Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 A 10026/08

Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. August 2007 wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Ortsgemeinde, begehrt von dem Beklagten die Umstufung einer innerörtlichen Gemeindestraße zu einer Kreisstraße als – weitere westliche – Teilstrecke der K 140, die die Ortslage der Klägerin an die nördlich ihrer Ortslage verlaufende K 77 anbindet.

2

Die Ortslage der Klägerin, die von der streitigen Gemeindestraße in Ostwestrichtung durchquert wird, stößt im Westen an die L 149 an, die dem Ruwertal folgend in Nordsüdrichtung verläuft. Ebenfalls in Nordsüdrichtung verläuft – etwa 1,2 km von der Ortslage der Klägerin entfernt im Osten – die B 52. Eine durchgehende Kreisstraßenverbindung von Westen nach Osten zwischen der L 149, der B 52 und der von dieser aus gesehen etwa 1,5 km weiter östlich verlaufenden L 150 besteht nördlich der Ortslage der Klägerin in ca. 1,2 km Entfernung über die K 78 und die die Ortslage von Mertesdorf querende K 77, die bis zur L 150 nach Osten weiter geführt ist. In die K 77 mündet knapp 400 m östlich der Ortslage von Mertesdorf und westlich der B 52 die K 140 ein, die von hier aus nach Süden bis an den östlichen Ortsrand der Klägerin führt. Die Entfernung von der Einmündung der streitigen Gemeindestraße der Klägerin in die L 149 bis zur Einmündung der nördlich davon gelegenen Einmündung der K 78 in die L 149 bei Mertesdorf beträgt knapp 1,2 km.

3

Ausgelöst durch eine Zunahme des innerörtlichen Verkehrsaufkommens auf der Gemeindestraße wurden am 27. Mai 1978 eine Verkehrszählung und eine Verkehrsbefragung durchgeführt, die einen Anteil des Durchgangsverkehrs von 62 % gegenüber einem Ziel- und Quellverkehrsanteil in Höhe von 38 % ergab. Entsprechende Erhebungen ergaben für das Jahr 1999 einen Durchgangsverkehrsanteil von 48 % und einen Ziel- und Quellverkehrsanteil von 52 % sowie für das Jahr 2001 einen Durchgangsverkehrs von 53 % gegenüber einem Ziel- und Quellverkehranteil von 47 %. Bis in das Jahr 1998 reichen die sich auf diese Ergebnisse stützenden Bemühungen der Klägerin zurück, eine Aufstufung der genannten Gemeindestraße zur Kreisstraße zu erreichen. Diese Bemühungen blieben allerdings erfolglos.

4

Am 23. August 2005 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Aufstufung der Gemeindestraße zur Kreisstraße. Zur Begründung wird darin ausgeführt, die zuständigen Behörden bewerteten die Verkehrsbedeutung der Straße nicht zutreffend. Diese habe sich in den letzten Jahren durch die Anbindung der B 52 an die Autobahnen in Richtung Luxemburg und Koblenz gravierend geändert. Die Zählungen belegten, dass die Straße überwiegend dem Durchgangsverkehr diene.

5

Nachdem der Kreistag des Beigeladenen in seiner Sitzung am 14. November 2005 die Aufstufung abgelehnt hatte, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. April 2006 die Aufstufung ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, entscheidungserheblich sei, auch wenn die durchgeführten Zählungen einen überwiegenden Anteil des Durchgangsverkehrs belegten, die raumordnerische Funktion der Straße, wie sich aus § 3 Satz 1 LStrG ergebe. Im vorliegenden Fall sei es so, dass die innerörtliche Gemeindestraße sowie anschließend hieran die K 140 von ortskundigen Verkehrsteilnehmern aus der näheren Umgebung als „kürzere Verbindung“ genutzt werde. Die Nutzung einer Straße als Ausweichstrecke zu einer klassifizierten Straße könne aber nicht das Kriterium sein, die Verkehrsbedeutung einer Straße abweichend von ihrer raumordnerischen Funktion einzuordnen. Die raumordnerische Funktion einer Straße bestimmten nicht die eine Straße als Abkürzung oder Schleichweg nutzenden Kraftfahrer, sondern die Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer jeweiligen Planung des Verkehrsnetzes. Eine Aufstufung komme darüber hinaus nicht in Betracht mit Blick auf die den Kreisstraßen gemäß § 3 Nr. 2 LStrG zukommende Anbindungsfunktion. Die Klägerin sei nämlich bereits ausreichend an das überörtliche Straßennetz angebunden.

