Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 A 11312/04


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. März 2004 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Erteilung von Baugenehmigungen zur Errichtung zweier Windenergieanlagen auf den im Außenbereich des Verbandsgemeindegebiets der Beigeladenen gelegenen Grundstücken Gemarkung S…, Flur …, Flurstücke … und ….

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Im Mai 2001 stellte die Klägerin entsprechende Bauanträge für die Bebauung dieser Flurstücke mit je einer Windenergieanlage. Der Standort dieser mit einer Nabenhöhe von jeweils 98 m geplanten Anlagen liegt nördlich der Nahe unterhalb des 425 m über NN gelegenen Habichtskopfes und befindet sich im Geltungsbereich des Flächennutzungsplans der beigeladenen Verbandsgemeinde.

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Im Rahmen der 5. Planfortschreibung dieses Flächennutzungsplans hatte die Beigeladene ursprünglich drei Bereiche als Sonderflächen für Windenergienutzung mit Ausschlusswirkung für diese Anlagen im sonstigen Verbandsgemeindegebiet vorgesehen. Nach Wegfall des ursprünglich als Sonderfläche vorgesehenen Gebiets westlich der Ortsgemeinde H. weist der am 7. März 2003 bekannt gemachte Flächennutzungsplan „Teilfortschreibung Windenergienutzung“ indessen nur noch die beiden Bereiche südwestlich der Ortsgemeinde B. mit ca. 6,5 ha und den Bereich westlich der Ortsgemeinde O. mit ca. 4,3 ha als Sonderflächen für Windenergienutzung aus. Ferner wird das Verbandsgemeindegebiet nördlich der Nahe nach dem Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan aufgrund der Kleingliedrigkeit des Landschaftsreliefs und des dort vorhandenen Vogelzuges generell von der Nutzung für die Windkraft ausgeschlossen.

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Mit Bescheiden vom 22. Juli 2002 lehnte der Beklagte die Erteilung der beantragten Baugenehmigungen mit der Begründung ab, dass den Vorhaben öffentliche Belange entgegenstünden. Insbesondere das durchgeführte Raumordnungsverfahren habe ergeben, dass nach dem im Februar 2002 ergangenen raumordnerischen Entscheid die geplanten Vorhaben nicht den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung entsprächen. Vor allem im Hinblick auf die schwerwiegenden Bedenken, die sich sowohl aus der Ausweisung als regionaler Grünzug mit seinen besonderen Ansprüchen bezüglich Freiraumschutz und Erholungseignung als auch aus den besonderen Anforderungen an den Vogelschutz in diesem Bereich ergäben, könne der Errichtung der Windenergieanlagen letztlich nicht zugestimmt werden.

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Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin am 12. August 2003 Klage zum Verwaltungsgericht erhoben, mit der sie vor allem die formelle und materielle Unwirksamkeit des Flächennutzungsplans der Beigeladenen gerügt und im Einzelnen ausgeführt hat:

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Nach der Streichung der ursprünglich auch in H. vorgesehenen Sonderfläche für Windenergienutzung sei keine erneute Auslegung des Planentwurfs erfolgt. Dies stelle einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 1 BauGB dar. Außerdem sei dem Planentwurf bei der Auslegung lediglich ein fünfseitiger Erläuterungsbericht beigefügt gewesen, aus dem sich aber die Gründe für den Ausschluss der nördlich der Nahe gelegenen Gebiete nicht nachvollziehbar ergeben hätten. Ferner liege wegen der insoweit unvollständigen Unterlagen auch ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 BauGB vor. Der generelle Ausschluss der Gebiete nördlich der Nahe sei zudem abwägungsfehlerhaft. Insbesondere sei keine auf das gesamte Gemeindegebiet bezogene Untersuchung geeigneter Flächen erfolgt. Die Beigeladene hätte sich mit der Frage des Vogelschutzes detailliert auseinander setzen und dabei auch das im Auftrag der Klägerin durch den Dipl.-Ing. G. erstellte Gutachten zum Vogelschutz, wonach die geplanten Standorte südlich des Habichtskopfes aus avifaunistischer Sicht vertretbar seien, in die Überlegungen einbeziehen müssen. Es fehle daher an einem schlüssigen Gesamtkonzept zur Windenergienutzung im Verbandsgemeindegebiet. Des Weiteren habe die Beigeladene fehlerhaft höhere Entfernungen zu Siedlungsflächen gewählt, als im Gemeinsamen Rundschreiben der zuständigen Fachminister empfohlen worden sei. Abgesehen davon liege eine Verhinderungsplanung vor. Zudem sei die Errichtung von Windenergieanlagen in den Konzentrationszonen transporttechnisch nicht möglich, da die Bauteile für die Anlage nicht über Straßen in die Sonderflächen verbracht werden könnten. Schließlich stünden den geplanten Windenergieanlagen keine öffentlichen Belange entgegen.

