Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 19 B 712/22
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung teilweise geändert.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt, soweit das Verwaltungsgericht ihm stattgegeben hat.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen in vollem Umfang.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
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Gründe:
2Der Senat entscheidet über die Beschwerde durch den Berichterstatter, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
3Streitgegenstand der Beschwerde des Antragsgegners ist der stattgebende Teil des angefochtenen Beschlusses. Mit diesem Teil hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ‑ sofern eine solche nicht anhängig gemacht wird, längstens bis zum 31. August 2022 ‑ untersagt, nachgeordneten Behörden gegenüber „zu äußern“, dass die von der Antragstellerin ausgestellten Sprachzertifikate in staatsangehörigkeitsrechtlichen Verfahren nicht anerkennungsfähig seien und ausschließlich (gemeint: Sprachzertifikate von) Mitgliedsinstitutionen der Association of Language Testers in Europe (ALTE) anerkennungsfähig seien. Damit hat das Verwaltungsgericht den Anträgen zu 1., Spiegelstriche 1 und 3, aus der Antragsschrift vom 28. Januar 2022 stattgegeben. Hingegen hat es den Antrag auf Untersagung von „Äußerungen“ über ein Fehlen einer hinreichenden Qualitätsüberprüfung und Qualitätskontrolle bei den von der Antragstellerin ausgestellten Sprachzertifikaten (Antrag zu 1, Spiegelstrich 2) sinngemäß abgelehnt mit der Bemerkung, eine solche „Äußerung“ sei dem Antragsgegner weder öffentlich noch intern zuzuordnen (S. 6, letzter Absatz des Beschlusses). Ebenfalls sinngemäß abgelehnt hat es den Antrag auf Untersagung eines öffentlichen Verbreitens der in allen drei Spiegelstrichen genannten „Äußerungen“ (Antrag zu 1, Einleitungssatz) sowie den Antrag auf Widerruf dieser „Äußerungen“ gegenüber anderen Behörden (Antrag zu 2.). Hinsichtlich aller dieser abgelehnten Anträge ist der angefochtene Beschluss rechtskräftig.
4Die Beschwerde des Antragsgegners mit diesem Inhalt ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet.
5Das Verwaltungsgericht hat seine einstweilige Anordnung damit begründet, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Mit dem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch könne sie sich gegen staatliche Maßnahmen wenden, die sie in ihrer grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit verletzten. Der Runderlass „Nachweis der Kenntnisse der deutschen Sprache im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens/Sprachzertifikate von privaten Sprachschulen“ vom 23. April 2019 ‑ Az. 512-40.02.01-5.3 ‑ und die daraus folgende Verwaltungspraxis des Antragsgegners verletzten die Antragstellerin in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG, ohne dass für diesen Eingriff eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage bestehe. Eine gesetzliche Ermächtigung folge insbesondere nicht aus dem Staatsangehörigkeitsgesetz selbst. Dort sei gesetzlich nicht im Ansatz erwähnt, wie Sprachkenntnisse nachzuweisen seien. Sie würden schlicht auf dem Niveau ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache gefordert, die mithin die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen zu erfüllen hätten. Einschränkungen aufgrund bestimmter, vorzulegender Sprachzertifikate oder Nachweismodalitäten von Abschlusstests seien gerade nicht vorgesehen. Eine Eingriffsermächtigung folge auch nicht aus der dem Antragsgegner zugewiesenen Zuständigkeit als oberste Landesbehörde (§ 3 LOG NRW). Grundsätzlich könne Informationshandeln von der bloßen staatlichen Aufgabenwahrnehmung gedeckt sein, auch wenn es mit einer mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung verbunden sei. Die in dem Runderlass vom 23. April 2019 zum Ausdruck kommende Verwaltungstätigkeit des Antragsgegners gehe indes über eine bloße Informationstätigkeit hinaus. Vielmehr finde eine rechtlich (be-)wertende Tätigkeit darüber statt, aufgrund welcher Umstände bestimmte gesetzliche Anforderungen als erfüllt angesehen werden könnten.
6Diese Würdigung zieht der Antragsgegner mit seinem fristgerecht vorgebrachten Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zunächst beschränkt ist, durchgreifend in Zweifel (dazu I.). Die nachfolgende Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO unbegründet ist (dazu II.).