6

Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs hat die Klägerin vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf die Aufstufung der ihre Ortslage querenden Gemeindestraße, weil sich deren Verkehrsbedeutung geändert habe. Die Verkehrsbedeutung hänge nicht von der Zweckbestimmung durch die Behörde ab, sie richte sich vielmehr nach der Reichweite des auf der Straße vorrangig stattfindenden Verkehrs und damit nach dem tatsächlichen Verkehrsaufkommen. Die zuständige Straßenbaubehörde habe daraus lediglich die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Die zuletzt im Jahre 2001 durchgeführte Verkehrsuntersuchung habe einen Durchgangsverkehrsanteil von 53 % am Gesamtverkehrsaufkommen ergeben. Diesem Umstand könne die Argumentation, es handele sich hierbei zu einem erheblichen Teil um einen sog. Schleichwegverkehr nicht entgegengehalten werden, weil von einem Schleichwegverkehr nur dann gesprochen werde, wenn hierzu ein Wirtschaftsweg genutzt werde. Hier nutze dieser Durchgangsverkehr jedoch eine schon öffentliche Straße.

7

Eine von der Kreisverwaltung des Landkreises Trier-Saarburg in Abstimmung mit der Klägerin während des Widerspruchsverfahrens in Auftrag gegebene Verkehrsuntersuchung, die am 15. November 2006 durchgeführt wurde, gelangte zu dem Ergebnis, dass der Anteil des Durchgangsverkehrs 66 % des gesamten Verkehrsaufkommens ausmache, dass die insoweit zu berücksichtigenden Verkehrsteilnehmer allerdings zu einem erheblichen Teil aus benachbarten Ortschaften südlich des Gemeindegebietes der Klägerin stammten.

8

Mit Widerspruchsbescheid das Landesbetriebes Mobilität Rheinland-Pfalz vom 23. März 2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde hierin ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Aufstufung der Gemeindestraße, weil sich deren Verkehrsbedeutung nicht geändert habe. Zwar seien die auf einer Straße stattfindenden Verkehrsvorgänge wichtig für die Beantwortung der Frage, welche Verkehrsbedeutung eine Straße habe. Dies bestimme jedoch nicht alleine deren Verkehrsbedeutung, vielmehr sei auch deren raumordnerische Funktion maßgeblich, wie der Gesetzgeber durch die Neufassung des Landesstraßengesetzes im Jahr 1986 bestimmt habe. Diese raumordnerische Funktion werde aber nicht durch den sog. Schleichwegverkehr von Ortskundigen bestimmt, wie in der Rechtsprechung des Senats geklärt sei. Die fehlende raumordnerische Funktion der Gemeindestraße als Durchgangsstraße innerhalb des Landkreises oder darüber hinaus ergebe sich aus der Netzfunktion, die als Querverbindung in Ostwestrichtung zwischen den Landesstraßen L 150 und L149 und der B 52 die Kreisstraßenverbindung über die K 77 und die K 78 vorsehe. Auf diese bestehende Querverbindung über klassifizierte Straßen sei auch die Beschilderung ausgerichtet. Lediglich wer sich vor Ort auskenne, nutze die – geringe – Abkürzung über die streitige Gemeindestraße und die sich hieran anschließende K 140 als Verbindung zwischen der L 149 und der K 77.

9

Zur Begründung ihrer hiergegen am 27. April 2007 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, entgegen der Auffassung des Beklagten habe sich die Verkehrsbedeutung der Gemeindestraße geändert. Während diese früher eine innerörtliche Gemeindestraße gewesen sei, finde heute darauf vorrangig Durchgangsverkehr statt, wie die zwischen 1998 und 2006 durchgeführten Verkehrsuntersuchungen belegten. Der Einwand, es handele sich hierbei vorwiegend um Schleichwegverkehr, sei falsch, weil hinsichtlich der Feststellungen der Verkehrsbedeutung nicht planerische Überlegungen maßgeblich seien, sondern das tatsächliche Verkehrsaufkommen auf der Straße. Diese weise das Verkehrsaufkommen einer Kreisstraße auf. Im Ergebnis habe sich deshalb die Funktion der Straße im Gesamtstraßennetz nachhaltig verändert. Dass die Beschilderung dem nicht entspreche, sei ohne Bedeutung. Schließlich gebe es hier auch keine raumordnungsrelevante Straßenplanung.

