Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 5 B 303/21
Tenor
Soweit die Beteiligten das Verfahren in Bezug auf den Hilfsantrag des Antragstellers übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Februar 2021 zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 5/6 und der Antragsgegner zu 1/6.
Der Streitwert wird – in Abänderung des erstinstanzlichen Streitwertbeschlusses – für beide Instanzen auf jeweils 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
1I.
2Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der offenen Videoüberwachung der Münsterstraße im Bereich der Hausnummern 50 bis 99 in Dortmund. Aufgrund der Anordnung des Polizeipräsidenten von Dortmund vom 21. Januar 2020 sind an acht Punkten an der Münsterstraße insgesamt 18 Videokameras (12 statische Kameras und sechs Kameras mit Schwenk-, Neige- und Zoomfunktion [sog. „PTZ-Kameras“]) angebracht worden. Die Anordnung sah eine Aufnahme der Maßnahme zum nächstmöglichen Zeitpunkt, spätestens aber zum 1. Juni 2020 vor. Sie war auf ein Jahr befristet. Die Videoüberwachung wurde durch den Antragsgegner am 31. Mai 2021 aufgenommen. Unter dem Datum des 24. Februar 2022 ordnete der Polizeipräsident von Dortmund unter Bezugnahme auf eine bereits ergangene mündliche Anordnung die Videoüberwachung für den Zeitraum 31. Mai 2021 bis zum 30. Mai 2022 an. Zusätzlich zeichnete der Polizeipräsident am gleichen Tag das Papier „Datenerhebung durch technische Mittel – Konzeption zur Einrichtung einer Videobeobachtung gemäß § 15a PolG NRW an der ‘Münsterstraße‘ 50-99“ mit Ausführungen zur Erfüllung der rechtlichen Voraussetzungen, zum Datenschutz und zur Umsetzung der Videobeobachtung; dem Konzept waren mehrere Anlagen beigefügt. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 15a PolG NRW führt das Konzept zusammenfassend aus, dass der Bereich eine belebte Geschäftsstraße sei und durch überörtliche Besucher aufgesucht werde. Der gesamte erfasste Bereich stelle einen Drogenumschlagplatz dar; die wahrnehmbare Intensität dieser Vorgänge hänge insbesondere von polizeilichen Maßnahmen und der damit einhergehenden Aufdeckung ab. Auch die Eigentumskriminalität habe einen wesentlichen Anteil. Aufgrund der sehr schmalen Bauweise der Straße und der damit einhergehenden verkehrlichen Situation sowie aufgrund der Sackgassensituation am nördlichen Ende stelle sich die Gesamtsituation als schwer einsehbar dar und mache auch eine Nacheile mit Streifenwagen kaum möglich. Die Vielzahl von Zuwegungen, welche sich auch als Fluchtmöglichkeiten nutzen ließen, führe zu einem attraktiven Tätigkeitsfeld für Straftäter. Auch hätten sich die in diesem Teil ansässigen Bars und Cafés als Rückzugsorte für Straftäter herausgestellt. Unter Aufschlüsselung in einzelne Deliktsgruppen weist das Konzept für den Bereich Münsterstraße 50-99 für das Jahr 2018 428, für das Jahr 2019 398 und für das Jahr 2020 330 Straftaten der „typischen Straßenkriminalität“ auf. Mit Anordnung vom 24. Mai 2022 ordnete der Polizeipräsident die Fortsetzung der Maßnahme für den in Rede stehenden Bereich vom 31. Mai 2022 bis zum 30. Mai 2023 an; dabei wurde bestimmt, die Zeiten der Videoüberwachung „gemäß der Bilanz zu d)“ anzupassen. Die Anordnung nahm in seinem Vorspann Bezug auf den „Erlass des IM NRW vom 08.05.2019 -412-57.03.45/25.09.09-“ (Buchstabe a), die „Konzeption zur Einrichtung einer Videobeobachtung gem. § 15a PolG NRW an der Münsterstraße 50-99, -57.03.43- (in der jeweils gültigen Fassung)“ (Buchstabe b), die „Dienstanweisung ‚xxx‘ (bitte Namen ergänzen) des PP Dortmund vom 20.10.2021, -57.03.43-“ (Buchstabe c) und die „Jahresbilanz Videobeobachtung Münsterstraße 50-99 für den Zeitraum 31.05.2021 – 07.05.2022 vom 16.05.2022, -57.03.43-“ (Buchstabe d). Im Verwaltungsvorgang befindet sich die Dienstanweisung Videobeobachtung des Polizeipräsidiums Dortmund vom 20. Oktober 2021 mit dem Aktenzeichen DirGE/FüSt-57.03.43/59.05-ZA15-58.02.08. Ausweislich des Vermerks zur Jahresbilanz für die Videoüberwachung betrug die Gesamtzahl der Einsätze im Videobereich im Jahr 2020 502, im Berichtszeitraum 31. Mai 2021 bis 7. Mai 2022 210. In letzterem Zeitraum wurden 69 Einsätze durch die Videobeobachter veranlasst; die Zeit bis zum ersten Eintreffen am Einsatzort betrug dabei im Durchschnitt 15 Minuten 18 Sekunden. Die Auswertung führt für das Jahr 2020 bezogen auf den maßgeblichen Bereich 399 Delikte der „typischen Straßenkriminalität“ an (wobei die Summe der Einzelposten 318 ergibt), für das Jahr 2021 290 derartige Delikte und für den Zeitraum 31. Mai 2021 bis 7. Mai 2022 273. Auf der Grundlage einer Betrachtung von verschiedenen Acht-Stunden-Zeiträumen über den Tag wies die Zeit von 12 bis 20 Uhr die höchste Deliktsbelastung auf. Gegenüber den anderen Wochentagen fiel die Deliktsbelastung am Samstag deutlich ab. Hinsichtlich der Verteilung auf einzelne Tagesstunden und Wochentage wird auf die Ausführungen in dem Verwaltungsvorgang (Beiakte 1c, Bl. 352 ff.) Bezug genommen. In der Folge wurde die Empfehlung ausgesprochen, die Videoüberwachungszeiten auf Sonntag bis Freitag in der Zeit von 12 bis 20 Uhr anzupassen. Der Antragsteller macht geltend, die Videoüberwachung greife rechtwidrig in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15a PolG NRW nicht erfüllt seien.
3Im Verfahren erster Instanz hat der Antragsteller beantragt,
4dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Klageverfahren 17 K 2626/20 zu untersagen, die Münsterstraße in Dortmund entsprechend der Entscheidung des Polizeipräsidenten des Polizeipräsidiums Dortmund vom 21. Januar 2020 durch den Einsatz optisch-technischer Mittel zu überwachen,
5hilfsweise dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Klageverfahren 17 K 2626/20 zu untersagen, die Münsterstraße in Dortmund entsprechend der Entscheidung des Polizeipräsidenten des Polizeipräsidiums Dortmund vom 21. Januar 2020 durch den Einsatz optisch-technischer Mittel zu überwachen, soweit diese das Kulturzentrum „Nordpol“, Münsterstraße 99, erfasst.
6Das Verwaltungsgericht hat den Haupt- und den Hilfsantrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Haupt- und Hilfsantrag seien zulässig; insbesondere seien diese nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft, weil sie sich auf ein schlicht-hoheitliches Handeln des Antragsgegners beziehen. Der Behördenleiteranordnung zur Videobeobachtung und -aufzeichnung komme keine Verwaltungsaktqualität zu, so dass vorläufiger Rechtsschutz nicht vorrangig nach § 123 Abs. 5, § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren sei. Der Antragsteller habe auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Er habe über die Betroffenheit in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hinaus dargelegt, dass er sich regelmäßig in dem Café und Kulturzentrum Nordpol aufhalte und dort an politischen Aktivitäten und Versammlungen teilnehme. Da Versammlungen in geschlossenen Räumen keiner Anmeldepflicht unterlägen, könne der Antragsgegner die Videoüberwachung nicht entsprechend deaktivieren; dies wiederum lasse einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff in Art. 8 GG zumindest möglich erscheinen. Haupt- und Hilfsantrag seien aber unbegründet. Ein öffentlich-rechtlicher, sich aus den Grundrechten des Antragstellers ableitender Unterlassungsanspruch – insbesondere auf der Grundlage des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG – bestehe voraussichtlich nicht. Die Ermächtigungsgrundlage des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW sei voraussichtlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch seien die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift als erfüllt anzusehen. Der fragliche Abschnitt der Münsterstraße stelle einen Schwerpunkt der Straßenkriminalität dar, was durch einen Vergleich mit dem übrigen Stadtgebiet festzustellen sei. Dies könne sich zum einen aus der Belastung in absoluten Zahlen ergeben, aber auch aus einem Vergleich mit anderen städtebaulich und sozial vergleichbaren Bereichen im Stadtgebiet. In ersterer Hinsicht sprächen die in der Behördenleiteranordnung vom 27. August 2020 in Bezug genommenen Deliktshäufigkeiten sowie in der Antragserwiderung angegebenen 355 Delikte auf einem nur ungefähr 300 Meter langen Straßenabschnitt für eine solche Annahme. Auch ein Vergleich mit den Bereichen Schützenstraße 22 bis 68 und Mallinckrodtstraße 31 bis 120 ergebe für den hier in Rede stehenden Bereich eine vielfache bzw. annähernd doppelt so hohe Kriminalitätsbelastung. Keine anderen Ergebnisse folgten aus einem Vergleich mit dem Bereich der Nordstadt bzw. dem gesamten Dortmunder Stadtgebiet auf der Basis der Polizeilichen Kriminalstatistik. Im Vergleich zu letzterer habe der Anteil der Straßenkriminalität in der nördlichen Münsterstraße bei 2,71 % im Jahr 2018 und 2,91 % im Jahr 2019 gelegen. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 15a PolG NRW lägen vor. Ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ergebe sich schließlich auch nicht in Bezug auf die Überwachung des Kulturzentrums „Nordpol“ an der Münsterstraße 99. Der Antragsgegner habe vorgetragen, dass dessen Eingangsbereich einschließlich Fensterfront ohne die Möglichkeit einer nachträglichen Sichtbarmachung geschwärzt werde. Aus Sicht eines verständigen Dritten sei mithin keine abschreckende Wirkung anzunehmen, zumal es lebensfremd erscheine, dass die eingesetzten Polizeibeamten nachhielten, wer den geschwärzten Bereich betrete und nicht sogleich wieder verlasse. Letztlich stelle sich diese Situation als nicht vermeidbare Nebenfolge der Überwachung dar, welche in Abwägung mit den Interessen der Allgemeinheit hinzunehmen sei.
7Mit seiner Beschwerde begehrt der Antragsteller die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Bei der videoüberwachten Fläche handele es sich schon nicht um einen einzelnen Ort im Sinne der Vorschrift. Unklar bleibe, ob die zur Berechnung der Kriminalitätsdichte herangezogenen Taten tatsächlich solche der Straßenkriminalität seien. Schließlich habe der Antragsgegner auch keine Maßnahmen vorgesehen, um die Erforderlichkeit der Maßnahme zu evaluieren; es bestehe somit das Risiko, dass diese nicht beendet werde, obwohl ihre rechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vorlägen. Zudem habe eine Überprüfung in der Örtlichkeit ergeben, dass die Kameras auch außerhalb der festgelegten Betriebszeiten nicht weggedreht bzw. mit einem Rollo (sog. Shutter) verschlossen gewesen seien.
8Er beantragt insoweit,
9den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Februar 2021 zu ändern und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Klageverfahren 17 K 2626/20 zu untersagen, die Münsterstraße in Dortmund entsprechend der Anordnung des Polizeipräsidenten Dortmund vom 21. Januar 2020 in der Fassung der Anordnung vom 24. Mai 2022 durch den Einsatz optisch-technischer Mittel zu überwachen.
10Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und vertieft hierzu sein erstinstanzliches Vorbringen. Soweit der Antragsteller in dem videoüberwachten Bereich keinen einheitlichen Ort im Sinne des § 15a Abs. 1 PolG NRW sehe, sei dies schon angesichts der verhältnismäßig geringen Größe von etwas über 0,5 ha nicht überzeugend. Einer hausnummernscharfen Betrachtung der Deliktsbelastung bedürfe es bei der Festlegung des überwachten Bereichs nicht; eine derart kleinteilige Betrachtung würde in der Folge ggf. zu einem Flickenteppich führen und die Erkennbarkeit von Straftaten letztlich dem Zufall überlassen.
11II.
12A. Die Beschwerde des Antragstellers hat, soweit sich das Verfahren nicht erledigt hat, keinen Erfolg.
13Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dem Antragsgegner durch einstweilige Anordnung die Videoüberwachung (Videobeobachtung und Videoaufzeichnung) der Münsterstraße im Abschnitt zwischen den Hausnummern 50 und 99 (sowie des einbezogenen Teils der Nebenstraßen) in Dortmund zu untersagen. Er hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
14Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen des zugrunde liegenden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Hierbei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Grundrechte, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen.
15Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. Oktober 1995 – 2 BvR 384/95 –, Rn. 52 ff., m. w. N., und vom 25. Oktober 1988 – 2 BvR 745/88 –, juris, Rn. 17; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 123 Rn. 94; vgl. insoweit auch: OVG NRW, Beschlüsse vom 20. September 2019 – 5 B 603/19 –, juris, Rn. 8, und vom 26. April 2019 – 5 B 543/19 –, juris, Rn. 3.
16Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch dahingehend, dass die Videoüberwachung durch den Antragsgegner im Bereich der Münsterstraße im Abschnitt zwischen den Hausnummern 50 und 99 einschließlich des einbezogenen Teils der Nebenstraßen unterlassen wird. Insoweit sind seine (Grund-)Rechte voraussichtlich nicht verletzt.
17Die Grundrechte schützen den Bürger vor ihnen zuwider laufenden Beeinträchtigungen jeder Art. Dies erfasst auch durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt) entstehende Beschränkungen. Infolgedessen kann der Bürger, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung droht, unmittelbar gestützt auf das jeweils beeinträchtigte Grundrecht Unterlassung verlangen, sofern ihm nicht bereits das einfache Gesetzesrecht einen Anspruch vermittelt.
18Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Januar 2012 – 6 C9/11 –, juris, Rn. 22, vom 18. April 1985 – 3 C 34/84 –, juris, Rn. 41, und vom 21. September 1984 – 4 C 51/80 –, juris, Rn. 12.
19Dem Antragsteller kommt ein Unterlassungsanspruch nicht zu. Der Anspruch ergibt sich weder aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG – dazu 1.) noch aus der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG – dazu 2.).
201. Ein Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus dem in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG wurzelnden Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, in aller Regel selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen.
21Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2007– 1 BvR 2368/06 –, juris, Rn. 37, und Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 u. a. –, juris, Rn. 149.
22In den Schutzbereich dieses Rechts wird im Fall der offenen Videoüberwachung des öffentlichen Raums durch die Polizei eingegriffen. Das durch die Videoüberwachung gewonnene Bildmaterial kann und soll dazu genutzt werden, belastende hoheitliche Maßnahmen gegen Personen vorzubereiten, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen zeigen. Die offene Videoüberwachung eines öffentlichen Ortes kann und soll zugleich abschreckend wirken und insofern das Verhalten der Betroffenen lenken.
23Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2007– 1 BvR 2368/06 –, juris, Rn. 38; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 – 6 C 9/11 –, juris, Rn. 23 f.; OVG Nds., Urteil vom 6. Oktober 2020 – 11 LC 149/16 –, juris, Rn. 33 f.
24Dies gilt schon für die bloße Videobeobachtung („Kamera-Monitor-Prinzip“), weil diese gegenüber dem menschlichen Auge eine weit großflächigere und intensivere Beobachtung – auch über große Entfernungen und bei schwierigen Lichtverhältnissen – ermöglicht.
25So auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 35; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 2020 – 15 B 950/20 –, juris, Rn. 6 ff., m. w. N. zur Eingriffstiefe bei Versammlungen.
26Durch die zusätzliche, hier durchgeführte Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials werden die beobachteten Lebensvorgänge zudem technisch fixiert und können in der Folge abgerufen, aufbereitet und ausgewertet werden. So besteht die Gefahr, dass eine Vielzahl von Informationen über bestimmte identifizierbare Betroffene gewonnen wird, die sich jedenfalls theoretisch zu Profilen des Verhaltens der betroffenen Personen in dem überwachten Raum verdichten lassen könnten. Der Eingriff in das Grundrecht entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen im öffentlichen Raum beobachtet werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen des Einzelnen Rechnung, der sich in die Öffentlichkeit begibt.
27Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2007– 1 BvR 2368/06 –, juris, Rn. 38 f., und Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 u. a. –, juris, Rn. 153; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 – 6 C 9/11 –, juris, Rn. 25; OVG Nds., Urteil vom 6. Oktober 2020 – 11 LC 149/16 –, juris, Rn. 33.
28Am Maßstab des einstweiligen Rechtsschutzes gemessen ist es hinreichend wahrscheinlich, dass der Antragsteller durch den Betrieb der Videoüberwachung in dem Abschnitt der Münsterstraße in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nachteilig betroffen ist. Es ist zu erwarten, dass er den überwachten Bereich in absehbarer Zeit betreten wird.
29Vgl. in diesem Zusammenhang: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 18; Büllesfeld, Polizeiliche Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze zur Kriminalitätsvorsorge, 2002, Seite 246.
30Der Antragsteller, der in Dortmund wohnt, macht geltend, dass er die Münsterstraße regelmäßig auf dem Weg zu seiner primär für Nebentätigkeiten genutzten Arbeitsstätte in der Leuthardstraße 10 und auf dem Rückweg von dieser mit dem Fahrrad passiere, wobei für diese Route insbesondere das im Vergleich zu Hauptstraßen geringere Verkehrsaufkommen spreche. Diese schlüssige, anhand von Straßenkarten nachvollziehbare Darlegung genügt, um die vorgenannten Zulässigkeitsanforderungen gerade auch mit Blick auf den Betrieb der Videoüberwachung im frei zugänglichen öffentlichen Raum als gegeben anzusehen. Dass damit der Antragsbefugnis in Abgrenzung zur Popularklage nur eine begrenzte Funktion zukommt, ist der Art der polizeilichen Maßnahme mit letztlich schwer bestimmbarem Adressatenkreis immanent.
31Vgl. Büllesfeld, Polizeiliche Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze zur Kriminalitätsvorsorge, 2002, Seite 246.
32Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erweist sich aber als rechtmäßig. Er beruht mit § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 PolG NRW auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage (dazu a.) und ist formell (dazu b.) sowie materiell (dazu c.) rechtmäßig.
33a. Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW kann die Polizei zur Verhütung von Straftaten einzelne öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung beobachten und die übertragenen Bilder aufzeichnen, wenn an diesem Ort wiederholt Straftaten begangen wurden, die Beschaffenheit des Ortes die Begehung von Straftaten begünstigt und ein unverzügliches Eingreifen der Polizei möglich ist. Die Videoüberwachung kann erfolgen, solange Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an diesem Ort weitere Straftaten begangen werden.
34Diese Regelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in seinen Beschlüssen vom 16. Mai 2022 zur Videoüberwachung an drei verschiedenen Orten in der Kölner Innenstadt.
35Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 26 ff.
36b. Die Videoüberwachung des streitgegenständlichen Abschnitts der Münsterstraße erweist sich als formell rechtmäßig. Die notwendige Behördenleiteranordnung liegt vor (dazu aa.). Ein Dokumentationsmangel ist nicht erkennbar (dazu bb.).
37aa. Ob die nach § 15a Abs. 3 PolG NRW zwingend erforderliche Behördenleiteranordnung zu jedem Zeitpunkt, an dem die Videoüberwachung bisher betrieben worden ist, vorlag, kann offen bleiben. Dies erscheint insoweit zweifelhaft, als die Anordnung des Polizeipräsidenten vom 21. Januar 2020 die Aufnahme der Maßnahme zum nächstmöglichen Zeitpunkt, spätestens aber zum 1. Juni 2020 vorsah und auf ein Jahr befristet war. Mithin dürfte die Behördenleiteranordnung am 31. Mai 2021, an welchem die Videoüberwachung erstmalig aufgenommen worden ist, abgelaufen sein. In der unter dem Datum des 24. Februar 2022 gezeichneten Anordnung des Polizeipräsidenten von Dortmund für den Zeitraum 31. Mai 2021 bis zum 30. Mai 2022 wurde auf eine bereits ergangene mündliche Anordnung Bezug genommen, welche in dem Verwaltungsvorgang ansonsten keinen Niederschlag gefunden hat. Insoweit wäre jedenfalls die Frage zu klären, welche formalen Anforderungen sich aus dem Dokumentationserfordernis des § 15a Abs. 4 Satz 1 PolG NRW für die Entscheidung des Behördenleiters nach Abs. 3 ergeben.
38Für den hier geltend gemachten Anspruch auf (zukünftige) Unterlassung der Videoüberwachung der Münsterstraße kann dies aber im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats dahinstehen, weil der Polizeipräsident von Dortmund am 24. Mai 2022 die Verlängerung der Videoüberwachung für den Zeitraum vom 31. Mai 2022 bis zum 30. Mai 2023 schriftlich verfügt hat.
39Soweit der Antragsteller rügt, die Videokameras seien außerhalb der festgelegten Zeiträume in Betrieb, führt dies nicht zur formellen Rechtswidrigkeit der Maßnahme.
40Die Verlängerung der Videoüberwachung durch die schriftliche Anordnung des Polizeipräsidenten vom 24. Mai 2022 erfolgte mit der Maßgabe, dass die Zeiten der Videoüberwachung „gemäß der Bilanz zu d)“ angepasst werden. Das unter d) angeführte Papier „Jahresbilanz Videobeobachtung Münsterstraße 50-99 für den Zeitraum 31.05.2021 – 07.05.2022 vom 16.05.2022, -57.03.43-“ enthält unter Ziffer 7 die Feststellung, dass eine Anpassung der Videobeobachtungszeiten auf Montag bis Freitag und Sonntag jeweils in der Zeit von 12:00 bis 20:00 Uhr sinnvoll erscheine. Mithin erfasst die Behördenleiteranordnung vom 24. Mai 2022 die Videoüberwachung (nur) an den genannten Tagen und in den aufgeführten Zeiträumen.
41Der Antragsteller verweist zur Begründung seiner Annahme u.a. auf eine Dokumentation des Westdeutschen Rundfunks,
42abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v= nbe1Tvhf5xc, zuletzt abgerufen am 9. August 2022,
43in der die Frage der Erkennbarkeit der Kamerafunktion für Dritte thematisiert wird. Zudem hat er mehrere Lichtbilder übersandt, die nach seinen Angaben verschiedene Kameras an der Münsterstraße zeigen, die außerhalb der Betriebszeiten nicht mit einer Blende verschlossen bzw. (bei den PTZ-Kameras) von der Straße weggedreht seien, und auf einen entsprechenden Artikel auf der Internetseite „Nordstadtblogger“ vom 20. Juni 2021 verwiesen.
44Abrufbar unter https://www.nordstadtblogger.de/ laeuft-die-videoueberwachung-entlang-der-muenster strasse-auch-nach-24-uhr-die-polizei-dortmund-dem entiert-das/, zuletzt abgerufen am 9. August 2022.
