Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 8 A 1574/19
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Instanzen auf 35.700,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt.
4Dies ist hier nicht der Fall. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dazu I.). Die Rechtssache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf (dazu II.). Der ebenfalls geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht hinreichend dargelegt (dazu III.). Auch eine Divergenz von der übergeordneten Rechtsprechung (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nicht dargelegt (dazu IV.).
5I. Aus der Antragsbegründung ergeben sich keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.
6Das Verwaltungsgericht hat die auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und Inbetriebnahme einer Putenmastanlage gerichtete Klage als unbegründet angesehen. Das Vorhaben solle im bauplanungsrechtlichen Außenbereich verwirklicht werden. Die Voraussetzungen für die Annahme einer hier allein in Betracht kommenden Privilegierung des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB lägen in Bezug auf die Klägerin und ihren Genehmigungsantrag nicht vor. Diese sei nicht Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebs, dem das Vorhaben dienen müsse. Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs, dem das Vorhaben zugeordnet sei, sei vielmehr der Mitgesellschafter Dr. von T. . Die Klägerin sei deshalb nicht aktivlegitimiert.
7Seine Sachverhaltswürdigung, dass die Klägerin nicht Inhaberin eines nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten landwirtschaftlichen Betriebs sei, dem die geplante Putenmastanlage in dienender Funktion zugeordnet sein könne, hat das Verwaltungsgericht nicht allein auf den Umstand gestützt, dass Herr Dr. von T. Eigentümer der Vorhabenfläche ist, sondern vielmehr auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrags, wonach Zweck der Gesellschaft - der B. GbR - die gemeinschaftliche Bewirtschaftung der von den drei Vertragspartnern in die Gesellschaft eingebrachten, aber jeweils in deren Eigentum verbliebenen Ackerflächen ist. Ferner hat es auf den Gesellschafterbeschluss vom 28. Oktober 2010 abgestellt, wonach die Gesellschafter auf ihren Eigentumsflächen in eigener Verantwortung ihren Standort/ihre Hofstelle weiterentwickeln dürfen, und schließlich auf die von Herrn Dr. von T. und den übrigen Gesellschaftern im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren abgegebenen Erklärungen, nicht zuletzt die Aussage des Herrn Dr. von T. in der mündlichen Verhandlung, dass es sich bei der Putenmast um ein „eigenes Projekt“ handele, das ausschließlich zu seinen Lasten und zu seinem Vorteil geführt werde.
8Die Richtigkeit dieser Erwägungen stellt das Antragsvorbringen weder hinsichtlich der zugrunde zu legenden rechtlichen Maßstäbe (dazu 1.) noch bezogen auf die einzelfallbezogene Sachverhaltswürdigung (dazu 2.) durchgreifend in Frage.
91. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden bauplanungsrechtlichen Privilegierung von Außenbereichsvorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in entscheidungserheblicher Hinsicht falsch ausgelegt haben könnte.
10a) Nach dieser Vorschrift - wie schon nach der Vorgängerregelung in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BBauG - ist ein Vorhaben im Außenbereich nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Dabei ist die hier in Rede stehende Tierhaltung nach § 201 BauGB nur dann Landwirtschaft im Sinne des Baugesetzbuchs, wenn das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann.
11§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, den Außenbereich einer Gemeinde grundsätzlich von Bebauung freizuhalten. Aus dem Schutzzweck der Vorschrift schließt das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung, dass diese die Errichtung dauerhafter Bauten zugunsten land- und forstwirtschaftlicher Betätigung nur dann privilegiert, wenn der Betrieb das Merkmal der „Nachhaltigkeit“ erfüllt und es sich um eine auf die Dauer lebensfähige Planung handelt; dies lasse in aller Regel eine landwirtschaftliche Betätigung allein auf gepachtetem Grund und Boden aus der Privilegierung ausscheiden, weil eine nur schuldrechtliche Beziehung privatrechtlich weniger verlässlich sei und andererseits bei ihr - insbesondere auch einvernehmliche - Änderungen der Rechtslage einer bodenrechtlichen Kontrolle entzogen seien. Diese Anforderungen gelten auch für die Verwirklichung eines neuen Betriebsstandorts, wenn der Vorhabenträger andernorts bereits auf eigenem Grund einen Hauptbetrieb unterhält. Fehlt es an dem Merkmal der Nachhaltigkeit, liegt bezogen auf den geplanten Standort kein Betrieb im Sinne der bauplanungsrechtlichen Privilegierungsnorm vor.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1972 - IV C 9.70 -, juris Rn. 23 ff., zu § 35 Abs. 1 Nr. 1 BBauG unter Hinweis auf § 19 BBauG.
