fehle. Die äußeren Umstände wie die vergleichbare Ausgestaltung der als öffentliche Verkehrsflächen gewidmeten Geh- und Radwege, die an den ehemals durchgehenden privaten Fußweg angrenzten bzw. in dessen unmittelbarer Nähe lägen, das ehemals nordwestlich ihres Grundstücks installierte Straßenschild sowie die Aufnahme des privaten Fußwegs in dem amtlichen Stadtplan der Beklagten vermittelten den Eindruck eines öffentlichen Weges. Dies bleibt ohne Erfolg. Damit wird die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend erschüttert, dass auch bei Wahrunterstellung des Vortrags der Klägerin zu einem Zusammenwirken zwischen dem damaligen Bauherren und dem Bauamt der Beklagten eine Sittenwidrigkeit nicht anzunehmen ist. Ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne von § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG NRW muss nach dem Wortlaut des Gesetzes durch den Verwaltungsakt selbst gegeben sein und liegt z. B. dann vor, wenn der Verwaltungsakt etwas Sittenwidriges anordnet oder erlaubt. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt indes nicht schon dann vor, wenn der Verwaltungsakt in einem angreifbaren Verfahren ergangen ist. Dies unterschiede ihn dann nämlich nicht mehr von anderen schlicht rechtswidrigen Verwaltungsakten, die grundsätzlich nur rücknehmbar, aber nicht nichtig sind.
17Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.1.2012
18- 1 A 1226/10 -, juris.
19Gleiches gilt für die von der Klägerin benannten äußeren Umstände.
20Ohne Erfolg rügt die Klägerin ferner, die Nebenbestimmung Nr. 12 sei sittenwidrig im Sinne von § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG, da ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Der Hergabe des nördlichen Grundstücksteils zu Gunsten einer reinen Abkürzungsfläche für benachbarte Bauvorhaben bzw. eines eigentlich intendierten durchgehenden Verbindungswegs für die Allgemeinheit als „verkappte“ öffentliche Verkehrsfläche stehe kein eigener Vorteil für ihr Grundstück gegenüber, zumal ihr Haus das einzige mit einem südlich zur P. -B. -Straße geplanten und errichteten Eingang sei. Diese Rüge hat ebenfalls keinen Erfolg, weil schon angesichts der vergleichsweise geringen Größe der betroffenen Fläche und des Umstands, dass die Klägerin erst im Jahr 2017, also mehr als zehn Jahre nach dem Erwerb, bemerkt hat, dass es sich bei dem Weg um einen Teil des von ihr erworbenen Grundstücks handelt, ein besonders grobes Missverhältnis fern liegt.
21Weiter rügt die Klägerin, die Nebenbestimmung Nr. 12 sei auch deshalb sittenwidrig, weil sie gutgläubig lastenfreies Eigentum nach § 892 BGB an dem Grundstück erworben habe. Auch damit legt sie schon deshalb keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dar, weil § 892 Abs. 1 BGB in der vorliegenden Konstellation nicht einschlägig ist. Das Grundbuch war zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs der Klägerin nicht unrichtig im Sinne dieser Vorschrift, denn eine (eintragungspflichtige) Grunddienstbarkeit zu Lasten des von ihr erworbenen Flurstücks war nicht bestellt worden. Die bloße Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit aufgrund einer Baugenehmigung ist dagegen nicht in das Grundbuch einzutragen, so dass die Klägerin auch nicht darauf vertrauen konnte, eine solche Verpflichtung bestehe nicht. Nichts anderes ergibt sich aus der Löschung des vormals eingetragenen Entwicklungsvermerks aus dem Grundbuch. Schutzwürdiges Vertrauen kann die Klägerin ferner nicht darauf stützen, dass sie im Rahmen des Grundstückserwerbs die Baugenehmigung nicht erhalten haben will. Es hätte ihr als Erwerberin oblegen, deren Vorlage zu verlangen. Aus dem gleichen Grund ergibt sich daraus nicht die von der Klägerin angenommene „Verwirkung der Forderung aus der Auflage Nr. 12“.
