Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 1061/20
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.2.2020 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ist wirkungslos.
Die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens sowie des erstinstanzlichen Verfahrens nach Verbindung der Verfahren 3 K 10488/18 und 3 K 8272/19 (VG Düsseldorf) am 18.2.2020 trägt die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens vor der Verbindung im Verfahren 3 K 8272/19 trägt die Beklagte; im Verfahren 3 K 10488/18 tragen die Hauptbeteiligten die vor der Verfahrensverbindung angefallenen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für die Zeit nach der Verbindung der Verfahren 3 K 10488/18 und 3 K 8272/19 (VG Düsseldorf) am 18.2.2020 für beide Instanzen auf 22.500,00 Euro festgesetzt. Für die Zeit vor der Verbindung wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren 3 K 10488/18 auf 15.000,00 Euro und für das Verfahren 3 K 8272/19 auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
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Gründe
2I. Nachdem die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung der §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 87a Abs. 1 und 3, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Das angefochtene Urteil ist für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung).
3II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Billigem Ermessen im Sinne dieser Vorschrift entspricht es, die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens sowie des erstinstanzlichen Verfahrens nach Verbindung der Verfahren 3 K 10488/18 und 3 K 8272/19 (VG Düsseldorf) am 18.2.2020 der Klägerin zu 2/3 und der Beklagten zu 1/3 sowie die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens vor der Verbindung im Verfahren 3 K 8272/19 der Klägerin und im Verfahren 3 K 10488/18 den Hauptbeteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen. In der Regel entspricht es billigem Ermessen im Sinne von § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, entsprechend § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Kosten verhältnismäßig zu teilen, wenn ein Beteiligter teils obsiegt hätte und teils unterlägen wäre. Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage, die sich – wie hier – im Verfahren auf Zulassung der Berufung befand, ist darauf abzustellen, ob die Berufung zuzulassen gewesen wäre und ob und in welchem Umfang die Berufung im Falle ihrer Zulassung Erfolg gehabt hätte.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14.7.2021 – 4 A 1189/19 –, juris, Rn. 7 f., m. w. N.
5Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands wäre ohne Eintritt der Erledigung die Berufung voraussichtlich zuzulassen gewesen (hierzu unter 1.) und hätte die Berufung voraussichtlich teilweise Erfolg gehabt (hierzu unter 2.).
61. Die Berufung wäre wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen gewesen. Die Klägerin hat die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte Erlaubnis vom 1.8.2019 sei mangels Durchführung eines nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Vorverfahrens unzulässig und ein etwaiger Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin sei schon nicht mehr durchsetzbar, weil die Erteilung der Spielhallenerlaubnis an die Beigeladene zwischen den Beteiligten in Bestandskraft erwachsen und eine davon abweichende Entscheidung über den Bewerbungsverfahrensanspruch nicht mehr möglich sei, mit ihrem Zulassungsvorbringen noch hinreichend in Zweifel gezogen.
72. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand wäre das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.2.2020 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf voraussichtlich geändert worden. Die der Beigeladenen erteilte glücksspielrechtliche Erlaubnis in ihrer Fassung vom 1.8.2019 wäre aufgehoben [hierzu unter a)] und die Beklagte wäre verpflichtet worden, den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden [hierzu unter b)].
8a) Nach der gemäß § 88 VwGO gebotenen Auslegung des Klageantrags war Gegenstand der Anfechtungsklage die der Beigeladenen erteilte glücksspielrechtliche Erlaubnis vom 14.12.2018 in ihrer Fassung vom 1.8.2019 [hierzu unter aa)]. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage wäre ohne Eintritt der Erledigung voraussichtlich zulässig [hierzu unter bb)] und begründet [hierzu unter (cc)] gewesen.
9aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verhältnis zwischen Änderungsbescheiden und ursprünglichen Bescheiden ist maßgebend, welchen Regelungsinhalt der Ursprungsbescheid und der ihn ändernde Bescheid haben.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.5.1991 – 3 C 34.89 –, juris, Rn. 24.