7I. Der Antragsgegner wendet mit Recht ein, dass sich das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MKFFI) als zuständige oberste Landesbehörde im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts mit dem genannten Runderlass und der sonstigen beanstandeten Kommunikation mit den nachgeordneten Behörden gerade in seinem Kompetenzbereich betätige. Es sei Aufgabe der Staatangehörigkeitsbehörden, das Vorliegen der Einbürgerungsvoraussetzungen zu überprüfen, auch der ausreichenden Sprachkenntnisse nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StAG. Dies beinhalte auch die Prüfung, welcher Beweiswert einem vorgelegten Sprachzertifikat beizumessen sei. Damit zeigt er in einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Sätze 4 und 6 VwGO genügenden Weise auf, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage für die beanstandete Weisungspraxis des MKFFI, nicht tragfähig ist (siehe unten II.1).
8II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet. Die Antragstellerin hat die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO).
9Dabei kann dahinstehen, ob die Weisungstätigkeit des MKFFI angesichts der Spielräume, die den nachgeordneten Behörden bei der Bewertung der Sprachzertifikate verbleiben, bereits für sich genommen als Eingriff in subjektive öffentliche Rechte der Antragstellerin eingestuft werden kann. Ein gegen die streitgegenständliche Weisungstätigkeit des MKFFI gerichteter öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch scheidet nach Aktenlage jedenfalls deshalb aus, weil die an den Runderlass vom 23. April 2019 anknüpfende allgemeine Weisung zur Bewertung der Beweiskraft der von der Antragstellerin ausgestellten Sprachzertifikate rechtmäßig ist. Sie findet ihre gesetzliche Grundlage in § 9 Abs. 2 Buchst. a OBG NRW i. V. m. den Befugnissen aus § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG und § 24 Abs. 1 Satz 2, § 26 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW (dazu 1.). Die Weisungspraxis des MKFFI entspricht nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand den gesetzlichen Vorgaben und ist im Hinblick auf eine mögliche Beeinträchtigung der Berufsfreiheit der Antragstellerin auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt (dazu 2.).
101. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts beruht die von der Antragstellerin beanstandete Verwaltungstätigkeit des Antragsgegners sowohl materiell-rechtlich als auch verwaltungsverfahrensrechtlich auf hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlagen. Materiell-rechtlich ergibt sich die gesetzliche Grundlage für die Prüfung ausreichender Sprachkenntnisse eines Einbürgerungsbewerbers aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 StAG (dazu a). Verwaltungsverfahrensrechtlich ergibt sich die gesetzliche Grundlage für Sachverhaltsermittlungen betreffend diese materielle Einbürgerungsvoraussetzung aus § 24 Abs. 1 Satz 2, § 26 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW (dazu b). Das MKFFI kann dabei nach § 9 Abs. 2 Buchst. a OBG NRW als oberste Aufsichtsbehörde allgemeine Weisungen zur Bewertung der Sprachzertifikate eines bestimmten Prüfungsanbieters erteilen (dazu c).
11a) Materiell-rechtliche Rechtsgrundlage für die Prüfung ausreichender Sprachkenntnisse eines Einbürgerungsbewerbers ist § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 StAG. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StAG ist ein Ausländer auf Antrag einzubürgern, wenn er ‑ neben den weiteren Voraussetzungen des Satzes 1 ‑ über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Diese Voraussetzungen liegen nach § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Der gleiche Maßstab gilt nach § 9 Abs. 1 StAG für die Ehegatteneinbürgerung und ist gemäß Nr. 8.1.2.1.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 1. Juni 2015 (VAH-StAG) in der Regel auch bei der Prüfung der Sprachkenntnisse im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG anzulegen.
12Die Erfüllung dieser Anforderungen kann in der Regel durch die Ablegung einer Sprachprüfung und die Vorlage des hierüber ausgestellten Zertifikats nachgewiesen werden. Doch kann die Beweiskraft eines Sprachzertifikats aus verschiedenen Gründen eingeschränkt sein, zum Beispiel wenn eine Sprachschule in der Vergangenheit manipulierte Sprachzertifikate ausgestellt hat oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass nach Zertifikatsausstellung ein entscheidungserheblicher Sprachverlust eingetreten sein könnte. Umgekehrt können die erforderlichen Sprachkenntnisse auch auf andere Weise als durch ein Sprachzertifikat nachgewiesen werden. Einbürgerungsvoraussetzung ist das Vorhandensein ausreichender Sprachkenntnisse, nicht die Vorlage eines Sprachzertifikats. Das Sprachzertifikat dient lediglich dem Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 StAG.
13Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. November 2013 - 19 E 1061/13 -, juris, Rn. 3, und vom 8. Oktober 2013 - 19 E 919/13 -, juris, Rn. 2; ausführlich Marx, in: Berlit, Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsgesetz, Stand: 38. Aktualisierungslieferung September 2021, § 10 StAG Rn. 315 ff. m. w. N.
