Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 A 10439/02


Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 9. November 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Kläger wenden sich gegen eine bauaufsichtliche Verfügung der Beklagten, mit der ihnen die Herstellung eines Pkw-Stellplatzes aufgegeben worden ist.

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Sie errichteten im Jahre 1998 ein Einfamilienhaus in Form einer Doppelhaushälfte. Ausweislich der bei der Bauaufsichtsbehörde für das genehmigungsfreie Vorhaben u.a. eingereichten Bauzeichnungen war im Rahmen des Bauvorhabens eine Pkw-Garage sowie ein parallel zur Vorderseite des Gebäudes gelegener offener Pkw-Stellplatz vorgesehen.

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Nachdem bei einer Ortsbesichtigung am 8. Mai 2000 festgestellt worden war, dass der in der Bauzeichnung dargestellte offene Stellplatz fehlte, gab die Beklagte durch bauordnungsbehördliche Verfügung vom 18. September 2000 den Klägern auf, den zweiten notwendigen Stellplatz innerhalb eines Monats nach Bestandskraft der Verfügung vollständig herzustellen.

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Hiergegen legten die Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, der Stellplatz vor der Garage reiche als zweiter Stellplatz aus.

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Nach erfolglosem Vorverfahren haben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht erhoben, mit der sie unter Vertiefung des bisherigen Vorbringens ihr Begehren weiter verfolgt haben.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. November 2001 abgewiesen und ausgeführt: Die Beklagte habe den Klägern auf der Grundlage des § 59 Abs. 1 LBauO zu Recht die Herstellung eines zweiten Stellplatzes auf ihrem Grundstück aufgegeben. Dabei habe die Beklagte zunächst im Ergebnis zutreffend einen Bedarf von zwei Stellplätzen für das Einfamilienhaus der Kläger ermittelt. Die erforderliche Anzahl von zwei Stellplätzen hätten die Kläger jedoch nicht hergestellt. Neben ihrer Garage stehe ihnen nämlich lediglich die davor gelegene Zufahrt als Stellfläche zur Verfügung. Der dadurch entstehende "gefangene" Stellplatz in der Garage erfülle indessen nicht die Anforderungen an die "geeignete Beschaffenheit" i.S. von § 47 Abs. 1 Satz 1 LBauO, da dessen Benutzung nicht jederzeit ungehindert möglich sei. Mit der Verpflichtung des Bauherrn, die für sein Bauvorhaben benötigten Stellplätze auf seinem Grundstück zur Verfügung zu stellen, verfolge der Gesetzgeber den Zweck, den ruhenden Verkehr vom öffentlichen Verkehrsraum aus Gründen der Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs möglichst fernzuhalten. Zwar sei den Klägern zuzugeben, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs durch notwendige Rangiermanöver in einer von Wohnnutzung und Einfamilienhäusern geprägten Anwohnerstraße nicht erheblich gefährdet werde. Dies sei aber nicht der entscheidende Gesichtspunkt. Der vorrangig verfolgte Zweck der Stellplatzpflicht, die Inanspruchnahme des öffentlichen Verkehrsraums als Parkfläche einzuschränken, werde nur dann erfüllt, wenn die einem Gebäude zugeordneten Stellplätze von den Bewohnern und Besuchern auch tatsächlich benutzt würden. Die hierfür anzustellende Prognose habe sich ebenso wie die Festlegung der Zahl der erforderlichen Stellplätze an dem objektiv zu erwartenden Nutzerverhalten zu orientieren. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Nutzung eines gefangenen Stellplatzes wegen der hierfür erforderlichen Ein- und Ausfahrmanöver und eventuell erforderlicher Ansprachen mehrerer Nutzer untereinander mit erheblichen Einschränkungen der Bequemlichkeit verbunden sei. Der Beklagten sei darin zuzustimmen, dass diese Unbequemlichkeiten einen erheblichen Teil der potentiellen Nutzer dazu veranlassen würden, sich einen anderen Parkplatz im öffentlichen Verkehrsraum zu suchen, um nicht die Ausfahrt aus dem gefangenen Stellplatz zu blockieren. Der Gesetzeszweck werde somit bei dieser Stellplatzgestaltung in einer Vielzahl von Fällen nicht erreicht. Die Kammer sei daher der Auffassung, dass die Anlage hintereinander gelegener Stellplätze vom Landesgesetzgeber grundsätzlich missbilligt werde. Hierzu stehe nicht im Widerspruch, dass der Gesetzgeber in § 8 Abs. 9 LBauO die Errichtung von Garagen auf der Grundstücksgrenze bis zu einer Gesamtlänge von 12 m gestattet habe. Hieraus lasse sich keine grundsätzliche Billigung von hintereinander liegenden Stellplätzen entnehmen. Die Regelungen über Abstandsflächen verfolgte nämlich lediglich städtebauliche Belange. Auch könne nicht unterstellt werden, dass der Gesetzgeber die Existenz hintereinander liegender Stellplätze in Grenzgaragen als gegeben vorausgesetzt habe. Aus der zulässigen Länge der Grenzwand einer Garage ergebe sich nicht, dass die darin befindlichen Stellplätze hintereinander liegen müssten. Ebenso seien nebeneinander liegende, senkrecht oder schräg zur Grundstücksgrenze verlaufene Stellplätze denkbar. Zudem würde die Billigung hintereinander liegender Stellplätze in Garagen nicht notwendigerweise offene Stellplätze mit einbeziehen. Ein Garagenstellplatz biete gegenüber einem offenen Stellplatz vor allem in den Wintermonaten so erhebliche Vorteile, dass die mit dieser Stellplatzanordnung verbundenen Unbequemlichkeiten von den meisten Nutzern eher hingenommen würden, als in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem für den zuletzt kommenden Nutzer nur die Wahl zwischen offenen Parkplätzen auf öffentlichem oder privatem Grund bestehe. Aus dem zuvor Gesagten folge nicht, dass nicht in Ausnahmefällen auch "gefangene" Stellplätze den Anforderungen an notwendige Stellplätze entsprechen könnten. Ein solch denkbarer Ausnahmefall liege jedoch hier nicht vor. Zum einen sei die Anlage eines zweiten Stellplatzes auf dem Grundstück der Kläger entsprechend ihrer ursprünglichen Planung ohne weiteres möglich. Zum anderen hätten die Kläger selbst vorgetragen, dass in der Umgebung ihres Wohnhauses zahlreiche Parkmöglichkeiten auf der öffentlichen Straße vorhanden seien. Die Gefahr des Ausweichens der Nutzer des klägerischen Grundstücks auf die öffentliche Straße als Parkfläche bestehe daher in geradezu typischer Weise. Ein Anlass, von der Anforderung zweier unabhängig voneinander nutzbarer Stellplätze im vorliegenden Fall abzuweichen bestehe somit nicht.