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Das Verwaltungsgericht Koblenz hat durch Urteil vom 18. März 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt:

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Die beiden Windenergieanlagen seien bereits bauordnungsrechtlich unzulässig, da die nach § 8 LBauO gebotenen Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken nicht eingehalten werden könnten und weder eine öffentlich-rechtliche Sicherung noch eine schriftliche Zustimmung der Grundstücksnachbarn vorhanden seien. Darüber hinaus seinen die Windenergieanlagen auch bauplanungsrechtlich unzulässig, da diesen öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB insoweit entgegenstünden, als hierfür durch Darstellungen des maßgeblichen Flächennutzungsplans eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt sei. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei der Flächennutzungsplan wirksam. Er weise keine formellen Fehler auf, da insbesondere nach der Beschlussfassung über die Streichung der Sonderfläche H. die richtigen Pläne offen gelegt worden seien. Ebenso wenig sei die Abwägungsentscheidung zu beanstanden. Zwar müsse ein schlüssiges Planungskonzept für die Ausweisung von Konzentrationszonen und die damit verbundene Freihaltung des übrigen Planungsraumes vorliegen. Dabei dürfte sich die Gemeinde aber darauf beschränken, pauschalierte Betrachtungen zur Nichteignung bestimmter Flächen für die Nutzung der Windenergie anzustellen. Im Hinblick darauf sei auch die frühzeitige Aussonderung sog. Tabu-Flächen zulässig, wenn dies auf sachgerechten Überlegungen beruhe. Angesichts dessen bestehe kein Anlass, das Planungskonzept der Beigeladenen zu beanstanden. Darüber hinaus sei auch der Ausschluss der nördlich der Nahe gelegenen Gebiete abwägungsfehlerfrei. Zum einen habe die Beigeladene aus der Kleingliedrigkeit des Landschaftsreliefs die Sensibilität der Landschaft für die Ausweisung von Windenergieanlagestandorten abgeleitet. Diese Schutzwürdigkeit der Landschaft werde durch die vorliegenden Pläne und Lichtbilder bestätigt, wonach ein stetiger Wechsel von Wiesen, Wald, Weinbergslagen und landwirtschaftlichen Nutzflächen gegeben sei. Zum anderen müsse in diesem Bereich auf den Vogelschutz geachtet werden, da der in Rede stehende Bereich von besonderer Bedeutung für den Vogelschutz aufgrund einer regionalen Vogelzugverdichtung in diesem Gebiet sei. Ebenfalls greife der Vorwurf der Verhinderungsplanung nicht durch. Es liege nämlich keine bloße Negativplanung vor, zumal man in den Ortsgemeinden B. und O. Flächen für Windenergieanlagen ausgewiesen habe. Anhaltspunkte dafür, dass diese Flächen wegen fehlender Transportmöglichkeiten nicht für Windenergieanlagen genutzt werden könnten, seien nicht ersichtlich.