14§ 10 Abs. 4 StAG enthält keine Vorgaben dazu, wie eine Sprachprüfung ausgestaltet sein muss, um als „Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen“ angesehen werden zu können. § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG ist durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (4. StAGÄndG) vom 12. August 2021 (BGBl. I S. 3538) mit Wirkung vom 20. August 2021 geändert worden. In § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG in der bis zum 19. August 2021 geltenden Fassung wurde noch auf die „Anforderungen der Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch (B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen) in mündlicher und schriftlicher Form“ Bezug genommen. Dies erlaubte den Rückschluss, dass der Gesetzgeber auf die Bewertungsmaßstäbe abstellen wollte, die nach der u. a. vom Goethe-Institut und der telc gGmbH erarbeiteten Konzeption des Zertifikats Deutsch B1 für dessen Erwerb angelegt wurden.
15Ausführlich OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2020 - 19 A 2379/18 -, juris, Rn. 39 ff.
16Dieser Auslegung wollte der Gesetzgeber mit der Änderung des § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich entgegentreten.
17Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 249/21, S. 16 f.
18Der Gesetzgeber hat dabei aber nicht geregelt, welche Anforderungen nunmehr an eine Sprachprüfung im Sinn des § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG zu stellen sind. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich jedenfalls, dass ausreichend sein soll, wenn in dem in der Integrationskurstestverordnung (IntTestV) geregelten Deutsch-Test für Zuwanderer nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Integrationskursverordnung (IntV) die Kompetenzstufe B 1 erreicht wird. Nach der Gesetzesbegründung soll die neue Formulierung inhaltlich den Regelungen im Aufenthaltsrecht entsprechen und sicherstellen, dass eine einheitliche Anwendung erfolgt.
19Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 249/21, S. 17.
20Dies spricht dafür, dass mit der Gesetzesänderung nicht auf jegliche Qualitätsstandards verzichtet, sondern lediglich klargestellt werden sollte, dass die in § 10 Abs. 1 IntTestV geregelte Abweichung von den Bewertungsmaßstäben der Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch,
21vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2020, a. a. O., Rn. 56 ff.,
22auch für den Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse im Sinn des § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG gilt.
23b) Der Umstand, dass im Gesetz nicht festgelegt ist, in welcher Form die geforderten Sprachkenntnisse nachzuweisen sind, rechtfertigt mit anderen Worten nicht den Schluss, dass jedes vorgelegte Dokument als Nachweis zu akzeptieren ist. Die Einbürgerungsbehörde hat vielmehr Art und Umfang ihrer Sachverhaltsermittlungen gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2, § 26 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen und kann den Einbürgerungsbewerber bei Bedarf nach § 37 Abs. 1 Satz 2 StAG i. V. m. § 82 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zur Vorlage aussagekräftiger Nachweise auffordern.
24Vgl. allgemein zum Verfahrensermessen bei der Amtsermittlung: Schneider, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 2. Aktualisierungslieferung April 2022, VwVfG § 24 Rn. 130 f.; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 24 Rn. 26 ff. m. w. N.
25Maßgeblich ist demnach, ob das vorgelegte Sprachzertifikat einen überzeugenden Beleg dafür liefert, dass die Sprachkenntnisse des Einbürgerungsbewerbers der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen, so dass auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung verzichtet werden kann.
26Die Integrationskurstestverordnung enthält detaillierte Vorgaben zur Ausgestaltung der Sprachprüfung, zum Beispiel zu Prüfungsumfang und -dauer (§ 3 IntTestV), zur Überprüfung der Identität (§ 6 IntTestV) und zur Aufsicht (§ 7 IntTestV). Die Sprachprüfung kann nur bei den nach § 20a Abs. 1 IntV vom BAMF zugelassenen Prüfungsstellen durchgeführt werden. Dabei prüft das BAMF, ob die Kursträger zuverlässig und leistungsfähig sind und die Prüfungssicherheit gewährleisten, § 20a Abs. 1 Satz 2 IntV. Dem Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG lässt sich aber nicht entnehmen, dass auch die für die Einbürgerung erforderlichen Sprachkenntnisse nunmehr nur noch durch eine bei einer nach § 20a Abs. 1 IntV vom BAMF zugelassenen Prüfungsstelle abgelegten Sprachprüfung nachgewiesen werden können. Wenn ein Sprachzertifikat von einem anderen Prüfungsanbieter vorgelegt wird, dürfen die Einbürgerungsbehörden dies daher nicht pauschal zurückweisen, sondern müssen in jedem Einzelfall prüfen, ob das vorgelegte Sprachzertifikat einen überzeugenden Beleg dafür liefert, dass die Sprachkenntnisse des Einbürgerungsbewerbers der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen, oder eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich ist.