13Ein landwirtschaftlicher Betrieb ist danach durch eine spezifische betriebliche Organisation gekennzeichnet; erforderlich ist eine nachhaltige Bewirtschaftung, nämlich ein auf Dauer gedachtes und auf Dauer lebensfähiges Unternehmen.
14Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. April 1986 - 4 C 67.82 ‑, juris Rn. 14, vom 16. Mai 1991 - 4 C 2.89 -, juris Rn. 11, und vom 16. Dezember 2004 - 4 C 7.04 -, juris Rn. 10, m. w. N.
15Aus diesen Vorgaben folgt ohne weiteres, dass eine Gesellschaft ohne zivilrechtlich in gesicherter Weise zugeordnete Eigentumsflächen, deren Gesellschafter das Recht haben, die in die Gesellschaft „eingebrachten“, aber in ihrem Eigentum verbliebenen Flächen nach eigenen Vorstellungen, auf eigene Rechnung und für eigene Projekte zu nutzen, kein landwirtschaftlicher Betrieb sein kann. Vielmehr handelt es sich dann um eine bloße Kooperation landwirtschaftlicher Betriebe.
16Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2022, § 35 Rn. 30b, 33.
17Eine solche Gesellschaft kann nach Maßgabe der gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Regelung jederzeit aufgekündigt werden kann, wenn ihr - nach eigenen Angaben der Klägerin hier: steuerlicher - Vertragszweck entfallen sein oder dies (zumindest einem der Gesellschafter) aus sonstigen Gründen sinnvoll erscheinen sollte.
18Da die Sicherung einer dauerhaften Verfügbarkeit der landwirtschaftlichen Flächen ebenfalls zur Definition des Betriebsbegriffs zählt, ist klar, dass eine Fläche nicht zugleich zu verschiedenen Betrieben gehören kann.
19Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2022, § 35 Rn. 30.
20Dies gilt nicht zuletzt auch mit Blick auf die Voraussetzungen des § 201 BauGB, wonach Tierhaltung zur Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzes nur zählt, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann.
21b) Die gegen die Auslegung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB durch das Verwaltungsgericht gerichteten Bedenken der Klägerin greifen nicht durch.
22aa) Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht sei von einem zu engen Begriff des (landwirtschaftlichen) Betriebs ausgegangen. Ihrer Auffassung nach sei vielmehr eine ganzheitliche Betrachtungsweise geboten. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 1957 - III ZR 141/55 - ist indessen unbehelflich. Das genannte Urteil betrifft die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein enteignungsgleicher Eingriff in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu einem Entschädigungsanspruch führen kann. Mit der Privilegierung eines im Außenbereich geplanten landwirtschaftlichen Betriebs hat das Urteil des Bundesgerichtshofs nichts zu tun. Entsprechendes gilt für die angeführte Kommentarstelle, die sich auf § 90 BauGB und damit ebenfalls auf das Entschädigungsrecht bezieht. Aus den von der Klägerin zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts folgt nichts anderes. So betrifft etwa der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 1987 - 4 B 230 und 231.87 - den Begriff des „kleinen Betriebs des Beherbergungsgewerbes“ im Sinne von § 3 Abs. 3 BauNVO a. F.; die Urteile vom 17. Februar 2011 - 4 C 9.10 - und vom 16. Dezember 1993 - 4 C 19.92 - betreffen gewerbliche Betriebe i. S. d. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB. Die zitierte Passage aus dem Urteil des Senats vom 1. Dezember 2011 - 8 D 58/08.AK - (juris Rn. 327) verhält sich zu dem Begriff des Betreibers im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes.
23Die Argumentation der Klägerin scheint von der Annahme auszugehen, dass es gleichsam einen allgemeinen, in verschiedenen rechtlichen Zusammenhängen identisch auszulegenden Begriff des Betriebs gebe. Das trifft indessen nicht zu. Bei der Auslegung einer Norm sind entsprechend allgemeinen Grundsätzen neben deren Wortlaut insbesondere der jeweilige systematische Regelungszusammenhang sowie der erkennbare Sinn und Zweck und - das so gefundene Auslegungsergebnis gegebenenfalls bestätigend - die Entstehungsgeschichte einer Vorschrift zu berücksichtigen.
24Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 16. Februar 1983 - 2 BvE 1/83 u.a. -, juris Rn. 104 ff., insbes. Rn. 124 f.