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Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin, mit der sie im Wesentlichen geltend macht:

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Nachdem der Beklagte vor einigen Jahren der RWE fast am gleichen Standort eine Baugenehmigung erteilt habe, die aber nicht in Anspruch genommen worden sei, und außerdem zwei weitere Windenergieanlagen nördlich der Nahe genehmigt habe, verpflichte ihn der Gleichheitsgrundsatz, sich auch vorliegend entsprechend zu verhalten und die beantragten Baugenehmigungen zu erteilen.

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Ferner stehe den Vorhaben nicht die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8 LBauO entgegen. Insoweit werde auf die inzwischen vorliegenden Einverständniserklärungen der betreffenden Grundstückseigentümer hingewiesen.

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Darüber hinaus seien die beiden Windenergieanlagen auch bauplanungsrechtlich zulässig. Allein die Ausweisung des betreffenden Gebiets als Grünzug im regionalen Raumordnungsplan stehe den Windenergieanlagen nicht entgegen, da diese sogar im Wald zulässig und zudem keine Auswirkungen auf den Grünzug ersichtlich seien.

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Abgesehen davon könne ihrem Vorhaben auch nicht der Flächennutzungsplan entgegengehalten werden. Er leide nicht nur an einem Verfahrensverstoß, sondern es sei darüber hinaus auch die Abwägungsentscheidung zu beanstanden. Insbesondere könne der Ausschluss der nördlich der Nahe gelegenen Gebiete für Windkraftanlagen nicht nachvollzogen werden. Soweit hierbei auf die Kleingliedrigkeit des Landschaftsreliefs abgestellt werde, sei dies zu pauschal. Außerdem spreche die Kleingliedrigkeit der Landschaft eher dafür, in diesem Bereich Windenergieanlagen zuzulassen, da dort die Landschaft weniger beeinträchtigt werde als in großflächigen, weithin einsehbaren Landschaften. Ebenso wenig sei der Hinweis auf die in Aufstellung befindliche Landschaftsschutzgebietsverordnung ein entscheidendes Argument, zumal es für den streitigen Standort bis heute keinen Schutzstatus nach dem Landespflegegesetz gebe. Im Übrigen sei das Landschaftsbild durch die Trasse der Hochspannungsleitung, die nördlich der Nahe auf der Höhe entlang der Hangkante zum Nahetal verlaufe, bereits nachhaltig gestört. Was den Belang des Vogelzuges angehe, so werde auf das Gutachten und die Stellungnahmen des Sachverständigen G. verwiesen. Schließlich müsse auch der Vorwurf der Verhinderungsplanung erhoben werden. So habe die Verbandsgemeinde, die ein Gebiet von 11.799 ha umfasse, SO-Flächen für Windenergieanlagen in einer Größenordnung von lediglich etwa 0,1% des Verbandsgemeindegebiets ausgewiesen. Die beiden SO-Bereiche in O. und B. habe man festgesetzt, obwohl sich beide Ortsgemeinden dagegen ausgesprochen hätten und deshalb auch in diesen Bereichen Aufstellungsbeschlüsse für Bebauungspläne und Veränderungssperren gefasst hätten. Hinzu komme, dass der Standort O. größtenteils innerhalb eines Flugbeschränkungsgebiets liege, in dem nur Bauhöhen von ca. 510 bis 520 m über NN zulässig seien. Des Weiteren sei die SO-Fläche in B. definitiv nicht mit Windenergieanlagen zu bebauen, da diese Fläche weder auf dem Landweg noch auf dem Luftwege erreichbar sei.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. März 2004 den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 20. Juli 2002 in der Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung für zwei Windenergieanlagen zu erteilen,

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hilfsweise,

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den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend und tritt den Darlegungen der Klägerin unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren mit umfangreichen Ausführungen entgegen. Insbesondere trägt er vor:

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Was den behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz angehe, so bleibe zu sehen, dass die von der Klägerin angesprochene Genehmigung eine kleinere Anlage und einen anderen Standort betroffen habe. Im Übrigen sei die damalige Einschätzung aufgrund der neueren Erkenntnisse zum Vogelflug nicht mehr haltbar.