11Die Behörde kann durch einen Änderungsbescheid den ursprünglichen Verwaltungsakt zurücknehmen und seine Regelung durch eine neue ersetzen. In diesem Fall verliert der ursprüngliche Verwaltungsakt seine Wirksamkeit (§ 43 Abs. 2 VwVfG).
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.6.2007 – 3 C 11.06 –, BVerwGE 129, 66 = juris, Rn. 18.
13Änderungsbescheide können den Ausgangsverwaltungsakten aber auch „anwachsen“, insbesondere wenn ihre Regelungsbestandteile nach materiellem Recht unteilbar sind. Dies hat zur Folge, dass der ursprüngliche Bescheid und der Änderungsbescheid inhaltlich eine einheitliche Entscheidung bilden, auch wenn sie formal in verschiedenen Dokumenten enthalten sind. Hierdurch erledigt sich der Bescheid in seiner Ursprungsfassung und das Rechtsschutzinteresse für ein gegen ihn gerichtetes Klagebegehren entfällt. Der ursprüngliche Bescheid kann isoliert nicht mehr Gegenstand einer Klage sein; eine solche muss sich vielmehr auf die gesamte geänderte Regelung beziehen.
14Vgl. BVerwG, Urteile vom 11.11.2020 – 8 C 22.19 –, BVerwGE 170, 311 = juris, Rn. 25, vom 25.6.2014 – 9 A 1.13 –, BVerwGE 150, 92 = juris, Rn. 14, und vom 18.3.2009 – 9 A 31.07 –, juris, Rn. 23 f.
15Hier hat die Beklagte noch vor rechtskräftigem Abschluss des Erlaubnisverfahrens der Klägerin die der Beigeladenen mit Bescheid vom 14.12.2018 erteilte glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle (Halle B) in der E. Straße 75-77 in T. mit Bescheid vom 1.8.2019 inhaltlich allein bezogen auf den räumlichen Umfang der Erlaubnis im Sinne von § 3 Abs. 2 SpielV geändert. Während sich die ursprüngliche Erlaubnis auf 148,20 m2 im Erdgeschoss des Gebäudes bezog, wurde der Beigeladenen mit Änderungsbescheid vom 1.8.2019 der Betrieb auf einer Gesamtfläche von 145,85 m2 gestattet, verteilt über das Erdgeschoss und das Kellergeschoss. Im Übrigen wiederholt der Änderungsbescheid die bereits mit Bescheid vom 14.12.2018 getroffenen Regelungen zur glücksspielrechtlichen Erlaubnis. Entsprechend hat die Beklagte für den Erlass des Änderungsbescheids nach Tarifstelle 17.8 der allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung NRW eine Änderungsgebühr erhoben (vgl. Nr. 3 des Änderungsbescheids).
16bb) Die gegen die der Beigeladenen erteilte glücksspielrechtliche Erlaubnis vom 14.12.2018 in ihrer Fassung vom 1.8.2019 gerichtete Anfechtungsklage war voraussichtlich zulässig, insbesondere hat die Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 1.8.2019 noch fristgemäß Widerspruch erhoben.
17Grundsätzlich bedarf es gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 1 JustG NRW abweichend von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor Erhebung einer Anfechtungsklage keiner solchen Nachprüfung in einem Widerspruchsverfahren. Hiervon macht § 110 Abs. 3 Satz 1 JustG NRW eine Ausnahme bezogen auf im Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Dritte, die sich gegen den Erlass eines einen anderen begünstigenden Verwaltungsaktes wenden. Wer Beteiligter im Verwaltungsverfahren ist, bestimmt § 13 Abs. 1 VwVfG NRW. Nach dessen Nr. 4 sind auch diejenigen Beteiligte, die nach § 13 Abs. 2 VwVfG NRW von der Behörde zu dem Verfahren hinzugezogen worden sind. Hier hat die Beklagte die Klägerin mit Hinzuziehungsbescheid vom 2.3.2018 zum Erlaubnisverfahren der Beigeladenen hinzugezogen. Nachdem die Beklagte der Beigeladenen mit Bescheid vom 14.12.2018 eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erteilt und die Klägerin diese nicht fristgerecht angefochten hatte, war das Erlaubnisverfahren der Beigeladenen im Verhältnis zur Klägerin rechtskräftig abgeschlossen. Die mit Bescheid vom 1.8.2019 erfolgte Änderung des Erlaubnisbescheids erfolgte daher bezogen auf die Klägerin in einem neuen Verwaltungsverfahren, in welchem die Klägerin nicht erneut hinzugezogen worden ist.
