Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 A 1795/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 50.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.
31. Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
4Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Bescheid des BfArM vom 30. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2018, mit dem festgestellt worden ist, dass es sich bei dem Produkt „T. der T1. C. T2. “ um ein Medizinprodukt handelt, sei rechtmäßig. Denn das Solewasser erreiche seine Wirkung insbesondere bei degenerativen und funktionellen Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankungen, entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sowie zur Behandlung von Atemwegs- und peripheren arteriellen Verschlusskrankheiten primär auf physikalischem bzw. mechanischem Weg. Die medizinische Zweckbestimmung werde demgegenüber nicht primär durch einen pharmakologischen bzw. metabolischen Wirkmechanismus ausgelöst. Eine primär pharmakologische bzw. metabolische Wirkweise werde insbesondere durch die von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Prof. Dr. H. nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen.
5Diese Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die bestimmungsgemäße Wirkung der streitgegenständlichen T. primär auf physikalischem bzw. mechanischem und nicht primär auf pharmakologischem oder metabolischem Weg erreicht wird, wird durch das Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
6a. Die Einwände der Klägerin, die kohlensäurehaltige T. ‑ gemeint sind wohl die Heilwässer aus den Heilquellen „Solebohrung 14“ und „Solebohrung 18“ ‑ werde definitionsgemäß im oder am menschlichen Körper arzneilich angewendet und Ziel und Wille des Herstellers sei eine arzneiliche Anwendung, greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es für die Abgrenzung von stofflichen Medizinprodukten und Arzneimitteln maßgeblich auf die bestimmungsgemäße Hauptwirkung des Produkts ankommt. Dass das Produkt am menschlichen Körper angewendet wird und mit welchem Ziel und Willen des Herstellers dies geschieht, ist für die Abgrenzung hingegen nicht entscheidend.
7b. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die bestimmungsgemäße Hauptwirkung der kohlensäurehaltigen T. nicht physikalisch, sondern ‑ im Sinne der vom Verwaltungsgericht zutreffend unter Rückgriff auf die sog. „Borderline-Leitlinie“ gegebenen Begriffsbestimmungen,
8vgl. dazu auch OVG NRW, Urteil vom 30. August 2022 ‑ 9 A 1294/17 ‑, juris Rn. 50 ff., ‑
9pharmakologisch bzw. metabolisch ist.
10Die Klägerin führt in der Zulassungsbegründung selbst aus, dass die kohlensäurehaltige T. „zweifellos auch“ physikalische Wirkungen habe. Davon ausgehend, legt sie aber nicht in Auseinandersetzung mit der Auffassung des Verwaltungsgerichts zur Wirkung des in der T. enthaltenen CO2 dar, dass und warum eine (etwaige) pharmakologische Wirkung gleichwohl die bestimmungsgemäße Hauptwirkung sein soll.
11Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass zwischen den Beteiligten zwar unstreitig sein dürfte, dass das Kohlenstoffdioxid eine irgendwie geartete Wirkung auf die glatten Muskelzellen der Gefäßwand habe, was u. a. zu einem gesteigerten Blutfluss führen solle. Welcher pharmakologische bzw. metabolische Wirkmechanismus hierfür ursächlich sein solle, werde in dem Gutachten des Prof. Dr. H. vom 25. Januar 2019 jedoch nicht ausreichend beschrieben und habe auch in der mündlichen Verhandlung nicht nachvollziehbar dargelegt werden können. Für einen pharmakologischen Wirkmechanismus könne zwar die in der Wissenschaft beschriebene Dosis-Wirkungs-Relation sprechen. Dies allein sei jedoch nicht ausreichend, um eine arzneiliche Wirkung der T. zu belegen. Im Übrigen bleibe auch unklar, ob die durch das Kohlenstoffdioxid vermutlich ausgelösten Effekte die Hauptwirkungsweise darstellten, oder ob das Kohlenstoffdioxid insoweit nur eine unterstützende Wirkung entfalte. Dabei sei einerseits zu berücksichtigen, dass das Kohlenstoffdioxid nicht bei allen von der Klägerin in Anspruch genommenen Indikationen wirken solle. Andererseits führten auch Wärme und Druck zu einer Erweiterung der Gefäße und einer Umverteilung des Blutvolumens, so dass die klinischen Effekte auch hierauf zurückzuführen sein könnten.
12Mit diesen Erwägungen setzt sich die Zulassungsbegründung nicht substantiiert auseinander. Der Hinweis auf die „wissenschaftlich international abgesichert(e)“ „arzneiliche Wirkung“ von „CO2 Gehalten von über 400 mg/l“ geht an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorbei. Das Verwaltungsgericht hat weder die therapeutische Wirksamkeit eines Solebades verneint noch grundsätzlich die Möglichkeit einer (auch) pharmakologischen Wirkung von CO2-haltiger T. ausgeschlossen. Zu dem Argument des Verwaltungsgerichts, es fehle an der Beschreibung des ursächlichen Wirkmechanismus, verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht. Es zeigt auch keine Anhaltspunkte dafür auf, dass eine (mögliche) pharmakologische Wirkung die bestimmungsgemäße Hauptwirkung der streitgegenständlichen T. sein könnte und nicht die ‑ auch nach dem Vorbringen der Klägerin unstreitig vorhandene ‑ physikalische Wirkung, etwa durch Auftrieb und Wassertemperatur, die, so das Verwaltungsgericht, ebenfalls zu einer Erweiterung der Gefäße und einer Umverteilung des Blutvolumens führe. In diesem Zusammenhang fehlt es auch an einer Auseinandersetzung mit dem Argument des Verwaltungsgerichts, dass dem Kohlenstoffdioxid bei einigen von der Klägerin in Anspruch genommenen Indikationen offenbar gar keine Wirkung zukomme.