45Der Antragsgegner hat hierzu mit Schriftsatz vom 19. August 2022 mitgeteilt, dass durch verschiedene Maßnahmen sichergestellt sei, dass die Videoüberwachung nicht außerhalb der festgelegten Betriebszeiten genutzt werde. Bisher seien die Kameras nur bei Versammlungslagen mit einem Rollo verschlossen bzw. gegen die Wand gedreht worden. Durch eine Ergänzung der Dienstanweisung vom gleichen Tag sei verfügt worden, dass dies nunmehr außerhalb der Betriebszeiten immer der Fall sein müsse. Auf dieser Grundlage bestehen keine Bedenken dahingehend, dass die Videoüberwachung nicht in vollem Umfang durch die Behördenleiteranordnung gedeckt ist.
46bb. Ein Verstoß gegen das Dokumentationserfordernis aus § 15a Abs. 4 Satz 1 PolG NRW ist nicht erkennbar. Nach der Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz, Ziffer 15a.41,
47abrufbar unter https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_ anzeigen?v_id=10000000000000000353, zuletzt abgerufen am 11. August 2022,
48dient die Dokumentation als Grundlage für die Entscheidung über die Aufrechterhaltung und Verlängerung der Maßnahme. Sie soll dazu folgende Angaben enthalten: Ort, soziale Umstände, Kriminalität, Gesamtkonzept, Veränderungen während und ggf. nach der Maßnahme. Den Abschluss der Dokumentation bildet eine Bewertung über Geeignetheit und Erfolg der Maßnahme. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Hiernach soll eine Maßnahme nach Absatz 1 angesichts des damit einhergehenden Grundrechtseingriffs nur dann angeordnet und nur solange aufrechterhalten werden, wie die dort festgelegten Voraussetzungen auch tatsächlich vorliegen. Zu diesem Zweck ist der Entwurf der Landesregierung im Gesetzgebungsverfahren nach der Anhörung von Experten im zuständigen Landtags-Ausschuss abgeändert und u. a. Absatz 4 eingefügt worden.
49Vgl. hierzu die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Innere Verwaltung und Verwaltungsstrukturreform zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drs. 13/2854), LT-Drs. 13/4073, Seite 26 ff.
50Diesen Anforderungen genügt der seitens des Antraggegners vorgelegte Verwaltungsvorgang. Daraus ist zu entnehmen, dass der Antragsgegner die besonderen örtlichen Gegebenheiten einschließlich der die Begehung von Straftaten beeinflussenden Faktoren, das bestehende Kriminalitätsgeschehen und die Frage einer möglichen Verdrängung erörtert und wiederholt auf einen aktuellen Stand gebracht hat. Auch die Bereitstellung eines Einsatzmittels zur schnellen Reaktion ist in den vorlaufenden Konzeptüberlegungen aufgegriffen worden. Die Videoüberwachung soll dabei Teil des Gesamtkonzepts „Sicher leben in der Nordstadt – Bekämpfung krimineller Strukturen inklusive Clankriminalität“ sein. Im Vorfeld der Verlängerung der Behördenleiteranordnung im Mai 2022 hat der Antragsgegner eine Jahresbilanz für den abgelaufenen Zeitraum unter Auswertung u.a. der Kriminalitätsentwicklung und der veranlassten längerfristigen Videospeicherungen erstellt. Aufgrund der Auswertung wurde eine Anpassung der Beobachtungszeiten veranlasst.
51Die weitere Frage, ob das Dokumentationserfordernis in § 15a Abs. 4 Satz 1 PolG NRW überhaupt zum Schutz subjektiver Rechte dient oder es unmittelbar nur die der Polizei obliegende Beweisführungspflicht für das Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale sichern soll,
52vgl. hierzu ausführlich: OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 66 ff.
53kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
54c. Der Eingriff in das Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung durch die Videoüberwachung in der Münsterstraße im Bereich der Hausnummern 50 bis 99 in Dortmund dürfte auch materiell rechtmäßig sein. Der Tatbestand der Vorschrift ist voraussichtlich erfüllt (dazu aa.). Die Videoüberwachung ist nicht durchgehend offensichtlich. Ob sie durchgehend hinreichend erkennbar ist, unterliegt Zweifeln. Der Antragsteller kann sich darauf aber nicht mit Erfolg berufen (dazu bb.). Die Maßnahme ist verhältnismäßig und weist auch im Übrigen keine Ermessensfehler auf (dazu cc.).
55aa. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW liegen voraussichtlich vor. Bei der in der Münsterstraße videoüberwachten Fläche zwischen den Hausnummern 50 und 99 handelt es sich um einen einzelnen öffentlich zugänglichen Ort (dazu aaa.), an dem wiederholt Straftaten begangen wurden (dazu bbb.), dessen Beschaffenheit die Begehung von Straftaten begünstigt (dazu ccc.) und bei dem die Annahme gerechtfertigt ist, dass dort weitere Straftaten begangen werden (dazu ddd.). Die Möglichkeit eines unverzüglichen Eingreifens der Polizei ist jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ebenfalls anzunehmen (dazu eee.).
56aaa. Die Münsterstraße im Abschnitt zwischen den Hausnummern 50 bis 99 nebst der mitüberwachten Bereiche der angrenzenden Straßen, so namentlich der Mallinckrodtstraße, der Heckenstraße, der Priorstraße, der Heroldstraße, der Lambachstraße und der Westhoffstraße, ist ein öffentlich zugänglicher Ort. Als solche sind allgemein Örtlichkeiten zu verstehen, die von jedermann betreten werden dürfen oder für die der Kreis der Zutrittsberechtigten nach allgemeinen, von jedermann erfüllbaren Merkmalen festgelegt wurde, ohne dass hierin eine Begrenzung auf spezifische Personengruppen liegt. Eine Beschränkung der Öffnung auf bestimmte Zeiten steht der Zugänglichkeit ebenso wenig entgegen wie etwa privates Eigentum an einer solchen Fläche. Erfasst werden beispielsweise Straßen, Wege und Plätze sowie Parks und vergleichbare Grünanlagen, aber auch U-Bahnhöfe und andere Verkehrseinrichtungen.
57Vgl. Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht NRW, Stand: 1. Juni 2022, § 15a PolG Rn. 8; Tegtmeyer, in: Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, 12. Auflage 2018, § 15a Rn. 2; Braun, in: Schütte/Braun/Keller, PolG NRW, 1. Auflage 2012, § 15a Rn. 17; Meier, NWVBl. 2019, 315; vgl. zu der identischen Formulierung in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. PolG: OVG Nds., Urteil vom 6. Oktober 2020 – 11 LC 149/16 –, juris, Rn. 47.
58Die in der Dortmunder Nordstadt liegende Münsterstraße (Abschnitt zwischen den Hausnummern 50 und 99) ist der Öffentlichkeit ohne Beschränkungen zugänglich. Gleiches gilt auch für die an sie angrenzenden Straßen.
59Der in Rede stehende Abschnitt der Münsterstraße stellt entgegen der Auffassung des Antragstellers auch einen einheitlichen (einzelnen) Ort im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW dar. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich das Motiv, die Videoüberwachung lokal eng zu begrenzen und insbesondere eine generelle (großräumige) Videoüberwachung der Innenstadtlagen zu verhindern; hierzu hat der Gesetzgeber den Begriff des Ortes durch die Voranstellung des Wortes „einzelne“ weiter präzisiert. Der Begriff des Ortes ist aber nicht, wie der Antragsteller meint, so eingeengt zu verstehen, dass dieser etwa nur einen (Vor-)Platz bzw. Park oder ausschließlich einen U-Bahnhof erfassen könnte. Vielmehr ergibt sich aus der Bestimmung insoweit nur, dass es sich bei einer Mehrzahl von Plätzen, Straßen und Wegen regelmäßig um eine zusammenhängende Fläche handeln muss.
60Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 82.
61Dies gilt für § 15a Abs. 1 PolG NRW ebenso wie für die Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW betreffend die Verweisung einer Person von einem Ort, weil polizeilich relevante Gefahrenlagen, die die gesetzliche Vorschrift durch diese Formulierung erfassen will, auch einen deutlich über einen Platz oder eine (kleine) Straße hinausgehenden Bereich erfassen können.
62Vgl. insoweit zu letzterer Vorschrift in Abgrenzung zu dem Begriff des „örtlichen Bereichs“ als Gemeindegebiet oder Gebietsteil: OVG NRW, Urteil vom 27. September 2021 – 5 A 2807/19 –, juris Rn. 69, m. w. N.
63Soweit – wie vorstehend ersichtlich – durch den Senat wie auch durch die Kommentarliteratur eine entsprechende Aufzählung erfolgt, beschreibt dies im Kontext des § 15a Abs. 1 PolG NRW nicht, wie der Antragsteller meint, eine maximale örtliche Radizierung, sondern knüpft an das Merkmal der Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit an. Eine derartige Angabe wäre im Übrigen – etwa im Hinblick auf die Größe mancher Grünanlagen wie etwa des Westfalenparks in Dortmund oder der Länge einzelner Straßen – auch nicht geeignet, eine enge örtliche Begrenzung allgemeingültig zu beschreiben.
64Dies zugrunde gelegt begegnet die Einordnung des ungefähr 270 Meter langen Abschnitts der Münsterstraße zwischen der Mallinckrodtstraße im Norden und dem zur Münsterstraße gehörenden Platz vor der Sankt-Josephs-Kirche im Süden unter Einschluss der Einmündungsbereiche der dazwischen auf die Münsterstraße treffenden Seitenstraßen als einem Ort im Sinn der Vorschrift keinen Bedenken. Weder ist die räumliche Ausdehnung dieses Bereiches nicht mehr mit dem so verstandenen Begriff des Ortes in Einklang zu bringen noch ist die Fläche – etwa aufgrund baulicher Hindernisse o.ä. – als unterbrochen anzusehen. Insbesondere ist die Verkehrsführung auf dem Vorplatz der Sankt-Joseph-Kirche nicht geeignet, eine solche trennende Wirkung zu begründen.
65bbb. Im Abschnitt Hausnummern 50 bis 99 der Münsterstraße nebst den Einmündungen zu den Seitenstraßen sind wiederholt Straftaten begangen worden. Allein die mehrfache Begehung von Straftaten gleich welcher Art an einem öffentlich zugänglichen Ort genügt indes für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW nicht. Vielmehr ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung der Gesetzgebungsmaterialien sowie aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die Videoüberwachung auf Schwerpunkte der Straßenkriminalität zu begrenzen ist.
66Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind Straftaten alle Zuwiderhandlungen gegen Strafgesetze. Eine frühere Einschränkung durch die ursprünglich in § 15a Abs. 4 PolG NRW in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2000 (GV. NRW. 452) vorgenommene Legaldefinition ist durch das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes und des Ordnungsbehördengesetzes vom 8. Juli 2003 (GV. NRW. 410) aufgehoben worden.
67Allerdings ginge dieses weite Verständnis ersichtlich über den Gesetzeszweck hinaus. Neben der Reduzierung der Kriminalitätshäufigkeit und der Steigerung der Aufklärung von Straftaten bezweckt die Vorschrift auch die Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung. So soll diese Maßnahme „angstfreie Räume“ gewährleisten. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung nicht schon durch jeden Rechtsverstoß beeinträchtigt wird. Ebenso wenig wollte er eine flächendeckende Videoüberwachung aller belebten Plätze, sondern eine Beschränkung auf Kriminalitätsschwerpunkte.
68Vgl. die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Innere Verwaltung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drs. 12/4476), LT-Drs. 12/4780, Seite 65; vgl. ebenfalls den Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 13/2854, Seiten 51 f. und 54, zur Neufassung des § 15a PolG.
69Deshalb sind nur Verstöße gegen Normen des Strafrechts zu berücksichtigen, deren Begehung in der Öffentlichkeit – und damit auch durch die die übertragenen Videobilder beobachtenden Kräfte der Polizei – typischerweise optisch wahrgenommen bzw. im Rahmen der Aufzeichnung reproduziert werden können. Zudem müssen sie das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit regelmäßig beeinträchtigen. Ein solches einschränkendes Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Straftat“ ist zudem aufgrund der nicht unerheblichen Tiefe des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aller Personen, die in den Erfassungsbereich der Videobeobachtung und-aufzeichnung gelangen, angezeigt.