18Da die Klägerin bezogen auf den Änderungsbescheid vom 1.8.2019 ein Vorverfahren durchzuführen hatte, aber nicht entsprechend belehrt worden war, konnte der Widerspruch nach den §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe noch fristgerecht eingelegt werden.
19Zwar hat die Klägerin die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte Erlaubnis vom 14.12.2018 sei nicht fristgerecht erhoben worden, mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht angegriffen. Der gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte Erlaubnis vom 1.8.2019 sei mangels Durchführung eines nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Vorverfahrens unzulässig, gerichtete Einwand, die Frist zur Anfechtung des Erlaubnisbescheids vom 1.8.2019 betrage mangels förmlicher Beteiligung ihrerseits nicht einen Monat, sondern ein Jahr, zudem habe sie am 26.3.2020 den erforderlichen Widerspruch eingelegt, hätte ohne Eintritt der Erledigung aber im Ergebnis durchgegriffen. Nach der gemäß § 88 VwGO gebotenen Auslegung des Klageantrags war Gegenstand der Anfechtungsklage die der Beigeladenen erteilte glücksspielrechtliche Erlaubnis vom 14.12.2018 in ihrer Fassung vom 1.8.2019. Da die fristgerecht angegriffene Änderungserlaubnis den Regelungsgegenstand räumlich ausgetauscht hat, hätte sich die Klägerin hiergegen auch noch zulässigerweise wenden können, obwohl ihre Klage gegen den mit der Änderung als solchen erledigten Ausgangsbescheid verfristet war.
20cc) Die Anfechtungsklage wäre nach derzeitigem Sach- und Rechtsstand voraussichtlich auch begründet gewesen. Die der Beigeladenen erteilte Erlaubnis in der Fassung vom 1.8.2019 war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren subjektiven Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
21Der geänderten Erlaubniserteilung stand bereits entgegen, dass der gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW a. F. zu der Grundschule C.----straße einzuhaltende Mindestabstand unterschritten wurde. Nach dieser Regelung sollten Spielhallen nicht in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden, wobei regelmäßig ein Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zu Grunde gelegt werden sollte. Diesen Mindestabstand unterschreitet die Spielhalle der Beigeladenen nach Aktenlage zu der Grundschule C.----straße . Von der Einhaltung des Mindestabstands konnte im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über die Erlaubniserteilung,
22vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.9.2020 – 4 A 2325/19 –, juris, Rn. 48,
23hier also am 1.8.2019, auch nicht nach § 18 Satz 3 AG GlüStV NRW a. F. abgesehen werden. Nach dieser Vorschrift galt die Abstandsregelung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW a. F. für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag bestehende Spielhallen nicht, für die eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt worden war. Den Verwaltungsvorgängen lässt sich entnehmen, dass bei Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags am 1.12.2012 (§ 24 Abs. 1 AG GlüStV NRW a. F.) im Erdgeschoss des Standorts E. Straße 75-77 eine mit Erlaubnis vom 9.9.2008 genehmigte Spielhalle mit einer Grundfläche von 148,20 m2 bestand. Die Ursprungsfassung der hier angefochtenen glücksspielrechtlichen Erlaubnis vom 14.12.2018 bezog sich zunächst auch auf diese Räumlichkeiten. Die Beigeladene wollte hingegen nicht an diesen Räumlichkeiten festhalten und hat insofern eine Änderung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis beantragt. Die Räumlichkeiten sollten danach eine von der Erlaubnis nach § 33i GewO wesentlich abweichende Raumaufteilung haben (zwei Spielräume, verteilt auf Erdgeschoss und Kellergeschoss mit insgesamt 145,85 m2). Die antragsgemäße Änderung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis hatte zur Folge, dass sich diese in ihrer Fassung vom 1.8.2019 zweifelsfrei nicht mehr auf eine am 1.12.2012 bestehende und nach § 33i GewO erlaubte Spielhalle bezog. Mit den Änderungen im räumlichen Bestand wurde deshalb der frühere Vertrauensschutz aufgegeben. Das Abstandserfordernis zu Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW a. F. galt gemäß § 18 Satz 3 AG GlüStV NRW a. F. nur für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehende Spielhallen nicht. Sobald durch Änderungen im räumlichen Bestand die Genehmigungsfrage ‒ hier schon durch die Frage der Einhaltung des Abstands zu öffentlichen Schulen ‒ neu aufgeworfen wurde, handelte es sich bei den geänderten Spielhallen nicht mehr um „zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehende Spielhallen“.
24Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16.3.2020 – 4 B 977/18 –, juris, Rn. 26, und vom 24.3.2022 – 4 B 1520/21 –, juris, Rn. 34 ff.
25Es spricht auch nichts dafür, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der örtlichen Lage der Spielhalle zu Gunsten der Beigeladenen hätte vom Mindestabstandserfordernis abweichen müssen (Ermessensreduzierung auf Null). Die für die Erlaubnis zuständige Behörde durfte zwar unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts im Einzelfall von der Maßgabe zum Mindestabstand abweichen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 AG GlüStV NRW a. F.). Insoweit stand der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten Ermessen offen.
26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 – 4 A 3178/19 –, juris, Rn. 79 ff., m. w. N.
27Unabhängig davon, ob hier eine Abweichung ermessensfehlerfrei hätte gewährt werden können, ist dies jedenfalls nicht zugunsten der Beigeladenen erfolgt.
28b) Schon aufgrund der Rechtswidrigkeit der auf einer unzureichenden Ermächtigungsgrundlage beruhenden glücksspielrechtlichen Änderungserlaubnis zu Gunsten der Beigeladenen hätte auch die Verpflichtungsklage der Klägerin voraussichtlich im Umfang des davon umfassten Neubescheidungsinteresses Erfolg gehabt. Die Klägerin hätte voraussichtlich einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Erlaubnisantrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gehabt, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Aufgrund der erfolgreichen Anfechtung der glücksspielrechtlichen Änderungserlaubnis der Beigeladenen hätte diese der Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis des Betriebs einer Spielhalle am Standort E. Straße 45 in T. nicht entgegengestanden. Mangels Spruchreife hätte die Klägerin aber keinen Anspruch auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis gehabt.
29aa) Die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis setzte nach der zum Zeitpunkt der Erledigung maßgeblichen Rechtslage grundsätzlich voraus, dass das Mindestabstandsgebot aus § 25 Abs. 1 GlüStV 2012 i. V. m. § 16 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 AG GlüStV NRW a. F. eingehalten wurde. Nach diesen Vorschriften sollte ein Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zu einer anderen Spielhalle nicht unterschritten werden. Die Behörde durfte aber unter bestimmten Voraussetzungen von dem Mindestabstandsgebot abweichen, § 16 Abs. 3 Satz 3 AG GlüStV NRW a. F. Zudem konnte sie gemäß § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV 2012 zu Gunsten eines Betreibers eine Befreiung von der Einhaltung des Mindestabstandsgebots für einen angemessen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich war; hierbei waren der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33 i GewO sowie die Ziele des § 1 GlüStV 2012 zu berücksichtigen.