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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung machen die Kläger geltend: Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass ein "gefangener" Stellplatz nicht den Anforderungen an einen notwendigen Stellplatz im Sinne der Landesbauordnung genüge, sei falsch. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz habe in seinem Urteil vom 9. Juni 1994 entschieden, dass die Anordnung von "gefangenen" Stellplätzen für sich genommen keinen Verstoß gegen die einschlägigen Vorschriften der Landesbauordnung darstelle. Das Gericht habe diesen Schluss aus der Wertung des Gesetzgebers in § 8 Abs. 9 LBauO gezogen. Die dort geregelte zulässige Länge einer Grenzgarage lasse nämlich zu, dass zwei Stellplätze hintereinander errichtet werden könnten. Die Beklagte könne allenfalls dann die Errichtung eines weiteren Stellplatzes verlangen, wenn im konkreten Fall die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs beeinträchtigt würde. Dies habe die Beklagte jedoch nicht geprüft. Mangels entsprechender Ermessensausübung sei die Verfügung schon aus diesem Grunde aufzuheben. Im Übrigen führe die Nutzung des "gefangenen" Stellplatzes zu keinerlei Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, da es sich bei der vorbeiführenden Straße um eine reine Anliegerstraße handele, die in einem Wendehammer ende und sich zudem beiderseits der Straße zahlreiche öffentliche Stellplätze befänden, die überwiegend nicht benutzt würden.

