Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 15 A 274/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 501,81 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Ihre mit dem Zulassungsbegehren vorgebrachten, für die Prüfung maßgeblichen Einwände (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) begründen keinen der geltend gemachten Zulassungsgründe.
31. Dies gilt zunächst für den Zulassungsgrund der ernstlichen Richtigkeitszweifel.
4Ernstliche Richtigkeitszweifel nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen (nur) dann, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
5Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris Rn. 15; OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2018 - 1 A 2092/16 -, juris Rn. 2.
6Das ist unter Berücksichtigung der mit der Zulassungsschrift vorgebrachten Rügen der Klägerin hier nicht der Fall.
7a) Der Einwand, der angegriffene Verwaltungsakt sei bereits deswegen rechtswidrig, da es an einer ausreichenden Anhörung gefehlt habe, greift nicht durch. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht u. a. ausgeführt, eine unterbliebene Anhörung sei jedenfalls im Rahmen des Widerspruchsverfahrens oder zumindest im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt worden mit der Folge, dass dadurch eine etwaige Verletzung der Anhörung geheilt worden sei. Die hierauf bezogene Rüge der Klägerin, dass es in keinem der beiden Verfahren zu einem ausreichenden Anhörungsäquivalent gekommen sei, überzeugt demgegenüber nicht. Denn schon durch das Widerspruchsverfahren ist eine Heilung der möglicherweise unterbliebenen Anhörung erfolgt.
8Eine Heilung setzt voraus, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Diese Aufgabe besteht nicht allein darin, dass der Betroffene seine Einwendungen vorbringen kann und diese von der Behörde zur Kenntnis genommen werden, sondern schließt ein, dass die Behörde ein etwaiges Vorbringen bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht. Eine funktionsgerecht nachgeholte Anhörung setzt deshalb voraus, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffeneSachentscheidung zu verteidigen, sondern das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken.
9Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2022 - 4 A7.20 -, juris Rn. 25 m. w. N.
10Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Im Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2018 hat sich die Beklagte ausführlich mit dem Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides auseinandergesetzt und deren im Widerspruch vom 30. November 2018 vorgetragenen Einwendungen chronologisch in der Reihenfolge ihres Vorbringens gewürdigt und beschieden. Dies gilt namentlich auch, soweit die Klägerin die Beifügung einer Rechnung des mit der Maßnahme beauftragten Unternehmens begehrt hat. Die Beklagte hat diesbezüglich in ihrem Widerspruchsbescheid auf die Möglichkeit einer Akteneinsicht verwiesen.
11Unschädlich ist ferner, dass das Widerspruchsverfahren und die damit einhergehende Möglichkeit für die Klägerin, zur Sache vorzutragen, nicht von der Behörde angestoßen und die Klägerin nicht explizit zur Stellungnahme aufgefordert worden ist. Denn das Gehör kann sich die Betroffene auch aus eigener Initiative verschaffen.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2022 - 4 A7.20 -, juris Rn. 26.
13Auf die weiteren in diesem Zusammenhang geäußerten Einwände der Klägerin, die eine unterbliebenen Heilung der fehlenden Anhörung im Klageverfahren und die Unbeachtlichkeit eines Verfahrensmangels bei gebundenen Verwaltungsakten betreffen, kommt es danach nicht an.
14b) Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Auffassung der Klägerin auch ohne Rechtsfehler angenommen, dass es sich bei der von der Beklagten abgerechneten Maßnahme um eine beitragsfähige Erneuerung handelt. Die Beitragsfähigkeit einer Erneuerung als Fall der nochmaligen Herstellung i. S. v. § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW setzt voraus, dass die Anlage - erstens - erneuerungsbedürftig und - zweitens - die übliche Nutzungszeit abgelaufen ist. Eine Erneuerungsbedürftigkeit ist anzunehmen, wenn die Anlage verschlissen ist, d. h. sich in einem insgesamt schadhaften, abgenutzten Zustand befindet, ohne dass bereits die Verkehrssicherheit der Anlage aufgehoben sein muss. Hinsichtlich einer Straßenbeleuchtungsanlage ist eine Nutzungszeit von etwa 30 bis 50 Jahren anzunehmen. Ist die übliche Nutzungszeit abgelaufen, hat eine unterlassene ordnungsgemäße Unterhaltung und Instandsetzung für das Vorliegen des Tatbestandes der beitragsfähigen nochmaligen Herstellung keine eigenständige Bedeutung mehr.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2016 ‑ 15 A 2693/15 ‑, juris Rn. 11 ff. m. w. N.