25Ausgehend davon sind die Voraussetzungen des bei den zahlreichen Baurechtsnovellen stets unverändert gebliebenen Privilegierungstatbestands nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in der höchstrichterlichen Rechtsprechung - wie vorstehend ausgeführt - seit langem geklärt. Rechtsprechung, die sich auf den Begriff des Betriebs i. S. v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bezieht und aus der sich ergibt, dass eine bloße zivilvertragliche Kooperation zwischen eigenständigen landwirtschaftlichen Betrieben die Voraussetzungen der hier maßgeblichen Begriffsdefinition erfüllt, zeigt die Antragsbegründung nicht auf.
26bb) Ferner meint die Klägerin, dass das zur Genehmigung gestellte und nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zu beurteilende Vorhaben auch einem fremden Betrieb dienen könne.
27Auch dies trifft nicht zu. Auch insoweit ist nicht allein der Wortlaut der Vorschrift, sondern sind auch deren erkennbarer Regelungszweck und der Regelungszusammenhang in den Blick zu nehmen.
28Auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 1973 - IV C 49.71 - kann sich die Klägerin daher für ihre Rechtsauffassung nicht stützen. Das Urteil betrifft die Frage, ob ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung oder Bebauungsgenehmigung bestehen kann, wenn der Antragsteller weder Eigentümer noch in vergleichbarer Weise am Grundstück berechtigt ist, sowie die Frage, was daraus folgt, wenn eine Genehmigung wegen bestehender privatrechtlicher Hindernisse nutzlos wäre. Darum geht es hier nicht. Die Entscheidung verhält sich nicht zu den hier maßgeblichen Vorschriften.
29Die Klägerin berücksichtigt im Übrigen nicht, dass § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB eine Tierhaltung wie die hier geplante Putenmastanlage im Außenbereich nur dann privilegiert, wenn es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des Baugesetzbuchs handelt, und dass die Privilegierung i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nur möglich ist, wenn eine überwiegend eigene Futtergrundlage in örtlicher Nähe zum Betrieb gegeben ist.
30Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 6. Januar 1997 - 4 B 256.96 -, juris Rn. 3.
31Eine Tierhaltung ohne eigene Futtergrundlage fällt nicht unter den Begriff der Landwirtschaft.
32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Februar 1991 - 4 B 124.90 -, juris Rn. 5.
33Das Futter muss danach auf den zu dem konkreten, nicht zu (irgend-) einem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Flächen erzeugt werden können. Bereits aus dem Wortlaut des § 201 BauGB ergibt sich deshalb ohne weiteres, dass ein Vorhaben i. S. v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht von einem anderen als dem Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs zur Genehmigung gestellt werden kann, weil es anderenfalls an der nötigen Zuordnung der Flächen zu dem privilegierten Betrieb fehlen würde.
34Aus dem Erfordernis der Nachhaltigkeit, durch das die dauerhafte Errichtung eines Bauvorhabens mit dem ebenfalls auf Dauer angelegten landwirtschaftlichen Betrieb verknüpft ist, sowie aus der zur Vermeidung von Missbrauch geregelten zwingenden Voraussetzung für die Zulassung eines Vorhabens im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs, dass dieses Vorhaben „diesem Betrieb dient“,
35vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1967 - IV C 41.65 ‑, juris Rn. 14 (zu einem Wohnbauvorhaben),
36folgt ebenfalls ohne weiteres, dass ein Vorhaben, das einem fremden landwirtschaftlichen Betrieb dient, bauplanungsrechtlich im Außenbereich nicht privilegiert ist. Nur durch die konkrete funktionale Verknüpfung von Betrieb, dessen eigenen Flächen und dem Vorhaben ist auf Dauer sichergestellt, dass die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestands zugunsten eines landwirtschaftlichen Tierhaltungsbetriebs im konkreten Fall erfüllt sind.
37Der Hinweis der Klägerin auf die Regelung in § 52 Abs. 2 BImSchG, in der neben dem Eigentümer auch der Betreiber im Zusammenhang mit der behördlichen Anlagenüberwachung genannt wird, führt nicht weiter. Die Vorschrift betrifft die immissionsschutzbehördliche Anlagenüberwachung und hat mit der Privilegierung landwirtschaftlicher Vorhaben im Außenbereich nichts zu tun.