10

Das Verwaltungsgericht Trier hat den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides sowie des Widerspruchsbescheides verpflichtet, die die Ortslage der Klägerin durchquerende innerörtliche Gemeindestraße, beginnend an der Landesstraße L149 und endend am Beginn der Kreisstraße K 140 zu einer Teilstrecke der K 140 aufzustufen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Umstufung nach § 38 Abs. 1 LStrG lägen hier vor, weil sich die Verkehrsbedeutung der streitigen Gemeindestraße dergestalt geändert habe, dass sie nunmehr die Verkehrsbedeutung einer Kreisstraße habe. Als solche einzustufen seien nach § 3 Nr. 2 LStrG u.a. solche Straßen, die überwiegend dem überörtlichen Verkehr innerhalb des Landkreises oder darüber hinaus dienten. Insoweit sei auf die räumliche Tragweite der auf der Straße stattfindenden Verkehrsvorgänge abzustellen. Allerdings sei dies nicht das alleinige und bestimmende Kriterium für die Beurteilung der Verkehrsbedeutung. Durch das 4. Landesgesetz zur Änderung des Landesstraßengesetzes vom 27. Oktober 1986 habe der Landesgesetzgeber § 3 Satz 1 LStrG nämlich dergestalt neu gefasst, dass die öffentlichen Straßen „insbesondere unter Berücksichtigung ihrer raumordnerischen Funktion“ in die einzelnen Straßengruppen einzuteilen seien. Deshalb sei neben dem tatsächlichen Verkehrsaufkommen die Netzfunktion des jeweiligen Verkehrsweges maßgeblich für seine Einstufung. Danach lägen hier die Voraussetzungen für eine Aufstufung der streitigen Gemeindestraße zu einer Kreisstraße vor. Sie diene überwiegend dem überörtlichen Verkehr, wie zuletzt die Verkehrserhebung aus dem Jahre 2006 ergeben habe. Auch sei keine Netzplanung vorhanden, die eine überörtliche Bedeutung der streitigen Straße ausschließen würde. Dafür, dass die Gemeindestraße nach den planerischen Vorstellungen des Landkreises eine überörtliche Funktion haben solle, spreche auch, dass der Landkreis bereits heute die Fortführung der Straße beginnend am östlichen Ortsende bis zur Einmündung in die K 77 als K 140 unterhalte. Als Anbindung an das überörtliche Straßennetz sei die K 140 nicht nötig gewesen, da die Klägerin bereits an die L 149 angebunden sei. Aus der Tatsache, dass die streitige Gemeindestraße zusammen mit der anschließenden K 140 der Anbindung des Verkehrs aus dem oberen Ruwertal an die B 52 diene, lasse sich ein raumordnerisches Konzept herleiten, welches mehr für die Aufstufung spreche als dagegen.