16Der auf die letztgenannte Bewertung zielende Einwand der Klägerin, dass es sich hierbei um eine alte Rechtsprechung handele, die im Lichte der heutigen gesellschaftlichen Wertung eines ressourcenschonenden öffentlichen Managements der Korrektur bedürfe, so dass vielmehr anzunehmen sei, dass die Instandhaltungspflicht der Beklagten nie ende, greift demgegenüber nicht durch. Denn der vorgenannten Bewertung liegt die hiervon abweichende Überlegung zugrunde, dass eine Anlage auch bei ordnungsgemäßer Durchführung von Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten eine generalisierend zu bemessende begrenzte Nutzungszeit hat und es nach Ablauf dieser Zeit nicht darauf ankommt, ob währenddessen eine ausreichende Wartung stattgefunden hat. Insoweit handelt es sich auch nicht um eine „alte“ Rechtsprechung, vielmehr hält der Senat hieran auch in neueren Entscheidungen fest.
17Vgl. OVG NRW, Beschuss vom 29. November 2016- 15 A 2693/15 -, juris Rn. 15.
18Ausgehend von den dargelegten Maßstäben hat das Verwaltungsgericht selbst Berechnungen zum Alter der streitgegenständlichen Beleuchtungseinrichtung angestellt und ist, ohne dass die Klägerin diese Berechnung substantiiert angreift, auf ein Alter von mindestens 40 Jahren gekommen. Zudem hat sich das Gericht durch Inaugenscheinnahme von Lichtbildern, die dem Verwaltungsvorgang der Beklagten beigefügt sind, vom schadhaften Zustand der Lampenmasten überzeugt. Auf den Lichtbildern sind deutlich die Abnutzungsspuren, namentlich Rostschäden, an dort aufgenommenen Lampen zu sehen. Dass das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund im Rahmen seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu der Auffassung gelangt ist, dass die Lampenanlagen verschlissen waren, ist nicht zu beanstanden. Entsprechend greift auch der Einwand der Klägerin nicht ein, dass die Überschreitung der Nutzungszeit von 30 Jahren nicht das alleinige Kriterium der Erneuerung der Straßenbeleuchtung sein könne.
19c) Ebenfalls führen die Rügen der Klägerin hinsichtlich des rückwirkenden Inkrafttretens der 247. KAG-Maßnahmensatzung der Beklagten vom 27. November 2015 nicht zur Annahme ernstlicher Richtigkeitszweifel. Diese enthält gemäß der Vorgaben in § 8 Nr. 1 der Straßenbaubeitragssatzung der Beklagten vom 28. Februar 2005 in der Fassung der Zweiten Änderung vom 5. Februar 2014 (SBS) zum einen die Zuordnung der Werheider Straße, in der die streitgegenständliche Beleuchtungsanlage erneuert wurde, zu einer der Straßenarten nach § 3 SBS, zum anderen die Bestimmung des Umfangs der Maßnahme als ausgleichspflichtiges Bauprogramm. Die Klägerin meint insofern, die auf den 1. August 2015 bezogene Rückwirkung der Maßnahmensatzung sei rechtswidrig, da zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Erneuerung der Beleuchtungsanlage, die am 22. September 2015 in Betrieb genommen wurde, bereits abgeschlossen gewesen sei. Entsprechend stehe eine echte Rückwirkung dieser Satzung in Rede, die grundsätzlich wie auch vorliegend unzulässig sei.