70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 89 ff.; vgl. in diesem Zusammenhang auch: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 78; OVG Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2010 – 4 Bf 276/07 –, juris, Rn. 79; Braun, in: Schütte/Braun/Keller, PolG NRW, 1. Auflage 2012, § 15a Rn. 18.
71Dementsprechend sind in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich etwa Diebstähle, Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen als typisch benannt worden.
72Vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 13/2854, Seite 52, 54; vergleichbar, aber schwerpunktmäßig auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung abstellend: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 67 f., insbesondere Rn. 71.
73Zudem ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Weiteren, dass eine Videoüberwachung nur an Kriminalitätsschwerpunkten zulässig ist.
74Vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 13/2854, Seite 51 f.
75Zur Ermittlung eines Kriminalitätsschwerpunktes ist regelmäßig eine vergleichende Betrachtung der Straßenkriminalitätsbelastung an dem überwachten bzw. zu überwachenden Ort mit derjenigen im gesamten Gebiet einer Stadt bzw. Gemeinde vorzunehmen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts genügt (nur) der Vergleich solcher Bereiche miteinander, die sich strukturell, insbesondere in der Sozialstruktur und im Aufkommen des Fußgängerverkehrs zumindest ähnlich sind, diesen Anforderungen nicht. Zum einen könnte eine solch beschränkte Betrachtung dazu führen, dass ein Kriminalitätsschwerpunkt nur deshalb nicht als solcher ausgemacht werden kann, weil in der so gewählten Vergleichsgruppe die Belastung mit Straftaten überall (besonders) hoch ist – möglicherweise gerade wegen der Ähnlichkeit der Bereiche – oder weil ein strukturell vergleichbarer Ort in einer Gemeinde nicht existiert.
76Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 95 f.
77Zudem kann sich die sinnvolle Abgrenzung anhand verschiedener Kriterien unter Einbeziehung der Sozialstruktur als diffizil darstellen und somit die Unsicherheit bei der Anwendung der Norm maßgeblich vergrößern. Insoweit hat auch das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag des Antragsgegners zwar zahlreiche einzelne Aspekte benannt (belebte, auch durch überörtliche Besucher frequentierte Geschäftsstraßen innerhalb gemischter Wohngebiete mit kleinen Gewerbebetrieben im Niedrigpreissegment, Geschäfte des täglichen Lebensbedarfs, Wettspielbüros, Schank- und Speisewirtschaften sowie Imbisse oder Sisha-Bars mit Außengastronomie und Gesamtlänge der Straßenabschnitte), erläutert aber den zentralen Begriff der Sozialstruktur ebenfalls nicht näher.
78An die Annahme eines Kriminalitätsschwerpunktes sind vor dem Hintergrund der Grundrechtsrelevanz der Videoüberwachung strenge Maßstäbe anzulegen. Dies setzt voraus, dass sich die maßgebliche Kriminalitätsbelastung dort signifikant höher darstellt als im Vergleichsgebiet.
79Vgl. Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht NRW, Stand: 1. Juni 2022, § 15a PolG Rn. 10; Braun, in: Schütte/Braun/Keller, PolG NRW, 1. Auflage 2012, § 15a Rn. 18; Müller/Schwabenbauer, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, Abschnitt G, Rn. 671; Meier, NWVBl. 2019, 315, 316.
80Bei diesen Maßgaben ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass es sich bei der Münsterstraße im Abschnitt der Hausnummern 50 bis 99 einschließlich Einmündungen der Nebenstraßen um einen Ort handelt, an dem wiederholt Straftaten im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW begangen worden sind, weil dort ein Schwerpunkt der Straßenkriminalität liegt.
81Zur Ausfüllung des Begriffs der Straßenkriminalität legt der Senat im Ausgangspunkt die Definition zugrunde, die auch bei der Erstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik angewendet wird. Diese weicht von dem Deliktsschlüssel in Anlage 2 zu dem Erlass des Ministeriums des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2019 (Az. 412-57.03.45/25.09.09) zum Teil ab.
82Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 101 ff.
83Zusammengefasst sind bei der Beurteilung, ob an einem öffentlich zugänglichen Ort wiederholt Straftaten im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW begangen worden sind bzw. es sich bei diesem Ort um einen Schwerpunkt der Straßenkriminalität handelt, im Wesentlichen folgende, an der polizeilichen Datenerfassung orientierte Deliktsgruppen zu berücksichtigen:
84- 85
Sexuelle Belästigung, Straftaten aus Gruppen, exhibitionistische Handlungen und Erregung öffentlichen Ärgernisses
- 86
Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung
- 87
Diebstahl an/aus Kraftfahrzeugen insgesamt, Taschendiebstahl, Diebstahl von Kraftwagen, Diebstahl von Mopeds u. Krafträdern, Diebstahl von Fahrrädern, Diebstahl von/aus Automaten
- 88
Raubüberfälle auf Geld- und Werttransporte, Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Handtaschenraub, Sonstige Raubüberfälle auf Straßen, Wegen oder Plätzen
- 89
Erpresserischer Menschenraub i. V. m. Raubüberfall auf Geld- und Werttransporte, Geiselnahme i. V. m. Raubüberfall auf Geld- und Werttransporte
- 90
Vorsätzliche (einfache) Körperverletzung
- 91
Gefährliche und schwere Körperverletzung
- 92
Sachbeschädigung an Kraftfahrzeugen, sonstige Sachbeschädigung auf Straßen, Wegen oder Plätzen
- 93
Landfriedensbruch
- 94
Illegaler Handel von BtM gemäß § 29 BtMG, allgemeine Verstöße gegen § 29 BtMG
Hinsichtlich der vollständigen Aufschlüsselung der berücksichtigten Delikte wird auf die von dem Antragsgegner auf die Aufklärungsverfügung des Senats überreichte Übersicht (Anlage zum Schriftsatz vom 25. Februar 2022, Blatt 111, 113 der Beschwerdeakte) ergänzend Bezug genommen.
96Bei der Ermittlung des Kriminalitätsaufkommens an einem bestimmten Ort kann sinnvollerweise nicht auf das Zahlenmaterial der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) abgestellt werden, weil diese eine Ausgangsstatistik – erfasst wird nicht das Datum einer Straftat, sondern der Zeitpunkt des Bearbeitungsendes bei der Polizei – darstellt und damit die Zahl der in einem bestimmten Zeitabschnitt begangenen Straftaten schon aufgrund der unterschiedlichen Bearbeitungsdauer nicht hinreichend genau abbilden kann. Zudem lässt die Polizeiliche Kriminalstatistik, wie der Senat aus vergleichbaren Verfahren weiß, eine Betrachtung derart kleinteiliger Räume wie der Münsterstraße nicht zu; eine Aufschlüsselung der Taten ist nur bis zur Ebene der Polizeiinspektionen möglich. Ebenso wenig kann auch die Anzahl der polizeilichen Einsätze an einem videoüberwachten Ort Grundlage der Entscheidung sein, ob ein Schwerpunkt der Straßenkriminalität vorliegt; die Zahl der Einsätze lässt keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Art und Anzahl der begangenen Straftaten zu.
97Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 116; vgl. zur Ungeeignetheit dieser statistischen Grundlagen zur Ermittlung eines Schwerpunkts der Straßenkriminalität auch: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 70.
98Demgegenüber sieht der Senat die von dem Antragsgegner vorgelegten Daten aus dem polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem (polizeilich erfasste Straftaten auf der Basis des Tatzeitpunkts) als hinreichende Datengrundlage für die Ermittlung eines Schwerpunkts der Straßenkriminalität an, auch wenn sich im Einzelfall im späteren Verlauf des polizeilichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens oder der gerichtlichen Hauptverhandlung ergeben kann, dass eine dort zunächst polizeilich registrierte Tat den entsprechenden Straftatbestand doch nicht erfüllt. Gewisse (Rand-)Unschärfen bei der statistischen Erfassung relevanter Delikte sind hinzunehmen, soweit sie quantitativ und qualitativ vernachlässigt werden können.
99Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 118; vgl. insoweit auch zur „nur näherungsweisen Abbildung des Kriminalitätsaufkommens“: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 71.
100In der Folge ergeben sich auf der Grundlage der von dem Antragsgegner ermittelten Reichweite der Videokameras, der adressscharfen Ermittlung der Tatorte und der möglichst umfassenden Begrenzung auf solche Taten, die unter freiem Himmel begangen worden sind, für den Videoüberwachungsbereich Münsterstraße 50 bis 99 nebst einmündender Straßen einerseits sowie für das gesamte Stadtgebiet Dortmund andererseits folgende Deliktsanzahlen bzw. Deliktsbelastungen (bezogen auf die Straßenkriminalität) je Hektar Fläche:
101Münsterstraße 50-99 nebst einmündender Straßen(Fläche 0,50809 ha) |
Stadt Dortmund(Fläche 28.700 ha) |
|||
Anzahl Delikte |
Deliktsbelastung je ha |
Anzahl Delikte |
Deliktsbelastung je ha |
|
2017 |
335 |
659,332 |
23.116 |
0,805 |
2018 |
252 |
495,975 |
21.861 |
0,762 |
2019 |
186 |
366,077 |
20.233 |
0,705 |
2020 |
123 |
242,083 |
20.155 |
0,702 |
2021 |
142 |
279,478 |
17.595 |
0,613 |
Mithin war die maßgebliche Deliktsbelastung im Bereich Münsterstraße 50 bis 99 pro Hektar gegenüber dem gesamten Stadtgebiet von Dortmund (pro Hektar) insgesamt im Jahr 2017 um den Faktor 818,60, im Jahr 2018 um den Faktor 651,14 im Jahr 2019 um den Faktor 519,27 im Jahr 2020 um den Faktor 344,72 und im Jahr 2021 um den Faktor 455,87 erhöht.
103Sowohl die absolut hohe Zahl an Straftaten im Bereich der Münsterstraße 50 bis 99 als auch insbesondere die oben dargestellte relative Zahl der Delikte im Vergleich zum gesamten Stadtgebiet rechtfertigen die Annahme, dass es sich bei diesem Videoüberwachungsbereich um einen Schwerpunkt der Straßenkriminalität handelt. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Deliktsbelastung fast kontinuierlich zurückgegangen ist. Abgesehen davon, dass auch im Jahr 2021 die Deliktsbelastung in dem hier maßgeblichen Abschnitt der Münsterstraße noch mehr als vierhundertmal höher als im Stadtgebiet Dortmund war, ist in den Jahren 2020 und 2021 die Sondersituation des sog. „Corona-Lockdown“ zu berücksichtigen. In dieser Zeit dürften das zeitweise geringere Mobilitätsverhalten sowie die Kontaktbeschränkungen zu einer Verringerung der Straftaten beigetragen haben. Dieser Effekt dürfte nur vorübergehend sein. Zudem ist in den Blick zu nehmen, dass die Videoüberwachung in der Münsterstraße seit Ende Mai 2021 erfolgt und sich der Effekt dieser Maßnahme in diesem Jahr in der von dem Senat angeforderten Statistik zum Teil auswirken konnte. Bei der Frage der Deliktsbelastung eines Ortes ist im Ausgangspunkt aber auf eine Situation ohne Videoüberwachung zu rekurrieren. Ansonsten würde dies dazu führen, dass die Videoüberwachung gerade bei einem Erfolg einzustellen und sodann (nach einem erneuten Anstieg der Kriminalität) wieder einzuführen wäre.
104Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 123; zu der vorzunehmenden hypothetischen Betrachtung vgl. auch: Tegtmeyer, in: Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, 12. Auflage 2018, § 15a Rn. 4.
105Schließlich ist – anders als der Antragsteller meint – nicht ersichtlich, dass unter den erfassten Taten eine nennenswerte Anzahl von Vorfällen ist, bei denen ein Straftatbestand objektiv nicht verwirklicht worden ist. Auf die Zahl der zur Ahndung gelangten Straftaten kommt es in diesem Zusammenhang von vorneherein nicht an.