22Die Klägerin erschüttert mit ihrem Vorbringen ferner nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Nebenbestimmung Nr. 12 der Baugenehmigung sei bestimmt und vollstreckbar. Sie rügt, von einer hinreichenden Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit könne nicht die Rede sein, die Fläche für die Grunddienstbarkeit sei objektiv nicht im Lageplan erkennbar, die dort ausgewiesene „Baulastfläche“ für ein „Geh-, Fahr- und Leitungsrecht“ sei nicht einfach mit einer Fläche für eine zivilrechtliche Grunddienstbarkeit gleichzusetzen, es sei auch nicht zu erkennen, zugunsten welcher Flurstücke bzw. Bauvorhaben die Grunddienstbarkeit eingetragen werde solle, bei der Auslegung ergäben sich in mehrfacher Hinsicht Widersprüchlichkeiten. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass dem Bauschein in Zusammenschau mit den Bauvorlagen, insbesondere dem Lageplan, eindeutig zu entnehmen sei, auf welches Grundstück sich Genehmigung und Nebenbestimmung bezögen, sowohl die teilweise unrichtige Angabe des Flurstücks im Genehmigungsschreiben als auch die unrichtige Bezeichnung der Fläche im Lageplan seien daher unschädlich.
23dd) Schließlich erschüttert die Klägerin auch nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, Ermessensfehler seien nicht feststellbar.
24Sie rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Auflage Nr. 12 zumindest eindeutig rechtswidrig sei, die teilweise Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 22.8.2018 mit Schriftsatz vom 27.1.2021 enthalte keine Ermessenserwägungen. Es sei rechtsmissbräuchlich, ihr die Eintragung einer Grunddienstbarkeit aufzugeben, wenn die Beklagte im Jahr 1992 auf die Baulast als öffentliches Instrument zur Sicherung des Fußwegs verzichtet habe. Der Wegfall des Fußwegs als Abkürzung stelle keine Gefahr dar, vielmehr werde seitdem ihr Haus wieder zuverlässig von Post- und Paketzustellern aufgefunden. Der Durchgang über ihr Grundstück stelle nicht die einzige Zugangsmöglichkeit zu den nördlichen Hauseingängen der Hausnummern 28 bis 24 sowie 22 bis 14 dar. Da sie die Vorlage des Grundbuchauszugs nicht spätestens bei der Schlussabnahme kontrolliert habe, treffe die Beklagte ein maßgebliches Verschulden daran, dass die Grunddienstbarkeit nicht eingetragen und damit für die Klägerin nicht aus dem Grundbuch zu ersehen gewesen sei. Die Beklagte wolle die als rechtswidrig erkannte Auflage nur deshalb durchsetzen, damit die Eigentümer der Nachbargrundstücke in die Lage versetzt würden, zivilrechtlich gegen sie, die Klägerin, vorzugehen. Zudem müsse sie nur zugunsten der Flurstücke 1901 bis 1905 ein Geh- und Leitungsrecht eintragen lassen, tatsächlich würden aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die Eigentümer und Besucher der Flurstücke 1906 bis 1910 die Abkürzung über ihr Grundstück nutzen.
25Damit greift die Klägerin die Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht hinreichend an, bei Verstößen gegen bestandskräftige Verwaltungsakte stelle das Einschreiten der Behörde im Rahmen des Entschließungsermessens die Regel dar, einen baurechtlich begründeten Ausnahmefall, aufgrund dessen ausnahmsweise nicht einzuschreiten gewesen wäre, habe die Beklagte ermessensfehlerfrei nicht angenommen. Im Übrigen spricht auch die Bestandskraft der Baugenehmigung einschließlich der Nebenbestimmung Nr. 12 gegen eine erneute Überprüfung der Rechtmäßigkeit im Rahmen der Ermessensentscheidung.
26b) Auch hinsichtlich des Klageantrags zu 2. sind keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung dargelegt.