20Dieser Vortrag greift nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob es bezüglich der in der 247. KAG-Maßnahmensatzung für das vorliegende Verfahren enthaltenen Regelungsgegenstände - namentlich des Bauprogramms - überhaupt einer Rückwirkung auf einen Zeitpunkt vor Abschluss der Arbeiten an der streitgegenständlichen Beleuchtungsanlage bedarf.
21Vgl. etwa zum Fall einer erst nachträglichen Billigung bereits verwirklichter Herstellungsmerkmale einer Verkehrsanlage mittels Bauprogramms Sächs. OVG, Beschluss vom 2. Oktober 2017 - 5 B 181/17 -, juris Rn. 11 f.; die Bestimmung der Straßenart dürfte - als Regelung eines Einzelfalls - ohnehin ohne weiteres auch nachträglich, etwa im Abgabenbescheid, getroffen werden können.
22Für ein rechtliches Gebot, nach dem die technische Herstellung dem Beschluss des Bauprogramms in zeitlicher Hinsicht zwingend nachfolgen muss, dürften keine überzeugenden Gründe vorliegen. Das Erfordernis einer programmgemäßen Herstellung gemäß dem Bauprogramm dient nicht dem Vertrauensschutz der Beitragspflichtigen, sondern (lediglich) dazu, die Verwirklichung des Straßenausbaus in Übereinstimmung mit dem gemeindlichen Willen sicherzustellen und die tatsächlichen Gesichtspunkte für einen bestimmten Straßenzustand so konkret festzulegen, dass sie die Feststellung zulassen, ob die Anlage im Sinne des § 8 Abs. 7 KAG NRW endgültig hergestellt ist. So ist in der Rechtsprechung des Senats etwa anerkannt, dass eine Änderung des Bauprogramms bis zur Beendigung der Maßnahme möglich ist.
23Vgl. Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes Nordrhein-Westfalen, 8. Aufl. 2013, Rn. 318 m. w. N.
24Damit dürfte es auch erlaubt sein - etwa bei zunächst programmwidriger, mithin unvollständiger Herstellung - die endgültige Herstellung durch Erstellung eines geänderten, dem Ist-Zustand entsprechenden Bauprogramms herbeizuführen.
25Was insofern für den vorliegenden Fall eines nicht geänderten, sondern erstmalig nachträglich bestimmten Bauprogramms gilt, kann vorliegend jedoch offenbleiben. Geht man nämlich mit der Klägerin davon aus, dass ein wirksames Bauprogramm bereits im Zeitpunkt der technischen Fertigstellung der Maßnahme gegeben sein muss, liegen hier jedenfalls die Voraussetzungen vor, unter denen ein rückwirkender Erlass der das Bauprogramm beinhaltenden Satzung zulässig ist.
26Nach der auch vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Rechtsprechung des Senats ist der rückwirkende Erlass von Rechtsnormen, also auch von Satzungen, zulässig, wenn eine nichtige oder entgegen höherrangigem Recht lückenhafte Regelung durch eine rechtmäßige Bestimmung ersetzt wird.
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 2019 - 15 A 808/17 -, juris Rn. 6 f. m. w. N.
28Vorliegend steht eine solche gesetzeswidrige Lückenhaftigkeit der zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Beleuchtungseinrichtung gültigen Straßenbaubeitragssatzung der Beklagten in Rede. Denn § 8 Nr. 1 SBS legt ausdrücklich fest, dass Bauprogramm und Straßenart durch besondere Satzung zu bestimmen sind. Deren Bestimmung ist auch nach höherrangigem Recht bzw. der zum Abgabenrecht ergangenen Rechtsprechung erforderlich, um einen rechtmäßigen Beitragsbescheid erlassen zu können. Dass sowohl die Bestimmung der Straßenart wie auch des Bauprogramms nicht unbedingt durch Satzung erfolgen müssen, sondern auch in anderer Weise erlassen werden können,
29vgl. für die Bestimmung der Straßenart als öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache § 35 Satz 2 VwVfG NRW; für das Bauprogramm Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes Nordrhein-Westfalen, 8. Aufl. 2013, Rn. 317, m. N. aus der Rspr. des OVG NRW,
30steht vorliegend der Annahme einer lückenhaften Regelungslage nicht entgegen. Denn jedenfalls die Abgabensatzung der Beklagten sieht eine solche satzungsmäßige Bestimmung vor und schließt damit den Erlass in einer anderen, in der Regelungshierarchie nachrangigen Form - z. B. Verwaltungsakt, formloser Beschluss des Rates - aus.