106ccc. Die Beschaffenheit des videoüberwachten Ortes begünstigt auch die Begehung von Straftaten. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der zu überwachende Bereich etwa aufgrund von Topographie, Fußgängeraufkommen oder baulichen Gegebenheiten unübersichtlich ist und Straftäter sich so dort unauffällig bewegen bzw. aufhalten können, der Ort aufgrund der vorgenannten Merkmale oder wegen seiner verkehrsgünstigen Lage gute Fluchtmöglichkeiten bietet und/oder sich durch die Eigenart des Platzes eine besondere Zahl von Tatgelegenheiten bietet, die sich an anderer Stelle so nicht in gleichem Maße bieten würden.
107Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 126; Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht NRW, Stand: 1. Juni 2022, § 15a PolG Rn. 8; Braun, in: Schütte/Braun/Keller, PolG NRW, 1. Auflage 2012, § 15a Rn. 19; Tegtmeyer, in: Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, 12. Auflage 2018, § 15a Rn. 1; Maier, NWVBl. 2019, 315, 316; vgl. zur Verlagerung von Tatgeschehen auch: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 51.
108Mit dieser tatbestandlichen Voraussetzung soll insbesondere verhindert werden, dass es durch die Videoüberwachung allein zu einem Verdrängungseffekt kommt, d. h. dass sich die Begehung von Straftaten in einer Gesamtbetrachtung nicht reduziert, sondern lediglich an andere Örtlichkeiten verlagert, an denen keine Videotechnik eingesetzt wird.
109So der Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 13/2854, Seite 54, zur Neufassung des § 15a PolG.
110Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Münsterstraße zwischen den Hausnummern 50 und 99 liegt in der Dortmunder Nordstadt und ist durch die enge Bauweise und die vielen, auf beiden Seiten der Straße liegenden preiswerten gastronomischen Betriebe geprägt. Die geringe Breite wird durch die vorhandene Außengastronomie und am Straßenrand (vielfach falsch) parkende Kraftfahrzeuge noch verstärkt. Die Straße dient vielen Menschen, gerade auch aus dem sie umgebenden Viertel als Treffpunkt, wird aber auch zum Einkaufen genutzt, so dass sich jedenfalls zu manchen Tageszeiten eine erhebliche Anzahl Passanten feststellen lässt. Hieraus ergeben sich zum einen Tatgelegenheiten etwa für die Begehung von Diebstählen und Raubdelikten, zum anderen bietet die sich aus dem Vorstehenden ergebende Unübersichtlichkeit des Bereichs im Zusammenspiel mit der Passantenfrequenz gute Möglichkeiten, nach der Tatbegehung unerkannt zu entkommen. Dabei ist, wie der Antragsgegner dargelegt hat, die Vielzahl der angrenzenden Straßen und die damit einhergehende mögliche Fluchtwegvarianz ebenso zu berücksichtigen wie die Tatsache, dass durch die Poller am nördlichen Ende der Münsterstraße und die damit dort für mehrspurige Kraftfahrzeuge bestehende Sackgassensituation eine Nacheile mit Streifenwagen in Richtung Mallinckrodtstraße unmöglich ist. Auch soweit sich in diesem Bereich der Münsterstraße der Verkauf von Betäubungsmitteln etabliert hat, hat der Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt, dass die vorgenannten Umstände diesen besonders begünstigen, so dass eine gänzliche Verlagerung der Straftaten an einen anderen Ort nicht zu erwarten ist.
111ddd. Die vorstehenden Tatsachen tragen zugleich die Annahme, dass an diesem Ort weitere Straftaten begangen werden. Die örtlichen Gegebenheiten, auf denen die überdurchschnittlich hohe Kriminalitätshäufigkeit im Wesentlichen beruht, bestehen unverändert fort. Diese Prognose wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass seit der Einführung der offenen Videoüberwachung – trotz eines Rückgangs – weiterhin eine erhebliche Anzahl an Straftaten begangen worden ist. Dies ergibt sich aus der von dem Antragsgegner für die Maßnahmenverlängerung angefertigten Statistik für den Zeitraum 31. Mai 2021 bis 7. Mai 2022; dass diese nicht gänzlich den Anforderungen an die Definition des Begriffs der Straßenkriminalität in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW entspricht, ist insoweit erkennbar zu vernachlässigen.
112eee. Die Möglichkeit eines unverzüglichen Eingreifens der Polizei ist für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls für die Zukunft anzunehmen.
113Dieses Tatbestandmerkmal ist durch das Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen – Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (GV. NRW. 2018, S. 684) in § 15a PolG NRW eingefügt worden. Ziel des Gesetzgebers war es, hierdurch den Charakter der Videoüberwachung als präventive Maßnahme der Verhütung von Straftaten zu unterstreichen.
114So ausdrücklich der Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 17/2351, Seite 36; vgl. auch von Coelln/Pernice-Warnke/Pützer/Reisch, NWVBl. 2019, 89, 92.
115Nach der auch für andere Rechtsbereiche allgemein heranzuziehenden Definition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Handeln unverzüglich, wenn es ohne schuldhaftes Zögern, also ohne unnötige, nicht durch die Sachlage begründete Verzögerungen erfolgt; an eine bestimmte Zeitspanne, die keinesfalls überschritten werden darf, ist dies nicht gekoppelt.
116Vgl. zur Anwendbarkeit der Definition im öffentlichen Recht und zu dem Begriff: BVerwG, Urteile vom 21. November 2006 – 1 C 10/06 –, juris, Rn. 26, m. w. N., und vom 13. Mai 1998 – 6 C 12/98 –, juris, Rn. 20.
117Danach besteht die Möglichkeit eines unverzüglichen Eingreifens im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 1 PolG NRW jedenfalls dann, wenn die Polizei in der Lage ist, strafbare Handlungen aus dem Bereich der Straßenkriminalität im Begehungszeitpunkt zu erkennen und so zeitnah polizeiliche Maßnahmen zu ergreifen, dass die Ziele der Videoüberwachung – also neben der Verhinderung noch laufender Taten insbesondere die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung und der damit einhergehende abschreckende Effekt – noch erreicht werden können. Das Erfordernis des unverzüglichen Eingreifens setzt nicht voraus, dass die Begehung bzw. Vollendung einer Straftat aus dem Bereich der Straßenkriminalität in jedem Fall noch zu verhindern sein muss.
118Vgl. hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 139 ff.
119Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die Videoüberwachung nicht primär der Aufzeichnung der Daten für eine spätere Sichtung im Rahmen von Strafverfahren dient, sondern die Videobilder auch tatsächlich „live“ beobachtet und zur Kenntnis genommen werden (sog. „Kamera-Monitor-Prinzip“).
120Vgl. Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht NRW, Stand: 1. Juni 2022, § 15a PolG Rn. 17.
121Diese Voraussetzung ist hier als erfüllt anzusehen. Der Antragsgegner überträgt die Videobilder auf einen zentralen Arbeitsplatz in der Leitstelle, wo diese auf mehreren Monitoren angezeigt werden. In der Zeit zwischen dem 31. Mai 2021 und 7. Mai 2022 sind laut Antragsgegner für die Überwachung der Bilder in der Leitstelle 2.271,15 Stunden aufgewendet worden. Bezogen auf eine Betriebszeit von acht Stunden an sechs Tagen in der Woche und der angegebenen Ausfallzeiten von 10 Stunden 45 Minuten bedeutet dies, dass fast durchgängig (ca. 97,6 %) eine Arbeitskraft für die Beobachtung zur Verfügung stand. Dies dürfte – unter Berücksichtigung nie ganz zu vermeidender kurzfristiger Personalausfälle – den Anforderungen an die Überwachung der Videobilder Genüge tun.
122Jedenfalls für die Zukunft ist auf der Grundlage der derzeitigen Sachlage davon auszugehen, dass Polizeivollzugsbeamte hinreichend zeitnah im videoüberwachten Bereich eintreffen werden, um die vorgenannten Ziele der Videoüberwachung erreichen zu können. Der Antragsgegner hat in seiner Evaluation für den Zeitraum 31. Mai 2021 und 7. Mai 2022 festgestellt, dass die Interventionszeit, also die Zeit bis zum ersten Eintreffen am Einsatzort, im Durchschnitt 15:18 Minuten betragen hat. Ob diese durchschnittliche Einsatzreaktionszeit vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Ziels als ausreichend anzusehen ist oder ob dies auf grundlegende organisatorische Mängel hindeutet, die die Möglichkeit unverzüglichen Eingreifens im Sinne der Vorschrift entfallen lassen könnten, kann hier jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, das sich ausschließlich auf den zukünftigen Betrieb der Videoüberwachung bzw. dessen Untersagung bezieht, dahinstehen.
123Der Antragsgegner hat in seiner Evaluation vom 16. Mai 2022 selbst festgestellt, die Einsatzreaktionszeit sei mit 15:18 Minuten als unzureichend zu bewerten. Zugleich hat er festgehalten, dass für diesen Parameter nunmehr ein Zielwert von 10:00 Minuten festgelegt und zur Verbesserung eine klare Zielvorgabe für die Interventionskräfte erteilt worden sei. Der Antragsgegner hatte schon in seinem Konzept für die Ausgestaltung der Videoüberwachung die Bedeutung dieser Frage erkannt und festgelegt, dass sich jedenfalls zu den Betriebszeiten ein Interventionsteam in der räumlichen Nähe aufhalten soll. Aufgrund der nun erstmaligen Evaluation, der von ihm dabei erkannten Sachlage und der daraufhin ergriffenen Maßnahmen ist für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls derzeit davon auszugehen, dass die durchschnittliche Einsatzreaktionszeit deutlich zurückgehen wird.
124Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 – juris, Rn. 139; diesbezüglich zu eng und durch die in Bezug genommene Gesetzesbegründung so nicht getragen: Meier, NWVBl. 2019, 315, 317.
125Im Übrigen kann die durchschnittliche Einsatzreaktionszeit allein der ersten Einschätzung der Wahrung des unverzüglichen Eingreifens nach § 15a Abs. 1 Satz 1 PolG NRW dienen. Soweit die Einsatzreaktionszeiten bei bestimmten Einsatzarten oder z. B. Einsätzen mit dem Stichwort „Täter vor Ort“ unter dem Durchschnitt liegen, kann dies mit Blick auf die vorgenannten Ziele gegebenenfalls auch eine differenzierte Betrachtung rechtfertigen.
126bb. Ob die Videoüberwachung der Münsterstraße im Bereich der Hausnummern 50 bis 99 dem Erfordernis der Offenkundigkeit bzw. ausreichenden Kenntlichmachung im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 2 PolG NRW objektiv genügt, unterliegt mit Blick auf die Wahrnehmbarkeit in einzelnen Randzonen des überwachten Bereichs durchgreifenden Zweifeln. Der Antragsteller kann sich aber darauf nicht mit Erfolg berufen.
127Die Videoüberwachung ist nicht offenkundig. Offenkundigkeit ist anzunehmen, wenn Personen, die den entsprechenden Ort betreten, die eingesetzten Videokameras mit einem beiläufigen Blick erfassen und als solche einschließlich der Zweckbestimmung erkennen können. Dabei ist wegen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ein strenger Maßstab anzulegen. Erst die offene Datenerhebung bewirkt nämlich, dass der Betroffene von der Datenerhebung Kenntnis erhält und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahrnehmen kann.
128OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 – juris, Rn. 146; vgl. auch: Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht NRW, Stand: 1. Juni 2022, § 15a PolG Rn. 18; Braun, in: Schütte/Braun/Keller, PolG NRW, 1. Auflage 2012, § 15a Rn. 14; Tegtmeyer, in: Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, 12. Auflage 2018, § 15a Rn. 5; vgl. zu diesem Begriff auch: OVG Nds., Urteil vom 6. Oktober 2020 – 11 LC 149/16 –, juris, Rn. 48; VG Hannover, Urteil vom 14. Juli 2011 – 10 A 5452/10 –, juris, Rn. 37.