27c) Das MKFFI kann dabei nach § 9 Abs. 2 Buchstabe a OBG NRW als oberste Aufsichtsbehörde allgemeine Weisungen zur Bewertung der Sprachzertifikate eines bestimmten Prüfungsanbieters erteilen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts benötigt das MKFFI für den genannten Runderlass vom 23. April 2019 und vergleichbare Äußerungen gegenüber nachgeordneten Behörden keine darüber hinausgehende, besondere „Ermächtigungsgrundlage“ für „staatliches Informationshandeln“.
28Die Weisungsbefugnis der Fachaufsichtsbehörden ist ein Grundprinzip der Verwaltungsorganisation und ergibt sich hier aus § 9 Abs. 2 Buchstabe a OBG NRW. Einbürgerungsbehörden sind nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten vom 3. Juni 2008 (GV. NRW. S. 468) die Ordnungsbehörden der kreisfreien Städte, die örtlichen Ordnungsbehörden der Großen kreisangehörigen Städte und im Übrigen die Kreisordnungsbehörden. Das MKFFI ist die nach § 7 Abs. 3 OBG NRW zuständige oberste Aufsichtsbehörde. Nach § 9 Abs. 2 Buchstabe a OBG NRW dürfen die Aufsichtsbehörden zur zweckmäßigen Erfüllung der ordnungsbehördlichen Aufgaben allgemeine Weisungen erteilen, um die gleichmäßige Durchführung der Aufgaben zu sichern. Darunter fallen sowohl der genannte Runderlass vom 23. April 2019 als auch etwaige Hinweise auf den Inhalt des Runderlasses bei Nachfragen im Einzelfall. Dass sich die Aufsichtsbehörden jederzeit über die Angelegenheiten der Ordnungsbehörden unterrichten können, ist ebenfalls ein zwingender Bestandteil der Fachaufsicht und ausdrücklich in § 8 OBG NRW geregelt.
292. Die Weisungspraxis des MKFFI zur Bewertung der Sprachzertifikate der Antragstellerin ist nach Aktenlage rechtmäßig. Das MKFFI hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass die Qualität einer Sprachprüfung grundsätzlich nicht hinreichend sichergestellt ist, wenn das Prüfungsangebot nicht durch die ALTE oder in vergleichbarer Form geprüft wurde und nur eine Online-Sprachprüfung über das Internet abgelegt wird (dazu a). Nach den vorliegenden Erkenntnissen gewährleistet die von der Antragstellerin vorgelegte Zertifizierung ihres Prüfungsangebots keine hinreichende Qualitätskontrolle (dazu b). Unabhängig davon hat die Antragstellerin auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie die gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse mit den von ihr angebotenen Sprachprüfungen ebenso verlässlich feststellt wie die Sprachschulen, deren Prüfungsqualität von der ALTE bestätigt wurde und deren Sprachprüfungen zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil als Präsenzprüfung durchgeführt werden (dazu c).
30a) Nach den Vorgaben des MKFFI kann der Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 StAG auch durch Sprachzertifikate von privaten Sprachschulen erbracht werden, wenn die Qualität der Sprachprüfungen hinreichend sichergestellt ist. Das MKFFI hat weiter festgestellt, dass die Qualität der Sprachprüfungen der Antragstellerin derzeit nicht hinreichend sichergestellt ist, weil das Prüfungsangebot nicht durch die ALTE oder in vergleichbarer Form geprüft wurde und nur eine Online-Sprachprüfung über das Internet abgelegt wird. Das MKFFI hat keine Vorgaben zum weiteren Vorgehen gemacht, wenn nur ein von der Antragstellerin ausgestelltes Sprachzertifikat vorgelegt wird. Es bleibt danach den Einbürgerungsbehörden überlassen, in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden, um festzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber über die gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse verfügt.
31Das Verwaltungsgericht ist bei seiner Prüfung von einer Verwaltungspraxis des MKFFI ausgegangen, die nach den vorliegenden Erkenntnissen den Inhalt der Weisungstätigkeit des MKFFI nicht vollständig zutreffend erfasst. Maßgeblich ist insoweit nicht allein die Formulierung des Runderlasses 23. April 2019, sondern auch die tatsächliche Handhabung in der Praxis, wie sie sich nach den diesbezüglichen Erläuterungen des MKFFI im gerichtlichen Verfahren und in dem an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gerichteten Schreiben vom 28. Januar 2022 darstellt.
