Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 10 B 980/22
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen, als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die den Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Nutzungsänderungsgenehmigung für das Grundstück in T., Gemarkung H., Flur 44, Flurstück 107 (O.-straße 71) (im Folgenden: Vorhabengrundstück) vom 22. Oktober 2021, anzuordnen, mit der Begründung abgelehnt, die nach den §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragsteller aus, weil die Baugenehmigung, mit der die Nutzung der Wohnungen in dem auf dem Grundstück stehenden Gebäude als Monteurwohnungen genehmigt worden ist (im Folgenden: Baugenehmigung), nicht gegen Vorschriften des öffentlichen Baurechts verstoße, die dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt seien. Die Baugenehmigung sei nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Wohnungen den nachbarschützenden brandschutzrechtlichen Vorschriften für Sonderbauten nicht genügten. Auf einen Anspruch auf Wahrung der Gebietsart könnten sich die Antragsteller nicht mit Erfolg berufen. Die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks entspreche jedenfalls nicht der eines allgemeinen Wohngebiets. Es könne offen bleiben, ob die nähere Umgebung als Mischgebiet oder als so genannte Gemengelage zu qualifizieren sei. Denn in einem Mischgebiet sei das Vorhaben auch bei einer Einordnung als Beherbergungsbetrieb oder als sonstiger nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb nach § 6 Abs. 1 BauNVO allgemein zulässig. In einer Gemengelage komme ein Anspruch auf Abwehr gebietsfremder Nutzungen über § 34 Abs. 2 BauGB von vornherein nicht in Betracht. Aber selbst wenn die nähere Umgebung als allgemeines Wohngebiet zu qualifizieren wäre, stünde den Antragstellern ein Abwehranspruch gegen das Vorhaben wegen einer Verletzung ihres Anspruch auf Wahrung der Gebietsart nicht zu. Angesichts der geringen Anzahl der in dem Gebäude genehmigten Betten wäre das Vorhaben auch als Beherbergungsbetrieb in einem solchen faktischen Baugebiet ausnahmsweise nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig. Das Vorhaben sei auch nicht zu Lasten der Antragsteller rücksichtslos. Eine rücksichtslose Lärmbelastung benachbarter Grundstücke sei aufgrund der genehmigten Nutzung insbesondere mit Blick auf die geringe Anzahl der erlaubten Betten bei typisierender Betrachtung nicht zu erwarten. Möglichen Störungen, die auf ein Fehlverhalten einzelner Nutzer der Monteurwohnungen zurückzuführen seien, müssten die Nachbarn – wie auch sonst – mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnen. Dass die Antragsteller von einer etwaigen vorhabenbedingten Verschärfung der Stellplatzsituation in rücksichtsloser Weise betroffen sein könnten, lasse sich nicht feststellen.
4Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt keine andere Entscheidung.
5Die Antragsteller zeigen nicht auf, dass die Baugenehmigung entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts zu ihren Lasten unbestimmt ist. Sie setzen sich mit den diesbezüglichen Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss, wonach sich aus der Baugenehmigung insbesondere eindeutig ergebe, dass eine Belegung der Monteurwohnungen nur mit insgesamt maximal vierzehn Betten zulässig sei, nicht auseinander. Welchen nachbarschützenden Brandschutzvorschriften das Vorhaben angeblich nicht genüge, tragen sie mit ihrer Beschwerde nicht ansatzweise konkret vor. Ihre pauschale Rüge, die Antragsgegnerin habe „erforderliche Aufsichtserfordernisse, Brandschutzerwägungen und Lärmeinschränkungen völlig außer Acht gelassen“, genügt von vornherein nicht den Darlegungsanforderungen.
6Dass der Anspruch der Antragsteller auf Wahrung der Gebietsart entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts durch das Vorhaben verletzt sein könnte, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen ebenso wenig.
