Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 19 A 295/21
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 00. Mai 1991 geborene Klägerin bestand 2016 erstmalig nicht die Erste Staatsprüfung gemäß der für sie nach § 20 Abs. 4 LABG NRW noch anwendbaren Ordnung der Ersten Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen (Lehramtsprüfungsordnung – LPO 2003) vom 27. März 2003 (GV. NRW. S. 182), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juni 2006 (GV. NRW. S. 278), für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen, nachdem ihre mündliche Prüfung der Fachwissenschaft im Fach Englisch (Modul: AM 1) mit „mangelhaft“ (5,0) bewertet wurde. Im September 2017 unternahm sie eine erste Wiederholung der mündlichen Prüfung der Fachwissenschaft im Fach Englisch. Die Prüfung bestand sie wiederum nicht, die Note wurde mit nach erfolglosem Abschluss des Widerspruchsverfahrens bestandskräftigem Bescheid vom 4. Oktober 2017 mit „mangelhaft“ (5,0) bewertet.
3Ende 2017 wurde sie zur zweiten Wiederholung der mündlichen Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch zugelassen und hierüber seitens der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts für Lehrämter an Schulen (im Folgenden: Landesprüfungsamt) entsprechend benachrichtigt. Im April 2018 meldete sich die Klägerin zur zweiten Wiederholungsprüfung der mündlichen Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch an. Die mündliche Prüfung fand am 31. August 2018 statt. Prüferinnen waren Frau Prof. Dr. N. und Frau Dr. M. . An der mündlichen Prüfung nahm auch der kommissarische Leiter der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts, Herr Dr. L. , teil. Der Leiter der Außenstelle wohnte sowohl dem Prüfungs-, also auch dem anschließenden Notenberatungsgespräch der beiden Prüferinnen bei. In einem Vermerk vom gleichen Tag hielt er fest, die Durchführung der Prüfung sei aus seiner Sicht nicht zu beanstanden. Im Beurteilungsgespräch sei durch beide Prüferinnen eine detaillierte, sorgfältige und abwägende Gewichtung von fachlichen und sprachlichen Aspekten erfolgt; beide Prüferinnen seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Prüfung den Anforderungen nicht genüge und mit der Note „mangelhaft“ zu bewerten sei. Herr Dr. L. hatte sich zu Beginn der Prüfung kurz vorgestellt und machte sich im Verlauf der Prüfung einige Notizen. Fragen oder Kommentare gab es von seiner Seite nicht. Nach dem Prüfungsgespräch verblieb er mit den Prüferinnen im Prüfungsraum. Bei der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses verblieb er ebenfalls im Raum.
4Der kommissarische Leiter Herr Dr. L. war seitens der Bezirksregierung Detmold mit Verfügung vom 17. November 2017 in der Zeit von Januar bis September 2018 vom Oberstufenkolleg C. an das Landesprüfungsamt ‑ Außenstelle Q. ‑ abgeordnet worden. Dem ging eine zu seinen Gunsten durch eine ‑ u. a. mit Vertretern des für Schule zuständigen Ministeriums besetzte ‑ Auswahlkommission getroffene Auswahlentscheidung vom 11. September 2017 für die Stelle des Referenten im Arbeitsbereich 1 des Landesprüfungsamts für Lehrämter an Schulen ‑ Leitung der Außenstelle Q. ‑ voraus. Hierhin wurde er sodann mit Wirkung vom 29. Oktober 2018 versetzt. In der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts nahm er seit Januar 2018 die Außenstellenleitung und alle damit zusammenhängenden Amtsgeschäfte wahr. Durch Ernennungsurkunde des Ministeriums für Schule und Bildung vom 2. Oktober 2018 wurde Herr Dr. L. am 30. Oktober 2018 zum Regierungsschuldirektor ‑ als Referent am Landesprüfungsamt für Lehrämter an Schulen ‑ ernannt.
5Mit Bescheid vom 10. September 2018 setzte das Landesprüfungsamt für die Prüfungsleistung der mündlichen Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch abermals die Note „mangelhaft“ (5,0) fest. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen endgültig nicht bestanden habe.
6Auf den Widerspruch der Klägerin gegen die Benotung der mündlichen Prüfung im Fach Englisch legte das Landesprüfungsamt die Verlängerungsbescheide der Berufungen zu Mitgliedern des Landesprüfungsamts für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen bezogen auf die beiden Prüfer Frau Dr. N. und Frau Dr. M. (jeweils Prüfungsfach Englisch) vor und verwies im Übrigen darauf, dass Herr Dr. L. als Leiter der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts auf der Grundlage von § 31 Abs. 2 und 4 Satz 1 LPO 2003 zur Teilnahme an der Staatsprüfung sowie zur Anwesenheit bei der Beratung über die Festsetzung der Note berechtigt gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2019 wies das Landesprüfungsamt den Widerspruch der Klägerin zurück. Gemäß § 22 Satz 2 der Geschäftsordnung für das Landesprüfungsamt für Lehrämter an Schulen (Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 21. Februar 2014, ABl. NRW. S. 124, im Folgenden: GO LPA) nähmen die mit der fachlichen Koordinierung betrauten Referentinnen und Referenten die Aufgaben einer Geschäftsstellenleitung gemäß § 30 Abs. 5 LPO 2003 wahr. Der in der Prüfung anwesende Herr Dr. L. nehme als Referent die Geschäftsstellenleitung der Geschäftsstelle Q. wahr.
