Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 A 1371/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bauvorbescheid vom 9.7.2020 verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Vorbescheid genüge dem Bestimmtheitsgebot gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung. Er gestatte die Erschließung allein über die G. Straße, wodurch das Grundstück des Klägers in keiner Weise tangiert werde. Der Vorbescheid verletze den Kläger auch nicht in seinen sich aus dem materiellen Bauplanungsrecht ergebenden subjektiven Rechten. Eine Verletzung des Gebietsgewährleistungsanspruchs scheide aus, da das Bauvorhaben in einem (faktischen) Wohngebiet realisiert werden solle und auch die Beigeladene eine Wohnbebauung plane. Das geplante Mehrfamilienhaus sei dem Kläger gegenüber auch nicht rücksichtslos. Auch die Befürchtung des Klägers, auf dem neben seinem Grundstück verlaufenden Flurstück 856 könne sich ein öffentlicher Weg entwickeln, der die L.------straße mit der G. Straße verbinde, begründe keinen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
4Das dagegen gerichtete Zulassungsvorbringen führt nicht zur Zulassung der Berufung.
51. Die Zulassungsbegründung legt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dar.
6a) Der Kläger zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts auf, der angefochtene Bauvorbescheid verletze nicht das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung.
7Er rügt, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Verwaltungsvorgang und insbesondere den rechtlichen Zusammenhängen zu dem Verfahren 2 K 3161/19 auseinandergesetzt. Insbesondere werde im dortigen Vorgang eine fußläufige Verbindung zur L.------straße angesprochen. Es könne nicht beurteilt werden, ob von einer gesicherten Erschließung ausgegangen werden könne. Scheitere die Zuwegung der L 136, werde eine gleichwohl erteilte Baugenehmigung ihm die Duldung eines Notwegerechts aufzwingen können. Es sei jedenfalls nicht richtig, wenn das Verwaltungsgericht meine, der Bauvorbescheid gestatte die Erschließung allein über die G. Straße, denn eine entsprechende ausdrückliche Regelung dazu enthalte der Bescheid nicht; jedenfalls gebe es keine widerspruchsfreie oder stringente Regelung. Insbesondere ergebe sich dies - anders als vom Verwaltungsgericht angenommen - nicht aus der Nebenbestimmung Nr. 5. Es sei daher durchaus möglich und tatsächlich nicht unwahrscheinlich, dass eine Erschließung über die L.------straße erfolge. Die Verbindung zwischen dem Vorhabengrundstück und der L.------straße erfolge über das Flurstück 856, bei dem es sich um eine Art Stichweg handele. Zugunsten des Baugrundstückes bestehe diesbezüglich ein durch Grunddienstbarkeit gesichertes Wegerecht. Er befürchte, dass dieses Wegerecht über § 917 BGB verbreitert und aufgeweitet werde und sich die gesamte Zuwegung als Erschließung über sein Grundstück erstrecken könne. Im Übrigen liege eine Gestattung der Trägerin der Straßenbaulast der G. Straße nicht vor. Zudem ergebe sich die Unbestimmtheit des Vorbescheids aus der Nebenbestimmung Nr. 5, die auf das Schreiben des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen Bezug nehme. Darin werde die erforderliche straßenrechtliche Zustimmung in Aussicht gestellt. Dies sei gegenüber der Zustimmung ein „rechtliches minus“. Es sei nicht auszuschließen, dass eine Baugenehmigung erteilt werden könne, bei der eine Erschließung über die L.------straße unter teilweiser Inanspruchnahme seines Grundstücks stattfinden könne. In der Nebenbestimmung Nr. 5 werde Bezug auf „diese Zustimmung“ genommen; eine Zustimmung im Rechtssinne gebe es jedoch nicht. Im Übrigen heiße es in der Nebenbestimmung Nr. 5, dass der Landesbetrieb im Baugenehmigungsverfahren erneut zu beteiligen und der Nachweis der Einhaltung aller geforderten Nebenbestimmungen zu erbringen sei. Dies sei inhaltlich unbestimmt und widersprüchlich. Aus dem Schreiben des Berichterstatters vom 6.12.2019 im Parallelverfahren 2 K 5338/19 ergebe sich nichts anderes. Anders als vom Verwaltungsgericht angenommen, liege kein „anderes Vorhaben“ vor, wenn die Erschließung nicht über die G. Straße erfolge; dies ergebe sich aus der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2009 - 7 A 2548/08 -.
8Diese Rügen bleiben ohne Erfolg. Dem Bauvorbescheid vom 9.7.2020 mit seinen Anlagen lässt sich mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass die Erschließung allein über die G. Straße gestattet ist und das zur L.------straße hin gelegene Grundstück des Klägers in keiner Weise tangiert wird.
