Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 A 11436/11

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 30. Juli 2011 wird der Kostenerstattungsbescheid des Beklagten vom 02. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 06. Januar 2011 aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenerstattungsbescheid des Beklagten für die Reinigung von Straßen nach einer Motorölverschmutzung. Dabei streiten die Beteiligten über die hierfür erforderlichen Zeitaufwand und den berechneten Stundensatz.

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Gegen 23 Uhr am Abend des 17. Juli 2010 überfuhr der Kläger mit seinem Pkw in der Nähe des Zentralen Omnibusbahnhofes in Z... eine dort zur Verkehrsberuhigung in der Fahrbahn angebrachte Bodenwelle, wobei das Fahrzeug aufsetzte und die Ölwanne beschädigt wurde. Hierdurch trat auf der weiteren Fahrt des Klägers bis zum Parkplatz der Firma ... in der G...-D...-Straße auf einer Strecke von ca. 1,2 km Öl aus. Über den Umfang des Ölverlustes streiten die Beteiligten. Der von Passanten über die Ölspur informierte Vollzugsbeamte des Ordnungsamtes schaltete seinerseits den Beklagten kurz nach 23 Uhr zur Reinigung der Straße ein, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden. Hierauf beseitigte ein Mitarbeiter des Beklagten die Ölspur mit Hilfe eines Spezialfahrzeugs.

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Für die Reinigung stellte der Beklagte dem Kläger einen Betrag in Höhe von 1.808,80 € in Rechnung, wobei eine Arbeitszeit von vier Stunden, ein Stundensatz von 380,00 € sowie 19 % MwSt zugrunde gelegt wurden. Mit Schreiben vom 5. August 2010 wies die Versicherung des Klägers diese Forderung als unbegründet zurück, weil die durchgeführte Nassreinigung für das Schadensereignis nicht erforderlich und unverhältnismäßig gewesen sei. Daraufhin setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger mit Kostenerstattungsbescheid vom 2. November 2010 die zu erstattenden Reinigungskosten auf der Grundlage der §§ 40 Abs. 1 LStrG, 9 Abs. 1 POG, 10 VwVG und 1 Abs. 1 der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung auf 1.808,80 € fest. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2011, dem Kläger am 7. Januar 2011 zugestellt, zurück. Die Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheids enthielt keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Klageerhebung in elektronischer Form.

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Zur Begründung der am 10. Februar 2011 eingegangenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Klage sei nicht verfristet, weil die Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft gewesen sei. Der Kostenerstattungsbescheid sei rechtswidrig. Zwar sei es zutreffend, dass sein Fahrzeug am 17. Juli 2010 eine Ölspur verursacht habe. Den Ölaustritt habe er erst bei der Firma ... auf deren Parkplatz festgestellt. Er sei dorthin gefahren, weil er einen Auspuffschaden vermutet habe. Durch den Unfall sei jedoch die Ablassschraube für das Motoröl in den Motorblock hineingedrückt worden, wodurch es zu einem tropfenweisen Ölaustritt gekommen sei. Um eine erhebliche Verschmutzung habe es sich auf der Fahrtstrecke vom Zentralen Omnibusbahnhof bis zum Parkplatz der genannten Firma aber nicht gehandelt. Diese wäre nämlich von seinen Freunden bemerkt worden, die mit ihrem Pkw hinter seinem Fahrzeug hergefahren seien. Ausdrücklich werde bestritten, dass der Beklagte Reinigungsarbeiten in dem angegebenen Umfang durchgeführt habe. In jedem Fall seien aber die Kosten für die Reinigungsarbeiten unangemessen hoch abgerechnet worden. Zu beanstanden sei zunächst die berechnete Einsatzzeit. Die übliche Arbeitsgeschwindigkeit von Straßenreinigungsmaschinen liege bei mindestens 2,5 km/h. Die hier in Rede stehende Verschmutzung hätte deshalb in einer halben Stunde beseitigt werden können. Außerdem sei für eine solche Reinigungsmaschine inklusive Fahrer maximal ein Stundensatz von 200,00 € zu berechnen. Dies gelte für Großreinigungsmaschinen. Der Einsatz einer solchen sei hier angesichts des geringen Ausmaßes der Verschmutzung jedoch nicht erforderlich gewesen.