32Danach gibt das MKFFI den nachgeordneten Behörden - wie das Verwaltungsgericht im Ausgang zutreffend angenommen hat - vor, die von der Antragstellerin ausgestellten Sprachzertifikate in Einbürgerungsverfahren nicht als Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 StAG anzuerkennen. Das MKFFI weist die nachgeordneten Behörden jedoch nicht an, ausschließlich Sprachzertifikate von Mitgliedsinstitutionen der ALTE anzuerkennen.
33Eine derartige Aussage findet sich weder in dem Runderlass vom 23. April 2019 noch in dem genannten Schreiben vom 28. Januar 2022. Das MKFFI hat in dem Schreiben vom 28. Januar 2022 und im gerichtlichen Verfahren ausdrücklich erklärt, dass die Sprachzertifikate der Antragstellerin wegen der nicht durchführbaren Qualitätskontrolle sowie wegen nicht ausreichend abgesicherter Online-Prüfungen nicht anerkannt werden könnten. Die unzureichende Qualitätskontrolle hat es hingegen nicht pauschal mit der fehlenden ALTE-Akkreditierung begründet, sondern im Einzelnen dargelegt, warum die Zertifizierung durch die DeuZert GmbH nicht gleichwertig sei. Diese einzelfallbezogene Würdigung entspricht den konkreten Aussagen in dem Runderlass vom 23. April 2019, dass für die Anerkennung von Sprachzertifikaten vorausgesetzt werde, dass der Sprachtest einer Qualitätsüberprüfung und Qualitätskontrolle unterliege, damit eine einheitliche und objektive Messung der Sprachkompetenz gewährleistet werde, und dass außerhalb von standardisierten Prüfungsformaten ausgestellte Sprachzertifikate nicht geeignet seien, die für die Einbürgerung vorausgesetzten Sprachkenntnisse nachzuweisen.
34Nach den Vorgaben des MKFFI sollen die von Mitgliedsinstitutionen der ALTE vergebenen Sprachzertifikate grundsätzlich als Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 StAG anerkannt werden. Nach den Erläuterungen des MKFFI im Schreiben vom 28. Januar 2022 und im gerichtlichen Verfahren bedeutet das aber umgekehrt nicht, dass die Sprachzertifikate der Antragstellerin nicht ebenfalls als ausreichender Nachweis anerkannt werden können, wenn die Qualität ihrer Sprachprüfungen in anderer Form sichergestellt ist und die Prüfungen nicht als Online-Prüfungen durchgeführt werden. In dem Schreiben vom 28. Januar 2022 hat das MKFFI auch noch einmal ausdrücklich klargestellt und erläutert, dass immer maßgeblich sei, dass die einbürgerungsinteressierte Person zum Zeitpunkt der Einbürgerung tatsächlich über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfüge, und von einem Sprachtest abgesehen werden könne, wenn der Einbürgerungsbewerber nach der in einem persönlichen Gespräch gewonnenen Überzeugung der Einbürgerungsbehörde offensichtlich über die geforderten Sprachkenntnisse verfüge. Dies steht im Einklang mit Nr. 10.1.1.6 VAH-StAG und macht ebenfalls deutlich, dass es nicht der Weisungspraxis des MKFFI entspricht, dass der Nachweis der geforderten Sprachkenntnisse nur mit einem von einer Mitgliedsinstitution der ALTE ausgestellten Sprachzertifikat erbracht werden kann.
35Für die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners, gegenüber nachgeordneten Behörden nicht zu äußern, dass ausschließlich (Sprachzertifikate von) Mitgliedsinstitutionen der ALTE anerkennungsfähig seien, fehlt es danach schon deshalb an einer rechtlichen Grundlage, weil das MKFFI nach den vorliegenden Erkenntnissen keine Weisungen dieses Inhalts an nachgeordnete Behörden ausspricht.
36Dagegen ist es nach dem materiell-rechtlichen Maßstab des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 StAG und den verfahrensrechtlichen Vorgaben der §§ 24, 26 VwVfG NRW rechtlich nicht zu beanstanden, nur dann von einer weiteren Sachverhaltsermittlung in Bezug auf die Sprachkenntnisse eines Einbürgerungsbewerbers abzusehen, wenn ein Sprachzertifikat eines Prüfungsanbieters vorgelegt wird, dessen Prüfungsqualität in besonderer Weise sichergestellt ist. Diese Differenzierung ist weder willkürlich noch greift sie in unverhältnismäßiger Weise in subjektive öffentliche Rechte der Einbürgerungsbewerber oder der Sprachprüfungsanbieter ein. Insbesondere muss kein Sprachprüfungsanbieter Mitglied der ALTE werden, um Sprachzertifikate ausstellen zu können, die im Einbürgerungsverfahren als ausreichender Nachweis für die von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 StAG geforderten Sprachkenntnisse anerkannt werden, sondern steht es ihm frei, die Qualität seiner Sprachprüfungen in anderer, aber vergleichbarer Form überprüfen zu lassen.