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Die Kläger beantragen,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 9. November 2000 die Verfügung der Beklagten vom 18. September 2000 in Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie trägt vor: Sie sei mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, § 47 LBauO verfolge ausschließlich den Zweck, den ruhenden Verkehr in der Weise zu regeln, dass der einem Bauvorhaben zuzuordnende Parkraumbedarf auf dem Baugrundstücks selbst bereitgestellt werden müsse und mit dem ruhenden Verkehr nicht die öffentlichen Verkehrsflächen belastet werden sollen. Daher müsse die Geeignetheit eines notwendigen Stellplatzes danach beurteilt werden, ob er dieser gesetzgeberischen Zweckbestimmung genüge. Hierbei könne nicht auf das Verkehrsgeschehen auf der Straße im Umfeld des streitigen Stellplatzes abgestellt und dessen Geeignetheit danach beurteilt werden, ob durch notwendige Rangiermanöver eine Beeinträchtigung des fließenden Verkehrs eher wahrscheinlich oder eher unwahrscheinlich sei. Denn eine solche Betrachtungsweise lasse eine in der Praxis kaum handhabbare Einzelfallproblematik entstehen und werde auch dem Gesetzeszweck des § 47 LBauO nicht gerecht. Letztlich habe das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz dies in seiner Entscheidung vom 16. Juli 1987 -- 1 A 130/84 -- genauso gesehen, da darin darauf hingewiesen werde, dass Stellplätze frei zugänglich und nicht hintereinander angeordnet sein dürften, damit ihre Benutzbarkeit nicht vom Parkverhalten eines anderen Stellplatznutzers oder von Absprachen abhängig sei.

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Der Vertreter des öffentlichen Interesses, der sich in der Berufungsinstanz an dem Verfahren beteiligt, jedoch keinen Antrag gestellt hat, führt aus: § 47 Abs. 1 Satz 1 LBauO verlange, dass notwendige Stellplätze von "geeigneter Beschaffenheit" errichtet würden. Der Gesetzeswortlaut biete für die Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals keinen Anhaltspunkt. Der Regelungsgehalt dieses Tatbestandsmerkmals ergebe sich jedoch aus der Zielsetzung der Stellplatzpflicht. Hiernach sei ein Stellplatz von "geeigneter Beschaffenheit", wenn er dem Ziel der Aufnahme des ruhenden Verkehrs gerecht werde, ohne Missstände hervorzurufen, und deshalb eine Entlastung des öffentlichen Verkehrsraums gewährleiste. Bei der Auslegung sei ferner zu berücksichtigen, dass die Baubehörde die bestimmungsgemäße Nutzung eines Stellplatzes nicht erzwingen könne. Die Feststellung der "geeigneten Beschaffenheit" sei mithin eine Prognoseentscheidung, die auf der Vermutung beruhe, die Abstellmöglichkeit werde durch die Benutzung der Anlage akzeptiert. Zu der Frage, ob vor diesem Hintergrund gefangene Stellplätze als geeignet anzusehen seien, gebe es zwei divergierende Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz. Eine grundsätzliche Entscheidung des Landesgesetzgebers zu der Eignung gefangener Stellplätze sei hingegen nicht erkennbar. Dem Oberverwaltungsgericht könne dahingehend gefolgt werden, dass alleine die Herstellung eines gefangenen Stellplatzes keinen Aufschluss über die Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs gebe. Es müssten weitere Faktoren hinzutreten, welche befürchten ließen, dass die Benutzer der Anlage die vorgehaltenen Stellplätze nicht akzeptieren und deshalb ihr Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum abstellen würden. Dies sei dann zu erwarten, wenn sich eine Vielzahl von Benutzern und Besuchern die zur Verfügung stehenden Parkplätze teilen müssten oder die potentiellen Benutzer üblicherweise keine Absprachen träfen. Insoweit solle die Ansicht der Vorinstanz Beachtung finden. Im Übrigen sei die generelle Ablehnung von "gefangenen" Stellplätzen nicht angezeigt. In Fällen, in denen trotz der Erschwerungen mit einer tatsächlichen Inanspruchnahme der Stellplätze gerechnet werden könne, sei es unverhältnismäßig, dem Bauherrn die Kosten für die Schaffung eines weiteren Stellplatzes aufzuerlegen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (2 Hefte). Diese Unterlagen wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist unbegründet.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene bauordnungsrechtliche Verfügung der Beklagten vom 18. September 2000 in der Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides ist rechtlich nicht zu beanstanden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, findet die angegriffene bauaufsichtliche Anordnung ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO, da die Kläger die nach § 47 Abs. 1 LBauO erforderlichen zwei Stellplätze zu ihrem Einfamilienhaus nicht hergestellt haben. Die Gründe hierfür hat das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil im Einzelnen dargelegt. Hierauf kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.