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Dem hat die Beklagte entgegengehalten, die von dem Kläger geforderten Kosten seien tatsächlich entstanden. Nach dem von ihrem Mitarbeiter vorgelegten Rapportzettel habe dieser sein Reinigungsfahrzeug zur Reinigung der Straßen mit An- und Abfahrt drei Stunden benutzt und danach noch eine weitere Stunde zur Reinigung des Fahrzeugs und zur Entsorgung des bei der Straßenreinigung angefallenen Materials benötigt. Die berechneten Kosten von 380,00 € pro Stunde seien nicht überhöht. Das Ergebnis einer Branchenpreisumfrage im Bereich der Verkehrsflächenreinigung und Unfallstellensanierung habe ergeben, dass bei dem benutzten Fahrzeug durchschnittlich 399,00 € pro Stunde anfielen, und zwar ohne technische Fachkraft, Reinigungsmittel, Entsorgungskosten etc. Auch die Firma, bei der die fragliche Reinigungsmaschine gekauft worden sei, berechne für diesen Typ 379,00 € pro Stunde, zuzüglich Kosten für Fahrer, Reinigung und anderer Zuschläge. Das Fahrzeug habe zwar eine Fahrgeschwindigkeit von 2,5 km/h. Ihr Mitarbeiter habe aber zur vollständigen Reinigung die Ölspur zweimal abfahren müssen. Hinzu komme der Weg für die An- und Abfahrt sowie das Umfahren der Einbahnstraßen F...markt- und B... Straße, so dass letztendlich eine Gesamtstrecke von 6 km habe gefahren werden müssen.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 30. Juni 2011 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klage sei zwar zulässig, weil die Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheids unrichtig gewesen sei, so dass die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 VwGO nicht gegolten habe. Der angefochtene Bescheid begegne aber weder dem Grunde noch der Höhe nach durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Er finde seine Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 1 LStrG. Nach dieser Vorschrift habe derjenige, der eine Straße mehr als verkehrsüblich verunreinige, die Verunreinigung ohne Aufforderung unverzüglich zu beseitigen. Andernfalls könne die Straßenbaubehörde die Verunreinigung auf Kosten des Verursachers beseitigen. Dementsprechend habe der Beklagte, dem die Stadt Z... die Straßenreinigung gemäß § 86a GemO als einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts übertragen habe, dem Kläger die Kosten der in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli durchgeführten Reinigungsarbeiten durch Leistungsbescheid auferlegen können. Der Kläger habe die Straßen zwischen dem Zentralen Omnibusbahnhof in Z... und dem Parkplatz der Firma ... auf einer Länge von 1,2 km durch Motoröl mehr als verkehrsüblich verunreinigt, ohne in der Lage gewesen zu sein, diese Verunreinigung unverzüglich zu beseitigen. Die umgehende Reinigung durch die Beklagte sei daher zwingend geboten gewesen, weil von der Ölspur eine erhebliche Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer ausgegangen sei. Es liege auf der Hand, dass die in den Motorblock gedrückte Ölablassschraube nicht nur auf dem Parkplatz der Firma ..., sondern auch auf dem Weg dorthin eine erhebliche, sofort reinigungsbedürftige Ölverschmutzung verursacht habe.