129Die in dem maßgeblichen Abschnitt der Münsterstraße an acht Standorten angebrachten 18 Videokameras sind zwar nicht verdeckt angebracht, dennoch ist – zumal unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabs – eine beiläufige Erkennbarkeit nicht überall gegeben. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Kamera-Standorte so gewählt sind, dass die Sichtachsen auch in die angrenzenden Straßen hineinragen, von wo aus eine Wahrnehmbarkeit im Straßenbild nicht vorausgesetzt werden kann. Zudem sind die Kameras teilweise weit oben an den Gebäuden angebracht, so dass ein beiläufiger Blick nicht dazu genügt, um die Kameras zu erkennen.
130Die bei einer fehlenden Offenkundigkeit der Videoüberwachung gebotene anderweitige Kenntlichmachung der Beobachtung dürfte in einzelnen Randbereichen unzureichend sein.
131Die Kenntlichmachung durch geeignete Maßnahmen tritt nach der Systematik des § 15a Abs. 1 Satz 2 PolG NRW an die Stelle der Offenkundigkeit der Videoüberwachung. Mithin sind an die Kenntlichmachung vergleichbare Anforderungen zu stellen; auch sie muss mit einem beiläufigen Blick erfasst werden können. Diese Anforderungen sind in der Regel schon dann erfüllt, wenn durch gut sichtbar angebrachte Hinweisschilder, auf denen etwa ein Videokamerapiktogramm abgebildet ist, darauf aufmerksam gemacht wird, dass man sich in einen überwachten Bereich begibt.
132OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 – juris, Rn. 150; vgl. auch: OVG Nds., Urteil vom 6. Oktober 2020 – 11 LC 149/16 –, juris, Rn. 51 und 71; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 79 f.; vgl. auch: OVG Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2010 – 4 Bf 276/07 –, juris, Rn. 67; Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht NRW, Stand: 1. Juni 2022, § 15a PolG Rn. 18; Tegtmeyer, in: Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, 12. Auflage 2018, § 15a Rn. 5; Braun, in: Schütte/Braun/Keller, PolG NRW, 1. Auflage 2012, § 15a Rn. 14; Müller/Schwabenbauer, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, Abschnitt G, Rn. 660; vgl. zur Gesetzesbegründung die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Innere Verwaltung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drs. 12/4476), LT-Drs. 12/4780, Seite 65.
133Die von dem Antragsgegner aktuell genutzten Hinweisschilder sind dem Grunde nach zu einer solchen Information geeignet. Sie weisen mittels zweier Piktogramme sowie textlich auf die Videoüberwachung einschließlich der Bildaufzeichnung sowie deren Aussetzung bei Versammlungen hin. Dabei müssen die Schilder nicht zwingend den Anforderungen der DIN 1450:2013-04 zur Gestaltung von Texten im öffentlichen Raum genügen. Auch bei Anbringung über Kopfhöhe ist nach Einschätzung des Senats davon auszugehen, dass das Kamera-Piktogramm einem Passanten dieselben Informationen zu vermitteln geeignet ist, die mit einer offenkundigen Videoüberwachung einhergehen.
134Um ihrer Funktion insbesondere auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht gerecht werden zu können, müssen die Hinweisschilder so aufgestellt sein, dass jeder, der sich dem videoüberwachten Bereich nähert, diesen bereits vor dem Betreten als solchen erkennen kann.
135OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 – juris, Rn. 155; vgl. zu diesem Erfordernis weiterhin: Tegtmeyer, in: Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, 12. Auflage 2018, § 15a Rn. 5; zu der Regelung in Nds. vgl.: VG Hannover, Urteil vom 14. Juli 2011 – 10 A 5452/10 –, juris, Rn. 38; in diesem Sinne auch: OVG Nds., Urteil vom 6. Oktober 2020 – 11 LC 149/16 –, juris, Rn. 51; die Notwendigkeit einer „konturenscharfen“ Kennzeichnung verneinend: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 80.
136Auf der Grundlage des von dem Antragsgegner vorgelegten Plans zur Reichweite der Videoüberwachung (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 25. Februar 2022, Bl. 88 der Beschwerdeakte), auf dem auch die Standorte der Hinweisschilder und deren jeweilige Ausrichtung angegeben sind, dürfte eine Erkennbarkeit des von der Videoüberwachung betroffenen Bereichs nicht überall gegeben sein. Dies gilt zunächst für die Münsterstraße selbst. An deren nördlichen Ende stehen die beiden Schilder deutlich in dem bereits videoüberwachten Bereich, in dem der Antragsgegner selbst von einer Identifizierbarkeit von Personen bei guten Bedingungen ausgeht. Auch der miterfasste Bereich der Mallinckrodtstraße ist nicht so gekennzeichnet, dass ein Passant schon vor dem Betreten des videoüberwachten Bereichs dies erkennen kann. Gleiches gilt nach dem vorgelegten Plan jedenfalls auch für die östlich an die Münsterstraße anschließende Lambachstraße.
137Werden durch die Videoüberwachung darüber hinaus Flächen erfasst, die dem fließenden Verkehr insbesondere mit Kraftfahrzeugen gewidmet sind, sind an die Erkennbarkeit für einen durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer entsprechend gesteigerte, die jeweilige Verkehrssituation berücksichtigende Anforderungen zu Grunde zu legen. Zwar gelten etwa die an Verkehrsschilder zu stellenden, sich aus den Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (vgl. Ziffer III.3 der VwV zu den §§ 39 bis 43 StVO) ergebenden Anforderungen nicht unmittelbar. Werden diese insbesondere in Hinblick auf die Größe der Beschilderung aber eingehalten, ist jedenfalls von einer beiläufigen Erkennbarkeit auszugehen.
138Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 – juris, Rn. 158; zur Erkennbarkeit der Beschilderung bei einer automatischen Kennzeichenerfassung vgl. weiter: OVG Nds., Urteile vom 6. Oktober 2020 – 11 LC 149/16 –, juris, Rn. 51, und vom 13. November 2019 – 12 LC 79/19 –, juris, Rn. 46.
139Auf einen solchen Mangel kann sich der Antragsteller– unbeschadet der Frage, ob im Hauptsacheverfahren ein nachträgliches Feststellungsinteresse bestehen könnte – nach Vorlage des von dem Antragsgegner erstellten Plans betreffend die Reichweite der Videoüberwachung aber ebenso wie auf eine möglicherweise mangelnde Erkennbarkeit für Teilnehmer am fließenden Verkehr nicht mit Erfolg berufen. Aufgrund der ihm nunmehr durch Übersendung des Plans vermittelten Kenntnis fehlt es für ihn an einem rechtswidrigen Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, weil er erkennen kann, in welchem örtlichen Bereich er von der Videoüberwachung erfasst wird. Zu einer weitergehenden Durchsetzung objektiven Rechts ist der Antragsteller nicht berufen.
140Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 – juris, Rn. 160; vgl. weiterhin: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 – 1 S 377/02 –, juris, Rn. 80; OVG Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2010 – 4 Bf 276/07 –, juris, Rn. 129.
141Nichts anderes ergibt sich für die Frage, ob die Beschilderung mit Blick auf ihre Funktion auch die eingeschränkten Betriebszeiten (Sonntag bis Freitag jeweils von 12 bis 20 Uhr) aufführen muss. Der Antragsgegner verschließt die Kameras nunmehr entsprechend der Ergänzung der Dienstanweisung vom 19. August 2022 zwar in der übrigen Zeit mit einem Rollo bzw. dreht diese weg, die Kameras sind aber – wie ausgeführt – nicht überall auf den ersten Blick zu erkennen; insoweit tritt die Beschilderung im Hinblick auf die Offensichtlichkeit gerade an die Stelle der nicht sofort erkennbaren Kameras. Mithin dürfte vieles für eine verpflichtende Angabe auf den nach § 15a Abs. 1 Satz 2 PolG NRW anzubringenden Schildern sprechen. Auch insoweit kann sich der Antragsteller aber in Kenntnis der Betriebszeiten jedenfalls nicht mehr erfolgreich auf die Verletzung eigener Rechte berufen.
142cc. Die Anordnung der Videoüberwachung der Münsterstraße im Bereich der Hausnummern 50 bis 99 einschließlich der Einmündungsbereiche der anliegenden Straßen erweist sich – soweit sich der Antragsteller auf eigene Rechte berufen kann – auch nicht als ermessensfehlerhaft; insbesondere wahrt sie insoweit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
143Die Maßnahme dient einem legitimen Zweck (dazu aaa.) und ist geeignet (dazu bbb.), erforderlich (dazu ccc.) sowie angemessen (dazu ddd.). Auch im Übrigen sind Ermessensfehler nicht zu erkennen (dazu eee.).
144aaa. Die konkrete Videoüberwachungsmaßnahme dient ausweislich der „Konzeption zur Einrichtung einer Videobeobachtung gemäß § 15a PolG NRW an der ‚Münsterstraße‘ 50-99“ des Antragsgegners in der derzeit aktuellen Fassung vom 24. Februar 2022 dazu, Straftaten frühzeitig zu erkennen und zu verhüten, ihre Aufklärung durch Personalisierung der Tatverdächtigen zu verbessern und damit das Sicherheitsgefühl der Bürger zu erhöhen. Das Konzept und damit die Zielsetzung ist durch die Anordnung des Polizeipräsidenten vom 24. Mai 2022 ausdrücklich in Bezug genommen worden. Diese Zielsetzung entspricht den gesetzlichen, sich aus § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW ergebenden Anforderungen.
145bbb. Die Videoüberwachung ist geeignet, diese Ziele zumindest zu fördern. Wie der Senat in seinen Beschlüssen vom 16 Mai 2022 betreffend die Videoüberwachung an drei Plätzen in Köln ausgeführt hat,
146siehe nur OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 41 ff.,
147ist die Wirksamkeit von Videoüberwachungsmaßnahmen differenziert zu betrachten. Im vorliegenden Fall ist die Videobeobachtung aber geeignet, auf dem maßgeblichen Abschnitt der Münsterstraße und den Einmündungsbereichen der angrenzenden Straßen einen Teil der Straftaten durch die abschreckende Wirkung der Beobachtung von vornherein zu verhindern und andere schon im Begehungsstadium zu entdecken und schneller im Sinne der Gefahrenabwehr polizeilich tätig zu werden. Trotz der bisher nur ein volles Jahr umfassenden polizeilichen Erkenntnisse betreffend die Videoüberwachung an dieser Stelle kann jedenfalls gegenüber dem Jahr 2019 – und damit einem Zeitpunkt vor Beginn der Corona-Pandemie – in einigen Kriminalitätsbereichen (z. B. gefährliche und schwere Körperverletzungen, einbezogene Diebstahls- und Raubtaten) ein erheblicher Rückgang verzeichnet werden. So waren in diesen Deliktsgruppen im Jahr 2019 noch 131 Taten zu verzeichnen, im Jahr 2021 nur noch 75. Dies stellt einen Rückgang von 42,7 % dar. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der entsprechenden Delikte in der Stadt Dortmund nur um 13,3 % gesunken. Schließlich kann der Eignung der Maßnahme auch nicht ein etwaiger Verdrängungseffekt entgegen gehalten werden. Schon wegen der Vielzahl der sich gerade aufgrund der Eigenart des Platzes hier ergebenden Tatbegehungsmöglichkeiten (welche sich auch in der immer noch beträchtlichen Anzahl an Delikten äußert) ist ein umfassender Verdrängungseffekt fernliegend.
148Zudem trägt die Speicherung der Videobilder für einen Zeitraum von 14 Tagen zur Eignung der Maßnahme bei. Die Reproduzierbarkeit der Videoaufnahmen im Sinne einer Vorsorge für die spätere Strafverfolgung ist geeignet, Personen von der Begehung von Straftaten abzuhalten, weil sie selbst bei zeitlich verzögerter Kenntniserlangung durch die Polizei mit ihrer Identifizierung rechnen müssen.