37Auch der generelle Ausschluss von Online-Sprachprüfungen ist sachgerecht, um sicherzustellen, dass die bescheinigten Sprachkenntnisse mit den tatsächlichen Sprachkenntnissen des Einbürgerungsbewerbers übereinstimmen. Der Antragsgegner hat im Einzelnen dargelegt, dass er reinen Online-Prüfungen einen geringeren Beweiswert beimesse, weil sowohl die Prüfung der Sprachkompetenzen als auch die Feststellung der Identität der Prüfungsteilnehmenden schwieriger sei als bei Präsenzprüfungen. Auch diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist wiederum, ob das vorgelegte Sprachzertifikat einen derart überzeugenden Nachweis für die gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse des Einbürgerungsbewerbers darstellt, dass auf eine weitere Sachverhaltsprüfung verzichtet werden kann. Dies rechtfertigt es, besondere Anforderungen an das Prüfungsverfahren zu stellen. Eine Pflicht, das Ergebnis einer reinen Online-Sprachprüfung als ausreichenden Nachweis anzusehen, lässt sich aus § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG nicht ableiten. Im Gegenteil setzt auch der in der Gesetzesbegründung zum 4. StAGÄndG ausdrücklich genannte Deutsch-Test für Zuwanderer nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntV eine Präsenzprüfung voraus. Der Verordnungsgeber hat für den Deutsch-Test für Zuwanderer in § 6 und § 7 IntTestV besondere Regelungen zur Überprüfung der Identität und zur Aufsicht getroffen, die bei einer Online-Prüfung nicht erfüllt werden können. Auch wenn der Gesetzgeber in § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG nicht geregelt hat, welche Anforderungen nunmehr an die erforderliche Sprachprüfung zu stellen sind, können sich die Einbürgerungsbehörden bei der nach §§ 24, 26 VwVfG NRW vorzunehmenden Sachverhaltsermittlung daran orientieren.
38Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin liegt darin kein mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbarer Eingriff in ihr Grundrecht der Berufsfreiheit. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob die eingeschränkte Verwendbarkeit der von ihr ausgestellten Sprachzertifikate in Einbürgerungsverfahren den Schutzbereich ihrer Berufsfreiheit berührt. Die Antragstellerin kann weiterhin Online-Sprachprüfungen anbieten; die eingeschränkte Verwendbarkeit ihrer Sprachzertifikate verringert letztlich nur ihre Erwerbsmöglichkeiten. Regelungen, die die Wettbewerbssituation der Unternehmen lediglich im Wege faktisch-mittelbarer Auswirkungen beeinflussen, berühren den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht. Die Grundrechtsbindung aus Art. 12 Abs. 1 GG besteht jedoch dann, wenn Normen, die zwar selbst die Berufstätigkeit nicht unmittelbar berühren, aber Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern, in ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen, die mittelbaren Folgen also kein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind.
39Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 -, BVerfGE 148, 40, juris, Rn. 27 f. m. w. N.
40Selbst wenn man hier ein derartiges funktionales Äquivalent annimmt, berührt dies nur die Art und Weise der Berufsausübung der Antragstellerin und ist jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Um den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen zu können, genügt es, wenn die vom Gesetzgeber verfolgten Gemeinwohlziele auf vernünftigen Erwägungen beruhen und der Eingriff geeignet, erforderlich und angemessen ist, um den vom Gesetzgeber erstrebten Zweck zu erreichen.
41Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 2016 - 1 BvL 6/13 -, BVerfGE 141, 82, juris, Rn. 52 f. m. w. N.
42Die Einbürgerungsvoraussetzung der ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache im Sinn von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 StAG dient dem verfassungsrechtlich legitimen Ziel, die Grundlage für eine vertiefte gesellschaftliche Integration der Einbürgerungsbewerber sicherzustellen.
43Vgl. Marx, a. a. O., § 10 StAG Rn. 309 f. m. w. N.