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Auch die Höhe der vom Kläger geforderten Kosten für die Beseitigung der Ölspur halte das Gericht für angemessen. Aus dem Rapportzettel des Mitarbeiters des Beklagten ergebe sich, dass dieser vier Stunden im Einsatz gewesen sei, wovon drei Stunden auf die Fahrt mit dem Reinigungsfahrzeug auf einer Strecke von 6 km entfielen. Der Mitarbeiter habe bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass er mit dem Reinigungsfahrzeug insgesamt drei Stunden benötigt habe, um die Spur ausreichend zu beseitigen. Der Mitarbeiter habe nach seiner Einschätzung das zweimalige Reinigen der Ölspur für angemessen erhalten dürfen. Auch sei für das Gericht nachvollziehbar, dass ein vielfaches Anhalten des Fahrzeuges zur Kontrolle des Reinigungsergebnisses erforderlich gewesen sei. Ebenfalls nachvollziehbar sei der Zeitraum von einer Stunde, die der Mitarbeiter benötigt habe, um das Fahrzeug zu entleeren, zu reinigen und wieder einsatzbereit zu machen. Angemessen sei auch der Betrag von 380,00 € pro Stunde. Dieser Betrag sei nicht zu hoch gegriffen, zumal die Reinigungsarbeit am Wochenende und zur Nachtzeit erfolgt sei. Dies ergebe sich aus der dem Gericht vorgelegten Branchenpreisumfrage der Gütergemeinschaft für Verkehrsflächenreinigung und Unfallstellensanierung e.V. aus dem Jahre 2009, wonach im statistischen Mittel sogar ein höherer Stundensatz ohne technische Fachkraft, Reinigungsmittel und Entsorgungskosten anfalle. Auch das Preisblatt der Lieferfirma des Reinigungsfahrzeugs weise einen Preis von 379,00 € pro Stunde aus.

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Zur Begründung der durch Beschluss des Senats vom 15. Dezember 2011 zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, dass der Motorölverlust seines Fahrzeugs nach dem Aufsetzen in der Nähe des Omnibusbahnhofs keineswegs zu einer massiven Ölverschmutzung der von dort bis zum Parkplatz der Firma ... befahrenen Straßen geführt habe. Tatsächlich sei nur eine geringe Verschmutzung der Straßen entstanden, weshalb ein zweifaches Abfahren des Fahrwegs mit dem Reinigungsfahrzeug von der Unfallstelle bis zum Parkplatz der Firma ... nicht erforderlich gewesen sei. Aufgrund der geringen Verschmutzung sei auch keine nennenswerte Reduzierung der Arbeitsgeschwindigkeit des Reinigungsfahrzeugs nötig gewesen. Darüber hinaus sei der in Rechnung gestellte Betrag pro Einsatzstunde des Reinigungsfahrzeugs überhöht, wie sich aus in anderen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten ergebe.

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Der Kläger beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt/Weinstraße vom 30. Juni 2011 den Kostenerstattungsbescheid des Beklagten vom 2. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 6. Januar 2011 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er trägt vor, die gereinigten Straße seien nach dem Aufsetzen des klägerischen Fahrzeugs auf der Bodenwelle auf der weiteren Fahrstrecke bis zum Parkplatz der Firma ... durch Motoröl so verschmutzt gewesen, dass eine sofortige Reinigung nötig gewesen sei. Der Bedienstete des Ordnungsamtes sei von Passanten auf den großen Ölverlust angesprochen worden. Trotz der Dunkelheit sei die Ölspur sichtbar gewesen. Zur Beseitigung der Ölspur sei ein zweifaches Befahren der zu reinigenden Strecke erforderlich gewesen, wie der Mitarbeiter Lange in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bestätigt habe. Das ergebe sich auch aus Gutachten in anderen Verfahren, wonach ein mehrmaliges Abreinigen bei Ölspuren zwingend erforderlich sei. Letztlich sei die Einschätzung des Fahrers maßgeblich gewesen. Die von dem Kläger vorgelegten Gutachten zu Stundensätzen für den Einsatz von Reinigungsfahrzeugen seien nicht aussagekräftig, weil diese auf das hier eingesetzte Fahrzeug und den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar seien. Er sei auch zuständig für den Erlass des Kostenbescheides gewesen. Das ergebe sich daraus, dass ihm als Anstalt des öffentlichen Rechtes durch die Satzung der Stadt Z... vom 17. Februar 2003 in der Fassung vom 12. Dezember 2011 aufgrund der §§ 24 und 86a GemO die Straßenreinigung und die Unterhaltung der öffentlichen Verkehrsflächen übertragen worden sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die vorgelegten Unterlagen des Beklagten (1 Hefter).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist begründet.

