Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 A 1369/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bauvorbescheid vom 11.5.1994 und der Verlängerungsbescheid vom 11.3.2019 verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Vorbescheid genüge dem Bestimmtheitsgebot gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung. Er gestatte die Erschließung allein über die G. Straße, wodurch das Grundstück des Klägers in keiner Weise tangiert werde. Der Vorbescheid verletze den Kläger auch nicht in seinen sich aus dem materiellen Bauplanungsrecht ergebenden subjektiven Rechten. Insbesondere begründe die Befürchtung des Klägers, auf dem neben seinem Grundstück verlaufenden Flurstück 856 könne sich ein öffentlicher Weg entwickeln, der die L.------straße mit der G. Straße verbinde, keinen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
4Das dagegen gerichtete Zulassungsvorbringen führt nicht zur Zulassung der Berufung.
51. Die Zulassungsbegründung legt keine ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dar.
6Dabei kann offen bleiben, ob die Erklärung des Beigeladenen vom 18.7.2022, seinerseits brauche an dem Bauvorbescheid vom 11.5.1994 nicht mehr festgehalten werden, auch nach Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks zur Erledigung des darauf bezogenen Bauvorbescheids und damit Unzulässigkeit der Klage führt, so dass sich die angegriffene Entscheidung schon deshalb als im Ergebnis richtig erweist.
7Jedenfalls zeigt der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts auf, die Klage sei unbegründet.
8a) Dies gilt zunächst, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, der angefochtene Bauvorbescheid verletze nicht das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung.
9Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Verwaltungsvorgang und den Regelungen des angegriffenen Vorbescheids auseinandergesetzt. Zu dem Bauvorbescheid gehöre als Anlage ein Schreiben der Katholischen Kirchengemeinde St. N. L1. , der ursprünglichen Eigentümerin der Vorhabengrundstücke. Darin heiße es, die Erschließung erfolge von der L 136 aus mit einer 3,0 Meter breiten Zuwegung über das pfarreigene Grundstück Parzelle Nr. 397 und werde mit einer entsprechenden Baulast gesichert. Darüber hinaus heiße es, die Verbindung zur L.------straße sei fußläufig, da der Weg nur 2,0 Meter breit sei. Damit verhalte sich der Vorbescheid ausdrücklich auch zu einer Erschließung über die L.------straße ; dies sei auch auf der zeichnerischen Anlage zum Bauvorbescheid hervorgehoben. Zudem fehle eine Auseinandersetzung mit der Nebenbestimmung S 3 des Vorbescheids, die von einer öffentlich-rechtlichen Sicherung der Erschließung durch Baulast spreche. Es könne nicht beurteilt werden, ob von einer gesicherten Erschließung ausgegangen werden könne. Scheitere die Zuwegung über die L 136, werde eine gleichwohl erteilte Baugenehmigung ihm die Duldung eines Notwegerechts aufzwingen können. Es sei jedenfalls nicht richtig, wenn das Verwaltungsgericht meine, der Bauvorbescheid gestatte die Erschließung allein über die G. Straße, denn eine entsprechende ausdrückliche Regelung dazu enthalte der Bescheid nicht; jedenfalls gebe es keine widerspruchsfreie oder stringente Regelung. Es sei daher durchaus möglich und tatsächlich nicht unwahrscheinlich, dass eine Erschließung über die L.------straße erfolge. Die Verbindung zwischen dem Vorhabengrundstück und der L.------straße erfolge über das Flurstück 856, bei dem es sich um eine Art Stichweg handele. Zugunsten des Baugrundstückes bestehe diesbezüglich ein durch Grunddienstbarkeit gesichertes Wegerecht. Er befürchte, dass dieses Wegerecht über § 917 BGB verbreitert und aufgeweitet werde und sich die gesamte Zuwegung als Erschließung über sein Grundstück erstrecken könne. Im Übrigen liege eine Gestattung der Trägerin der Straßenbaulast der G. Straße nicht vor. Anders als vom Verwaltungsgericht angenommen, liege kein „anderes Vorhaben“ vor, wenn die Erschließung nicht über die G. Straße erfolge; dies ergebe sich aus der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2009 - 7 A 2548/08 -.