44Dies erfordert eine belastbare Feststellung der tatsächlich vorhandenen Sprachkenntnisse. Eine reine Online-Prüfung ist dazu nicht in gleicher Weise geeignet wie eine Präsenzprüfung, weil sowohl die Interaktion mit dem Prüfling als auch die Prüfungsaufsicht erschwert sind. Aus diesem Grund sind nicht nur die ausdrücklichen Regelungen der Integrationskurstestverordnung gerechtfertigt, sondern auch entsprechende Anforderungen an den Nachweis der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 StAG geforderten Sprachkenntnisse. Die Sprachschulen werden durch die eingeschränkte Verwendbarkeit der von ihr ausgestellten Sprachzertifikate im Einbürgerungsverfahren demgegenüber nicht unzumutbar belastet, weil ihre Sprachzertifikate weiterhin für andere Zwecke verwendet werden können und sie ihr Prüfungsverfahren anpassen können, wenn ihre Sprachzertifikate als vollständiger Nachweis der für die Einbürgerung erforderlichen Sprachkenntnisse anerkannt werden sollen.
45b) Die konkrete Bewertung des MKFFI, dass den von der Antragstellerin ausgestellten Sprachzertifikaten nur ein eingeschränkter Beweiswert beizumessen sei, weil die Qualität der Sprachprüfungen nicht hinreichend sichergestellt sei und die Sprachprüfungen als reine Online-Prüfungen durchgeführt würden, entspricht diesen allgemeinen Maßstäben.
46Diese Bewertung der Sprachzertifikate der Antragstellerin ist nach den vom MKFFI für die Ermittlung der Sprachkenntnisse eines Einbürgerungsbewerbers allgemein zugrunde gelegten Maßstäben schon deshalb gerechtfertigt, weil die Antragstellerin nur reine Online-Sprachprüfungen durchführt.
47Aber auch die fehlende Qualitätskontrolle ist nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen ein sachlicher Grund, den von der Antragstellerin ausgestellten Sprachzertifikaten einen geringeren Beweiswert beizumessen.
48Der Antragsgegner hat im Einzelnen vorgetragen, aus welchen Gründen er die Qualität einer Sprachprüfung als gewährleistet ansieht, wenn der Prüfungsanbieter Mitglied der ALTE sei und eine Akkreditierung durch die ALTE vorliege. So werde die Verlässlichkeit und Aussagekraft der auf die Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen bezogenen Sprachzertifikate in einem aufwendigen, mehrjährigen und mehrere Ebenen umfassenden Akkreditierungsverfahren überprüft und einem Expertengremium zur Abstimmung vorgelegt. Mindestens eine standardisierte Prüfung eines Bewerbers werde von einem ALTE-Mitglied auditiert, deren Prüfungssprache nicht die Landessprache des prüfenden ALTE-Mitgliedes sei. Im Rahmen dieser Auditierung werde ein umfangreicher Auditbericht in englischer Sprache verfasst und dem ALTE-Kuratorium vorgelegt, das dann entscheide, ob die ALTE-Vollmitgliedschaft den Qualitätsanforderungen der ALTE für Sprachprüfungen genüge bzw. ob die Vollmitgliedschaft verlängert werden könne oder nicht. Die Antragstellerin hat dem lediglich pauschal entgegengehalten, dass die ALTE-Mitgliedschaft keinen verlässlichen Nachweis für die Qualität einzelner Sprachzertifikate biete, aber die Einzelangaben des Antragsgegners nicht substantiiert in Frage gestellt.
49Eine vergleichbare Qualitätsprüfung hat bei der Antragstellerin auch nach ihren eigenen Angaben nicht stattgefunden. Die Antragstellerin verweist insoweit allein auf die von der DeuZert GmbH ausgestellte Zertifizierung nach der ISO-Norm 29992. Die ISO-Norm 29992 ist aber weder in besonderer Weise auf die Qualitätsprüfung von Sprachprüfungen ausgerichtet noch ist vorgesehen, dass ein Expertengremium über die Zertifizierung zu entscheiden hat und ein Prüfbericht eines anderen Sprachprüfungsanbieters einzuholen ist. Das Zertifizierungsverfahren durch die DeuZert GmbH und die Qualifikation und Anzahl der daran beteiligten Prüfer hat die Antragstellerin nicht erläutert. In dem von der DeuZert GmbH selbst angefertigten „Äquivalenzgutachten“ vom 12. Januar 2022 wird in keiner Weise erklärt, auf welche Art und Weise geprüft wurde, ob die Prüfungsaufgaben und die Bewertung der Prüfungsergebnisse mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen übereinstimmen, auf den § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG ausdrücklich Bezug nimmt. Auf Seite 7 dieses Gutachtens heißt es insoweit lediglich pauschal, die Anforderungen der ALTE-Akkreditierung ließen sich bei der Zertifizierung nach der ISO 29992 „durch ein angemessenes methodisches Vorgehen äquivalent widerspiegeln“.