7Die Klägerin hat am 11. März 2019 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, Herr Dr. L. habe als „unbefugter Dritter“ an ihrer Prüfung teilgenommen. Er habe nicht an der Beratung über die Festsetzung der Note am 31. August 2018 anwesend sein dürfen. Dieser Verfahrensfehler müsse zu einer Wiederholung der konkreten Prüfung führen. Herr Dr. L. sei auch nicht von § 30 Abs. 5 LPO 2003 erfasst und damit kein Leitungsmitglied des Prüfungsamts; eine etwaige Stellung als bloßer Geschäftsstellenleiter erfülle die Voraussetzungen der Vorschrift nicht, so dass auch hieraus keine Befugnis zur Anwesenheit in der fraglichen Prüfung folgen könne.
8Die Klägerin hat beantragt,
9den Beklagten unter Aufhebung des Prüfungsbescheids vom 10. September 2018 und des Widerspruchsbescheids vom 12. Februar 2019 zu verpflichten, der Klägerin eine (nochmalige) Wiederholung der mündlichen Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch zu ermöglichen.
10Der Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung hat das Landesprüfungsamt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Herr Dr. L. sei selbstverständlich ab dem 1. Januar 2018 als Referent des Landesprüfungsamts für den Dienstort Q. einberufen worden. Die Übergangsregelung in § 22 Satz 2 GO LPA beziehe sich zudem genau auf diesen Umstand, dass durch die 2014 erfolgte Umstrukturierung der Landesprüfungsämter keine Geschäftsführer, sondern Referenten als Geschäftsstellenleiter ausgewiesen würden. Die in § 31 Abs. 2 LPO 2003 vorgesehene Möglichkeit der Teilnahme von Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts bei der Beratung entspreche dem dienstlichen Interesse des Landesprüfungsamts u. a. an der Qualitätssicherung und der Sicherung und Weiterentwicklung standortspezifischer und standortübergreifender prüfungsbezogener Qualitätsstandards. Ein solches dienstliches Interesse gebe es auch unter Geltung der Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung – OVP) vom 10. April 2011, nach dessen § 31 Abs. 4 Satz 2 Vertreterinnen oder Vertreter des Prüfungsamtes bei den Beratungen des Prüfungsausschusses zugegen sein dürften.
13Mit Urteil vom 2. Dezember 2020 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesprüfungsamts vom 10. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Februar 2019 verpflichtet, der Klägerin eine mündliche Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch als zweite Wiederholung zu ermöglichen. Die mündliche Prüfung der Klägerin am 31. August 2018 sei verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden, weil mit Herrn Dr. L. ein hierzu nicht Berechtigter an der Notenberatung der beiden Prüferinnen über die mündliche Prüfung teilgenommen habe. § 31 Abs. 2 LPO 2003 gestatte die Anwesenheit auch von Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts im Sinn des § 30 Abs. 5 LPO 2003 bei den Beratungen über die Festsetzung der Note für die mündlichen Prüfungsleistungen. Zu diesem Personenkreis gehöre der Betreffende als mit der fachlichen Koordinierung der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts betrauter Referent. Die eine Anwesenheit entsprechender Vertreter des Landesprüfungsamts gestattende Regelung des § 31 Abs. 2 LPO 2003 sei jedoch mit höherrangigem Recht unvereinbar. Durch die Anwesenheit eines Leitungsmitglieds des Prüfungsamts bei der Beratung werde das aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Gebot der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Prüferinnen und Prüfer bei der Leistungsbewertung beeinträchtigt, ohne dass dies durch einen legitimen Zweck gerechtfertigt sei. Das Bewertungsverfahren müsse objektivitäts- und neutralitätssichernd ausgestaltet sein, so dass die Prüfer ihre Bewertung der Prüfungsleistung eigenständig und unabhängig vornehmen könnten. Diesen Anforderungen genüge eine Verfahrensgestaltung nicht, die Personen des Prüfungsamts die Teilnahme an der Notenberatung ermögliche. Jedenfalls bei mündlichen Prüfungen und den Beratungen des Gremiums hierüber bringe allein die Anwesenheit Dritter die Gefahr mit sich, dass diese ‑ wenn auch möglicherweise nur averbal ‑ auf das Gespräch Einfluss nehmen und eine solche Anwesenheit jedenfalls geeignet sei, die Unbefangenheit der stimmberechtigten Mitglieder des Gremiums zu beeinträchtigen. Ein legitimer Zweck werde mit § 31 Abs. 2 LPO 2003 demgegenüber nicht verfolgt. Gründe der Qualitätssicherung stritten nicht für eine Anwesenheit gerade beim Beratungsprozess. Wegen der weiteren Begründung des Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen.
14Am 15. Januar 2021 hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht gegen das ‑ dem Landesprüfungsamt am 4. Januar 2021 zugestellte ‑ Urteil zugelassene Berufung eingelegt. Das Landesprüfungsamt verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter.