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Die Kläger vermochten mit ihrer Berufung nichts vorzutragen, was eine andere Entscheidung rechtfertigen könnte. Insbesondere können sie nicht mit ihrem Vorbringen gehört werden, sie hätten die notwendige Anzahl von Stellplätzen nachgewiesen, da auch ein "gefangener Stellplatz" hier den Anforderungen an einen notwendigen Stellplatz im Sinne der Landesbauordnung genüge.

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Die Frage, ob ein "gefangener Stellplatz" als notwendiger Stellplatz i.S. von § 47 Abs. 1 LBauO anzusehen ist, d.h. ob er den Anforderungen an einen notwendigen Stellplatz i.S. dieser Vorschrift genügt, muss in dem hier zu entscheidenden Fall aufgrund der vorliegenden konkreten Situation verneint werden.

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Allerdings ist mit dem Vertreter des öffentlichen Interesses zunächst davon auszugehen, dass der Wortlaut des Gesetzes keinen Ansatzpunkt dafür bietet, welche Anforderungen an die "geeignete Beschaffenheit" eines notwendigen Stellplatzes i.S. von § 47 Abs. 1 Satz 1 LBauO zu stellen sind. Auch aus § 8 Abs. 9 LBauO, wonach u.a. Grenzgaragen bis zu 12 m Länge zulässig sind, lässt sich nicht zwingend entnehmen, dass ein Hintereinander von Stellplätzen in jedem Fall zulässig sein soll. Insoweit schließt sich der Senat nunmehr den Ausführungen der Vorinstanz an, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Allenfalls aus der Zielsetzung der Stellplatzpflicht lässt sich etwas für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "geeignete Beschaffenheit" herleiten. Der eigentliche Zweck der Stellplatzpflicht geht nämlich dahin, dass die zu schaffenden Stellplätze auf dem Baugrundstück zur Aufnahme des durch das Vorhaben verursachten ruhenden Verkehrs dienen sollen, damit die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs nicht beeinträchtigt wird (vgl. Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO Rheinland-Pfalz, § 47 Rdnr. 1; Simon/Busse, BayBauO, Art. 52 Rdnr. 1). Der ruhende Verkehr soll daher grundsätzlich außerhalb des öffentlichen Straßenraums auf privaten Grundstücken untergebracht werden (vgl. Stich/Gabelmann/Porger, LBauO, § 47 Rdnr. 1). In Anbetracht dieser Zielsetzung ist eine "geeignete Beschaffenheit" deshalb nur dann anzunehmen, wenn die Stellplätze und Garagen ihrem Zweck -- der Aufnahme des ruhenden Verkehrs -- gerecht werden, ohne Missstände hervorzurufen (vgl. Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO Rheinland-Pfalz, § 47 Rdnr. 23). Solche Missstände sind regelmäßig dann zu erwarten, wenn z.B. der notwendige Stauraum von Garagen für Stellplätze vorgesehen wird. Bei solchen Stellplätzen wie auch bei den hintereinander liegenden sog. "gefangenen" Stellplätzen kann in der Regel aufgrund der damit verbundenen Erschwernisse für die Benutzer nicht von einer geeigneten Beschaffenheit ausgegangen werden. Dies kann jedoch nicht generell für jeden Fall gelten. Vielmehr wird man im Einzelfall danach differenzieren müssen, ob der Grad der Erschwernis im Hinblick auf die Zielsetzung der Stellplatzpflicht noch hinnehmbar ist.