30Begehrten nach Ablauf der Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2012 mehrere Betreiber von Spielhallen, die zueinander das Mindestabstandsgebot nicht einhielten, die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis, bedurfte es zur Auflösung der Konkurrenzsituation einer Auswahlentscheidung. Diese von der Behörde zu treffende Auswahlentscheidung war eine Ermessensentscheidung, die nach Maßgabe des § 114 VwGO der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (nur) daraufhin unterlag, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 40 VwVfG NRW).
31Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10.10.2019 – 4 A 1826/19 –, juris, Rn. 43, und vom 28.9.2020 – 4 A 2324/19 –, juris, Rn. 34 f.; Beschluss vom 26.9.2019 – 4 B 255/18 –, Rn. 23 f., m. w. N.
32Ein Auswahlverfahren wäre hier weiterhin erforderlich gewesen, weil die Spielhalle der Klägerin den erforderlichen Abstand von 350 m Luftlinie nicht nur zu der Spielhalle der Beigeladenen, sondern auch zu der am Standort E. Straße 45 in T. betriebenen Spielhalle nicht einhielt, deren Betreiberin ihr Begehren auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis ebenfalls gerichtlich weiterverfolgt hat (4 A 897/20). Konkurrieren mehrere Betreiber um den Erhalt einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis, darf der Senat die von der Beklagten zu treffende Auswahlentscheidung nicht ersetzen. Insbesondere besteht kein Anhalt dafür, dass die Auswahl zwingend zu Gunsten der Betreiberin einer dieser Spielhallen hätte ausfallen müssen.
33bb) Ein Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung hätte im Übrigen selbst dann bestanden, wenn die Klägerin nicht fristgerecht Widerspruch gegen die Änderung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis der Beigeladenen vom 1.8.2019 eingelegt hätte und diese Erlaubnis gegenüber der Klägerin bestandskräftig geworden wäre. Eine etwaige Bindungswirkung der der Beigeladenen erteilten glücksspielrechtlichen Erlaubnis und eine hierauf bezogene gegenüber der Klägerin eingetretene Bestandskraft hätte nicht ihren Bewerbungsverfahrensanspruch berührt.
34Die Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis führte dazu, dass in einem Umkreis mit einem Radius von 350 m Luftlinie um den Eingang der erlaubten Spielhalle grundsätzlich – vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme oder Befreiung vom Mindestabstandsgebot – keine weitere Spielhalle mehr betrieben werden durfte.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.10.2019 – 4 A 665/19 –, juris, Rn. 55.
36Infolgedessen konnte einem unterlegenen Bewerber grundsätzlich keine glücksspielrechtliche Erlaubnis für eine Spielhalle erteilt werden, sofern und solange eine bereits erteilte Erlaubnis für eine andere Spielhalle innerhalb des gesetzlichen Mindestabstands nicht zuvor aufgehoben oder gegenstandslos wurde. Nur so konnte das erschöpfte Kontingent wieder für ihn verfügbar werden. Vor diesem Hintergrund kam der zusätzlich möglichen Drittanfechtungsklage eine Hilfsfunktion zu.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.9.2008 – 3 C 35.07 –, BVerwGE 132, 64 = juris, Rn. 21 f.; OVG NRW, Urteil vom 10.10.2019 – 4 A 665/19 – juris, Rn. 55 f., m. w. N.
38Unabhängig davon war das Recht des unterlegenen Bewerbers aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG auf ermessensfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und Durchführung eines fairen Auswahlverfahrens (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch) allerdings nicht schon dann erloschen oder nicht mehr durchsetzbar, wenn er die dem Konkurrenten erteilte und ihm ordnungsgemäß bekannt gemachte Erlaubnis für eine andere Spielhalle nicht fristgerecht angefochten hatte. Die Drittanfechtung war nicht notwendig, um eine erneute Bescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis für seine Spielhalle zu erreichen, die in Abstandskonkurrenz zu der anderen Spielhalle stand, für die eine bestandskräftige Erlaubnis erteilt worden war. Mit anderen Worten konnte der unterlegene Bewerber die Erlaubnis des ausgewählten Dritten anfechten, insbesondere um der Gefahr einer faktischen Rechtsvereitelung aufgrund eines erlangten Vorsprungs des Dritten vorzubeugen; er musste es insoweit aber nicht.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.9.2008 ‒ 3 C 35.07 ‒, BVerwGE 132, 64 = juris, Rn. 21 f., und BVerfG, Beschluss vom 14.1.2004 ‒ 1 BvR 506/03 ‒, juris, Orientierungssatz 3, Rn. 22 ff.; Rennert, DVBl. 2009, 1333, 1339 f.
