Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 695/22
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.
3Das Verwaltungsgericht hat den (sinngemäß gestellten) Antrag abgelehnt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, einen der bei dem Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L. zu besetzenden Dienstposten im Rahmen des Besetzungsverfahrens 2022 - Stellenausschreibung vom 3.1.2022, Az. 1464-2021/0126 - mit einem/einer anderen Bewerber/Bewerberin zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragstellerin habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Zwar könne auch im Fall der Dienstpostenkonkurrenz ein Anordnungsgrund bestehen, wenn es sich um einen sog. Beförderungsdienstposten handele, dessen Übertragung der Erprobung für eine spätere Beförderung diene und so die Auswahl für die Beförderungsämter auf die Auswahl unter den Bewerbern um den Beförderungsdienstposten vorverlagert werde, oder ein rechtswidrig ausgewählter Bewerber auf dem Dienstposten einen erheblichen Erfahrungs- und Bewährungsvorsprung sammeln könne, der bei einer nochmaligen Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wäre. Diese Voraussetzungen lägen jedoch nur dann vor, wenn die Vergabe dieses Dienstpostens eine Vorauswahl zwischen den Bewerbern für die Vergabe eines Statusamts darstelle. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn überhaupt die Möglichkeit einer zukünftigen Konkurrenz um eine Beförderung zwischen dem für den Dienstposten ausgewählten Bewerber und dem Rechtsschutz suchenden Bewerber bestehe. Nur wenn die Verwendung auf dem in Rede stehenden Dienstposten dem ausgewählten Bewerber gerade im Verhältnis zum Rechtssuchenden zukünftig einen Vorteil vermitteln könnte, sei es gerechtfertigt, mit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Besetzung des Dienstpostens zu unterbinden. Gerade dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall. Es sei hinsichtlich des streitgegenständlichen Dienstpostens nicht ersichtlich, dass in naher Zukunft eine korrelierende Beförderungsentscheidung anstehe, so dass eine Vorgreiflichkeit der Dienstpostenvergabe nicht zu besorgen sei. Im Hinblick auf die spätere Vergabe eines höheren Statusamtes sei auch kein Bewährungsvorsprung aufgrund der Dienstpostenvergabe absehbar. Im Übrigen seien bestimmte Bewerber für die in Rede stehenden Dienstposten noch nicht ausgewählt.
4Zunächst führt die Rüge nicht zum Erfolg der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör verletzt, weil es die von ihr beantragte Vorlage von Akten im richterlichen Hinweis vom 23.5.2022 als nicht erforderlich angesehen und ihr, ohne ihr eine angemessene Frist zur Stellungnahme einzuräumen, kurze Zeit später den angegriffenen Beschluss zugestellt habe. Das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO kann grundsätzlich nicht mit der Behauptung von Verfahrensfehlern des Verwaltungsgerichts begründet werden. Denn es eröffnet im Rahmen der durch § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO gezogenen Grenzen eine umfassende Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht als zweite Tatsacheninstanz, so dass ein etwaiger erstinstanzlicher Gehörsverstoß durch die nachholende Berücksichtigung des Vorbringens im Beschwerdeverfahren geheilt werden könnte.
5Vgl. BayVGH, Beschlüsse vom 22.3.2022 - 6 CE 22.305 -, juris Rn. 26, und vom 8.2.2021 - 6 CS 21.111 -, juris Rn. 8; OVG NRW, Beschlüsse vom 9.2.2021 - 6 B 1240/20 -, DRiZ 2021, 466 = juris Rn. 72, und vom 22.8.2018 - 1 B 1024/18 -, juris Rn. 9 m. w. N.
6Im Übrigen besteht kein Anhalt dafür, dass der Antragsgegner Aktenbestandteile bzw. sonstige Unterlagen nicht vorgelegt hat, die für das vorliegende Verfahren von Relevanz sein könnten.
7Die (Ergebnis-)Richtigkeit der selbstständig tragenden Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehle an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, stellt die Beschwerde nicht durchgreifend in Frage. Die Antragstellerin hat auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass ihr im vorliegenden Fall einer reinen Dienstpostenkonkurrenz ein wesentlicher Nachteil oder gar ein Rechtsverlust durch die Besetzung der streitbefangenen Stellen mit den zwischenzeitlich ausgewählten bzw. für eine Zuführung an das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L. zum 1.2.2023 vorgesehenen Bewerbern und Bewerberinnen
8- im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung der männlichen und weiblichen Sprachform verzichtet und gilt die männliche Sprachform für alle Geschlechter -
9droht (vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
10Streitbefangen sind den Statusämtern der Besoldungsgruppen A 9 bis A 13 zugeordnete „gebündelte“ Dienstposten, die sich für Beamte in jedem dieser statusrechtlichen Ämter entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht als höherwertig darstellen.
11Vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 9.5.2019 - 2 C 1.18 -, BVerwGE 165, 305 = juris Rn. 54, vom 25.9.2014 - 2 C 16.13 - BVerwGE 150, 216 = juris Rn. 27, vom 30.6.2011 - 2 C 19.10 -, BVerwGE 140, 83 = juris Rn. 30, und vom 25.1.2007 - 2 A 2.06 -, juris Rn. 12.
12Dies gilt mithin auch für die Antragstellerin, die ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 12 innehat, und die für eine Zuführung an das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L. zum 1.2.2023 vorgesehenen Bewerber, die Statusämter der Besoldungsgruppen A 9, A 10 oder A 11 innehaben. Diese wurden bzw. sollen unter Beibehaltung ihres aktuellen Statusamtes zum 1.2.2023 für neun Monate an das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L. mit dem Ziel der Versetzung abgeordnet werden.
13Bei einer damit nur gegebenen Konkurrenz um nicht höherwertige Dienstposten fehlt es für den Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Regel an dem erforderlichen Anordnungsgrund, weil die Stellenbesetzung jederzeit rückgängig gemacht werden kann, ohne dass ihr eine Vorwirkung für eine spätere Vergabe eines höheren Statusamtes zukommt. Dass aufgrund der besonderen Gegebenheiten des Streitfalls hier Abweichendes zu gelten hätte, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.
14Ohne Erfolg weist die Beschwerde darauf hin, der Einsatz als Prüfer in einem Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung eröffne nach Nr. 7.3.1 der mit Wirkung vom 1.1.2020 in Kraft getretenen „Richtlinien für die Beurteilung und Beförderung der Beamtinnen und Beamten der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen“, im Folgenden: BuBR 2020, den Konkurrenten die Möglichkeit der Zuerkennung der „Beförderungseignung nach BesGr. A 13 BA“. Die Zuerkennung der „Beförderungseignung nach BesGr. A 13 BA“ setzt zunächst einmal voraus, dass der Beamte ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 12 innehat und überdies in einer auf dieses Statusamt bezogenen Beurteilung mindestens das Gesamturteil „drei Punkte im oberen Bereich“ erreicht hat (vgl. Nr. 7.1 und 7.2 BuBR 2020). Bereits die erstgenannte Voraussetzung erfüllen die für die Zuführung zum Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung zum 1.2.2023 vorgesehenen Bewerber, die, wie dargestellt, sämtlich ein niedrigeres Statusamt innehaben, nicht.
15Ein Anordnungsgrund lässt sich auch nicht damit begründen, der Einsatz als Prüferin in einem Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung eröffne der Antragstellerin die Chance auf die Zuerkennung der „Beförderungseignung nach BesGr. A 13 BA“. Der Vortrag ist schon in Anbetracht ihres Antragsbegehrens, das allein auf die Freihaltung eines Dienstpostens bis zur erneuten Entscheidung über ihre Bewerbung gerichtet ist, unerheblich. Abgesehen davon unterliegt es Zweifeln, dass allein die Vorenthaltung einer solchen Möglichkeit (für die Dauer des Hauptsacheverfahrens) einen hinreichend gewichtigen Nachteil für die Annahme eines Anordnungsgrundes darstellt.
16Soweit die Antragstellerin einwendet, die ausgewählten Bewerber könnten auf den Dienstposten im Hinblick auf das möglicherweise neu durchzuführende Auswahlverfahren einen Erfahrungsvorsprung erlangen, kann auf sich beruhen, inwieweit ein solcher Einwand in der gegebenen Konstellation überhaupt geeignet sein kann, einen Anordnungsgrund zu begründen. Denn dafür, dass diese auf den streitbefangenen Dienstposten einen relevanten Erfahrungsvorsprung im Verhältnis zur Antragstellerin, die bereits ein höheres Statusamt als diese innehat, gewinnen könnten, gibt das Beschwerdevorbringen schon nichts her. Es stellt umfänglich dar (vgl. IV.5. der Beschwerdebegründung), dass die Antragstellerin entgegen der Einschätzung des Antragsgegners über die für die Tätigkeit als Prüferin beim Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung erforderlichen Steuerrechtskenntnisse verfügt. Dies zugrunde gelegt, kann dahinstehen, ob, wie die Beschwerde geltend macht, die ausgewählten Bewerber gegebenenfalls vorhandene Defizite hinsichtlich der Steuerrechtskenntnisse, die für die Tätigkeit als Prüfer im Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung erforderlich sind, durch ihre dortige Tätigkeit beseitigen können.