11

Zur Begründung der durch Beschluss des Senats vom 4. Januar 2008 zugelassenen Berufung trägt der Beklagte vor, das Verwaltungsgericht habe zwar zutreffend darauf abgestellt, dass sich das Verkehrsaufkommen auf der streitigen Gemeindestraße verändert habe. Das sei aber nicht gleichzusetzen mit einer veränderten Verkehrsbedeutung der Straße, weil sich allein daraus keine veränderte raumordnerische Funktion derselben ergebe. Im vorliegenden Fall sei die Änderung des Verkehrsaufkommens dadurch verursacht, dass Ortskundige aus den umliegenden Gemeinden diese Strecke als Schleichwegstrecke zur K 77 und dann weiter zur B 52 nutzten. Ein derartiger Schleichwegverkehr sei nach der Rechtsprechung des Senats bezüglich der raumordnerischen Funktion eines Verkehrsweges aber unbeachtlich. Die überörtliche Netzfunktion komme hier der in geringer Entfernung nördlich der Ortslage der Klägerin bestehenden Straßenverbindung über die K 78 und die K 77 zu, die in Ostwestrichtung die L 150, die B 52 und die L 149 miteinander verbinde. Dementsprechend sei auch die Ausschilderung bezüglich überörtlicher Ziele erfolgt. Maßgeblich sei, dass keinerlei Planung vorhanden sei, die die streitige Strecke als Verkehrsweg für den überörtlichen Verkehr vorsehe. Das tatsächliche Verkehrsaufkommen und die erforderliche Netzfunktion stünden für die Bestimmung, in welche Straßengruppe eine Straße einzuordnen sei, gleichwertig nebeneinander, wobei die Netzfunktion im Zweifelsfall ausschlaggebend sein müsse. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass nicht allein das tatsächliche Verkehrsaufkommen auf einer Straße für die Einstufung erforderlich sein könne, sondern dass es vielmehr einer entsprechenden Netzplanung bedürfe, sei allenfalls für den Fall denkbar, dass sich ein Straßenbaulastträger einer solchen Planung verweigere, ungeachtet der Tatsache, dass die Verkehrsteilnehmer gleichsam zwangsläufig eine bestimmte Straßenverbindung als überörtliche Verbindung nutzen müssten, weil hierfür ausreichende Verbindungen über klassifizierte Straßen nicht zur Verfügung stünden. So liege der Fall hier jedoch nicht. Hier sei eine ausreichende überörtliche Straßenverbindung in geringer Entfernung der Ortslage der Klägerin bereits vorhanden.

12

Der Beklagte beantragt,

13

Die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichtes Trier vom 22. August 2007 abzuweisen.

14

Die Klägerin beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie bezieht sich zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, selbst wenn die bestehende Kreistrassenverbindung zwischen der B 52 und der L 149 über die in der Ortslage der Nachbargemeinde Mertesdorf verlaufende K 77 weiterhin die für eine Einstufung als Kreistrasse nötige raumordnerische Netzfunktion haben sollte, so schließe das nicht aus, auch der ihre Ortslage querenden Gemeindestraße und der sich hieran anschließenden K 140 ebenfalls eine solche Netzfunktion zuzuerkennen.

17

Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten (2 Hefter) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung ist zulässig und begründet.

20

Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf die Aufstufung der streitigen Gemeindestraße zu einer weiteren Teilstrecke der K 140 hat, die die Ortslage der Klägerin an ihrem östlichen Ende an die in geringer Entfernung nördlich verlaufende K 77 anbindet. Die genannte Gemeindestraße hat nämlich nicht die Verkehrsbedeutung einer Kreisstraße i.S. von § 3 Nr. 2 LStrG.

21

Eine Umstufung (Aufstufung), wie sie die Klägerin hier begehrt, kann gemäß § 38 Abs. 1 S. 1 LStrG nur erfolgen, wenn sich die Verkehrsbedeutung der Straße geändert hat. Sie ist dann in die entsprechende Straßengruppe einzustufen. Unter welchen Voraussetzungen eine Straße in die jeweilige Straßengruppe einzustufen ist, hat der Gesetzgeber in § 3 LStrG festgelegt. Hiernach hat die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Aufstufung ihrer Gemeindestraße zu einer Kreisstraße, weil die streitige Straße – nach wie vor – zutreffend als Gemeindestraße eingestuft ist.

22

Gemäß § 3 Satz 1 LStrG werden die öffentlichen Straßen nach ihrer Verkehrsbedeutung in Landes-, Kreis-, Gemeinde- und sonstige Straßen eingeteilt, wobei sich die Verkehrsbedeutung einer Straße nach der „Bedeutung der Straße im Verkehr“ beurteilt, also nach ihrer Funktion im Gesamtstraßennetz (vgl. Urteil des Senats vom 7. Mai 1997 – 1 A 11375/96.OVG – m.w.N.; NdsOVG, Urteil vom 14. Februar 1994, DVBl. 1994, 1203 f.; BayVGH, Urteil vom 24. Februar 1999, BayVBl. 2000, 242 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 10. Mai 2005 in juris, jeweils m.w.N.). Dabei ist auf die Kriterien zurückzugreifen, die der Landesgesetzgeber in § 3 LStrG zur Einteilung der öffentlichen Straßen in die verschiedenen Straßengruppen normiert hat.