31Soweit die Klägerin in ihrer Zulassungsbegründungsschrift in diesem Zusammenhang einwendet, nach der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts könne eine bislang lückenhafte Regelung nur dann rückwirkend vervollständigt werden, wenn dies zur Erfüllung des Beitragserhebungsgebots erforderlich sei,
32OVG NRW, Beschluss vom 17. Mai 1990 - 2 A500/88 -, juris Leitsatz 1,
33dies fehle aber bei einer hier - nur - vorliegenden Verbesserung der bestehenden Anlage, ist dem nicht beizutreten. Die Klägerin verkennt hiermit den maßgeblichen Bezugspunkt der Erforderlichkeit, der sich in diesem Zusammenhang nicht auf die jeweilige Maßnahme, sondern auf das Erfordernis einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung bezieht.
34Angesichts des Umstands, dass hier nicht die Rückwirkung der Straßenbaubeitragssatzung der Beklagten, sondern lediglich der hierauf aufbauenden Maßnahmensatzung in Streit steht, führt auch der Einwand der Klägerin nicht weiter, die jeweiligen Anlieger wüssten vor Beginn der Maßnahme weder, ob Straßenausbaubeiträge erhoben würden, noch, in welcher Höhe dies erfolge. In der Straßenbaubeitragssatzung der Beklagten sind nämlich sowohl die Ersatzpflicht für Aufwendungen im Zusammenhang mit Beleuchtungseinrichtungen als auch - in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe g SBS - die abstrakte Höhe der Ersatzpflicht in Höhe von 70 v. H. bereits zum Zeitpunkt des Beginns der Bauarbeiten im August 2015 geregelt. Die konkrete Höhe der Ersatzpflicht ist demgegenüber eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die der Festsetzung durch den Beitragsbescheid vorbehalten bleibt. Warum die Klägerin vor diesem Hintergrund darauf hätte vertrauen dürfen, für die Arbeiten an den Beleuchtungseinrichtungen der X. Straße nicht als ausgleichspflichtige Anliegerin herangezogen zu werden, ist nicht ersichtlich. Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
35vgl. Urteil vom 15. April 1983 - 8 C 170.81 -, juris Rn. 17,
36wonach einer Erwartung, dass eine ihrem Wesen nach beitragspflichtige Leistung gleichwohl beitragsfrei gewährt werden solle, durchgreifend jedenfalls der vorangegangene Erlass einer Abgabensatzung entgegensteht, weil diese unmissverständlich den Willen der Gemeinde zum Ausdruck bringt, dass ein Beitrag erhoben werden soll.