27Die Klägerin rügt, ein Feststellungsinteresse in Form eines Rehabilitierungs- und Genugtuungsinteresses liege vor. Nach der Kommentarliteratur sei ein solches Feststellungsinteresse zu verneinen, wenn die Ausgangsbehörde den Verwaltungsakt wegen seiner Rechtswidrigkeit aufgehoben und dies ausdrücklich und unmissverständlich anerkannt habe; da die Beklagte im Schriftsatz vom 27.1.2021 keine ausdrückliche Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit ausgesprochen habe, liege im Umkehrschluss ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse vor. Die ihr im Bescheid vom 22.8.2018 angedrohte Ersatzzwangshaft habe sie verängstigt und mit einer Straftäterin gleichgesetzt. Zudem berücksichtige das Verwaltungsgericht nicht, welchen rechtswidrigen und teilweise strafbaren Handlungen sie als Folge der gegen sie ergangenen Ordnungsverfügung der Beklagten ausgesetzt gewesen sei.
28Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Der von der Klägerin gezogene Umkehrschluss ergibt sich weder aus der von ihr zitierten Kommentarfundstelle noch trifft er der Sache nach zu. Der Bescheid vom 22.8.2018 weist lediglich auf die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der gerichtlichen Anordnung von Ersatzzwangshaft nach § 61 Abs. 1 VwVG NRW hin. Den von ihr vorgetragenen Handlungen Dritter kommt bei der Beurteilung eines auf den Bescheid vom 22.8.2018 bezogenen Genugtuungsinteresses kein durchgreifendes Gewicht zu.
29c) Ernstliche Zweifel zeigt die Klägerin auch nicht hinsichtlich des Klageantrags zu 4. auf.
30Sie trägt vor, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Form einer Präjudizität für einen etwaig bevorstehenden Amtshaftungsprozess sei gegeben. Die nicht erfolgte Überprüfung der Vorlage der Grundbuchauszüge diene dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs sowie dem Schutz ihres Vermögens als Dritte, zivilrechtliche Ansprüche gegen den Bauherrn oder den Verkäufer schieden aus, so dass ein subsidiärer Rückgriff auf die Beklagte eröffnet sei. Dies greift nicht durch. Der Klageantrag zu 4. bezog sich ausdrücklich allein auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des durch die Beklagte aufgehobenen Gebührenbescheids vom 22.8.2018. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, inwieweit die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Gebührenbescheids in einem Amtshaftungsprozess, der die Verletzung zur Pflicht einer ordnungsgemäßen Bauzustandsbesichtigung zum Gegenstand haben soll, erheblich sein könnte.
31d) Schließlich legt die Klägerin auch keine ernstlichen Zweifel im Hinblick auf den Klageantrag zu 5. dar.
32Sie rügt, über diesen Antrag habe das Verwaltungsgericht nicht zu entscheiden gehabt, da er nur bedingt gestellt gewesen sei, sie habe auch keine andere Baugenehmigung begehrt, sondern lediglich die Ausfertigung einer berichtigten, für ihr Vorhaben zutreffenden Baugenehmigung mit insbesondere dem richtigen Bauschein und dem Befreiungsbescheid.
33Diese Rügen bleiben ohne Erfolg. Soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe über den Antrag nicht mehr zu entscheiden gehabt, zeigt sie damit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf.
342. Aus den vorstehenden Gründen führt das Zulassungsvorbringen auch nicht zu den von der Klägerin gesehenen besonderen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
353. Das Vorbringen der Klägerin führt ferner nicht zu einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
36Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
37„wie weit der gutgläubige lastenfreie Erwerb gem. § 892 BGB greift, wenn ein Entwicklungsvermerk aus dem Grundbuch vor Auflassung und Eigentumseintragung gelöscht wurde, so dass aus dem abgeschlossenen Entwicklungsverfahren gem. § 144 BauGB keine Ansprüche gegen den gutgläubig lastenfrei erworben habenden Rechtsnachfolger mehr erhoben werde können“
38sowie
39„Wenn eine Grunddienstbarkeits-Forderung, wie hier z.B. für ein Geh- und Leitungsrecht, zugunsten dritter Grundstücke dann über das Entwicklungsverfahren Eingang als Auflage in eine Baugenehmigung gefunden hat, aber nicht im Grundbuch eingetragen wurde, muss dann diese für die Erschließung des Bauvorhabens bauordnungsrechtlich nicht erforderliche Auflage als „Ableger“ des Entwicklungsverfahrens nach dem BauGB, wie wir es rechtlich werten, nicht auch vom Schutz des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs gem. § 892 BGB umfasst sein?“.