17In diesem Zusammenhang greift auch das Vorbringen nicht durch, die Mitbewerber könnten auf dem Dienstposten einen Erfahrungs- bzw. Bewährungsvorsprung erlangen, der sich in nachfolgenden Beurteilungen niederschlagen und ihnen die Zuerkennung der Beförderungseignung vermitteln könne, was ihnen bei späteren Beförderungsentscheidungen zum Vorteil gereichen könne. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf obergerichtliche Rechtsprechung zutreffend ausgeführt, dass es nur dann gerechtfertigt ist, die Besetzung des in Rede stehenden Dienstpostens mit einem konkurrierenden Bewerber zu untersagen, wenn die Verwendung auf dem Dienstposten dem ausgewählten Bewerber gerade im Verhältnis zum Rechtsschutz suchenden Bewerber einen Vorteil vermitteln könnte. Dass der Einsatz auf dem Dienstposten dem ausgewählten Konkurrenten generell bei seinem beruflichen Fortkommen oder auch bei denkbaren späteren, jetzt aber noch in keiner Weise absehbaren Beförderungsentscheidungen günstig sein könnte, reicht nicht aus, um die Stellenbesetzung zu untersagen.
18Fehl geht der Hinweis, in die Betrachtung sei auch einzubeziehen, dass einer der ausgewählten Mitbewerber ggfs. noch vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens in ein Amt der Besoldungsgruppe A 13 befördert werden könnte. Für eine derartige Beförderung besteht kein Anhalt; das Vorbringen bewegt sich im Bereich reiner Spekulation. Das gilt in besonderer Weise, weil die ausgewählten Bewerber - wie erwähnt - Statusämter der Besoldungsgruppen A9, A 10 oder A 11 innehaben, so dass ihrer Beförderung unmittelbar in ein Amt der Besoldungsgruppe A 13 das Verbot der Sprungbeförderung (§ 19 Abs. 4 LBG NRW) entgegenstünde.
19Schließlich folgt der Senat nicht der Ansicht der Antragstellerin, ein Anordnungsgrund sei im Fall der Dienstpostenkonkurrenz auch dann gegeben, wenn bereits im Eilverfahren bei summarischer Prüfung offen zutage trete, dass mit der getroffenen Auswahlentscheidung eine objektiv willkürliche Bevorzugung des Mitbewerbers zu Lasten des unterliegenden Bewerbers verbunden und damit offensichtlich sei, dass der Dienstherr die ihn aus Art. 33 Abs. 2 GG gegenüber dem unterliegenden Bewerber treffenden Pflichten bereits im Vorfeld einer Beförderungsentscheidung verletzt habe. Der Auffassung ist entgegenzuhalten, dass die Frage der Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs - auch im Falle ihrer Offensichtlichkeit - eine solche des Anordnungsanspruchs ist, und überdies nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die begehrte Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheinen muss. Zudem stützen die hierfür angeführten Entscheidungen den wiedergegebenen Rechtsstandpunkt allenfalls eingeschränkt. So hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 21.1.2005 - 3 CE 04.2899 - den Anordnungsgrund nicht mit der genannten Erwägung begründet, sondern lediglich seine Rechtsprechung zur Berücksichtigung eines Bewährungsvorsprungs - dem maßgeblichen Gesichtspunkt - jedenfalls für die Konstellation der objektiv willkürlichen Bevorzugung des Mitbewerbers geändert (vgl. juris Rn. 27). Dem Beschluss des 1. Senats des OVG NRW vom 15.11.2002 - 1 B 1554/02 - ist der angeführte Rechtssatz nicht zu entnehmen. Im Übrigen ist nicht dargelegt, dass die entsprechenden Voraussetzungen - eine objektiv willkürliche Bevorzugung eines Mitbewerbers und/oder eine offensichtliche Verletzung des Bewerbungsanspruchs der Antragstellerin - im Streitfall gegeben sind. Wenn auch das Auswahlverfahren Rechtsbedenken nicht von Vornherein vollständig entzogen sein mag, bedürfte dies doch näherer Überprüfung.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 2x
- 1 B 1554/02 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 146 4x
- 1 B 1024/18 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- § 52 Abs. 1 und 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- LBG § 19 1x
- 6 B 1240/20 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 294 Glaubhaftmachung 1x