37Nichts anderes folgt entgegen der Auffassung der Klägerin schließlich aus der von ihr in diesem Zusammenhang ebenfalls benannten Neuregelung des § 8a KAG, nach dessen Absatz 1 die Gemeinde nunmehr ein Straßen- und Wegekonzept zu erstellen und nach Absatz 3 für beitragspflichtige Straßenausbaumaßnahmen frühzeitig eine verbindliche Anliegerversammlung abzuhalten hat. Diese Bestimmungen gelangen hier nicht zur Anwendung, weil § 8a, der durch Gesetz vom 19. Dezember 2019 (GV. NRW. S. 1029) in das KAG eingefügt wurde, erst am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist. Er erfasst danach den vorliegend maßgeblichen Rückwirkungszeitraum, der ausgehend vom Erlass der 247. Maßnahmensatzung am 27. November 2015 auf den 1. August 2015 bezogen ist, nicht. Im Übrigen ist § 8a KAG n. F. auch nicht etwa deswegen heranzuziehen, weil der vorliegend streitgegenständliche Abgabenbescheid bisher nicht bestandskräftig geworden ist. Vielmehr ist anerkannt, dass bezüglich der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Rahmen einer Anfechtungsklage, wie sie auch hier vorliegt, regelmäßig auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung,
38vgl. allgemein Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 97 m. w. N.,
39vorliegend also den Erlass des Widerspruchsbescheides am 12. November 2018, abzustellen ist, bei dem § 8a KAG ebenfalls noch nicht in Kraft war. Dass nach der Wertung des Gesetzgebers im vorliegenden Fall bezüglich § 8a KAG ausnahmsweise etwas anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich. Insbesondere wird durch die Übergangsregelung des § 26 Abs. 2 KAG eine Rückwirkung, die zudem auch bereits abgeschlossene Vergabeverfahren betreffen soll, explizit nur für § 8a Abs. 6 und 7 KAG angeordnet. Diese Vorschriften beziehen sich indes auf Ratenzahlungen und Stundungen bei festgesetzten Straßenausbaubeiträgen und weisen danach mit den vorliegend in Streit stehenden Fragen keine Berührungspunkte auf.
40d) Die Klägerin legt auch keine Rechtsfehler des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Bewertung des Verteilerwertes dar.
41Dies gilt zunächst hinsichtlich der in diesem Zusammenhang gerügten Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Beitragsbescheid müsse insbesondere keine erschöpfende Wiedergabe der Aufwandsermittlung und sämtlicher Berechnungsgrundlagen für die Aufwandsverteilung ausweisen. Dies entspricht vielmehr der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts, wonach die Behörde nicht jeden einzelnen Umstand, von dem sie bei Erlass des Verwaltungsaktes ausgegangen ist, in die Begründung aufnehmen muss. Denn dies kann zu einer Überfrachtung der Begründung führen, die im Ergebnis die Verständlichkeit der Bescheide nicht verbessern, sondern eher verschlechtern würde.
42Vgl. Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes Nordrhein-Westfalen, 8. Aufl. 2013, Rn. 633, m. N. aus der Rspr. des OVG NRW.
43Soweit sich die Klägerin des Weiteren konkret gegen die Nichteinbeziehung des etwa 3 qm großen Flurstücks 585 in das Abrechnungsgebiet wendet, legt sie nicht dar, warum dieses gerade über die streitgegenständliche Anlage erschlossen werden soll. Denn das Grundstück grenzt nicht unmittelbar an die X. Straße an. Ihr hierauf bezogener weiterer Einwand, dass die Nichtberücksichtigung zu einer massiven Ungleichbehandlung zu Lasten der von der Beitragspflicht Betroffenen führe, da das Grundstück dann bei keiner Ausbaumaßnahme heranzuziehen sei, ist ebenfalls nicht überzeugend, weil die fehlende Erschließung, die mit einem ausbleibenden wirtschaftlichen Vorteil einhergeht, ersichtlich eine Rechtfertigung für die Nichtheranziehung und damit die Ungleichbehandlung darstellen würde.