10Diese Rügen bleiben ohne Erfolg. Dem Bauvorbescheid vom 11.5.1994/11.3.2019 mit seinen Anlagen lässt sich mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass die Erschließung allein über die G. Straße gestattet ist und das zur L.------straße hin gelegene Grundstück des Klägers in keiner Weise tangiert wird.
11Der Bescheid vom 11.5.1994 verweist in Nebenbestimmung S 308 ausdrücklich auf die als Anlage beigefügten Planunterlagen und macht damit auch das zu diesen Anlagen gehörende Schreiben der Katholischen Kirchengemeinde St. N. L1. vom 2.12.1993 zum Bestandteil der positiven planungsrechtlichen Beurteilung. Danach erfolgt die Erschließung des Vorhabengrundstücks „von der L 136 aus mit einer 3,0 m breiten Zuwegung über das pfarreigene Grundstück Parz. Nr. 397 - im Lageplan braun dargestellt -.“ In Verbindung mit dem ebenfalls zu den Anlagen gehörenden Lageplan, der diese Zuwegung bildlich darstellt, gestattet der Bauvorbescheid allein die Erschließung über die G. Straße. Nichts anderes ergibt sich aus dem Hinweis des Schreibens der Kirchengemeinde auf eine fußläufige Verbindung zur L.------straße . Schon aus der Wortwahl („Verbindung“) ergibt sich, dass damit nicht die Erschließung im Sinne des § 34 BauGB gemeint ist. Daran vermögen weder die tatsächliche Begehbarkeit des Baugrundstücks von der L.------straße aus noch deren eventuelle Sicherung durch eine Grunddienstbarkeit etwas zu ändern.
12Nichts anderes ergibt sich aus der Nebenbestimmung S 3, wonach die Zuwegung (zur G. Straße) durch Eintragung einer Baulast öffentlich-rechtlich zu sichern ist. Inwieweit sich das Verwaltungsgericht damit mit Blick auf die Bestimmtheit des Vorbescheids „nicht hinreichend und nicht sachgerecht“ auseinandergesetzt hätte, legt der Kläger nicht dar.
13Ebenso wenig steht der Bestimmtheit im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW entgegen, dass eine möglicherweise erforderliche Zustimmung des Landesbetriebs Straßenbau zur Erteilung einer Baugenehmigung noch nicht vorliegt bzw. eine Baugenehmigung ohne eine solche Zustimmung erteilt wurde.
14Gestattet der angegriffene Vorbescheid allein die Erschließung des Vorhabengrundstücks über eine Zuwegung zur G. Straße, kann er für die Genehmigung eines Vorhabens mit einer Erschließung auf anderem Wege keine Grundlage bilden. Dann läge - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - ein anderes Vorhaben vor. Aus dem insoweit vom Kläger zitierten Urteil des Senats vom 30.10.2009 - 7 A 2458/08 -– ergibt sich nichts anderes. Es verhält sich nicht zu der Frage, ob bei einer anderweitigen Erschließung ein anderes Vorhaben vorliegt.
15b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus der Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht verkenne das durch die Bauordnung vorgegebene Prüfungsprogramm der Bauaufsichtsbehörde. Ein Vorbescheid könne in Ermangelung der Sachentscheidungskompetenz der Bauaufsichtsbehörde nicht bezüglich öffentlich-rechtlicher Fragen erteilt werden, die in einem anderen Verfahren abschließend zu entscheiden seien. Vorliegend bedürfe es einer straßenrechtlichen Zustimmung des Landesbetriebes Straßenbau Nordrhein-Westfalen.
16Damit greift der Kläger keine entscheidungserheblichen Annahmen des Verwaltungsgerichts an. Es hat weder angenommen, eine straßenrechtliche Zustimmung sei nicht erforderlich noch ist es davon ausgegangen, die Beklagte habe in dem streitgegenständlichen Bauvorbescheid über eine möglicherweise erforderliche Zustimmung der Straßenbaubehörde entschieden.