50c) Unabhängig davon kann vorliegend sogar dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen gegebenenfalls im Einzelfall von diesen allgemeinen Vorgaben zur Bewertung der Beweiskraft von Sprachzertifikaten abzuweichen sein kann und ob die Weisungspraxis des MKFFI dafür Raum lässt. Denn die Antragstellerin hat auch im Übrigen nicht glaubhaft gemacht, dass sie die gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse mit den von ihr angebotenen Sprachprüfungen ebenso verlässlich feststellt wie die Sprachschulen, deren Prüfungsqualität von der ALTE bestätigt wurde und deren Sprachprüfungen zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil als Präsenzprüfung durchgeführt werden.
51Die Antragstellerin hat im gesamten Verfahren lediglich auf die Zertifizierung durch die DeuZert GmbH verwiesen, aber keine näheren Angaben zu Entwicklung und Inhalt der Prüfungsaufgaben, zu Auswahl und Qualifikation der Prüfer, zum Ablauf des Prüfungsverfahrens oder zur Bewertung der Prüfungsergebnisse gemacht, die den Einbürgerungsbehörden unter Umständen erlauben könnten, die Qualität der angebotenen Sprachprüfungen eigenständig zu überprüfen.
52Nähere Angaben hat die Antragstellerin lediglich dazu gemacht, auf welche Art und Weise sie die Identität der Prüflinge überprüft und die Prüflinge bei der Prüfung beaufsichtigt. Sie hat vorgetragen, vor der Prüfung sei ein amtliches Ausweisdokument sowie ein „Selfie“ zur Terminbuchung hochzuladen. Die Prüfung beginne erst, wenn der Prüfer sich zweifelsfrei der Identität der Person vergewissert habe; sie könne jederzeit aufgefordert werden, einen Lichtbildausweis vorzuzeigen, so dass Namen, persönliche Angaben und Merkmale durch Fernidentifikation durchgeführt werden könnten. Das Smartphone werde als zweite Kamera zu Überwachungszwecken genutzt, um zusätzlich neben der Frontansicht Hände und Monitor des Prüfungsteilnehmers von hinten zu beobachten.
53Damit ist eine gegenüber einer Präsenzprüfung gleichwertige Identitätsfeststellung und Aufsichtsführung weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Bei einer nur mittels Kameraaufnahmen durchgeführten Sichtkontrolle des Lichtbildausweises kann die Übereinstimmung des Lichtbilds mit dem Prüfling nicht in gleicher Weise sicher festgestellt werden wie bei einer unmittelbaren Inaugenscheinnahme. Ebenso kann die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel durch eine vom Prüfling selbst aufgestellte Smartphone-Kamera, die nicht in der Lage ist, den gesamten Raum zu erfassen, nicht in gleicher Weise ausgeschlossen werden wie durch eine im Prüfungsraum anwesende Aufsichtsperson.
5455
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG und folgt der Streitwertfestsetzung in der ersten Instanz, die das wirtschaftliche Interesse der gewerblich tätigen Antragstellerin in Anlehnung an Nr. 15.4 des Streitwertkatalogs 2013 (NWVBl. 2014, Heft 1, Sonderbeilage, S. 7) insgesamt mit 15.000,00 Euro bewertet und für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den halben Betrag angesetzt hat. Der geringere Streitwert im Beschwerdeverfahren entspricht dem reduzierten Streitgegenstand. Dabei misst der Senat dem gegen die Weisungen an nachgeordnete Behörden gerichteten Antrag das gleiche Gewicht bei wie den Anträgen, die sich auf die öffentliche Verbreitung von Äußerungen und auf den Widerruf der gegenüber nachgeordneten Behörden getätigten Äußerungen beziehen. Dem gegen Äußerungen des Antragsgegners zur Qualitätsüberprüfung der von der Antragstellerin ausgestellten Sprachzertifikate gerichteten Antrag kommt daneben kein eigenes Gewicht dazu, weil die vom Verwaltungsgericht zu Unrecht beanstandete Weisung des MKFFI wie gezeigt maßgeblich auf der Bewertung beruht, dass die Qualität der Sprachprüfungen der Antragstellerin nicht sichergestellt ist.
57Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
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Referenzen
- 19 A 2379/18 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvL 6/13 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 26 Beweismittel 1x
- 1 BvF 1/13 1x (nicht zugeordnet)
- 19 E 919/13 1x (nicht zugeordnet)
- 19 E 1061/13 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 24 Untersuchungsgrundsatz 1x