23

Bei der Beurteilung der Verkehrsbedeutung einer Straße unter dem Gesichtspunkt, welchem Verkehr sie dient – örtlichem oder überörtlichem -, ist ein wichtiges Erkennungsmerkmal die räumliche Tragweite der auf der Straße stattfindenden Verkehrsvorgänge. Allerdings ist dies nicht das alleinige Kriterium für die Beurteilung der Verkehrsbedeutung. Der Landesgesetzgeber hat nämlich durch das Vierte Landesgesetz zur Änderung des Landesstraßengesetzes vom 27. Oktober 1986 § 3 Satz 1 LStrG dergestalt neu gefasst, dass die öffentlichen Straßen „insbesondere unter Berücksichtigung ihrer raumordnerischen Funktion“ in die einzelnen Straßengruppen einzuteilen sind. Hierzu ist in der amtlichen Begründung (Drucks. 10/2174 S. 12) ausgeführt:

24

„Die Verkehrsbedeutung der öffentlichen Straßen darf nicht nur im Sinne tatsächlicher Verkehrsbelastung verstanden werden. Wie sich aus den Abgrenzungskriterien der einzelnen Straßengruppen ergibt, stellt die raumordnerische Funktion der Straßen ein (mit-) ausschlaggebendes Moment für die Verkehrsbedeutung dar. Die Ergänzung des Einleitungssatzes verdeutlicht dies.“

25

Die rein zahlenmäßige Erfassung der Verkehrsbelastung soll deshalb nach dem Willen des Landesgesetzgebers nicht allein das Kriterium für die Einstufung einer Straße sein (vgl. Urteil des Senats vom 26. November 1994 – 1 A 10644/94.OVG – m.w.N.).

26

Maßgeblich dafür, ob eine Straße aufgrund ihrer raumordnerischen Funktion im Gesamtstraßennetz als Kreisstraße einzugruppieren ist, ist der durchgehende Verkehr, wie aus den Einstufungskriterien des § 3 LStrG ablesbar ist. Dies tritt bei § 3 Nr. 1 LStrG, der die Definition der Landesstraße enthält, schon im Wortlaut hervor, wo auf den Durchgangsverkehr abgestellt wird. Auf einen derartigen durchgehenden Verkehr, wenn auch nicht bezogen auf das Land, stellt auch die Definition des § 3 Nr. 2 LStrG bezüglich der Kreisstraßen ab, soweit hierin Verkehrsbeziehungen innerhalb des Landkreises oder mit benachbarten Landkreisen oder kreisfreien Städten angesprochen werden. Diese Parallelität wird weiterhin deutlich durch die jeweiligen Klammerzusätze in § 3 Nrn. 1 und 2 LStrG, wonach die Straßen als Landesstraßen erster bzw. zweiter Ordnung bezeichnet werden. Die Bedeutung dieser raumordnerischen Funktion hat der Landesgesetzgeber zudem, wie oben ausgeführt, durch die Ergänzung des Einleitungssatzes des § 3 LStrG verdeutlichen wollen. Mit anderen Worten sind für die Einstufung einer Straße die Netzfunktion des Verkehrsweges sowie die hierauf stattfindenden Verkehrsvorgänge von Bedeutung, die nicht durch den Ort selbst ausgelöst werden, dessen Ortslage den Verkehrsweg durchquert.

27

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die streitige Gemeindestraße in der Ortslage der Klägerin nicht die Verkehrsbedeutung einer Kreisstraße. Zur Stützung ihrer Rechtsauffassung, die Straße habe die Verkehrsbedeutung einer Kreisstraße, verweist die Klägerin zum einen darauf, dass die in der Vergangenheit – zuletzt 2006 – durchgeführten Verkehrsuntersuchungen einen überwiegenden Durchgangsverkehrsanteil am Gesamtverkehrsaufkommen auf der genannten Straße belegt hätten, und macht zum anderen geltend, die Veränderung der Verkehrsströme aufgrund der Anbindung der B 52 an das Autobahnnetz Richtung Luxemburg und Koblenz habe ihrer innerörtlichen Gemeindestraße nunmehr eine veränderte Verkehrsfunktion vermittelt, der durch die begehrte Aufstufung zur Kreisstraße Rechnung zu tragen sei. Darüber hinaus existiere keine – förmliche – Verkehrswegeplanung, die ihrer Gemeindestraße eine überörtliche Verbindungsfunktion abspreche. Dieser Argumentation vermag der Senat jedoch nicht zu folgen.