149ccc. Die Videoüberwachung der Münsterstraße in dem Bereich der Hausnummern 50 bis 99 ist auch erforderlich. Ein gleich wirksames, die Grundrechtsträger aber weniger beeinträchtigendes Mittel steht dem Antragsgegner nicht zur Verfügung. Die Erforderlichkeit der Videoüberwachung im konkreten Fall entfällt insbesondere nicht deshalb, weil der Einsatz von Polizeikräften vor Ort ebenso wirksam wäre. Die Videobeobachtung bietet gerade wegen der Kameratechnik, die dem menschlichen Auge überlegen ist und zudem von erhöhten Punkten eingesetzt werden kann, weitergehende Möglichkeiten, die Begehung von optisch wahrnehmbaren Straftaten zu entdecken und entsprechend zu handeln. Abgesehen davon spricht vieles dafür, dass eine vergleichbare Wirkung durch Polizeikräfte vor Ort unverhältnismäßig viele personelle Ressourcen erfordern würde.
150Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 – juris, Rn. 168; vgl. auch: Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht NRW, Stand: 1. Juni 2022, § 15a PolG Rn. 24.
151Die Videobeobachtung ist auch in dem aktuellen zeitlichen Umfang (Betrieb in der Zeit von 12 bis 20 Uhr von Sonntag bis Freitag) erforderlich. Aus der von dem Antragsgegner erstellten Auswertung betreffend die Kriminalitätsverteilung nach Wochentagen und Tagesstunden lässt sich ohne Weiteres folgern, dass die von dem Antragsgegner festgelegten Nutzungszeiten gerade die Tage bzw. Stunden mit dem im Vergleich höchsten Kriminalitätsniveau erfassen. Jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes legt der Senat die so aufbereiteten Zahlen zu Grunde, obwohl die in die Erhebung aufgenommenen Straftaten nicht exakt mit der Definition der Straßenkriminalität des Senats übereinstimmen.
152Auch die vorübergehende Speicherung der Videobilder ist erforderlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Inaugenscheinnahme von Videobildern im Ermittlungs-oder Strafverfahren verlässlichere Informationen vermitteln kann als dies durch Zeugenaussagen geschehen könnte. Für das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ist auch von der Erforderlichkeit einer Speicherung für einen Zeitraum von 14 Tagen auszugehen. Zwar ist diese in dem maximal durch § 15a Abs. 2 PolG NRW erlaubten Umfang nicht per se anzunehmen. Jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes berücksichtigt der Senat aber, dass ihm aus den Verfahren betreffend die Videoüberwachung in Köln bekannt ist, dass dort eine erhebliche Anzahl an Strafanzeigen erst zeitlich verzögert eingeht, wobei auf die Kenntnis der intern für die Anordnung einer längeren Speicherung zuständigen Dienststelle abzustellen ist.
153ddd. Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG durch die Videoüberwachung der Münsterstraße im Abschnitt zwischen den Hausnummern 50 bis 99 ist angemessen; sie bringt die Gemeinwohlinteressen – namentlich die Verhütung von Straftaten und die Vorsorge für die Strafverfolgung – sowie die Rechtspositionen der Betroffenen zu einem möglichst schonenden Ausgleich.
154Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aller Bürger, die den betroffenen Bereich betreten, erheblich ist. Jede Passantin und jeder Passant wird ohne Verdachtsmoment von den Videokameras erfasst; Menschen, die in der Straße wohnen, dort arbeiten oder aus sonstigen Gründen darauf angewiesen sind, Orte in dem videoüberwachten Bereich aufzusuchen, können der Videoüberwachung nicht entgehen. Andere Personen müssen, wenn sie den videoüberwachten Bereich nicht betreten möchten, jedenfalls einen Umweg in Kauf nehmen.
155Dem stehen aber gewichtige Rechtsgüter der Allgemeinheit sowie einzelner Bürger entgegen. Bei der überwachten Fläche handelt es sich – wie vorstehend dargelegt – um einen Schwerpunkt der sog. Straßenkriminalität. Die einschlägige Deliktsbelastung liegt bei einem Flächenvergleich ganz erheblich über der an anderen Orten in der Stadt Dortmund. Die Vorsorge gegen die Begehung von Straftaten und deren Verhinderung betrifft besonders schützenswerte Rechtsgüter – so insbesondere körperliche Unversehrtheit und Eigentum. Vor diesem Hintergrund ist der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch einer Vielzahl von Personen verhältnismäßig. Dabei kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass die Zahl der Tatverdächtigen im Vergleich zur Gesamtzahl der erfassten Personen relativ gering ist. Der Ausgleich zwischen unterschiedlichen Rechtsgütern und Gefahren für diese entzieht sich einer solchen rein zahlenmäßigen Abwägung.
156Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 – juris, Rn. 178.
157Gleiches gilt für die Erstreckung der Videoüberwachung auf einen Zeitraum von acht Stunden (12 bis 20 Uhr) von Sonntag bis Freitag. Das von dem Antragsgegner für die Evaluation seiner Maßnahme nach etwa einem Jahr genutzte Zahlenmaterial zeigt auf, dass dieser Zeitraum des Tages und die benannten Wochentage jeweils den deutlichen zeitlichen Schwerpunkt der (im Vergleich zum übrigen Stadtgebiet je bereits insgesamt deutlich überdurchschnittlichen) Straßenkriminalitätsbelastung darstellt. Die Frage, ob angesichts der Kriminalitätswerte auch eine zeitlich umfangreichere Videoüberwachung in Betracht kommen würde, bedarf keiner Entscheidung.
158Die Videobeobachtung ist auch nicht deshalb unangemessen, weil der Antragsgegner über die Fläche der Münsterstraße hinaus angrenzende Straßen und Plätze einbezogen hat. Die von dem Antragsgegner vorgelegten Daten zur Deliktshäufigkeit im Erfassungsbereich der Kameras tragen die Feststellung, dass der gesamte Bereich einen Kriminalitätsschwerpunkt bildet. Mithin kommt es auf die Frage, wie weit eine Videoüberwachung – etwa um eine Aufzeichnung des gesamten Platz sinnvoll durchführen zu können – über die eigentlich betroffene Fläche hinausreichen darf, nicht an.
159Bedenken gegen die Angemessenheit der Maßnahme bestehen auch nicht in Bezug auf die in ihrer Eingriffsintensität über die bloße Videobeobachtung hinausgehende Speicherung der Videobilder. Die Reproduzierbarkeit der Videobilder schafft sowohl für die polizeilichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, aber gerade auch für das gerichtliche Strafverfahren eine Möglichkeit, objektive Beweise zu führen. Die sich hieraus ergebende erhöhte Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Strafverfolgung und die damit einhergehende erhöhte Abschreckung für potentielle Täter rechtfertigen die Aufzeichnung. Zwar ist naheliegend, dass diese Abschreckungswirkung jedenfalls bei Affekttaten nicht in gleichem Maße zu erzielen ist; dies stellt die Angemessenheit aber nicht in Frage, weil bei einem ganz erheblichen Teil der Delikte (z. B. Diebstahl und Raub, BtM-Handel, Sachbeschädigung) ein Handeln im Affekt nicht ins Gewicht fällt.
160Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 – juris, Rn. 183.
161Aus dem Vorgesagten ergibt sich zugleich, dass eine generelle Speicherdauer von 14 Tagen voraussichtlich nicht unangemessen ist. Für das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ist davon auszugehen, dass bei einer Löschung zu einem früheren Zeitpunkt in deutlich weniger Fällen auf die Videobilder als Beweismittel zurückgegriffen werden könnte. Mit Blick darauf besteht jedenfalls bei summarischer Prüfung kein Zweifel an der Angemessenheit der generellen Speicherdauer. Dafür, dass der Antragsgegner seiner Verpflichtung zur Löschung nach Ablauf dieser Frist (unter Berücksichtigung der zulässigen Ausnahmen) nicht nachkommt, bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte. Soweit § 15a Abs. 2 PolG NRW eine Speicherung über die Frist von 14 Tagen hinaus zum Zweck der Strafverfolgung oder betreffend Personen gestattet, von denen anzunehmen ist, dass diese künftig Straftaten begehen werden, wird die generelle Speicherfrist hierdurch nicht in Frage gestellt. Dies gilt auch dann, wenn auf den für diese Zwecke länger gesicherten Videoaufnahmen unbeteiligte Dritte zu erkennen sind. Zwar stellt auch diese Speicherung einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, welcher aber durch die definierten Zwecke der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung gerechtfertigt ist.
162Eine Unangemessenheit der Videoüberwachung folgt nicht aus einer nach dem Verwaltungsvorgang (vgl. die Ausschreibungsunterlagen, Bl. 338 des Verwaltungsvorgangs, Beiakte 1b) zunächst möglich erscheinenden Nutzung künstlicher Intelligenz auf der Ebene der einzelnen Kamerasysteme oder des Videoarbeitsplatzes. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Verarbeitung auf der Grundlage des § 15a PolG NRW überhaupt zulässig wäre,
163vgl. hierzu Ogorek, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht NRW, Stand: 1. Juni 2022, § 15a PolG Rn. 24.1; Schenke, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 27 BPolG Rn. 18; Roggan, NVwZ 2019, 344, 346,
164hat der Antragsgegner auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich erklärt, solche Technologie nicht zu nutzen. Der Senat hat keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit dieser Erklärung zu zweifeln.
165Für ein engeres Verständnis der Angemessenheit der Maßnahme besteht auch in Bezug auf die mitaufgezeichneten Kraftfahrzeug-Kennzeichen kein Anlass. Die unverpixelte Wiedergabe von Kennzeichen auf den Monitoren in der Leitstelle sowie deren ebenfalls unverpixelte Aufzeichnung stellen zwar einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, weil der Halter des Fahrzeugs jedenfalls mittels Abfrage aus dem Fahrzeugregister ermittelbar ist.
166Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 6 C 7/13 –, juris, Rn. 23 ff.
167Er wiegt angesichts der Pflicht aus § 10 Abs. 5 FZV, § 23 Abs. 1 Satz 3 StVO, ein Kraftfahrzeug mit einem generell gut wahrnehmbaren Kennzeichen zu versehen, aber nicht schwerer als die Aufzeichnung von Personen und ist dementsprechend ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar ermöglicht eine Registerabfrage eine individuelle Zuordnung zu dem Fahrzeughalter. Dies setzt ohne automatisierte Erfassung einen zusätzlichen Zwischenschritt eines Bearbeiters voraus und kann nur auf der Grundlage des § 35 StVG (hier insbesondere nach Abs. 1 Nr. 4 zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) erfolgen. Zudem ist die Übertragung und Speicherung von Bildern, die auch Kraftfahrzeug-Kennzeichen enthalten, auch nicht als (automatisierte) Kennzeichenerfassung zu verstehen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn Kennzeichen durch weitergehende technische Maßnahmen als solche erkannt und ihr Inhalt, also die Buchstaben- und Ziffernfolge, ausgelesen würde, um in der Folge etwa durch den Abgleich mit Datenbanken weiter ausgewertet zu werden.
168Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 190 f.; zum Begriff der Kennzeichenerfassung vgl.: BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 u. a. –, juris, Rn. 2, 62; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 6 C 7/13 –, juris, Rn. 3.
169Dass eine solche automatisierte Erfassung einschließlich Abgleich mit einer Datenbank erfolgen würde, ist hier aber gerade nicht erkennbar.
170Im Übrigen nimmt der Senat hinsichtlich der Videoüberwachung nicht öffentlich zugänglicher Orte, selbst wenn sie als solche gar nicht primär beabsichtigt ist („Beifang“) auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 16. Mai 2022 betreffend den Ebertplatz in Köln,
171– 5 B 1289/21 –, juris, Rn. 219 ff.,
172Bezug. Unabhängig von der Frage, ob vorliegend mit den eingesetzten Kameras und unter Berücksichtigung der technisch unkenntlich gemachten Bereiche der Aufnahmen (vgl. hierzu die Bilder im Verwaltungsvorgang, Beiakte 1b, Bl. 176 ff.) eine solche Überwachung nicht öffentlicher Orte vorliegt, hat der Antragsteller eine Betroffenheit in eigenen Rechten nicht dargelegt.
