Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 A 10065/09
Die an die Beklagte und die Beigeladene gerichteten Kostenrechnungen vom 12. April 2011 werden jeweils zur laufenden Nummer 1 abgeändert und dahin neu gefasst, dass gemäß dem Gebührentatbestand 5124 zwei Gebühren angesetzt werden und somit jeweils ein Betrag von 1.512,00 € zu erheben ist.
Gründe
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Die gemäß § 66 GKG zulässigen Erinnerungen des Beklagten und der Beigeladenen gegen die Kosten vom 12. April 2011 sind begründet. Im vorliegenden Verfahren waren nicht gemäß Nr. 5122 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (künftig: KV) 4,0 Gebühren, sondern nach Nr. 5124 S.1 KV jeweils 2,0 Gebühren anzusetzen. Der Ermäßigungstatbestand gemäß Nr. 5124 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 KV ist hier anzuwenden (1); die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Ermäßigung nach Nr. 5124 S. 1 Hs. 2 KV sind nicht erfüllt.
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1. Gemäß Nr. 5122 i.V.m. Nr. 5124 S.2 KV fallen für das Berufungsverfahren 4,0 Gebühren an, soweit nicht eine Ermäßigung nach Nr. 5124 S.1 KV eingreift. Voraussetzung für das Eingreifen des hier nur in Betracht kommenden Ermäßigungstatbestandes gemäß Nr. 5124 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 KV ist zunächst, dass das gesamte Verfahren durch Erledigungserklärungen nach § 161 Abs. 2 VwGO beendet worden ist. Dies war hier zweifellos der Fall.
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Ferner müsste entweder keine Entscheidung über die Kosten ergangen sein oder die Entscheidung über die Kosten einer zuvor mitgeteilten Einigung der Beteiligten über die Kostentragung oder einer Kostenübernahmeerklärung eines Beteiligten folgen. Hier war der Senat mit seinem Beschluss vom 7. April 2011 der in der „Außergerichtlichen Vergleichsvereinbarung“ vom 21. Dezember 2010 enthaltenen Einigung über die Kostentragung gefolgt, die § 2 Abs. 1 und § 3 Abs.1 vorsieht, dass der Beklagte und die Beigeladene die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte tragen. Zwar war damit keine ausdrückliche Regelung zu den Kosten getroffen worden, die bei dem Beklagten und dem Beigeladenen angefallen sind, dies war aber auch nicht erforderlich. Wie bei einer Entscheidung über die Kosten durch das Gericht nach den §§ 154 i.V.m. § 162 Abs.1 VwGO, muss auch eine Einigung der Beteiligten über die Kostentragung im Sinne der Nr. 5124 S. 1 Hs.1 Ziffer 4 KV für ihre Wirksamkeit nur die Gerichtskosten und die Kosten der obsiegenden Partei umfassen.
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2. Die Voraussetzungen des die Kostenermäßigung ausschließenden 2. Halbsatzes der Nr. 5124 KV („… es sei denn, dass bereits ein anderes als eines der in Nr. 2 genannten Urteile oder ein Beschluss in der Hauptsache vorausgegangen ist …“) liegen nicht vor. Zwar hatte der Senat im vorliegenden Verfahren bereits unter dem 24. August 2007 ein Urteil erlassen, bei dem es sich nicht um eines der in der Nr. 2 der Nr. 5124 KV genannten Anerkenntnis- oder Verzichtsurteile handelt. Nach dem Wortlaut der Bestimmung wäre daher - auf den ersten Blick - eine Gebührenermäßigung ausgeschlossen.
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Das genannte Urteil des Senats war jedoch durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 2008 (Az.: 7 C 10.08) aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen worden. Ein Ausschluss der Gebührenermäßigung würde daher voraussetzen, dass in dem Verfahren, das auf eine Zurückverweisung folgt, das zuvor durch das Revisionsgericht aufgehobene Urteil als ein vorausgegangenes Urteil im Sinne der Nr. 5124 S.1 Hs.2 KV zu verstehen ist. Dies ist aber nicht der Fall. Der 2. Halbsatz der Nr. 5124 KV muss vielmehr im Hinblick auf Sinn und Zweck der Bestimmung einschränkend dahin ausgelegt werden (sog. teleologische Reduktion), dass zu den Urteilen im Sinne dieser Bestimmung nicht diejenigen Urteile zählen, die durch das übergeordnete Gericht aufgehoben worden sind. Sinn und Zweck der Ermäßigungstatbestände der Nr. 5124 KV besteht nämlich darin, im Interesse der Entlastung der Justiz Anreize für eine gütliche Streitbeilegung zu schaffen. Dem Gericht soll der mit der Abfassung einer schriftlichen Begründung verbundene Aufwand erspart werden, indem die Beendigung des Verfahrens durch Zurücknahme, Anerkenntnis oder Verzichtsurteil, gerichtlichen Vergleich oder durch eine Erledigungserklärung, bei der keine Entscheidung über die Kosten ergehen, durch eine Halbierung der Gerichtsgebühren privilegiert wird (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen; BT-Drucks. 12/6962, 69 f.). Dementsprechend soll der Ausschluss der Ermäßigung gemäß Nr. 5124 S. 1 Hs. 2 KV dann eingreifen, wenn zwar einer der Ermäßigungstatbestände der Nrn. 1 bis 4 des 1. Halbsatzes bejaht werden kann, der sonstigen Erledigung aber bereits ein Urteil oder ein begründeter Beschluss in der Hauptsache (etwa gemäß § 130 a oder § 161 Abs. 2 VwGO) vorausgegangen ist. Da in diesen Fällen mit der Beendigung des Verfahrens durch einen der Tatbestände der Nrn. 1 bis 4 der Nr. 5124 Hs. 1 keine Entlastung des Gerichts verbunden war, soll auch keine Gebührenermäßigung stattfinden.
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Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung des Gesetzes, rechtfertigt ein zuvor ergangenes Urteil in der Hauptsache, das von der höheren Instanz aufgehoben worden ist, den Gebührenausschluss nicht. Nach erfolgter Aufhebung und Zurückverweisung muss nämlich das Gericht erneut eine Entscheidung in der Hauptsache treffen; es stellt sich damit erneut die Frage, ob für das Gericht der mit der Abfassung eines Urteils, eines Beschlusses nach § 130 a VwGO oder § 161 Abs. 2 VwGO verbundene Aufwand entsteht oder, ob er durch Zurücknahme, Anerkenntnis oder Verzichtsurteil, gerichtlichen Vergleich oder Erledigungserklärung ohne Entscheidung über die Kosten vermieden werden kann. Wird dem Gericht dieser Aufwand erspart, so muss dies nach dem Regelungszweck der Nr. 5124 KV auch mit einer Gebührenermäßigung „belohnt“ werden (vgl. Hartmann, Kostengesetze 41. Aufl., § 37 Rn. 2; a.A. OLG Nürnberg, B.v. 05.12.2002, 13 W 3607/02, juris). Mit der dem Gesetz innewohnenden Teleologie, zur Entlastung der Gerichte einen Anreiz zu einer gütlichen Streitbeilegung zu schaffen, wäre es unvereinbar, wenn in den Fällen der Zurückverweisung der Anreiz der Gebührenermäßigung ausgeschlossen wäre.
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Das Verfahren ist gemäß § 66 Abs. 8 GKG gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
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