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So werden "gefangene" Stellplätze in Fällen, in denen diese als notwendige Stellplätze im Zusammenhang mit einer gewerblichen Nutzung des betreffenden Grundstücks dienen sollen, in der Regel der Zweck der Stellplatzverpflichtung nicht genügen. Denn in derartigen Fällen werden wegen nicht oder doch nur schwierig möglichen Absprachen zwischen den verschiedenen Nutzern solche hintereinander liegenden Stellplätze wohl kaum angefahren werden, sondern es spricht in solchen Fällen vieles dafür, dass andere Parkplätze im öffentlichen Parkraum gesucht werden, um nicht die Ausfahrt aus dem gefangenen Stellplatz zu blockieren. Bei derartigen Fallkonstellationen wird man deshalb die Geeignetheit eines "gefangenen" Stellplatzes zur Erfüllung der Stellplatzpflicht grundsätzlich ablehnen müssen (so das von den Klägern zitierte Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 16. Juli 1987 -- 1 A 130/84 -- für den Fall eines Vermessungsbüros; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23. Oktober 1985, BRS 44 Nr. 109 für den Fall einer Gaststätte). Etwas anderes könnte allenfalls bei Stellplätzen für Betriebsangehörige dann gelten, wenn durch verwaltungstechnische Maßnahmen sichergestellt wird, dass ein Abfahren von dem "gefangenen" Stellplatz ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist und die "gefangenen" Stellplätze deshalb auch angenommen werden. Auch bei Mehrfamilienhäuser wird man regelmäßig eine "geeignete Beschaffenheit" von "gefangenen" Stellplätzen verneinen müssen, weil sich dort die Situation ähnlich wie bei gewerblichen Nutzungen darstellt.

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Andererseits wird man die Augen nicht davor verschließen können, dass bei bestimmten weiteren Fallkonstellationen trotz der mit der Benutzung eines "gefangenen" Stellplatzes verbundenen Behinderungen und Erschwernisse mit der tatsächlichen Inanspruchnahme eines solchen Stellplatzes gerechnet werden kann. Letzteres wird man insbesondere bei Einfamilienhäusern nicht grundsätzlich ausschließen können. Denn bei den Mitgliedern einer Familie spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie ihr Benutzerverhalten hinsichtlich der beiden Parkplätze abstimmen. In diesen Fällen spricht daher insbesondere im Hinblick auf die Reduzierung von Baukosten einiges dafür, "gefangene" Stellplätze zuzulassen. Gleichwohl wird man aber auch die Zielsetzung der vom Gesetzgeber normierten Stellplatzpflicht nicht aus den Augen verlieren dürfen. Dieser Gesichtspunkt spricht vor allem dafür, einen "gefangenen" Stellplatz für Einfamilienhäuser nur dann ausnahmsweise zu akzeptieren, wenn die Schaffung eines anderen (nicht "gefangenen") Stellplatzes auf dem Grundstück nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist. Denn es ist nicht einzusehen, dass der Bauherr ohne Not von der Errichtung nicht "gefangener" Stellplätze absieht, und dadurch die Durchsetzung der gesetzgeberischen Zielsetzung hinsichtlich der Stellplatzpflicht weitgehend in Frage stellt. Ein solches Abweichen vom Normalfall eines nicht "gefangenen" Stellplatzes setzt vielmehr eine gewisse Atypik der Grundstückssituation voraus. In diesem Sinne ist auch die später ergangene Senatsentscheidung vom 9. Juni 1994 -- 1 A 11258/93.OVG -- zu verstehen, die sich dann ergänzend mit dem Gesichtspunkt näher auseinander setzt, ob durch den streitigen "gefangenen" Stellplatz eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten war.

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In Anwendung der vorstehend ausgeführten Grundsätze genügt der gefangene Stellplatz indessen nicht den Anforderungen des § 47 Abs. 1 LBauO, da -- wie sich aus den der Bauaufsichtsbehörde vorgelegten Bauzeichnungen (s. Bl. 20 VwA) unschwer entnehmen lässt, vor dem Wohngebäude der Kläger ohne weiteres zusätzlich zu dem Garagenstellplatz ein weiterer Stellplatz geschaffen und damit der Stellplatzpflicht des § 47 Abs. 1 LBauO in vollem Umfang entsprochen werden kann. Dass unverhältnismäßige Schwierigkeiten der Verwirklichung dieses Stellplatzes entgegenstehen könnten, lässt sich den in den Verwaltungsakten befindlichen Bauzeichnungen nicht entnehmen. Auch die Kläger selbst haben keine Umstände vorgetragen, aus denen sich solche Schwierigkeiten ergeben könnten. Deshalb kann hier dahinstehen, ob durch den "gefangenen" Stellplatz gegebenenfalls die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gefährdet wird.

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Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO.

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Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

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