15Der Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
16das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
17Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie hält die Berufung mangels eines ausdrücklichen Berufungsantrags bereits für unzulässig. Zur Begründung in der Sache verweist sie auf das angefochtene Urteil und führt ergänzend und vertiefend aus: Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts stehe die Teilnahme von Herrn Dr. L. bereits nicht in Einklang mit § 31 Abs. 2 LPO 2003. Er gehöre nicht zum nach dieser Vorschrift berechtigten Personenkreis. Ein Geschäftsstellenleiter sei nicht identisch mit einer Geschäftsführerstellung, Leitungsmitglied des Prüfungsamts gemäß § 30 Abs. 5 LPO 2003 sei er gerade nicht. Außerdem fehle es insoweit an der nach § 22 Satz 3 GO LPA erforderlichen Einberufung durch das Schulministerium. Soweit das Verwaltungsgericht zutreffend auf die Unvereinbarkeit von § 31 Abs. 2 LPO 2003 mit höherrangigem Recht erkannt habe, sei dem zuzustimmen. Gerade der auch dem Prüfling entzogene, besonders sensible Bereich der Notenberatung müsse allein den Prüferinnen und Prüfern vorbehalten bleiben, die völlig frei von äußeren Einflüssen ihr „Urteil“ fällen können müssten. Für sie mache es einen Unterschied, ob ein „Aufpasser“ mit im Raum sitze oder ob sie ohne jedweden äußeren Einfluss ihre Gedanken austauschen könnten.
20Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung erklärt.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Landesprüfungsamts Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Der Senat entscheidet durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3, § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 VwGO).
24Die Berufung des Beklagten ist zulässig (I.) und begründet (II.).
25I. Die Berufung ist trotz des Fehlens eines ausdrücklichen Berufungsantrags zulässig.
26Nach § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO ist im Fall der Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht diese innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Berufungsbegründung muss nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Hier hat der Beklagte als Berufungskläger innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils des Verwaltungsgerichts keinen ausdrücklichen Berufungsantrag gestellt. Daraus ergibt sich indes nicht die Unzulässigkeit der Berufung. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO verlangt nicht, dass ein ausdrücklicher Antrag gestellt wird. Dem Antragserfordernis wird regelmäßig entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der Berufungsführer an der Durchführung des zugelassenen Berufungsverfahrens festhalten will. Bei der Beurteilung ist im Grundsatz davon auszugehen, dass eine Berufung im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung gerichtet ist, der Berufungsführer diese also insoweit angreift, als er durch sie beschwert ist. Es genügt, wenn das Ziel des Rechtsmittels aus der Tatsache seiner Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Rechtsmittelfrist abgegebenen Erklärungen erkennbar ist. Welche Mindestanforderungen in Anwendung der vorstehenden Grundsätze jeweils an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt schließlich wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab.
27BVerwG, Beschluss vom 21. September 2011 ‑ 3 B 56.11 ‑, juris, Rn. 6, 14; Urteil vom 9. März 2005 ‑ 6 C 8.04 ‑, NVwZ 2005, 821, juris, Rn. 16; BGH, Beschluss vom 20. Juni 2022 ‑ VIa ZB 3/22 ‑, juris, Rn. 9; OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2021 ‑ 6 A 4105/18 ‑, NWVBl. 2021, 377, juris, Rn. 35; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28. März 2022 ‑ 1 S 1265/21 ‑, juris, Rn. 30, jeweils m. w. N.
28Bei der danach gebotenen Berücksichtigung der Ausführungen in dem Schriftsatz vom 13. Januar 2021, mit dem das Landesprüfungsamt die Berufung eingelegt und zugleich begründet hat, ergibt eine sachdienliche Auslegung (vgl. § 125 Abs. 1, § 88 VwGO),
29vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2000 ‑ 9 B 31.00 ‑, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 29, juris, Rn. 5; Urteil vom 7. Februar 1997 ‑ 9 C 11.96 ‑, DVBl 1997, 907, juris, Rn. 8,
30dass das Landesprüfungsamt implizit auch einen Sachantrag gestellt hat. Denn es hat durch seine Berufungsbegründung inhaltlich unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass es mit seiner Berufung sein erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Klageabweisungsbegehren weiterverfolgen wollte. Es hat sich eingehend mit den inhaltlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur von diesem angenommenen Unwirksamkeit von § 31 Abs. 2 LPO 2003 auseinandergesetzt und deren Rechtsfehlerhaftigkeit gerügt.
31II. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die zulässige Verpflichtungsklage der Klägerin ist unbegründet.
32Der Prüfungsbescheid vom 10. September 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2019 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch gegenüber dem Landesprüfungsamt, ihr eine mündliche Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch als zweite Wiederholung zu ermöglichen. Die Festsetzung der Note „mangelhaft“ (5,0) für die Prüfungsleistung der mündlichen Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch (Modul: AM 1) und die Feststellung, dass die Klägerin die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen endgültig nicht bestanden habe, sind frei von Rechtsfehlern. Insbesondere liegen keine Verfahrensfehler vor. Weder ist § 31 Abs. 2 LPO 2003 wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam (dazu 1.), noch liegen Anhaltspunkte für eine unzulässige Beeinflussung der Prüferinnen vor (dazu 2.), noch bestehen Zweifel an der Eigenschaft von Herrn Dr. L. als gemäß § 31 Abs. 2 LPO 2003 zur Anwesenheit bei der Notenberatung vom 31. August 2018 berechtigtem Leitungsmitglied des Prüfungsamts (dazu 3.).
331. § 31 Abs. 2 LPO 2003 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Das in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung der Prüfer wird nicht durch eine Verfahrensgestaltung verletzt, die Personen des Prüfungsamts die Anwesenheit bei der Notenberatung gestattet.