17Nichts anderes ergibt sich aus dem Hinweis des Klägers, die Beklagte habe den Bau eines Einfamilienhauses mit einer Erschließung über eine Straße gestattet, deren Straßenbaulastträgerin sie nicht sei. Auf Grundlage des Vorbescheides sei die Zustimmung des Landesbetriebes Straßenbau nicht erforderlich bzw. nicht einzuholen; dies könne eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
18Der angegriffene Vorbescheid vom 11.5.1994 und die Verlängerung vom 11.3.2019 ersetzen ausdrücklich nicht die erforderliche Baugenehmigung und gestatten daher nicht den Bau des Vorhabens. Ebenso wenig ist dem Vorbescheid oder der Verlängerung zu entnehmen, dass eine eventuell erforderliche Zustimmung des Straßenbaulastträgers ersetzt werden sollte.
19c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ergeben sich auch nicht aus der Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe die „teilweise anders gelagerten Sachverhalte aus den anhängigen und ebenfalls angefochtenen Parallelverfahren gleichsam über einen Kamm geschoren ohne hinreichende Differenzierung im Einzelfall“, es lägen jedoch „ganz erhebliche Spezifika vor, die sich insbesondere aus der Behandlung der Nebenbestimmungen ergeben“.
20Der Kläger legt nicht dar, welche „Spezifika“ dies im vorliegenden Verfahren sind und inwieweit sie zu einem anderen rechtlichen Ergebnis geführt hätten. Der Hinweis auf eine tabellarische Aufstellung der Nebenbestimmungen genügt dafür nicht.
212. Aus den vorstehenden Gründen weist die Rechtssache nicht die vom Kläger gesehenen besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
223. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
23Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine bislang weder höchstrichterlich noch obergerichtlich geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die sich auch in dem angestrebten Berufungsverfahren stellt und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf.
24Vgl. Kuhlmann in: Wysk, VwGO, Kompaktkommentar, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 34, m. w. N.
25Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob und bejahendenfalls dass eine Bebauungsgenehmigung bzw. ein Bauvorbescheid, der noch nicht zur Ausnutzung von Baurecht berechtigt, im Hinblick auf die [...] zitierte Automatismusrechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der Baugenehmigung gleich zu behandeln ist, mit anderen Worten, dass es auch im Falle der Erteilung eines Vorbescheides rechtlich wesentlich für den betroffenen Kläger darauf ankommt, die erteilte Bebauungsgenehmigung bzw. den erteilten Bauvorbescheid zur Abwehr rechtlicher Einschränkungen bei der Verteidigung gegen die Inanspruchnahme aus § 917 BGB anzufechten bzw. anfechten zu müssen“.
26Diese Frage war für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts indes nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung. Es hat angenommen, der angefochtene Bauvorbescheid gestatte die Erschließung allein über die G. Straße, für eine „drohende“ Erschließung über das Grundstück des Klägers - etwa über einen Notweg im Sinne des § 917 BGB - lägen daher keine Anhaltspunkte vor.
274. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zur der behaupteten Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
28Der Kläger rügt, die „Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln im Verfahren 2 K 5338/19 mit Urteil vom 20.04.2021“ weiche von der Entscheidung des beschließenden Senats vom 30.10.2009 - 7 A 2548/08 - ab. Damit bezieht er sich schon nicht auf das hier angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln im Verfahren 2 K 3161/19. Dass und mit welchem Rechtssatz das Verwaltungsgericht in diesem Verfahren von der genannten Entscheidung abgewichen sein sollte, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Dies gilt auch, soweit der Kläger auf die Ausführungen der Entscheidung zu einem öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch gegen eine Baugenehmigung, die sich auf die Duldung eines Notwegerechts auswirkt, verweist. Der angefochtene Bauvorbescheid vom 11.5.1994 und der Verlängerungsbescheid vom 11.3.2019 gestatten - wie dargelegt - nur die Erschließung über die G. Straße. Wird das Vorhaben auf diese Weise umgesetzt, kommt es auf ein etwaiges Notwegerecht über das zur L.------straße hin gelegene Grundstück des Klägers nicht an.
295. Der Kläger macht ohne Erfolg einen Verfahrensmangel in Form der Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Er legt schon nicht dar, welche seiner Ausführungen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen habe.
30Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
31Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
32Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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