13Das weitere Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe Sachvortrag der Klägerin „in Bezug auf weitere besondere Wirkungen“ übergangen, und der darauffolgende Hinweis auf Therapieerfolge durch serielle Anwendung (der Solebäder), ist nicht nachvollziehbar. Diese Ausführungen, mit denen offenbar die therapeutische Wirksamkeit von Solebädern angesprochen wird, lassen keinen Zusammenhang zu der Frage nach der bestimmungsgemäßen Hauptwirkung der streitgegenständlichen T. erkennen. Insbesondere ergibt sich daraus nichts für eine etwaige pharmakologische oder metabolische Hauptwirkung der T. .
14c. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Klägerin, in der Therapie-Wanne spiele der immer wieder angeführte Auftrieb wegen der geringen Wassertiefe keine große Rolle und die Temperatur des Bades müsse wegen der begrenzten Löslichkeit des CO2 im Wasser in engen Grenzen bleiben. Die physikalische Wirkung der T. durch hydrostatischen Druck, Auftrieb und Wärme wird damit nicht in Frage gestellt. Ebenso wenig ergeben sich aus den genannten Umständen ‑ unter Berücksichtigung der oben unter b. gemachten Ausführungen ‑ Anhaltspunkte für eine pharmakologische oder metabolische Hauptwirkung der kohlesäurehaltigen T. . Dass der Kohlesäuregehalt des Wassers im C. nicht die „Wirkschwelle“ erreiche und deshalb nicht von einer (auch möglichen) pharmakologischen Wirkung auszugehen wäre, hat das Verwaltungsgericht nicht angenommen.
152. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
16Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im betreffenden Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
17Ausgehend hiervon zeigt die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht auf. Es fehlt bereits an der Formulierung einer entsprechenden Rechts- oder Tatsachenfrage. Dem Vorbringen, das vorliegende Verfahren sei „von grundsätzlicher Bedeutung für die deutschen Kurorte und Heilbäder“, lässt sich eine klärungsbedürfte Frage auch nicht sinngemäß entnehmen. Entsprechendes gilt für das weitere Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe sich nicht, wozu es aber gehalten gewesen wäre, „mit den besonderen Therapien der Balneologie, und hier auch des CO2“, konkret und entscheidungserheblich auseinandergesetzt. Abgesehen davon trifft dieses Vorbringen nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat sich ausführlich unter Berücksichtigung des Gutachtens vom 25. Januar 2019 mit der Wirkung des CO2 auseinandergesetzt. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang schließlich meint, bei einer Einstufung der streitgegenständlichen T. als Medizinprodukt könnten „Anwendungen arzneilicher Art“, bei denen es sich um natürliche nebenwirkungsfreie nachhaltige Therapien handele, in Zukunft nicht mehr angeboten werden, sei darauf hingewiesen, dass es ihr unbenommen bleibt, ihr Produkt als Medizinprodukt zertifizieren zu lassen. Eine über den vorliegenden Einzelfall hinaus klärungsfähige und ‑bedürftige Frage lässt sich auch den Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung in der weiteren ‑ ohnehin nach Fristablauf eingegangenen ‑ Antragsbegründung vom 18. März 2022 nicht entnehmen.
183. Schließlich legt die Klägerin nicht dar, dass das angefochtene Urteil im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO auf einem Verfahrensfehler beruht.
19Die Klägerin rügt, dass während der mündlichen Verhandlung aus Corona-bedingten Gründen im Sitzungssaal ein Luftreiniger gelaufen sei, dessen Lärmwirkung es nicht zugelassen habe, dass auch in den hinteren Platzbereichen alles genau habe verstanden werden können. Bei klarem Wort hätten die Beistände antworten können. Das gelte auch für die sachkundige Person Prof. L. , der ein Hörgerät trage. Dieser Mangel habe zu dem negativen Ergebnis geführt. Damit ist ein ‑ der Sache nach geltend gemachter ‑ Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) schon deshalb nicht aufgezeigt, weil die bereits erstinstanzlich anwaltlich vertretene Klägerin nicht darlegt, dass sie alles ihr in der konkreten Situation Mögliche und Zumutbare unternommen hätte, einen etwaigen Gehörsverstoß abzuwenden. Weder aus dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung noch aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich, dass sie etwa darauf hingewiesen hätte, dass sie oder ihre Beistände die Erörterung der Sach- und Rechtslage akustisch nicht verstehen könnten. Soweit die Klägerin anführt, aufgrund der Platzierung im Sitzungssaal habe sie erst nach der mündlichen Verhandlung von den akustischen Problemen erfahren, zeigt sie nicht auf, dass es den Beiständen nicht möglich gewesen wäre, diese rechtzeitig zu signalisieren.
20Darüber hinaus ist dem Vorbringen nicht zu entnehmen, dass die Klägerin, deren Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung anwesend war, in der Verhandlung nicht ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, sich zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt tatsächlich und rechtlich zu äußern. Die Klägerin legt zudem nicht dar, was sie bzw. ihre Beistände bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätten. Vielmehr räumt sie insoweit selbst ein, dass sich die Ausführungen zur „Wirkung des CO2 und die Anwendungsbereiche“ allesamt bereits in ihrem schriftlichen Vorbringen fänden. Dass das Verwaltungsgericht den Ausführungen der Klägerin nicht folgt, verletzt nicht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
22Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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