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Entgegen der Ansicht der Klägerin sei der Flächennutzungsplan auch wirksam. Der Bürgermeister habe zwar irrtümlich den ursprünglichen Flächennutzungsplan in der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Aus den Akten ergebe sich aber, dass die richtigen (abgeänderten) Pläne offen gelegt worden seien. Die Unterlagen seien auch vollständig gewesen, da der Erläuterungsbericht zusammen mit den landespflegerischen Darstellungen offen gelegt worden seien.

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Darüber hinaus sei die Flächennutzungsplanung für die Windenergienutzung nicht konzeptlos gewesen. Es sei vielmehr für das gesamte Gebiet der Verbandsgemeinde eine flächendeckende Untersuchung vorgenommen worden. Dabei habe man bereits bestimmte Bereiche aufgrund planerischer Überlegungen vorweg herausgefiltert. Einer der entscheidenden Gründe für die Vorwegausscheidung sei der Vogelflug gewesen, der im vorliegenden Gebiet eine herausragende Stellung einnehme.

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Im Übrigen seien die von der Klägerin beanstandeten Pauschalierungen bei der Ausweisung von Tabuzonen von der Rechtsprechung anerkannt.

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Die Sensibilität der Landschaft im Zusammenhang mit der Ausweisung von Windenergieanlagen ergebe sich aus dem kleinteiligen Landschaftsrelief in Verbindung mit der außergewöhnlichen Fernwirkung im Bereich des Habichtskopfes. Daneben sei in diesem Bereich auch der Vogelzug zu beachten, zumal die Nahe eine der Hauptleitlinien des Vogelzuges darstelle und deshalb die Hangkanten von Windenergieanlagen freigehalten werden müssten.

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Schließlich seien auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die SO-Fläche in Becherbach wegen fehlender Transportmöglichkeiten nicht für Windenergieanlagen genutzt werden könne.

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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

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Der Senat hat durch Beschluss vom 3. Februar 2005 Beweis erhoben über die Frage, ob sich die Grundstücke Gemarkung S., Flur …, Flurstücke … und ... im Bereich des Hauptkorridors des Vogelzugs befinden, und falls dies zu bejahen ist, ob die auf den vorgenannten Flurstücken geplanten beiden Windenergieanlagen diesen Vogelzug beeinträchtigen, durch Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Landesamtes für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Stellungnahme des vorgenannten Landesamtes vom 13. Oktober 2005 verwiesen.

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Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie aus den Bau- und Widerspruchsakten des Beklagten (2 Aktenordner und 2 Hefte), 1 Band mit dem regionalen Raumordnungsplan Rheinhessen-Nahe, 1 Aktenordner mit Aufstellungsunterlagen zum Flächennutzungsplan der Beigeladenen, 2 Hefte des Beklagten mit zusammengestellten Schriftstücken, 2 Klarsichthüllen mit von der Beklagten zu den Gerichtsakten gereichten Karten, Pläne und Lichtbildern sowie 1 Heft und eine Klarsichthülle mit Unterlagen der Klägerin. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat nämlich keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung für die Errichtung zweier Windenergieanlagen an dem geplanten Standort in der Gemarkung Simmertal, weil diesen Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen (§ 70 Abs. 1 LBauO). Aus diesem Grunde vermag die Klägerin weder mit ihrem Verpflichtungsantrag noch mit ihrem hilfsweise gestellten Bescheidungsantrag durchzudringen. Allerdings scheitert ihr Begehren nicht bereits daran, dass die beiden Windenergieanlagen nicht die gebotenen Abstandsflächen zu den benachbarten Flurstücken einhalten. Denn die Klägerin hat inzwischen im Berufungsverfahren entsprechende schriftliche Zustimmungen der Grundstücksnachbarn zu einer Übernahme der Abstandsflächen auf ihren Grundstücken nachgereicht.