7Sie legen nicht dar, dass die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks als die eines allgemeinen Wohngebiets zu qualifizieren sein könnte. Das Verwaltungsgericht hat seine gegenteilige Einschätzung damit begründet, dass es in der näheren Umgebung Nutzungen gebe, die in einem allgemeinen Wohngebiet weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig seien, namentlich ein Bürogebäude auf dem Grundstück B.-straße 13, eine Kfz-Werkstatt auf dem Grundstück M.-straße 1 (Ecke O1.-straße/M1.-straße) und ein Unternehmen für Krankentransport und Notfallrettung auf dem Grundstück B.-straße 15 (Ecke O1.-straße/B1.-straße). Zur Zulässigkeit des Bürogebäudes in einem allgemeinen Wohngebiet verhält sich die Beschwerde nicht. Mit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass eine Kfz-Werkstatt typischerweise als störender Gewerbebetrieb angesehen werde und Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die hier in Rede stehende Werkstatt im Hinblick auf die durch ihren Betrieb verursachten Immissionen atypisch sei, setzen sich die Antragsteller nicht auseinander. Sie behaupten lediglich, dass solche Anhaltspunkte für einen atypischen Betrieb vorlägen. Warum es sich bei dem Unternehmen für Krankentransport und Notfallrettung entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts um eine in einem allgemeinen Wohngebiet zulässige Anlage für gesundheitliche Zwecke handeln könnte, begründen die Antragsteller ebenfalls nicht.
8Auch die Angriffe der Antragsteller gegen die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, wonach das Vorhaben angesichts der geringen Zahl der genehmigten Betten bei typisierender Betrachtung als Beherbergungsbetrieb auch in einem allgemeinen Wohngebiet gebietsverträglich und damit ausnahmsweise zulässig wäre, haben keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass ein möglicher Anspruch auf Wahrung der Gebietsart hier nur verletzt sein könnte, wenn das Vorhaben seiner Art nach in dem Baugebiet auch nicht ausnahmsweise zulässig wäre. Ob eine planungsrechtliche Ausnahme tatsächlich erteilt worden ist, ist insoweit ebenso unerheblich wie mögliche Rechtsfehler bei ihrer Erteilung.
9Vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 29. März 2022 – 4 C 6.20 –, juris, Rn. 20; vorgehend OVG NRW, Urteil vom 23. September 2019 – 10 A 1114/17 –, juris, Rn. 43 f.
10Soweit die Antragsteller sich auf das Wohnraumstärkungsgesetz berufen, ist nicht ersichtlich, inwieweit eine etwaige Verletzung der von ihnen angesprochenen Vorschriften dieses Gesetzes, deren Einhaltung die Gemeinden im Rahmen der Wohnungsaufsicht zu gewährleisten haben, zum Erfolg ihrer Klage gegen die angegriffene Baugenehmigung führen soll.
11Eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots durch die Baugenehmigung zeigen die Antragsteller auch mit der Beschwerde nicht auf.
12Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass das Rücksichtnahmegebot nur solche Einwirkungen erfasst, die bei der bestimmungsgemäßen Nutzung einer baulichen Anlage typischerweise auftreten. Sie müssten bodenrechtlich relevant sein, um als städtebauliche Gesichtspunkte bei der Prüfung möglicher Verletzungen von Nachbarrechten Beachtung zu finden. Dass das von den Antragstellern beschriebene und als besonders störend wahrgenommene lärmverursachende Verhalten der in den Monteurwohnungen zeitweise lebenden Personen insoweit eine städtebauliche Relevanz haben könnte, ergibt sich auch aus dem Beschwerdevorbringen, das der Sache nach nur auf individuelles Fehlverhalten jener Personen abstellt, nicht. Dass die Baugenehmigung im Übrigen „Ruhezeiten“ zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr vorgibt, räumen die Antragsteller selbst ein.
13Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach nicht erkennbar sei, dass die Antragsteller, deren Grundstück nicht wie das Vorhabengrundstück an der O1.-straße, sondern an der M1.-straße liege, die in diesem Teil als Sackgasse ausgebaut sei, etwa durch vorhabenbedingten Parksuchverkehr unzumutbar beeinträchtigt werden könnten, setzen sich die Antragsteller nicht ansatzweise auseinander.
14Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3, 159 Satz 2 VwGO.
15Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
16Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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