40Eine auch gegenüber dem unterlegenen Bewerber eingetretene Bestandskraft der Erlaubnis des Konkurrenten für dessen Spielhalle reichte nämlich grundsätzlich nicht so weit, dass gleichsam auch über den Antrag des Unterlegenen auf Erteilung einer Erlaubnis für eine andere Spielhalle einschließlich seines Bewerbungsverfahrensanspruchs bestandskräftig entschieden worden wäre. Bereits durch die Anfechtung der Versagung seines eigenen Erlaubnisantrags verhinderte er vielmehr, dass die ablehnende Entscheidung über seinen Bewerbungsverfahrensanspruch bestandskräftig wurde.
41War der unterlegene Bewerber mithin nicht von vornherein mit seinen im Rahmen der Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Erlaubnis geltend gemachten Einwänden gegen die erfolgte Auswahlentscheidung ausgeschlossen, dann hatte er unabhängig davon, ob ihm die Drittanfechtung zumutbar und für ihn hilfreich gewesen wäre, nach Art. 19 Abs. 4 GG einen Anspruch darauf, dass das Gericht darüber in der Sache entscheidet. Mit dem an den unterlegenen Bewerber gerichteten Versagungsbescheid stand die Auswahlentscheidung der Behörde, soweit sie den Adressaten betraf, vollständig zur gerichtlichen Kontrolle. Wegen der begrenzten Bindungswirkung der Dritterlaubnis bot die Klage „in eigener Sache“ grundsätzlich vollständigen Rechtsschutz.
42Vgl. zur Aufnahme in den Krankenhausplan BVerwG, Urteil vom 25.9.2008 – 3 C 35.07 –, BVerwGE 132, 64 = juris, Rn. 21, und zur Erteilung einer Güterverkehrsgenehmigung BVerwG, Urteil vom 7.10.1988 – 7 C 65.87 –, BVerwGE 80, 270 = juris, Rn. 10; zur Marktzulassung Nds. OVG, Beschluss vom 17.11.2009 – 7 ME 116/09 –, juris, Rn. 4; ähnlich zur glückspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle VG Hamburg, Beschluss vom 8.1.2018 – 17 E 9823/17 –, juris, Rn. 2; a. A. Nds. OVG, Beschluss vom 5.9.2017 – 11 ME 169/17 –, juris, Rn. 36.
43Unabhängig von der Reichweite der materiellen Bestandskraft hatte diese ohnehin nur die Wirkung, die erlassende Behörde und die Beteiligten im Sinne des § 13 VwVfG NRW an die mit dem Verwaltungsakt getroffenen Regelungen zu binden, ohne noch in einem Rechtsbehelfsverfahren eine Aufhebung oder Abweichung erreichen zu können. Davon unberührt blieb jedoch die Möglichkeit der Behörde, auch einen möglicherweise bestandskräftigen Verwaltungsakt nach Maßgabe der §§ 48 ff. VwVfG NRW aufzuheben oder – wie hier – auf Antrag zu ändern.
44Vgl. Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 43 Rn. 24.