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Ob darüber hinaus – wovon die Vorinstanz ausgeht – den beiden nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB im Außenbereich privilegierten Windenergievorhaben die Darstellungen des Flächennutzungsplans, der an anderer Stelle Sonderflächen für Windenergieanlagen vorsieht, als öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegenstehen, erscheint vor allem im Hinblick auf die ausgewiesenen, relativ geringen Vorrangflächen für Windenergieanlagen (etwa 0,1 % der Verbandsgemeindefläche) und auf den undifferenzierten Ausschluss des gesamten nördlich der Nahe gelegenen Verbandsgemeindegebiets angesichts des Grundsatzes, dass der Windenergie eine substantielle Chance einzuräumen ist und keine verschleierte Verhinderungsplanung vorliegen darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2004, NVwZ 2005, 211), mehr als fraglich.

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Dies bedarf jedoch letztlich keiner abschließenden Entscheidung, weil den beiden geplanten Windenergieanlagen zumindest Belange des Naturschutzes i.S. von § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB entgegenstehen, worunter der Vogelschutz und damit auch der Vogelzug fällt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Mai 2003 – 8 A 10481/02 -).

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Nicht jeder einfache Vogelzug kann indessen privilegierten Vorhaben der Windenergienutzung entgegenstehen. Vielmehr bedarf es dazu eines Vogelzuggeschehens überdurchschnittlichen Umfangs, da ansonsten in Rheinland-Pfalz, welches größtenteils breitflächig von Vogelzügen überquert wird, die Errichtung von Windenergieanlagen fast flächendeckend ausgeschlossen wäre, was aber erkennbar dem mit der Privilegierung verfolgten gesetzgeberischen Willen widersprechen würde. Ein solches bedeutsames Vogelzuggeschehen wird man allenfalls bei einem Hauptkorridor bzw. einen Haupt-Vogelfluglinie annehmen können.

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Diese Bewertung findet ihre Stütze in den ministeriellen Hinweisen vom 18. Februar 1999 (MinBl. 1999, S. 148), wonach Gebiete mit Haupt-Vogelfluglinien als Standorte für Windenergieanlagen generell nicht in Betracht kommen.

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Im vorliegenden Fall ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die geplanten beiden Windenergieanlagen sich in einem Bereich befinden, der als Hauptvogelzugkorridor anzusehen ist. Diese Auffassung stützt sich zunächst auf die vom Senat eingeholten gutachterliche Stellungnahme des Landesamtes für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht vom 13. Oktober 2005, dessen Sachverständiger S. darin ausführt, dass alle bisher vorliegenden Dokumentationen ein leicht bis erheblich überdurchschnittliches Vogelzuggeschehen im

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näheren und weiteren Einzugsbereich des potentiellen Standorts der geplanten Windenergieanlagen bestätigen würden. Daraus zieht der Sachverständige die Schlussfolgerung, dass die Frage nach der Lage des Standorts der geplanten Windenergieanlagen in einem überregional bedeutsamen Zugkorridor nach Sichtung der Unterlagen eindeutig bejaht werden könne, zumal ihm aus eigenen exemplarischen Zählungen die Bedeutung des Nahetals als Korridor bekannt sei. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2006 hat der Sachverständige S…… ausgeführt, dass er solche Zählungen im Zeitraum 2001/2002 durchgeführt habe. Diese Aussagen werden im Übrigen durch die Erkenntnisse weiterer Ornithologen untermauert. So ist mit der gutachterlichen Stellungnahme eine Abhandlung des Ornithologen H.-G. F. vom Oktober 2004 zu den Gerichtsakten gereicht worden, aus der sich anhand der beigefügten Karten eindeutig ergibt, dass in dem hier maßgeblichen Bereich um den Habichtskopf herum ein bedeutsamer Vogelzugkorridor vorhanden ist. Bei diesen Aussagen stützt sich F…. u.a. auf Zugvogelzählungen, die von Mitarbeitern der GNOR seit Jahrzehnten vorgenommen worden sind. Dies hat auch bei den Abhandlungen von I. & I. aus dem Jahre 2001 und dem vom Ornithologen M. B. dargestellten Zugkorridor aus dem Jahre 2004 ihren Niederschlag gefunden. In einem weiteren zu den Gerichtsakten gereichten Manuskript von H.-G. F. vom 25. März 2005 wird nochmals zusammenfassend festgestellt, dass nach derzeitigem Kenntnisstand davon auszugehen ist, dass es sich bei dem Rheinhessen-Nahe-Korridor um einen der am stärksten beflogenen Vogelzugwege Deutschlands, vielleicht gar des mitteleuropäischen Binnenlandes handele. Ferner zeigt auch die zu den Gerichtsakten gereichte Karte des verstorbenen Ornithologen W. S., dass in dem hier maßgeblichen Bereich um den Habichtskopf herum ein Vogelzugkorridor besteht.