173eee. Eine fehlerhafte Ausübung (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) des dem Antragsgegner zukommenden Ermessens ist auch im Weiteren nicht zu erkennen.
174Dies gilt auch, soweit der Antragsteller der Ansicht ist, die Motivation des Antragsgegners habe sich nicht in den Kriminalitätszahlen begründet, sondern in der auf diesem Wege möglichen Überwachung des Kulturzentrums Nordpol am nördlichen Ende der Münsterstraße als Treff der linken Szene. Die von dem Antragsteller in Bezug genommene Passage in dem Entwurf der „Konzeption zur Errichtung einer Videobeobachtung gemäß § 15a PolG NRW an der ‚Münsterstraße‘ 50-99“ (Beiakte 1a, Bl. 76 ff., dort Punkt 1.1.1 Tatörtlichkeit) bezieht sich maßgeblich darauf, dass polizeiliche Kontrollen von Personen, die des Handels mit Betäubungsmitteln verdächtigt werden, wiederholt von Besuchern des Kulturzentrums Nordpol gestört worden seien. Zudem wird angenommen, dass das Lokal bei größeren Versammlungslagen als Anlaufpunkt überörtlicher linksgerichteter Gewalttäter genutzt werde. Die entsprechende Passage ist aber in der finalen Konzeptversion vom 24. Februar 2022 (Beiakte 1b, Bl. 259 ff.) nicht mehr enthalten. Nur diese, nicht aber ihr Entwurf ist in der aktuell geltenden Anordnung des Polizeipräsidenten vom 24. Mai 2022 in Bezug genommen worden. Schon daher ist nicht erkennbar, dass die früher niedergelegte Beschreibung der Örtlichkeit Einfluss auf die aktuelle Ermessensausübung des Behördenleiters hatte, zumal das Kulturzentrum Nordpol, wie vom Antragssteller selbst vorgetragen, seit Ende April 2022 nicht mehr an der Münsterstraße betrieben wird. Im Übrigen stellt – ohne dass es nach dem Vorstehenden noch darauf ankommt – die im Entwurf niedergelegte polizeiliche Einschätzung der Störung polizeilicher Kontrollen auf für den Drogenhandel besonders förderliche Umstände ab, was vor dem Hintergrund der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15a Abs.1 Satz 1 PolG NRW keine sachfremde Erwägung darstellt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die von dem Antragsgegner vorgelegte Auswertung der Straßenkriminalität gerade im Nahbereich des Kulturzentrums Nordpol eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen das BtMG ergeben hat. Dass die Aussage zu „überörtlichen linksgerichteten Gewalttätern“ angesichts der nunmehrigen Unkenntlichmachung der Fassade und des Eingangs des (früheren) Kulturzentrums Nordpol irgendeinen Einfluss auf die Entscheidung über den Betrieb der Videoüberwachung gehabt haben sollte, drängt sich dem Senat nicht auf.
1752. Ein Unterlassungsanspruch des Antragstellers ergibt sich nicht aus einer zu erwartenden Verletzung der Versammlungsfreiheit des Antragstellers aus Art. 8 Abs. 1 GG. Der Antragsteller hat vorgetragen, er nehme – auch nach dem Wegzug des Kulturzentrums Nordpol – an öffentlichen „Veranstaltungen“ des Bezent e. V. (Münsterstraße 56) und (sporadisch) des Train of Hope e. V. (Münsterstraße 54) teil. Dass es sich hierbei um Versammlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG handelt, ergibt sich weder aus dem Beschwerdevortrag noch aus den von dem Kläger benannten Internetseiten der Vereine.
176B. Soweit die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich des vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 17. März 2021 gestellten Hilfsantrags,
177den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Februar 2021 aufzuheben und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Klageverfahren 17 K 2626/20 zu untersagen, die Münsterstraße in Dortmund entsprechend der Entscheidung des Polizeipräsidenten des Polizeipräsidiums Dortmund vom 21. Januar 2020 durch den Einsatz optisch-technischer Mittel zu überwachen, soweit diese das Kulturzentrum „Nordpol“, Münsterstraße 99, erfasst,
178im Hinblick auf den Umzug des Kulturzentrums Nordpol übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren aus Gründen der Klarstellung in entsprechender Anwendung der §§ 87a Abs. 1 und 3, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und nach Maßgabe des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Verfahrenskosten zu entscheiden.
179Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht im Falle der Erledigung über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands. Es entspricht dabei regelmäßig billigem Ermessen, demjenigen die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich unterlegen wäre. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei die Sach- und Rechtslage unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses. Allerdings bedarf es wegen des Vereinfachungszwecks des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Rahmen der nur noch zu treffenden Kostenentscheidung keiner Klärung schwieriger Rechtsfragen.
180Nach dieser Maßgabe entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens hinsichtlich des Hilfsantrags beiden Beteiligten jeweils zur Hälfte aufzuerlegen. Ob der Antragsteller unmittelbar vor dem erledigenden Ereignis – der Aufgabe des Kulturzentrums Nordpol an der Münsterstraße 99 – einen Anspruch aus Art. 8 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Videoüberwachung dieser Liegenschaft hatte, stellt eine schwierige Rechtsfrage dar, deren Klärung nach Erledigung des Verfahrens nicht mehr zu erfolgen hat. Wie bereits das Verwaltungsgericht geht auch der Senat davon aus, dass die in dem Kulturzentrum durchgeführten Veranstaltungen zumindest teilweise Versammlungen in geschlossenen Räumen dargestellt haben, die dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG unterfielen und die im Gegensatz zu Versammlungen unter freiem Himmel nicht anmeldepflichtig waren, so dass der Antragsgegner nicht in der Lage gewesen wäre, die Videoüberwachung abzuschalten.
181Soweit der Antragsteller geltend gemacht hat, er habe sich selbst als Teilnehmer von Versammlungen durch die Videoüberwachung überwacht gesehen, dürfte sich hieraus kein Unterlassungsanspruch (mehr) ergeben haben. Der Antragsgegner hatte zuvor im Verfahren erklärt, durch technisch nicht reversible Maßnahmen sicherzustellen, dass der gesamte, im Erdgeschoss liegende Bereich des Kulturzentrums Nordpol einschließlich des Eingangs und der Fensterflächen durch eine schwarze Fläche unkenntlich ist. Dies hat er durch Vorlage von durch die Kameras aufgenommenen Bildern belegt. Dem Antragsteller selbst musste die Tatsache der Schwärzung damit jedenfalls aus diesem Verfahren bekannt sein.
182Vgl. zur Maßgeblichkeit des eigenen Wissens des Antragstellers vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 160 f., m. w. N.
183Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, durch Beobachtung der Bilder könne festgestellt werden, welche Personen den geschwärzten Bereich betreten, aber nicht wieder zeitnah verlassen hätten und daher das Kulturzentrum aufgesucht haben müssten, erscheint dies schon angesichts der Vielzahl der an einem Arbeitsplatz auflaufenden Videobilder als eine rein theoretische Möglichkeit. Allein die von dem Antragsteller angeführte Möglichkeit eines solchen Vorgehens ohne weitere Anhaltspunkte rechtfertigt eine derartige Annahme nicht.
184Ob die Videoüberwachung bei fehlender Erkennbarkeit der Unkenntlichmachung der Gebäudefassade einschließlich Fenster und Eingangstüre für Dritte einen unzulässigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG des Antragstellers dargestellt hat, erweist sich hingegen als schwierige Rechtsfrage.
185Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit kann auch durch faktische Maßnahmen beeinträchtigt werden, wenn diese in ihrer Intensität imperativen Maßnahmen gleichstehen und eine abschreckende oder einschüchternde Wirkung entfalten bzw. geeignet sind, die freie Willensbildung und die Entschließungsfreiheit derjenigen Personen zu beeinflussen, die an Versammlungen teilnehmen (wollen). Ob dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabs festgestellt werden. Dabei ist etwa die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen von einer Versammlung mit Foto- und/oder Videotechnik ebenso wie bloße Bildübertragungen nach dem heutigen Stand der Technik für die Aufgezeichneten immer ein Grundrechtseingriff, weil die Einzelpersonen in der Regel individualisierbar sind.
186Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 200; vom 2. Juli 2020 – 15 B 950/20 –, juris, Rn. 6 ff., m. w. N.
187In der Folge ist das beschließende Gericht davon ausgegangen, dass im Fall der Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen die Videokameras bei Versammlungen entweder zu verhüllen oder sonst erkennbar außer Betrieb zu nehmen sind (etwa durch ein Verschlussrollo oder Wegdrehen des Objektivs), worauf hinzuweisen ist.
188Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 203, vom 2. Juli 2020 – 15 B 950/20 –, juris, Rn. 18 ff., und vom 13. März 2020 – 15 B 332/20 –, juris, Rn. 2 f., 12 ff.
189Durch polizeiliche Maßnahmen kann dabei auch der Veranstalter einer Versammlung durch Maßnahmen, die (potentielle) Teilnehmer von der Wahrnehmung ihres Versammlungsgrundrechts abhalten, in seinem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG beeinträchtigt sein.
190Vgl. hierzu: Sächs. OVG, Urteil vom 17. August 2016 – 3 A 64/14 –, juris, Rn. 35; zur Grundrechtsrelevanz des Verzichts auf die Ausübung des Grundrechts aus Art. 8 GG wegen behördlicher Informationserhebung vgl. auch BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 – juris, Rn. 148.
191In bestimmten Konstellationen kann eine solche Beeinträchtigung auch für andere Versammlungsteilnehmer gelten, soweit sich dies für sie selbst in der Wahrnehmung ihres Versammlungsgrundrechts mehr als nur unerheblich und nicht als bloßer Reflex auswirkt.
192Vgl. dazu OVG Nds., Urteil vom 2. Dezember 2021 – 11 LC 84/20 –, juris, Rn. 33 ff.
193Der Antragsteller hat insoweit vorgetragen, dass er sowohl als Teilnehmer als auch als Mitorganisator bei Versammlungen in dem Kulturzentrum Nordpol zugegen gewesen ist.
194Ob und inwieweit die vorgenannten Maßstäbe auf die (für Dritte, die keine Kenntnis von der Schwärzung haben, zu unterstellende) Beobachtung einer Hausfassade einschließlich der Eingangstür und Fenster eines Versammlungsortes zu übertragen sind – insbesondere wenn die Polizei in der Vorbereitung der Videoüberwachung die politische Einstellung der Besucher erkennbar thematisiert hat – und was hieraus für die zu Zwecken der präventiven, zur Verhinderung von Straßenkriminalität eingerichteten Videoüberwachung folgt, ist bisher ungeklärt und bedürfte der umfassenden (verfassungs-)rechtlichen Würdigung.
195C. Die Kostenentscheidung im Übrigen folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
196D. Der Streitwert ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei der Senat für den (erledigten) Hilfsantrag 1/3 des Gesamtstreitwertes ansetzt.
197Anders als das Verwaltungsgericht hält der Senat wegen der Vorläufigkeit der betroffenen Regelung die Halbierung des Auffangstreitwerts für angemessen.
198Vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen, abzurufen unter https://www. bverwg.de/user/data/media/streitwertkatalog.pdf.
199Allein die Tatsache, dass für den Zeitraum der vorläufigen Regelung, also bis zu Entscheidung in der Hauptsache, eine Sachlage geschaffen wird, die später wegen Zeitablaufs für diesen Zeitraum faktisch nicht mehr rückgängig zu machen ist, führt nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache im Rechtssinne.
200So – ohne zusätzliche Begründung – auch: OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 221 f.
201Entsprechend war der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts von Amts wegen zu ändern, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
202Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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