44Auch hinsichtlich der von der Klägerin weiterhin angesprochenen Einbeziehung der Flurstücke 373, 374 und 375 werden in der fristgebundenen Zulassungsbegründungsschrift keine Anhaltspunkte für eine inhaltliche Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils vorgebracht. In diesem Zusammenhang wird vielmehr lediglich pauschal ausgeführt, die für diese Grundstücke erfolgte Tiefenbegrenzung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SBS, durch welche nicht die gesamte Grundstücksfläche berücksichtigt wurde, verstoße als nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil eine Tiefenbegrenzung per se andere Anlieger benachteilige und zu deren zusätzlicher Kostenlast führe. Dieses Vorbringen reicht vor dem Hintergrund, das nach der Rechtsprechung des entscheidenden Gerichts eine Tiefenbegrenzung im unbeplanten Innenbereich zulässig ist,
45Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes Nordrhein-Westfalen, 8. Aufl. 2013, Rn. 298, m. N. aus der Rspr. des OVG NRW,
46dem die in Rede stehenden Grundstücke nach den unbestrittenen Feststellungen im angegriffenen Urteil zuzuordnen sind, nicht zur Darlegung einer inhaltlichen Unrichtigkeit des Urteils aus. Das ebenfalls auf die Tiefenbegrenzung bezogene, neue Vorbringen in dem nachfolgenden klägerischen Schriftsatz vom 6. März 2021, in dem stattdessen auf die eine solche Tiefenbegrenzung ausschließende Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 SBS abgestellt wird, ist demgegenüber außerhalb der Zulassungsbegründungsfrist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfolgt und danach bereits vor diesem Hintergrund unerheblich. Unabhängig davon steht der dort geltend gemachte Einwand, dass bezüglich des Flurstücks 373 bei Anwendung der Tiefenbegrenzung nur eine Kleinstfläche unberücksichtigt bleibe, bei der nicht ersichtlich sei, dass sie nicht von dem Straßenausbau profitiere, in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der vorgenannten Ausnahmeregelung, die eine Tiefenbegrenzung ausschließt, soweit die tatsächliche bauliche oder gewerbliche Nutzung den nach Maßgabe der Tiefenbegrenzung gemessenen Abstand überschreitet. Dass dies im Hinblick auf das Flurstück 373 der Fall ist, wird mit dem vorgenannten Vorbingen aber nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
47e) Schließlich begegnet die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Aufwandsermittlung der Beklagten nicht zu beanstanden ist, keinen ernstlichen Zweifeln. Der in der Zulassungsbegründungsschrift geäußerte „Verdacht“, dass jahrelang über dem Marktpreis liegende Rechnungen für sämtliche im Stadtgebiet vorgenommenen Erneuerungsmaßnahmen an der Beleuchtung von Seiten der ausführenden S. AG gestellt worden seien bzw. die Beklagte „sich nicht an das Gebot der Notwendigkeit, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit“ gehalten habe, wird nicht näher substantiiert. Auch insofern fehlt es danach an der hinreichenden Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Richtigkeitszweifel. Die nachfolgende Konkretisierung im Schriftsatz vom 6. März 2021, mit welchem drei konkrete Kostenpositionen angegriffen werden, ist wiederum außerhalb der Zulassungsbegründungsfrist erfolgt und kann damit die fehlende Darlegung im Ausgangsschriftsatz nicht kompensieren. Im Übrigen ist die dortige Begründung dafür, dass die von der Beklagten beauftragte S. AG weit überhöhte Preise für die Erneuerung der Beleuchtung angesetzt habe, auch nicht überzeugend. Dies gilt zunächst für den Vortrag, wonach der Preis von 87,52 Euro für die Demontage der Leuchtmittel „wucherähnlich“ sei, da dies mit dem Entfernen einer Birne aus einer handelsüblichen Lampe („Birne rausschrauben“) vergleichbar sei. Dass die Konstruktion der vorliegend in Rede stehenden Beleuchtungsanlagen, bei denen es sich nach dem Tatbestand des verwaltungsgerichtlichen Urteils um Peitschenmasten mit Langfeldleuchten handelt, nicht mit der einer handelsüblichen Lampe vergleichbar ist, liegt auf der Hand. Auch der weitere Einwand, wonach es sich bei dem Preis von 611,94 Euro für die Position „Kleinstanschlüsse herstellen“ „maßgeblich um reine Arbeitskosten“ handele, wird schlicht behauptet, aber nicht näher begründet. Zur Demontage der Beleuchtungsmasten wird schließlich nur die Höhe der Kosten, welche 354,11 Euro pro Stück betragen haben sollen, mitgeteilt, aber keine Angaben dazu gemacht, inwiefern dieser Preis aus der Perspektive der Klägerin überhöht ist. Soweit sie in diesem Zusammenhang ergänzend vorträgt, dass ohne die Vorlage des zwischen der Beklagten und der S. AG geschlossenen Vertrags keine Überprüfung der Kostenmitteilung erfolgen könne, ist einerseits darauf zu verweisen, dass dieser Vertrag im Internet abrufbar ist; zum anderen ist nicht ersichtlich, wieso es für die Überprüfung der Angemessenheit der Kosten auf den Vertrag zwischen der Beklagten und der S. AG ankommen soll, da die Klägerin im selben Schriftsatz rügt, dass die Kosten mit den gängigen Markpreisen nichts mehr zu tun hätten. Danach müsste es aus ihrer Perspektive maßgeblich darauf ankommen, was andere Anbieter für die gleichen oder ähnliche Kostenpositionen berechnen, ohne dass hierzu von ihrer Seite allerdings eine Darlegung erfolgt.