45Denn es ist möglich, dass eine Behörde für den Fall, dass das Gericht eine Erlaubniserteilung an einen Konkurrenten beanstandet, die dem unrechtmäßig bevorzugten Mitbewerber erteilte Genehmigung durch Rücknahme entzieht und damit dem zunächst unterlegenen Bewerber eine Genehmigung erteilen kann, oder dass die Behörde gar das Verteilungsverfahren gänzlich wiederholt. Es ist im Falle eines obsiegenden Urteils sogar geboten, dass die Behörde eine – rechtswidrige – Erlaubniserteilung unter diesem Gesichtspunkt überprüft. Über die Rücknahme einer rechtswidrig erteilten unanfechtbaren Genehmigung entscheidet die Behörde allerdings nach Ermessen. Sie hat somit, wenn sie zu erneuter Bescheidung eines Antrags eines übergangenen Bewerbers verpflichtet wird, zugleich darüber zu entscheiden, ob sie eine rechtswidrig erteilte Genehmigung zurücknimmt und die dadurch frei werdende Genehmigung dem mit der Bescheidungsklage erfolgreichen Kläger zuteilt. Sie darf jedenfalls ihre erneute Entscheidung nicht allein auf den Gesichtspunkt stützen, das verfügbare Kontingent sei erschöpft.
46Vgl. zur Zulassung als Marktbeschicker, BVerfG, Beschluss vom 15.8.2002 – 1 BvR 1790/00 –, juris, Rn. 19, zur Erteilung einer Güterverkehrsgenehmigung BVerwG, Urteil vom 7.10.1988 – 7 C 65.87 –, BVerwGE 80, 270 = juris, Rn. 10.
47Dies unterscheidet Konkurrenzsituationen wie die vorliegende von Ernennungskonkurrenzen um die erstmalige Berufung ins Beamtenverhältnis oder um eine Beförderungsstelle. Wegen des dort geltenden Grundsatzes der Ämterstabilität kann das vergebene Amt nach erfolgter Ernennung, sofern dem unterlegenen Bewerber zuvor ausreichender Rechtsschutz eröffnet wurde, nicht mehr verfügbar gemacht werden.
48Vgl. BVerwG, Urteile vom 13.12.2018 – 2 A 5.18 –, BVerwGE 164, 84 = juris, Rn. 23 f., und vom 4.11.2010 – 2 C 16.09 –, BVerwGE 138, 102 = juris, Rn. 31 ff.
49Im Unterschied dazu war die zuständige Ordnungsbehörde, die über die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis entschied, weder durch besondere noch durch allgemeine Vorschriften von vornherein daran gehindert, eine einem Konkurrenten rechtswidrig erteilte Erlaubnis zurückzunehmen. Insbesondere hatten weder der frühere Glücksspielstaatsvertrag noch das nordrhein-westfälische Ausführungsgesetz insofern besondere Regelungen zur Bindungswirkung einer Dritterlaubnis getroffen.
50Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), sind ihre außergerichtlichen Kosten nicht erstattungsfähig.
512. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Der Senat zieht für die auf den Betrieb einer Spielhalle gerichteten Klagen in Orientierung an dem Vorschlag unter Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [NVwZ-Beilage 2013, 58 (68)] den dort genannten Mindestbetrag für den Jahresgewinn von 15.000,00 Euro als Grundlage der Wertfestsetzung heran.
52Vgl. zum Streitwert für ein solches Begehren OVG NRW, Beschluss vom 8.6.2017 – 4 B 307/17 –, juris, Rn. 96.
53Hinzuzurechnen ist für die Zeit nach Verbindung des früheren Verfahrens 3 K 8272/19 (VG Düsseldorf) mit dem Verfahren 3 K 10488/18 (VG Düsseldorf) zur gemeinsamen Entscheidung ein auf das Verfahren 3 K 8272/19 entfallender Streitwert von 7.500,00 Euro für den auf die Aufhebung der der Beigeladenen als Konkurrentin erteilten Spielhallenerlaubnis gerichtete Klageantrag.
54Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17.11.2021 – 4 A 2626/19 –, juris, Rn. 5 f. und vom 25.9.2020 ‒ 4 A 2568/19 ‒, juris, Rn. 5 ff., jeweils m. w. N.
55Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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- 4 A 897/20 1x (nicht zugeordnet)
- 3 K 8272/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1790/00 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 1826/19 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 255/18 1x (nicht zugeordnet)