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Demgegenüber kann aus den Stellungnahmen des von der Klägerseite beauftragten Dipl.-Ing. G. nicht wesentlich anderes hergeleitet werden. Dabei fällt auf, dass dieser in seiner ersten Begutachtung vom 10. Januar 2001 noch zu dem Ergebnis kommt, dass das hier in Rede stehende Gebiet am Habichtskopf nach den Erkenntnissen des Landesamtes innerhalb eines Zugverdichtungsbereichs liege, was durch die Ergebnisse der eigenen Untersuchung durchaus bestätigt werden könne. Daraus zieht Dipl.-Ing. G. für diesen Zeitpunkt den Schluss, dass sich aus Sicht des Vogelschutzes somit eine negative Bewertung des Gebiets bezüglich der Eignung als Windenergieanlagenstandort ergebe. Allerdings bewertete er damals die Beobachtungszahlen am Standort Habichtskopf nur als leicht überdurchschnittlich, er räumte jedoch ein, dass es in diesem Gebiet bei südlichen Windrichtungen zumindest zu deutlichen Zugverdichtungen kommt. In den späteren Stellungnahmen werden diese Aussagen zwar relativiert. Aber es wird nicht in Abrede gestellt, dass das Gebiet über dem Landkreis Bad Kreuznach als Überflugraum des Kranichs anerkannte Bedeutung besitzt. Insoweit wird auch auf die Zählungen von Weichbrodt Bezug genommen, der über Jahre hinweg den Kranichzug über S. beobachtet hat. Im Grunde genommen lässt sich der Meinungsstreit zwischen der Kläger- und Beklagtenseite dahingehend zusammenfassen, dass der Sachverständige S. und Dipl.-Ing. G. im Grunde nur um die Wertigkeit der Zugverdichtung streiten, nicht aber darum, dass es in dem betreffenden Raum zu Vogelzugverdichtungen überhaupt kommt. Der Sachverständige der Klägerseite ist dabei eher der Auffassung, dass die Zahl der das Gebiet überfliegenden Vögel nicht signifikant hoch ist. Dies möchte er damit belegen, dass er an acht Tagen gezählt habe, an denen eben keine besonders hohen Zugfrequenzen festgestellt werden konnten. Andererseits hält er das Ergebnis der von F. am 21. Oktober 2004 durchgeführten Zählung, die eine außergewöhnlich hohe Zugfrequenz ergeben hatte, für einen nicht zu berücksichtigenden Sonderfall, weil diese Zahlen durch ein „Stauereignis“ herbeigeführt worden seien. Da aber auch der Sachverständige G. nicht über Jahre hinweg Zählungen in dem hier maßgeblichen Bereich durchgeführt hat, sind auch seine Beobachtungen als Momentaufnahmen anzusehen, aus der sich letztlich keine abschließenden gegenteiligen Erkenntnisse herleiten lassen. Vielmehr ist mit den Sachverständigen S. und den von ihm zitierten Ornithologen davon auszugehen, dass die einzelnen Vogelfluglinien in Abhängigkeit von geländemorphologischen Gegebenheiten und Witterungsfaktoren beflogen werden. Hieraus folgt, dass die Anzahl der Vögel von Jahr zu Jahr Schwankungen unterworfen ist und auch die genauen Zuglinien sich kleinräumig verändern können. Dies ändert aber nichts daran, dass aufgrund von feldornithologischen Beobachtungen über viele Jahre hinweg (35 Jahre laut Stellungnahme F. vom 01.12.2005 – Bl. 514 der Gerichtsakten -) gerade im Naheraum Vogelzugverdichtungen festgestellt wurden, die dort die Annahme eines Vogelzugkorridors rechtfertigen. Eine solche Annahme erscheint insbesondere in Anbetracht der geländemorphologischen Struktur des Nahegebiets und der unbestrittenen Vogelzugverdichtungen auf dem Ober-Hilbersheimer Plateau, die sich größtenteils in den Naheraum hinein fortsetzen, ohne weiteres nachvollziehbar. Angesichts dessen hegt der Senat keine Zweifel an der Aussage des Sachverständigen S., dass sich der geplante Standort der beiden Windenergieanlagen im Bereich eines bedeutsamen Vogelzugkorridors befindet, zumal dies auch den Zugkorridoren in den Karten von S., F. und B. entspricht.