28

Zwar trifft es zu, dass die verschiedenen Verkehrserhebungen ergeben haben, dass der Anteil des Durchgangsverkehrs auf der Gemeindestraße den Anteil des Ziel- und Quellverkehrs überwiegt. Das stellt auch der Beklagte letztlich nicht in Abrede. Streitig zwischen den Beteiligten ist allerdings die Bewertung des festgestellten Durchgangsverkehrs in Bezug auf die Verkehrsbedeutung der Gemeindestraße.

29

Auch wenn die räumliche Tragweite des tatsächlich auf einer Straße stattfindenden Verkehrs ein wichtiges Merkmal für die Beurteilung der Verkehrsbedeutung ist, können sich die insoweit zu treffenden Feststellungen nicht in einer rein zahlenmäßigen Erfassung der Verkehrsvorgänge erschöpfen. Vielmehr bedürfen sie einer entsprechenden Gewichtung und Bewertung, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat. Danach ist der sog. Schleichwegverkehr, der im vorliegenden Fall einen erheblichen Teil des hier festgestellten Durchgangsverkehrs ausmacht, außer Acht zu lassen. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom 7. Mai 1997 (a.a.O.) Folgendes ausgeführt:

30

„Die Nutzung einer Straße als Ausweichstrecke zu einer stark befahrenen und deshalb die Gefahr von Staus in sich bergenden klassifizierenden Straße kann nicht das Kriterium sein, die Verkehrsbedeutung einer Straße abweichend von ihrer raumordnerischen Funktion einzuordnen. Die raumordnerische Funktion einer Straße bestimmen nämlich nicht die eine Straße als Abkürzung oder Schleichweg nutzenden Kraftfahrer, sondern die Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer jeweiligen Planung des Verkehrsnetzes. Anderenfalls müssten zahlreiche Straßen, die von den Kraftfahrern mit Ortskenntnis zur Umgehung von Staus speziell in den Spitzenzeiten des Berufsverkehrs genutzt werden, zu klassifizierten Straßen aufgestuft werden mit dem Ergebnis, dass die raumordnerische Straßenplanung einem solchen Verkehrsverhalten zu folgen hätte und nicht das Verkehrsverhalten der Kraftfahrer der raumordnerischen Netzplanung. Das ist ersichtlich nicht der Wille des Landesgesetzgebers. Zudem ist die jeweilige Gebietskörperschaft keineswegs ohne Abwehrmöglichkeit einer derartigen ungewollten Verkehrsverlagerung ausgesetzt. Sie hat es nämlich in der Hand, durch geeignete straßenverkehrsrechtliche wie straßenbauliche Maßnahmen dazu beizutragen, das tatsächliche Verkehrsaufkommen auf das der Funktion im Gesamtstraßennetz entsprechende Maß zurückzuführen (vgl. Urteile des Senats vom 5. Januar 1995 – 1 A 10822/94.OVG – und vom 29. August 1996 – 1 A 12998/95.OVG -).“

31

Hieran hält der Senat nach wie vor fest. Es ist vielfach so, dass z. B. die Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen nicht zu jeder Tageszeit die schnellste oder auch überhaupt nicht die kürzeste Fahrstrecke sind, und dass es deshalb eine allgemein bekannte Situation ist, dass sich ortskundige Verkehrsteilnehmer – unter Umständen auch durch Navigationssysteme geleitet – Abkürzungen suchen. Gerade bei größeren Orten oder Städten wird das häufiger der Fall sein. Eine sinnvolle Netzplanung kann sich aber nicht allein daran ausrichten, für den Durchgangsverkehr die schnellste und kürzeste Strecke festzulegen. Sie muss auch berücksichtigen, welche örtlichen Bereiche gegenüber den mit einer erhöhten Verkehrsbelastung verbundenen Störungen weniger empfindlich sind. Und sie muss, soweit es um die Netzplanung außerhalb von Baugebieten geht, das großräumige Straßennetz im Blick haben. Die Streckenwahl von Verkehrsteilnehmern, denen es um die kürzeste oder schnellste Strecke geht - mag der Gewinn auch noch so gering sein - , kann deshalb die Gestaltung des überörtlichen Verkehrsnetzes nach dem Willen des Gesetzgebers nicht bestimmen.