34a) Das Grundrecht der Berufsfreiheit beansprucht Geltung auch für die Durchführung berufsbezogener Abschlussprüfungen und der insoweit gewährleistete Grundrechtsschutz ist auch durch die Gestaltung des Verfahrens zu bewirken. Wegen der Intensität, mit der solche Prüfungen in die Freiheit der Berufswahl eingreifen, und weil der nachträglichen gerichtlichen Kontrolle ‑ vor allem wegen der unabdingbaren Entscheidungsfreiräume der Prüfer in Bezug auf prüfungsspezifische Wertungen ‑ Grenzen gesetzt sind, bedarf es einer objektivitäts- und neutralitätssichernden Gestaltung des Bewertungsverfahrens, um den Maßstäben des Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 GG zu genügen. Dies bedeutet, dass u. a. die Gestaltung des Ablaufs derartiger Berufszulassungsprüfungen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinn sein muss, um den Prüfungszweck, nämlich die Feststellung der beruflichen Qualifikation der Bewerber, zu erreichen. Demnach ist ein Verfahren, das für die Bewertung von Prüfungsleistungen vorgesehen ist, nur dann geeignet, wenn es eine hinreichend aussagekräftige Entscheidung über die Befähigung der Bewerber gewährleistet.
35BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Januar 1995 ‑ 1 BvR 1505/94 ‑, NVwZ 1995, 469, juris, Rn. 15; BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 - 2 B 108.15 ‑, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 427, juris, Rn. 12, vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39.12 ‑, NVwZ-RR 2013, 44, juris, Rn. 5, jeweils m. w. N., und Urteil vom 16. März 1994 - 6 C 1.93 ‑, BVerwGE 95, 237, juris, Rn. 25, 27; OVG NRW, Beschluss vom 9. November 2020 ‑ 19 A 3522/19 ‑, NWVBl. 2021, 117, juris, Rn. 10 und 12 ff. (dort zur Auswahl und Bestellung von Prüfern); ferner im Grundsatz schon BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 ‑, BVerfGE 84, 34, juris, Rn. 39.
36Verfassungsrechtlich geboten ist danach sowohl eine sachkundige Leistungsbewertung als auch eine eigene, unmittelbare und vollständige Kenntnisnahme der Prüfungsleistung.
37Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Januar 1995, a. a. O., Rn. 17; BVerwG, Urteile vom 24. Februar 2003 - 6 C 22.02 ‑, DÖV 2003, 726, juris, Rn. 12, und vom 16. März 1994, a. a. O., Rn. 27; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. November 2020, a. a. O., Rn. 12, 14 und 18, und vom 30. September 2011 - 19 A 1881/10 ‑, juris, Rn. 23.
38Diese Gebote der sachkundigen Leistungsbewertung sowie der eigenen, unmittelbaren und vollständigen Kenntnisnahme der Prüfungsleistung werden ergänzt durch das Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung seitens der Prüfer.
39Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012, a. a. O., Rn. 7 f.
40b) Diesen in der verfassungsgerichtlichen, höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung hinlänglich geklärten Grundsätzen genügt § 31 Abs. 2 LPO 2003. Die in dieser Vorschrift ‑ wie entsprechend auch aktuell in § 31 Abs. 4 Satz 2 OVP allgemein für Vertreterinnen oder Vertreter des Prüfungsamts ‑ zugelassene Anwesenheit von Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts bei den Beratungen der Prüferinnen und Prüfer ist vereinbar mit dem Grundsatz der Chancengleichheit und stellt ohne Hinzutreten weiterer Umstände keinen zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung führenden Verfahrensfehler dar.
41Nach § 31 Abs. 2 LPO 2003 durften bei den Beratungen über die Festsetzung der Note für die mündlichen Prüfungsleistungen nur die Prüferinnen und Prüfer und Leitungsmitglieder des Prüfungsamts (§ 30 Abs. 5 LPO 2003) anwesend sein (1. Halbsatz); sie waren verpflichtet, über die Vorgänge bei der Beratung Verschwiegenheit zu wahren (2. Halbsatz). Die damit zugelassene Anwesenheit von Vertretern des Prüfungsamts nicht nur bei der mündlichen Prüfung selbst, sondern auch bei den Prüfungs- und Notenberatungen, berührt grundsätzlich den Grundsatz der Chancengleichheit.
42Zur Anwesenheit weiterer Personen während der Prüfung selbst, d. h. der Phase der Leistungsermittlung, traf § 31 Abs. 4 LPO 2003 nur die Regelung, dass Vertreterinnen und Vertreter sowie Beauftragte des Prüfungsamts, der Schulaufsicht und der Kirchen (bei den jeweiligen Religionslehren) an Ersten Staatsprüfungen teilnehmen konnten (Satz 1); Personen, die ein berechtigtes Interesse hatten, konnten an Ersten Staatsprüfungen teilnehmen, sofern nicht der Prüfling widersprach (Satz 2). Weder nach § 31 Abs. 4 LPO 2003 noch unter Geltung des aktuellen § 31 Abs. 3 OVP ist damit die Anwesenheit Dritter bei der mündlichen Prüfung selbst ausgeschlossen. Die Entscheidung hierüber trifft das Prüfungsamt nach pflichtgemäßem Ermessen oder ‑ unter Geltung von § 31 Abs. 3 Satz 1 OVP ‑ das Prüfungsamt oder das vorsitzende Mitglied des Prüfungsausschusses. Dies entspricht allgemeinen Grundsätzen, wonach es im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Entscheidungsgremiums steht, inwiefern weiteren Personen die Anwesenheit während der Prüfung gestattet wird, sofern die jeweilige Prüfungsordnung die Anwesenheit weiterer Personen während der Prüfung nicht ausdrücklich ausschließt.
43Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. März 2021 ‑ 14 A 272/21 ‑, juris, Rn. 7, und vom 19. Dezember 2016 ‑ 6 A 1699/15 ‑, juris, Rn. 8; Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 452.
44Für die an die Phase der Leistungsermittlung anschließende Beratung über das Ergebnis der Prüfung treffen § 31 Abs. 2 LPO 2003 wie auch § 31 Abs. 4 Satz 2 OVP eine ausdrückliche Bestimmung, die den Kreis der anwesenheitsberechtigten weiteren Personen einschränkt. Neben den Prüferinnen und Prüfern dürfen danach bei den Beratungen über die Festsetzung der Note für die mündlichen Prüfungsleistungen nur die Leitungsmitglieder des Prüfungsamts (bzw. Vertreterinnen oder Vertreter des Prüfungsamts nach § 31 Abs. 4 Satz 2 OVP) zugegen sein. Diese ausdrückliche verordnungsrechtliche Befugnis unterscheidet die hier einschlägige Prüfungsordnung von anderen Prüfungsordnungen, die neben der allgemeinen Zulässigkeit der Anwesenheit weiterer Personen bei Prüfungen gerade keine ausdrückliche Bestimmung für die Anwesenheit bei Beratung und Feststellung des Prüfungsergebnisses kennen.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2016, a. a. O., Rn. 8.
46Fehlt es an einer prüfungsordnungsrechtlichen Grundlage für die Anwesenheit weiterer Personen bei der Beratung über die mündliche Prüfungsleistung, ist eine solche nach allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen unzulässig und die Annahme gerechtfertigt, dass diese Anwesenheit ein erheblicher Verfahrensfehler ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass hierdurch das Prüfungsergebnis beeinflusst worden ist.
47Vgl. BFH, Urteil vom 18. September 2012 ‑ VII R 41/11 ‑, BFHE 239, 280, juris, Rn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2016, a. a. O., Rn. 8; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10. April 2019 ‑ 9 S 1724/18 -, juris, Rn. 11; Fischer/Jeremias/Dieterich, a. a. O., Rn. 373, 452.
48Denn es widerspricht im Grundsatz dem rechtsstaatlichen Gebot der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung seitens der Prüfer, außenstehende Dritte in einer Weise am Prüfungsverfahren zu beteiligen, dass ihnen ein bestimmender Einfluss auf das Prüfungsergebnis eingeräumt wird.
49Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27. September 2012 ‑ 9 S 2143/11 ‑, VBlBW 2013, 111, juris, Rn. 29, und vom 16. Januar 1990 ‑ 9 S 3071/88 ‑, GewArch 1990, 134, juris, Rn. 36.
50Diesen Maßstäben genügte § 31 Abs. 2 LPO 2003.
51Die ausdrücklich durch § 31 Abs. 2 LPO 2003 ‑ wie auch durch § 31 Abs. 4 Satz 2 OVP ‑ gestattete Anwesenheit der genannten Dritten bei Prüfungsberatungen ist durch Sachgründe gerechtfertigt. Nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 LPO 2003 umfasste der Auftrag des Prüfungsamts die Vorbereitung, Durchführung und Qualitätssicherung der Ersten Staatsprüfungen im Zusammenwirken mit den Hochschulen. Nach der näheren Ausgestaltung durch die GO LPA ist das Landesprüfungsamt u. a. zuständig für die Qualitätssicherung und -entwicklung innerhalb und außerhalb von Staatsprüfungen (§ 1 Abs. 1 3. Spiegelstrich GO LPA). Diesem zunächst rein institutionellen Interesse diente § 31 Abs. 2 LPO 2003, indem es Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts gestattet wurde, auch dem einer inhaltlichen Einflussnahme grundsätzlich entzogenen Bereich der Beratung über die Prüfungsleistung beizuwohnen und von den Vorgängen der Prüfungstätigkeit Kenntnis zu nehmen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts geht es dabei nicht darum, dass die in ihrer Prüfungstätigkeit nach § 31 Abs. 1 LPO 2003 im Rahmen der Rechtsvorschriften unabhängigen Prüfer „unter der Aufsicht oder nach Maßgabe der Vorstellungen des Prüfungsamts entscheiden“ (S. 7 des Urteils). Neben der Anwesenheit beim Prüfungsgespräch und der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses kann die Anwesenheit auch beim Vorgang der Beratung dem für die administrativ-organisatorische und institutionelle Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens verantwortlichen Prüfungsamt weitere Erkenntnisse hierfür, nicht zuletzt für sachdienliche Fortentwicklungen des Prüfungsverfahrens verschaffen. Sowohl die LPO 2003 als auch die aktuell geltende OVP verfolgen mit der ausdrücklichen Zulassung von Vertretern des Landesprüfungsamts neben diesem mehr institutionellen Zweck auch individuelle Schutzzwecke. Die Anwesenheit der genannten Personen kann dem Prüfling die Gewähr vermitteln, dass auch bei dem der Öffentlichkeit und seiner eigenen Kenntnis entzogenen Bereich der Beratung über seine Prüfungsleistung das einschlägige Recht ‑ und damit die Grenze der Unabhängigkeit der Prüferinnen und Prüfer (§ 31 Abs. 1 LPO 2003) ‑ eingehalten wird. Dies betrifft etwa die einer verwaltungsinternen wie gerichtlichen Kontrolle grundsätzlich nicht zugänglichen prüfungsspezifischen Bewertungsspielräume. Diese sind nach ständiger Senatsrechtsprechung nur überschritten, wenn die Prüfer einen Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder sonst willkürlich handeln.