9Der Bescheid vom 9.7.2020 verweist in Nebenbestimmung Nr. 2 ausdrücklich auf die als Anlage zurückgereichten Planunterlagen und macht damit auch den Lageplan V1.5 und den Vorentwurf V1.5 eines Lageplans/Geländeschnitts vom 15.4.2020 zum Bestandteil der positiven Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens. Diese Pläne zeigen, dass die Einfahrt zum und die Ausfahrt aus dem gesamten Vorhabenbereich ausschließlich über die G. Straße erfolgen soll. Daran vermögen weder die tatsächliche Begehbarkeit von der L.------straße aus noch deren eventuelle Sicherung durch eine Grunddienstbarkeit etwas zu ändern.
10Ebenso wenig steht der Bestimmtheit im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW entgegen, dass der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen die Erteilung einer Zustimmung zu einer (zukünftigen) Baugenehmigung in Aussicht gestellt, aber noch nicht erteilt hat bzw. eine Baugenehmigung ohne eine solche Zustimmung erteilt wurde.
11Gestattet der angegriffene Vorbescheid allein die Erschließung des Vorhabengrundstücks über eine Zuwegung zur G. Straße, kann er für die Genehmigung eines Vorhabens mit einer Erschließung auf anderem Wege keine Grundlage bilden. Dann läge - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - ein anderes Vorhaben vor. Aus dem insoweit vom Kläger zitierten Urteil des Senats vom 30.10.2009 - 7 A 2458/08 - ergibt sich nichts anderes. Es verhält sich nicht zu der Frage, ob bei einer anderweitigen Erschließung ein anderes Vorhaben vorliegt.
12b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus der Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht verkenne das durch die Bauordnung vorgegebene Prüfungsprogramm der Bauaufsichtsbehörde. Ein Vorbescheid könne in Ermangelung der Sachentscheidungskompetenz der Bauaufsichtsbehörde nicht bezüglich öffentlich-rechtlicher Fragen erteilt werden, die in einem anderen Verfahren abschließend zu entscheiden seien. Vorliegend bedürfe es einer straßenrechtlichen Zustimmung des Landesbetriebes Straßenbau Nordrhein-Westfalen.
13Damit greift der Kläger keine entscheidungserheblichen Annahmen des Verwaltungsgerichts an. Es hat weder angenommen, eine straßenrechtliche Zustimmung sei nicht erforderlich noch ist es davon ausgegangen, die Beklagte habe in dem streitgegenständlichen Bauvorbescheid über eine möglicherweise erforderliche Zustimmung der Straßenbaubehörde entschieden.
14Nichts anderes ergibt sich aus dem Hinweis des Klägers, die Beklagte habe mit dem im Verfahren 2 K 3161/19 (7 A 1369/21) streitgegenständlichen Vorbescheid den Bau eines Einfamilienhauses mit einer Erschließung über eine Straße gestattet, deren Straßenbaulastträgerin sie nicht sei. Auf Grundlage des Vorbescheides sei die Zustimmung des Landesbetriebes Straßenbau nicht erforderlich bzw. nicht einzuholen; dies könne eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
15Der Kläger legt schon den Zusammenhang zum vorliegenden Verfahren nicht dar. Zudem ersetzen der im Verfahren 2 K 3161/19 (7 A 1369/21) angegriffene Vorbescheid vom 11.5.1994 und die Verlängerung vom 11.3.2019 ausdrücklich nicht die erforderliche Baugenehmigung und gestatten daher nicht den Bau des Vorhabens. Ebenso wenig ist dem Vorbescheid oder der Verlängerung zu entnehmen, dass eine eventuell erforderliche Zustimmung des Straßenbaulastträgers ersetzt werden sollte.
16c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ergeben sich auch nicht aus der Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe die „teilweise anders gelagerten Sachverhalte aus den anhängigen und ebenfalls angefochtenen Parallelverfahren gleichsam über einen Kamm geschoren ohne hinreichende Differenzierung im Einzelfall“, es lägen jedoch „ganz erhebliche Spezifika vor, die sich insbesondere aus der Behandlung der Nebenbestimmungen ergeben“. In den Bescheiden heiße es, dass die Zustimmung des Straßenbaulastträgers der G. Straße Bestandteil der Vorbescheide sei. Im Falle der Bestandskraft der Bauvorbescheide sei dies durch ihn als Betroffenen rechtlich nicht mehr überprüfbar.