32

Dementsprechend kann aus dem Umstand, dass ortskundige Kraftfahrer aus den südlich der Klägerin gelegenen Nachbargemeinden die Gemeindestraße und anschließend hieran an die K 140 als Verbindung zwischen der L 149 und der K 77 als – geringfügig – kürzere Wegestrecke zur B 52 nutzen, nicht der Schluss gezogen werden, allein das dadurch bedingte Überwiegen des Durchgangsverkehrsanteils rechtfertige bereits die Aufstufung der Gemeindestraße zur Kreisstraße. Ausweislich der Verkehrsuntersuchung vom November 2006 (s. Abb. 6 Bl. 41 Widerspruchsakte) stammen 44 % der die Gemeindestraße nutzenden Verkehrsteilnehmer aus den in geringer Entfernung südlich des Gemeindegebietes der Klägerin gelegenen Gemeinden Waldrach, Morscheid, Riveris, Korlingen und Gutweiler, wobei allein der Anteil der Verkehrsteilnehmer aus den nächstgelegenen Gemeinden Waldrach und Morscheid 35 % beträgt. Demgegenüber nutzen lediglich 7 % der Verkehrsteilnehmer sonstiger Herkunft die vorstehend genannte Streckenführung durch die Ortslage der Klägerin als überörtliche Verbindungsstrecke. Der Beklagte hat deshalb zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich hier um einen Durchgangsverkehrsanteil an dem Gesamtverkehrsaufkommen handelt, der wesentlich von ortskundigen Verkehrsteilnehmern aus der näheren Umgebung der Klägerin bestimmt wird. Ein solcher, allgemein als Schleichwegverkehr bezeichneter Verkehr ist aber nicht maßgeblich für die Einstufung von Straßen in die Straßengruppen gemäß § 3 LStrG.

33

Hieraus folgt aber zugleich auch, dass hier ein sich derart entwickelnder und von der jeweiligen Gemeinde nicht unterbundener Schleichwegverkehr nicht zu einer veränderten raumordnerischen Funktion führen kann. Dabei verkennen die Klägerin wie auch das Verwaltungsgericht, dass es zur Feststellung der jeweiligen raumordnerischen Funktion nicht einer förmlichen Festlegung etwa in einem Kreisverkehrsplan bedarf. Welche raumordnerische Funktion ein Straßenzug hat, erschließt sich, sofern ein solcher Verkehrsplan fehlt, ohne weiteres auch aus dem Straßennetz selber, das die jeweiligen Straßenbaulastträger im Laufe der Jahre geschaffen haben. Betrachtet man für den vorliegenden Fall das hier bestehende Netz klassifizierter Straßen (vgl. die zeichnerische Darstellung Bl. 153 Verwaltungsakte), dann ergibt sich hier ein verhältnismäßig engmaschiges Netz klassifizierter Straßen, die von Süden nach Norden in Richtung Mosel führen, beginnend im Westen – unmittelbar westlich der Ortslage der Klägerin – mit der L 149, der östlich der Klägerin verlaufenden B 52 und – in diesem engeren Bereich – weiter östlich endend mit der L 150. Diese Nord-Süd-Verbindungen werden in geringer Entfernung von der Ortslage der Klägerin durch eine Querverbindung miteinander verbunden, die – beginnend an der L 149 – zunächst über die K 78 und sodann über die K 77 zur B 52 und hieran anschließend weiter zur L 150 führt.