38Soweit sich die Klägerin auf die Kommentierung von Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr zu § 35 BauGB beruft, wonach es für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht entscheidend darauf ankomme, wer Eigentümer des Grundstücks sei, auf dem das privilegierte Vorhaben durchgeführt werden solle, zitiert sie unvollständig. Dort (§ 35 BauGB Rn. 18) ist nämlich ausdrücklich ausgeführt, dass ein Vorhaben die Privilegierung für einen landwirtschaftlichen Betrieb zwar auch erfüllen könne, wenn der Bauherr nicht Eigentümer des Grundstücks oder Eigentümer sämtlicher Betriebsflächen sei; dies bedürfe dann allerdings in der Regel für einen längeren Zeitraum abgeschlossener Nutzungsverträge, z. B. Pachtverträge, zugunsten einer hinreichend gesicherten Nutzbarkeit für den landwirtschaftlichen Betrieb. Genau daran fehlt es hier aber. Die Gesellschafter und nicht die Klägerin sind Eigentümer ihrer in die Gesellschaft „eingebrachten“ Flächen, auch ist nichts dafür vorgetragen oder sonst erkennbar, dass der Klägerin dauerhafte Nutzungsrechte im Gesellschaftsvertrag eingeräumt wären.
39Auf § 2 der 9. BImSchV kann die Klägerin ihre Auffassung ebenfalls nicht stützen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist zwar verfahrensrechtlich nicht erforderlich, dass derjenige, der eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung beantragt, die geplante Anlage auch später selbst betreibt. Hier geht es aber um die allein materiell-rechtlich zu beurteilende Frage, wem die in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB geregelte Privilegierung eines Außenbereichsvorhabens zustehen kann.
402. Mit der eingehend begründeten einzelfallbezogenen Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts setzt sich die Antragsbegründung nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend auseinander. Die Klägerin erfüllt offenkundig nicht die Voraussetzungen, die an einen landwirtschaftlichen Betrieb i. S. v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zu stellen sind.
41Die diesbezüglichen Ausführungen in der Antragsbegründung gehen weitgehend an der entscheidungserheblichen Frage vorbei, ob die klagende Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein nachhaltiges, auf Dauer angelegtes und organisatorisch verfestigtes Unternehmen und mithin selbst Inhaberin eines (einheitlichen) landwirtschaftlichen Betriebs oder „nur“ eine Kooperation von weiterhin selbstständigen, sich lediglich gegenseitig unterstützenden landwirtschaftlichen Betrieben ist.
42Das Erfordernis einer Nachhaltigkeit des Betriebs und das daraus abgeleitete Erfordernis einer spezifischen betrieblichen Organisation konzediert die Klägerin zwar. Der Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts setzt sie aber nichts Substantielles entgegen. Sie wiederholt der Sache nach lediglich ihren bisherigen Vortrag. Weshalb sie meint, dass die Gesellschafter ihre Flächen nicht eigenverantwortlich bewirtschaften könnten, obwohl sich aus dem Vortrag des Gesellschafters Dr. von T. in der mündlichen Verhandlung genau das Gegenteil ergibt, erschließt sich nicht. Umstände, die auf eine dauerhafte und ähnlich einer dinglichen Sicherung oder jedenfalls einem langfristigen Pachtvertag rechtlich gesicherte Verfügungsbefugnis allein der Klägerin über die Eigentumsflächen der Gesellschafter schließen lassen, ergeben sich auch aus der Zulassungsbegründung nicht. Sie sind auch den Vereinbarungen der Gesellschafter - nicht zuletzt in Bezug auf die Vertragslaufzeit und die Kündigungsmöglichkeiten - nicht ansatzweise zu entnehmen. Vor allem aber haben die Gesellschafter die Letztentscheidungsbefugnis über die Nutzung ihrer Eigentumsflächen für eigene Projekte behalten. Das schließt eine Organisation, bei der die klagende Gesellschaft eigenverantwortlich und für die nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderliche zeitliche Perspektive „auf Generationen“, d. h. jedenfalls für einen überschaubaren und einer verlässlichen Planung noch zugänglichen Zeitraum,
43vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 4 C 7.04 -, juris Rn. 11,
44über die Flächennutzung und die betrieblichen Aktivitäten entscheidet, aus.
45Der Sache nach räumt die Klägerin auf Seite 26 der Antragsbegründung selbst ein, dass der Betrieb, dem das Vorhaben dienen soll, die Hofstelle Burg S. ist. Deren Betreiber ist aber eindeutig Dr. von T. , der mit seinen Mitgesellschaftern lediglich bei der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung kooperiert, letztlich jedoch allein den bestimmenden Einfluss auf die von ihm eingebrachten Flächen behalten hat. In diesem Sinne ist auch eindeutig die Betriebsbeschreibung des ursprünglichen Genehmigungsantrags abgefasst, wonach das Vorhaben eine Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebs von Herrn Dr. T. darstellen soll.