40Diese Fragen sind nicht von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Ihre Beantwortung ergibt sich aus den vorstehend aufgezeigten Gründen ohne weiteres im Wege der Auslegung aus dem Gesetz, da § 892 BGB danach keine Anwendung findet.
414. Das Zulassungsvorbringen führt des weiteren nicht zu der behaupteten Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
42Die Klägerin legt nicht dar, dass das Verwaltungsgericht von einem Rechtssatz in einer der von ihr benannten Entscheidungen abgewichen wäre. Sie formuliert schon keine Rechtssätze der angegriffenen Entscheidung einerseits und der als Divergenzentscheidungen benannten Urteile und Beschlüsse andererseits. Vielmehr rügt sie, das Verwaltungsgericht habe die benannten Entscheidungen nicht berücksichtigt oder deren Vorgaben verkannt. Die damit der Sache nach beanstandete vermeintlich fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen des Bundes- bzw. des Oberverwaltungsgerichts rechtfertigt keine Divergenzzulassung.
43Vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschluss vom 7.2.2014 - 13 A 1900/13 -, juris.
445. Schließlich macht die Klägerin ohne Erfolg der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegende Verfahrensmängel geltend, auf denen die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
45Die Klägerin rügt die Ablehnung ihrer Beweisanträge auf die Vernehmung von Zeugen und auf Heranziehung der Unterlagen der Beklagten hinsichtlich des Entwicklungsverfahrens gemäß § 144 BauGB. Das Verwaltungsgericht hat die Beweisanträge abgelehnt, weil sie sich überwiegend auf nicht hinreichend konkrete Tatsachen bezögen bzw. nicht entscheidungserheblich seien.
46Hinsichtlich des auf die Vernehmung der Zeugen gerichteten Beweisantrags wendet die Klägerin ein, die Aussagen der Zeugen hätten ihren Vortrag eines bewussten und gewollten kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem damaligen Bauherrn und der Beklagten mit großer Wahrscheinlichkeit bestätigt, dadurch wäre die Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit der streitigen Auflage Nr. 12 nachzuweisen gewesen. Damit hat die Klägerin keinen durchgreifenden Verfahrensmangel dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat - wie oben dargestellt - zutreffend angenommen, auch bei einem unterstellten Zusammenwirken zwischen dem damaligen Bauherren und dem Bauamt der Beklagten sei die hohe Schwelle der Sittenwidrigkeit bzw. Nichtigkeit der Baugenehmigung nicht überschritten.
47Hinsichtlich des auf die Beiziehung von Unterlagen gerichteten Beweisantrags rügt die Klägerin, wenn die streitige Auflage Nr. 12 als Teil des Entwicklungsverfahrens gemäß § 144 BauGB Eingang in die Baugenehmigung gefunden habe, könne sie sich auf ihren gutgläubigen lastenfreien Erwerb berufen; die Hintergründe der Aufnahme der streitigen Auflage in die Baugenehmigung wären für das Gericht als Rechtswidrigkeitsgrund der angegriffenen Ordnungsverfügung von prozessentscheidender Bedeutung gewesen. Damit legt sie keinen Fehler des Verwaltungsgerichts bei der Ablehnung des Beweisantrags dar. Ausgehend davon, dass die Baugenehmigung einschließlich der Nebenbestimmung Nr. 12 bestandskräftig ist, waren die weiteren Umstände des Zustandekommens dieser Regelung für die Entscheidung- wie dargelegt - unerheblich.
48Das Verwaltungsgericht war im Übrigen auch nicht im Wege der Amtsaufklärung (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) zur Erhebung der von der Klägerin begehrten Beweise verpflichtet.
49Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
50Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.
51Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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