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Ist mithin davon auszugehen, dass die beiden zur Genehmigung stehenden Windenergieanlagen in einem bedeutsamen Vogelzugkorridor errichtet werden sollen, so steht dieser Umstand dem Vorhaben auch als öffentlicher Belang i.S. von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen. In diesem Zusammenhang vermag der Senat nicht der Auffassung der Klägerseite zu folgen, die insbesondere unter Bezugnahme auf ihren Sachverständigen G. die Auffassung vertritt, dass durch die beiden Windenergieanlagen keine erheblichen Beeinträchtigungen für den Vogelzug herbeigeführt würden, weil einerseits von lediglich zwei Anlagen keine große Barrierewirkung ausgehe und andererseits die Anlagen beim Vogelzug der Kraniche abgeschaltet werden könnten. Denn die Tatsache, dass Beeinträchtigungen des Vogelzuges durch Windenergieanlagen eintreten können, hat der Sachverständige G. schon in seiner ersten, für die Klägerseite erstellten Untersuchung vom 10. Januar 2001 festgestellt. Darin führt er unter Hinweis auf eine Studie von B. und die neuesten Untersuchungen des Landesamtes aus, dass bei den Vögeln Irritationen und ein deutliches Ausweichverhalten stattfanden, was auch letztlich zum Verlust von Rastflächen führte. Dipl.-Ing. G. kam in dieser Untersuchung zu dem Schluss, dass insbesondere bezüglich des Durchzuggeschehens negative Beeinträchtigungen zu erwarten seien, die man nicht ausgleichen könne. Des Weiteren wies er darauf hin, dass Auswirkungen auf das Zug- und Rastverhalten größerer Trupps von Kiebitz und Kranich möglich seien. Diese zu einer Planung von mehr als zwei Windenergieanlagen gemachten Ausführungen hat der Sachverständige der Klägerseite zwar in der Folgezeit für die Errichtung von lediglich zwei Windenergieanlagen eingeschränkt und das nicht bestrittene Konfliktpotential dahingehend neu bewertet, dass die Beeinträchtigung des Vogelzuges in einem solchen Falle nicht mehr als erheblich einzustufen sei. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung musste er aber zumindest einräumen, dass insbesondere bei bestimmten Witterungsbedingungen sogar der Kranichzug beeinträchtigt werden könne. Der Sachverständige S. hingegen ist in seiner schriftlichen Stellungnahme zu der Ansicht gelangt, dass aufgrund des hohen Zugaufkommens und der Exposition der Anlagen erhebliche Beeinträchtigungen des Vogelzuges eher wahrscheinlich seien. Dazu hat er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die von den Zugvogeltrupps – insbesondere bei Kleinvögeln – infolge der vor Windenergieanlagen vorzunehmenden Ausweichbewegungen und der damit verbundene Verlust von Rasträumen energetisch schlecht für Zugvögel seien und deshalb in Zugkorridoren vermieden werden müssten. Dem schließt sich der Senat an. Zwar ist der Klägerseite einzuräumen, dass die vorstehend diskutierten Beeinträchtigungen des Vogelzuges noch nicht durch umfassende wissenschaftliche Untersuchungen vollständig abgeklärt sind und es gegebenenfalls insoweit für die Zukunft noch weiterer Untersuchungen bedarf. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Untersuchungsreihen diesen Erkenntnisprozess weiter voranzubringen. Vielmehr darf es sich am gegenwärtigen Erkenntnisstand orientieren. Danach können jedoch vorliegend wesentliche Beeinträchtigungen insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen S. nicht ausgeschlossen werden. Ferner ist für den Fall, dass ein Vogeltrupp bei schlechten Witterungsbedingungen den Windenergieanlagen nicht rechtzeitig ausweicht, damit zu rechnen, dass es zu Vogelverlusten kommt, was sich auch aus der von dem Beklagten zu den Gerichtsakten gereichten Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg herleiten lässt. Dies alles reicht indessen für die Annahme aus, dass der Vogelzug als öffentlicher Belang der Errichtung der beiden Windenergieanlagen entgegensteht.