17Mit dieser Rüge verkennt der Kläger, dass dem vorliegend allein streitgegenständlichen Vorbescheid vom 9.7.2020 - wie ausgeführt - eine Ersetzung der Zustimmung des Straßenbaulastträgers nicht zu entnehmen ist.
18d) Der Kläger beanstandet ohne Erfolg, die Nebenbestimmung Nr. 5 zum Vorbescheid vom 9.7.2020 mache die Erteilung einer Baugenehmigung in rechtswidriger Weise u. a. davon abhängig, dass die Auflagen zu Ziffer 4 aus dem Schreiben des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen vom 17.6.2020 erfüllt werde. Dazu legt der Kläger indes nicht dar, gegen welche nachbarschützende Vorschrift der Vorbescheid insoweit verstoßen sollte.
19e) Der Kläger rügt weiter ohne Erfolg, durch die im angegriffenen Vorbescheid vorgesehene Bebauung komme es zu einer deutlich intensiveren Ausnutzung der Grundstücke im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung als dies im maßgeblichen Umgebungsbereich entlang der G. Straße der Fall sei. Er halte insoweit die bereits in erster Instanz vorgetragenen Bedenken im Hinblick auf die bauliche Nutzung aufrecht. Es fehlt hierzu schon an der erforderlichen Darlegung zur nachbarrechtlichen Relevanz dieser Rüge.
20Vgl. dazu, dass Vorschriften, die das Maß der baulichen Nutzung regeln, grundsätzlich keinen Nachbarschutz vermitteln etwa BVerwG, Urteil vom 28.4.2004 - 4 C 12.03 -, juris.
212. Aus den vorstehenden Gründen weist die Rechtssache nicht die vom Kläger gesehenen besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
223. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
23Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine bislang weder höchstrichterlich noch obergerichtlich geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die sich auch in dem angestrebten Berufungsverfahren stellt und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf.
24Vgl. Kuhlmann in: Wysk, VwGO, Kompaktkommentar, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 34, m. w. N.
25Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob und bejahendenfalls dass eine Bebauungsgenehmigung bzw. ein Bauvorbescheid, der noch nicht zur Ausnutzung von Baurecht berechtigt, im Hinblick auf die [...] zitierte Automatismusrechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der Baugenehmigung gleich zu behandeln ist, mit anderen Worten, dass es auch im Falle der Erteilung eines Vorbescheides rechtlich wesentlich für den betroffenen Kläger darauf ankommt, die erteilte Bebauungsgenehmigung bzw. den erteilten Bauvorbescheid zur Abwehr rechtlicher Einschränkungen bei der Verteidigung gegen die Inanspruchnahme aus § 917 BauGB anzufechten bzw. anfechten zu müssen“.
26Diese Frage war für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts indes nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung. Es hat angenommen, der Bauvorbescheid gestatte die Erschließung allein über die G. Straße, für eine „drohende“ Erschließung über das Grundstück des Klägers - etwa über einen Notweg im Sinne des § 917 BGB - lägen daher keine Anhaltspunkte vor.
274. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu der behaupteten Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
28Der Kläger rügt, die „Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln im Verfahren 2 K 5338/19 mit Urteil vom 20.04.2021“ weiche von der Entscheidung des beschließenden Senats vom 30.10.2009 - 7 A 2548/08 - ab. Damit bezieht er sich schon nicht auf das hier angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln im Verfahren 2 K 3813/20. Dass und mit welchem Rechtssatz das Verwaltungsgericht in diesem Verfahren von der genannten Entscheidung abgewichen sein sollte, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Dies gilt auch, soweit der Kläger auf die Ausführungen der Entscheidung zu einem öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch gegen eine Baugenehmigung, die sich auf die Duldung eines Notwegerechts auswirkt, verweist. Der angefochtene Bauvorbescheid vom 9.7.2020 gestattet - wie dargelegt - nur die Erschließung über die G. Straße. Wird das Vorhaben auf diese Weise umgesetzt, kommt es auf ein etwaiges Notwegerecht über das zur L.------straße hin gelegene Grundstück des Klägers nicht an.
295. Der Kläger macht ohne Erfolg einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel geltend, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
30Soweit er eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, legt er schon nicht dar, welche seiner Ausführungen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen haben sollte.
31Der Kläger beanstandet weiter, das Verwaltungsgericht habe seinen in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt. Auch diese Rüge greift nicht durch. Der Kläger legt nicht dar, weshalb die Ablehnung des Beweisantrags mit der Begründung, die tatsächlichen Umstände, auf die er sich beziehe, könnten als wahr unterstellt werden, keine hinreichende Stütze im Prozessrecht finden sollte.
32Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
33Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
34Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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