52Vgl. allgemein zum prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum bei schul- und lehrerprüfungsrechtlichen Entscheidungen OVG NRW, Beschlüsse vom 15. September 2022 ‑ 19 B 976/22 ‑, juris, Rn. 3, vom 15. März 2022 ‑ 19 B 1649/21 ‑, juris, Rn. 7, vom 30. September 2021 ‑ 19 B 1508/21 ‑, juris, Rn. 4, und vom 29. April 2020 ‑ 19 A 110/19 ‑, juris, Rn. 32 ff., jeweils m. w. N.
53Nicht nur der Nachweis etwa von verfahrensbezogenen Fehlern im Prüfungs- wie Beratungsverlauf oder Anhaltspunkte für Willkür oder sachfremde Erwägungen kann durch die Anwesenheit eines Vertreters des Prüfungsamts leichter aufgeklärt werden, sondern bereits die bloße Anwesenheit kann im Sinn einer vorbeugenden Fehlerkontrolle qualitäts- und rechtssichernd wirken. Denn grundsätzlich bewerten Prüfer die Prüfungsleistungen und entscheiden über deren Ergebnis zwar eigenverantwortlich und unabhängig, aber nicht unkontrolliert.
54Vgl. Fischer/Jeremias/Dieterich, a. a. O., Rn. 326 f., 786 ff.
55Auf der anderen Seite vermag die Präsenz von Vertretern des Prüfungsamts den Prüfern gerade bei zwischenmenschlich herausfordernden Prüfungssituationen die Sicherheit zu vermitteln, etwaigen Vorwürfen etwa einer unsachlichen Beratung nicht gänzlich schutzlos ausgeliefert zu sein.
56Demgegenüber ist den Prüfern eine von äußeren Einflüssen ungestörte eigenständige und unabhängige Bewertung der Prüfungsleistung auch bei der nach § 31 Abs. 2 LPO 2003 zugelassenen Anwesenheit von Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts möglich. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine den Prüfern unbewusste Beeinflussung lasse sich nie gänzlich ausschließen, trifft zwar in dieser Allgemeinheit zu, übersieht jedoch, dass sich derartige abstrakte Gefahren selbst bei einem pauschalen Ausschluss Dritter von der Beratung nicht vollständig eliminieren lassen. Die Möglichkeit, auf einen durch Vorverständnisse, äußere Gegebenheiten und sonstige sachliche wie unsachliche Umstände „beeinflussten“ Prüfer zu treffen, liegt in der Natur der Sache einer von Menschen durchgeführten Prüfungssituation. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ‑ auch wenn ein Prüfer die Leistungen des Prüflings persönlich unmittelbar zur Kenntnis zu nehmen und eine selbstständige, eigenverantwortliche, nur seinem Wissen und Gewissen verpflichtete Entscheidung zu fällen hat ‑ nicht jede Möglichkeit eines Einflusses auf die Entscheidung des Prüfers eine Gefahr für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufgabe darstellt, zu deren vorbeugender Abwehr der Normgeber Verfahrensregelungen erlassen muss. Vielmehr darf der Normgeber grundsätzlich von dem Bild des Prüfers ausgehen, der zu einer selbstständigen, eigenverantwortlichen Bewertung fähig und bereit ist.
57OVG NRW, Beschluss vom 27. Dezember 2017 ‑ 19 B 1255/17 ‑, GewArch 2018, 163, juris, Rn. 2.
58Der Einhegung einer gleichwohl bestehenden Möglichkeit einer unzulässigen Beeinflussung dienen ein qualitätsvolles Prüfungsverfahren genauso wie die Wirksamkeit von internen und externen Kontrollinstrumenten. Die von § 31 Abs. 2 LPO 2003 ermöglichte Präsenz von Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts setzt vor diesem Hintergrund kein spezifisch gefahrenerhöhendes Risiko einer (auch unbewussten) Beeinflussung der Prüfer.
59Treffen Prüfungsordnungen ‑ wie hier ‑ ausdrückliche Bestimmungen zur Anwesenheit weiterer Personen bei der Beratung über Prüfungsleistungen, führt eine solche Präsenz nur dann zur Annahme eines dem Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Bewertung widersprechenden erheblichen Risikos einer Beeinflussung der Prüfer, wenn nach den Umständen des Einzelfalls Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Derartige objektive Anhaltspunkte können dem Prüfling aus dem gesamten Prüfungsverfahren bekannt sein, auch wenn sich der Beratungsvorgang selbst seiner Kenntnisnahme entzieht. Sind derartige Anhaltspunkte geltend gemacht, ist das im üblichen Rahmen der Amtsermittlung aufzuklären (§ 24 Abs. 1 VwVfG NRW, § 86 Abs. 1 VwGO). Dass dies den Prüfling nicht rechtlos oder vor unzumutbare Herausforderungen stellt, zeigt ein Blick auf die hergebrachten Grundsätze, nach denen gemäß § 21 Abs. 1 VwVfG NRW die Besorgnis der Befangenheit von Prüfern berechtigt ist.
60Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 31. August 2021 ‑ 19 A 1452/20 ‑, juris, Rn. 11, vom 28. Juni 2021 ‑ 19 A 480/20 ‑, juris, Rn. 39, und vom 9. November 2020 ‑ 19 A 4189/19 ‑, juris, Rn. 9, Urteile vom 10. Dezember 2015 ‑ 19 A 254/13 ‑, DVBl. 2016, 926, juris, Rn. 121, und vom 25. September 2014 ‑ 14 A 1872/12 ‑, DVBl. 2015, 52, juris, Rn. 58.
612. Es liegen keine objektiven Anhaltspunkte dafür vor, dass die Anwesenheit von Herrn Dr. L. in der mündlichen Prüfung sowie der Beratung vom 31. August 2018 dem Gebot der eigenständigen und unabhängigen Bewertung seitens der beiden Prüferinnen widersprochen hätte. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, hatte sich Herr Dr. L. zu Beginn der Prüfung kurz vorgestellt und sich im Verlauf der Prüfung einige Notizen gemacht. Im Prüfungsgespräch stellte er weder Fragen noch gab er Kommentare ab. Nach dem Prüfungsgespräch verblieb er mit den Prüferinnen im Prüfungsraum. Bei der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses verblieb er ebenfalls im Raum. Es gibt auch sonst keinerlei Hinweise auf eine aktive Beteiligung oder Einmischung im Rahmen der eigentlichen Beratung. In der Niederschrift der Prüferinnen ist er nicht erwähnt.
62Anhaltspunkte für eine Beeinflussung der Prüferinnen ergeben sich des Weiteren nicht aus dem durch Herrn Dr. L. gefertigten Vermerk vom 31. August 2018, der ‑ da ersichtlich im Anschluss an die Beratung gefertigt ‑ nicht zu einer Einflussnahme auf den Prüfungs- oder Beratungsverlauf geführt haben kann. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht im Übrigen, ohne dass dies der Vertiefung bedürfte, vieles dafür, dass der für die Akten des Prüfungsamts gefertigte interne Vermerk nicht gegen das Beratungsgeheimnis des § 31 Abs. 2 2. Halbsatz LPO 2003 verstößt, wonach die bei der Beratung Anwesenden verpflichtet waren, über die Vorgänge bei der Beratung Verschwiegenheit zu wahren. Der allein die Beratung betreffende Teil des Vermerks ist kurz und abstrakt gehalten und beschränkt sich auf eine kursorische Untermauerung der Einschätzung des Verfassers, dass die Durchführung der Prüfung aus seiner Sicht nicht zu beanstanden sei. Wertende Elemente enthält die Stellungnahme allein insoweit, als sie den Prüferinnen ‑ ohne inhaltliche Erläuterung ‑ eine „detaillierte, sorgfältige und abwägende Gewichtung von fachlichen und sprachlichen Aspekten“ attestiert, im Übrigen wird allein das Prüfungsergebnis referiert. Nach Sinn und Zweck der Pflicht zur Verschwiegenheit über Prüfungsvorgänge findet diese ihren Rechtsgrund vorwiegend in dem das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatz der Chancengleichheit. Der Grundsatz der Chancengleichheit wird aber nicht durchgreifend beeinträchtigt, wenn lediglich allgemeine Kenntnisse und Erfahrungen, die ein Prüfer im Rahmen seiner Prüfertätigkeit gewonnen hat, weitergegeben werden.
63OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2013 ‑ 14 B 338/12 ‑, juris, Rn. 11.
64Nichts anderes gilt für die Vorgänge der Beratung. Hier schweigt der Vermerk über die inhaltlichen, sich unmittelbar auf die Notenfindung beziehenden Aspekte. Der diskursive Austausch der Prüferinnen, auf den das Prüfungs- und Bewertungsverfahren in besonderer Weise angelegt und auch angewiesen ist, um dem Prüfungszweck und dem Anspruch des Prüflings auf leistungsgerechte Bewertung vollständig Rechnung zu tragen,
65vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. November 2020, a. a. O., Rn. 31,
66wird nicht näher inhaltlich wiedergegeben.
673. Das Verwaltungsgericht hat schließlich ohne Rechtsfehler angenommen, dass Herr Dr. L. bei der Notenberatung vom 31. August 2018 Leitungsmitglied des Prüfungsamts gemäß § 31 Abs. 2 i. V. m. § 30 Abs. 5 LPO 2003 war.