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Diese Beeinträchtigungen lassen sich auch nicht durch Abschaltungen der Windenergieanlagen verhindern. Denn abgesehen davon, dass solche Abschaltungen nach den Darstellungen der Klägerseite nur den Kranichzug betreffen sollen, haben sowohl der Sachverständige S. als auch der Ornithologe F. in seiner zu den Gerichtsakten gereichten Stellungnahme vom 3. Dezember 2005 aufgezeigt, dass entsprechende Warnsysteme weder effektiv noch machbar sind. Darüber hinaus würden diese Abschaltungen nicht die übrigen Zugvögel betreffen, die nicht – wie die Kraniche – bei bestimmten Witterungsbedingungen die Windenergieanlagen überfliegen können.

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Steht nach alledem bereits der Vogelzug als öffentlicher Belang i.S. von § 35 abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB einer Genehmigung der beantragten Windenergieanlagen entgegen, so kann dahinstehen, ob darüber hinaus – wie die Klägerseite vorgetragen hat – auch das Vorkommen von Fledermäusen und das des Rotmilans ein derartiges Genehmigungshindernis darstellt. Entsprechendes gilt auch für die Frage, ob das Landschaftsbild durch die beiden Windenergieanlagen verunstaltet wird und der im regionalen Raumordnungsplan ausgewiesene Grünzug die Errichtung von Windenergieanlagen ausschließt.

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Schließlich kann die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung ebenso wenig aus sonstigen Gesichtspunkten herleiten. Sie ist weder im Besitz einer schriftlichen Zusage gemäß § 38 Abs. 1 VwVfG, noch kann sie einen Genehmigungsanspruch aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG herleiten. Abgesehen davon, dass die im Streit stehenden Anlagen nach dem Vortrag des Beklagten schon vom Standort her mit den in Bezug genommenen Windenergieanlagen auf dem Kandrich und in Hüffelsheim nicht vergleichbar sind, scheitert ein Anspruch aus Art. 3 GG bereits daran, dass es im Genehmigungsverfahren keine Gleichheit im Unrecht gibt.

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Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Es bestand kein Anlass, der unterliegenden Klägerin gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da Letztere weder einen Antrag gestellt noch das Verfahren durch eigenes Vorbringen wesentlich gefördert hat.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

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Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

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