482. Die Rechtssache weist entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe der Klägerin gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.
49OVG NRW, Beschluss vom 15. April 2021 - 15 A 386/20 -, juris Rn. 31.
50Diese Voraussetzungen sind mit Blick auf die unter Ziff. 1 angestellten Erwägungen nicht gegeben, was namentlich für die von der Klägerin in diesem Zusammenhang erneut benannte Norm des § 8a KAG gilt. Denn diese ist, wie ausgeführt, hinsichtlich der von der Klägerin problematisierten Bestimmungen auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar.
513. Ferner ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gegeben. Die Klägerin verweist hierzu erneut auf die Vorschrift des § 8a KAG und wirft die Frage auf, ob die Regelung bei entsprechender Anwendung auf den hier zu entscheidenden Fall dazu führen müsse, dass verschärfte Anforderungen an eine Heilung der zwischen den Beteiligten strittigen Anhörung zu stellen seien. Da die Norm mit Blick auf die einer Anhörungsregelung am nächsten kommende Vorgabe einer verbindlichen Anliegerversammlung nach Absatz 3 vorliegend nicht anwendbar ist, stellt sich die vorgenannte Frage jedoch nicht in entscheidungserheblicher Weise. Im Übrigen hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass gemäß der ausdrücklichen Bestimmung des § 8a Abs. 4 Satz 3 KAG die Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides von der Erfüllung der Pflicht zur Durchführung einer Anliegerversammlung nach Absatz 3 unberührt bleibt.
524. Schließlich kann das Zulassungsbegehren auch nicht mit Erfolg auf § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO - Vorliegen eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruht - gestützt werden.
53Dies gilt zunächst mit Blick auf den gerügten Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, den die Klägerin auf unterlassene Aufklärungsmaßnahmen des Gerichts bezüglich der Frage des Eigentums an den Beleuchtungseinrichtungen, die Nichtberücksichtigung des Flurstücks 585 in der Berechnung des Verteilerwertes, die Frage der Erneuerungsbedürftigkeit der Beleuchtungseinrichtungen und die fehlende Anforderung des Vertrags zwischen der Beklagten und der S. AG stützt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts nämlich grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei nicht förmlich beantragt hat.
54Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 191 m. w. N.
55Solches ist vorliegend nach Maßgabe des Protokolls der mündlichen Verhandlung bezüglich aller vier genannten Gegenstände seitens des dort anwesenden Rechtsanwalts der Klägerin aber unterblieben, ohne dass die Klägerin hinreichende Anhaltspunkte dafür darlegt, dass sich dem Gericht eine weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen.
56Entsprechend greift auch die weitere von der Klägerin in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, das Gericht habe ihr Beweisangebot hinsichtlich des Zustandes der vormaligen Beleuchtungseinrichtungen übergangen, nicht durch. Verfahrensfehlerhaft könnte allenfalls das Übergehen eines förmlichen Beweisantrags sein, der vorliegend aber - wie bereits erläutert - nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung nicht gestellt wurde.
57Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
58Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
59Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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