68Die nach § 31 Abs. 2 1. Halbsatz i. V. m. § 30 Abs. 5 Satz 1 LPO 2003 verordnungsrechtlich definierten Leitungsmitglieder des Prüfungsamts sind ‑ soweit hier relevant ‑ die Leiterin oder der Leiter des Prüfungsamts, die Stellvertreterin oder der Stellvertreter, und die Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer, die jeweils vom Ministerium berufen werden. Der damalige Leiter der Außenstelle Q. war Leitungsmitglied des Prüfungsamts in diesem Sinn. Dies ergibt sich aus der Entwicklungsgeschichte und den hierzu ergangenen Bestimmungen für das Landesprüfungsamt. Im Zuge der Umstrukturierung des Prüfungswesens für Lehramtsprüfungen wurde mit Wirkung vom 15. Februar 2014 das Landesprüfungsamt für Lehrämter an Schulen (Landesprüfungsamt) durch Zusammenlegung des Landesprüfungsamts für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen und des Landesprüfungsamts für Zweite Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen errichtet. Sitz des neuen Landesprüfungsamts ist Dortmund, es verfügt über Außenstellen u. a. in Q. . Dieser strukturellen Organisationsänderung trägt der Wortlaut des § 30 Abs. 5 LPO 2003 nicht hinreichend Rechnung. So gibt es etwa im Landesprüfungsamt keine Geschäftsführer. Auch in der früher geltenden Geschäftsordnung für das Landesprüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen vom 19. Juni 2006 (ABl. NRW. S. 255) sowie dem Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 19. Juni 2006 (ABl. NRW. S. 254) zur Errichtung eines Landesprüfungsamts für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen findet sich der Begriff nicht. Für den Hinweis des Verwaltungsgerichts auf S. 5 des angefochtenen Urteils gibt es damit ‑ soweit ersichtlich ‑ keine Grundlage. Mit „Geschäftsführern“ werden die früheren Geschäftsstellenleitungen des ehemaligen Landesprüfungsamts für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen bezeichnet. Leitungsmitglieder des Prüfungsamts im Sinn dieser Vorschrift sind über die Leiterin oder den Leiter des Prüfungsamts und deren oder dessen Stellvertreterin oder Stellvertreter hinaus auch die Leiterinnen und Leiter der Außenstellen des Prüfungsamts. Dies ergibt sich jedenfalls aus einer Zusammenschau von Nr. 5 des Runderlasses des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 24. Januar 2014 (ABl. NRW. S. 80) zur Errichtung eines Landesprüfungsamtes für Lehrämter an Schulen, wonach die Leiterinnen und Leiter der Außenstellen im Rahmen der Gesamtverantwortung der Leitung die Verantwortung für die Wahrnehmung der den Außenstellen übertragenen Aufgaben tragen, mit der näheren Entfaltung der Geschäftsordnung des Landesprüfungsamts. Die Außenstellen des Landesprüfungsamts sind für die Geltungsdauer der LPO 2003 die gemäß § 30 Abs. 2 und 5 LPO 2003 für Prüfungen nach dieser Prüfungsordnung zuständigen Organisationseinheiten (Geschäftsstellen) des Prüfungsamts (§ 22 Satz 1 GO LPA). Gemäß § 22 Satz 2 GO LPA nehmen die mit der fachlichen Koordinierung betrauten Referentinnen und Referenten die Aufgaben einer Geschäftsstellenleitung gemäß § 30 Abs. 5 LPO 2003 wahr.
69Als mit der fachlichen Koordinierung betrauter Referent nahm Herr Dr. L. seit Januar 2018 und auch noch zum Zeitpunkt der mündlichen Prüfung am 31. August 2018 die Außenstellenleitung und alle damit zusammenhängenden Amtsgeschäfte der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts wahr. Unerheblich ist dabei, dass Herr Dr. L. nicht ausdrücklich durch gesonderten Formalakt durch das für Schule zuständige Ministerium selbst berufen wurde. Er wurde (nur) seitens der Bezirksregierung Detmold mit Verfügung vom 17. November 2017 an das Landesprüfungsamt ‑ Außenstelle Q. ‑ abgeordnet. Zur Überzeugung des Senats liegt gleichwohl eine dem Ministerium zuzurechnende Berufungsentscheidung im Sinn des § 22 Satz 3 GO LPA vor, wonach abweichend von § 9 Abs. 2 GO LPA ‑ und der dort vorgesehenen Übertragung der Außenstellenkoordinierung und entsprechenden Aufgabenwahrnehmung schon durch die Leitung des Landesprüfungsamts ‑ die mit der fachlichen Koordinierung einer Außenstelle zu betrauenden Referentinnen und Referenten für die Geltungsdauer dieser Prüfungsordnung durch das für Schule zuständige Ministerium berufen werden. Ausweislich der seitens des Beklagten vorgelegten Unterlagen besteht kein Zweifel daran, dass die zum Zeitpunkt der mündlichen Prüfung noch geltende Abordnung der Umsetzung der seitens der ‑ u. a. mit Vertretern des für Schule zuständigen Ministeriums besetzten ‑ Auswahlkommission getroffenen Auswahlentscheidung für die Stelle des Referenten im Arbeitsbereich 1 des Landesprüfungsamts für Lehrämter an Schulen ‑ Leitung der Außenstelle Q. ‑ diente und damit dem zuständigen Ministerium zurechenbar ist. Die Geschäftsordnung enthält keine weiteren formalen Anforderungen hinsichtlich der Qualität der „Berufung“ durch das Ministerium. § 22 Satz 3 GO LPA bringt gegenüber § 9 Abs. 2 GO LPA lediglich zum Ausdruck, dass die Übertragung der Außenstellenleitung nicht allein durch die Leitung des Landesprüfungsamts erfolgen soll, sondern ‑ wenigstens ‑ unter Beteiligung des Ministeriums. Dass eine solche Beteiligung stattgefunden hat, steht hier, wie ausgeführt, außer Zweifel.
70Unabhängig davon wäre auch ein eventuell formal unzureichender Berufungsakt in Umsetzung der Geschäftsordnungsbestimmung in § 22 Satz 3 GO LPA für die nach außen hin wirksame ‑ und rein faktisch auch unstreitige ‑ Stellung von Herrn Dr. L. als Leiter der Außenstelle nicht erheblich.
71Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
72Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
73Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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