463. Da die Klägerin bereits nicht Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebs i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist und demgemäß die aus dieser Vorschrift folgende Rechtsposition schon deshalb nicht für sich in Anspruch nehmen kann, kommt es auf die weiteren Erwägungen der Klägerin dazu, ob die Entfernung zwischen der Burg S. und dem Vorhabenstandort der Annahme eines räumlich-funktionalen Zusammenhangs entgegensteht, nicht an. Zu der von der Klägerin weiter in der Antragsbegründung angesprochenen Genehmigungsfähigkeit von alternativ in Betracht zu ziehenden Standorten mit Blick auf Stickstoffdepositionen und den Denkmalschutz hat das Verwaltungsgericht keine entscheidungserheblichen Ausführungen gemacht. Insoweit kann keine Rede davon sein, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen „verkannt“ habe (vgl. S. 29 der Antragsbegründung). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch insoweit nicht.
47II. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
48Besondere Schwierigkeiten i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind nicht gegeben, weil der Rechtsstreit nach dem Vorstehenden keine Sach- oder Rechtsfragen aufwirft, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.
49Vgl. zu diesem Maßstab: OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 43 f., und vom 22. März 2021 - 8 A 3518/19 -, juris Rn. 67.
50Der von der Klägerin angeführte Begründungsaufwand weist hier nicht auf besondere Schwierigkeiten. Das Urteil hat (einschließlich Rubrum und Streitwertsetzung nebst Rechtsmittelbelehrung) einen Gesamtumfang von 13,5 Seiten. Auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB entfallen weniger als fünf Seiten. Ein Hinweis auf das Vorliegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten ergibt sich daraus nicht. Der Begründungsaufwand liegt keinesfalls über dem Durchschnitt in immissionsschutzrechtlichen Verfahren.
51III. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht dargelegt.
52Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; außerdem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind also die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre Klärungsfähigkeit und ihre allgemeine Bedeutung. Im Hinblick auf die Klärungsfähigkeit sind unter anderem Angaben zur Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage in einem Berufungsverfahren erforderlich.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2021 - 8 A 3518/19 -, juris Rn. 70.
54An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend.
55Hinsichtlich der Frage,
56„ob ein räumlich-funktionaler Zusammenhang zu einem konkreten Betriebsstandort für das Tatbestandsmerkmal des ‚Dienens‘ im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB überhaupt erforderlich ist“,
57ist eine Entscheidungserheblichkeit nicht dargelegt. Die Urteilsgründe enthalten auf Seite 11 insoweit lediglich einen ausdrücklich als vorsorglich, mithin nicht entscheidungstragend gekennzeichneten Hinweis.
58Auch die sich daran anschließenden Fragen,
59„ob eine Nähe des Vorhabens zu den Betriebsflächen ausreicht“ und
60„nicht dann davon abgewichen werden kann, wenn sich ein näherer Standort als nicht genehmigungsbedürftig“ [gemeint ist wohl: ‚nicht genehmigungsfähig‘] erwiese“,
61sind ebenfalls unerheblich, weil das verwaltungsgerichtliche Urteil darauf nicht abgestellt hat.
62Die ferner in Bezug auf § 35 Abs.1 Nr. 1 BauGB aufgeworfenen Fragen,
63„wie dieses Merkmal bei Betriebsneugründungen anzuwenden ist“, und,
64„ob das Erfordernis des Dienens durch Gründung eines neuen Betriebsstandorts und damit eines weiteren Schwerpunkts des betrieblichen Ablaufs hergestellt werden kann“,
65stellen sich - wie die Klägerin selbst ausführt -, wenn Herr Dr. von T. der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs ist. Dies gilt nach den vorstehenden Ausführungen aber allenfalls dann, wenn er auch selbst - und nicht wie hier: die Klägerin - als Vorhabenträger in Bezug auf den Putenmaststall auftritt. Ungeachtet dessen lassen die Ausführungen der Klägerin auch insoweit eine Darlegung der Klärungsbedürftigkeit mit Blick auf die bereits vorliegende umfangreiche Rechtsprechung vermissen.
66IV. Die Berufung ist schließlich nicht wegen der von der Klägerin auf Seite 37 der Antragsbegründung beiläufig geltend gemachten Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
67Eine die Berufung eröffnende Abweichung im Sinne dieser Vorschrift ist nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nur dann hinreichend bezeichnet, wenn ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender Rechtssatz dargelegt wird, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines übergeordneten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat.
68Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2017 - 8 A 2915/15 -, juris Rn. 55 f., m. w. N.
69Daran fehlt es hier.
70Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
71Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG. Die Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung erfolgt in Anwendung von § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Dabei orientiert sich der Senat an Nr. 19.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Auf das Anhörungsschreiben vom 18. August 2022 wird Bezug genommen.
72Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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