34

Diese Querverbindung verläuft ca. 1,2 km nördlich der Gemeindestraße, über deren Aufstufung im vorliegenden Verfahren gestritten wird. Die Entfernung von der Einmündung der genannten Gemeindestraße in die L 149 bis zur Einmündung der K 78 in die L 159 weiter nördlich beträgt ebenfalls nur knapp 1,2 km. Demnach ist es hier keineswegs so, dass eine Querverbindung, die die überregionalen, in Nordsüdrichtung verlaufenden Straßen miteinander verbinden würde, erst in weiterer Entfernung von der Ortslage der Klägerin existieren würde und aufgrund dessen gleichsam zwangsläufig die Verkehrsteilnehmer aus den Gemeinden südlich der Ortslage der Klägerin darauf angewiesen wären, die Gemeindestraße und die K 140 als Verbindung zu den weiter östlich gelegenen überregionalen Straßen zu nutzen. Es ist auch keineswegs so, dass die von der Klägerin gewünschte Kreisstraßenverbindung zwischen der L 149 und der B 52 sich mit der weiteren - bestehenden - Verbindung der letztgenannten Straßen über die K 78 und die K 77 sich gleichsam als ein weiter gefächertes Dreieck darstellen würden. Tatsächlich ist es vielmehr so, dass die K 78 und K 77 und die innerörtliche Gemeindestraße der Klägerin in etwa parallel in einem Abstand von ca. 1,2 km verlaufen und dass deren Verbindung in Nordsüdrichtung im Westen durch die L 149 gewährleistet und im Osten der Ortslage der Klägerin durch die hier ebenfalls nach Norden zur K 77 führende K 140 gegeben ist. Das zuletzt beschriebene Straßennetz stellt sie eher wie ein Trapez dar, dessen kürzere der beiden parallel verlaufenden Seiten die Gemeindestraße ist, über deren Aufstufung gestritten wird. Die Wegestreckenersparnis für die die Gemeindestraße als Schleichweg nutzenden Verkehrsteilnehmer kann daher allenfalls wenige 100 m betragen. Angesichts dieser Entfernungen sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verbindung über die Gemeindestraße und sich hieran anschließende K 140 zur K 77 gleichsam zwangsläufig die Verkehrsfunktion einer Kreisstraße zukommen müsste, obwohl in geringer Entfernung nördlich hiervon eine solche überregionale Verbindung bereits besteht. Auch geht es nach den vorliegenden Lageplänen hier nicht etwa darum, dass über diese Verbindung - bestehend aus der Gemeindestraße und der K 140 - die Verkehrsteilnehmer auf andere klassifizierte Straßen geführt würden als auf die K 77, die ohnehin als Querverbindung in Ostwestrichtung existiert.

35

Schließlich geben die vorliegenden Verwaltungsunterlagen aber auch nichts für das Vorbringen der Klägerin her, die bestehende klassifizierte Verbindung in Ostwestrichtung über die K 77 und die K 78 sei überfordert, den durchgehenden Verkehr alleine aufzunehmen und es sei deshalb notwendig, diesen Verkehrsfluss in geringer Entfernung östlich der Ortslage von Mertesdorf gleichsam aufzuspalten und ihn teilweise über die K 140 und die Gemeindestraße der Klägerin knapp 1,2 km südlich von der bestehenden Straßenverbindung durch ihre Ortslage zur L 149 zu lenken.

36

Soweit die Klägerin im Rahmen dieses Verfahrens wie auch im Rahmen des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens ihre hohe Belastung durch den Durchgangsverkehr zum Ausdruck gebracht hat, ist schließlich anzumerken, dass sich hieran durch eine Aufstufung der Gemeindestraße zur Kreisstraße mit Sicherheit nichts ändern würde, sondern dass bei einer dann die Verkehrsströme entsprechend lenkenden Beschilderung wohl eher mit einer Zunahme des Durchgangsverkehrs zu rechnen wäre. Eine Verbesserung der Verkehrssituation in ihrer Ortslage im Sinne einer Verringerung des Verkehrsaufkommens könnte der Klägerin durch die von ihr begehrte Aufstufung der Gemeindestraße zur Kreisstraße somit nicht erreichen.

37

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dabei waren die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der Klägerin nicht aus Billigkeitsgründen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, da der Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und damit auch kein Kostenrisiko übernommen hat.

38

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.

39

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

40

Beschluss

41

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,-- € festgesetzt (§ 52 abs. 1 GKG).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.