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Dem Beklagten fehlt nämlich die Zuständigkeit zum Erlass des angefochtenen Kostenerstattungsbescheides bezüglich der hier zur Gefahrenabwehr durchgeführten Straßenreinigung, weil der Beklagte insoweit nicht eigenständig, sondern als Beauftragter der allgemeinen Ordnungsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 POG tätig geworden ist. Die entstandenen Kosten kann der Beklagte daher nur gegenüber der allgemeinen Ordnungsbehörde geltend machen, die ihrerseits gemäß § 6 Abs. 2 POG gegenüber dem Kläger die Kostenerstattung durchsetzen kann. Damit steht hier nicht in Frage, dass der Beklagte Kostenersatz verlangen kann, so die geltend gemachten Kosten denn verhältnismäßig sind. Im vorliegenden Fall erweist sich vielmehr der von dem Beklagten beschrittene Weg, sich eigenständig gegenüber dem Kläger einen Vollstreckungstitel durch den Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes zu verschaffen, als nicht gangbar.

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Auszugehen ist von dem konkreten Geschehen, dass der Kostenforderung zugrunde liegt. Unstreitig ist durch das Aufsetzen des Fahrzeuges des Klägers in der Nähe des Zentralen Omnibusbahnhofes in Z... von dort bis zum Parkplatz der Firma ... in der G...-D...-Straße eine in ihrer Stärke und in ihrem Umfang allerdings zwischen den Beteiligten streitige Ölspur auf der Fahrtstrecke entstanden. Von Passanten hierüber informiert ist der kommunale Vollzugsbeamte tätig geworden. Gemäß § 94 Abs. 1 POG werden Vollzugsbeamte zum Vollzug der der jeweiligen Verwaltung als allgemeine Ordnungsbehörde obliegenden Aufgaben tätig. Örtlich zuständig als allgemeine Ordnungsbehörde gemäß §§ 88, 91 POG war hier die Stadt Z.... Zur Beseitigung der Ölspur wurde also durch den kommunalen Vollzugsbeamten und damit durch die Stadt Z... als Ordnungsbehörde der Beklagte eingeschaltet. Ausweislich der Begründung des angefochtenen Kostenerstattungsbescheides war die unverzügliche Beseitigung der Ölspur dringend geboten und absolut notwendig, weil sie das Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer bzw. deren sein Leib und Leben gefährdete. In gleichem Sinne äußert sich auch der Widerspruchsbescheid des Beklagten. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass sich sowohl der Kostenerstattungsbescheid als auch der Widerspruchsbescheid des Beklagten ausdrücklich auf § 9 Abs. 1 POG stützen, wenngleich auch andere Vorschriften benannt werden. Darauf, dass es sich bei der Straßenreinigung um eine Beseitigung einer Gefahr im Straßenverkehr handelte, stellt auch die Klageerwiderung vom 06. April 2011 ab. Mithin handelte es sich vorliegend auch nach dem eigenen in den Bescheiden zum Ausdruck gebrachten Verständnis des Beklagten um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, zu der der Beklagte durch die örtlich zuständige Ordnungsbehörde eingeschaltet worden ist, was in den Bescheiden ebenfalls ausgeführt wird. Da im vorliegenden Fall die allgemeine Ordnungsbehörde durch den kommunalen Vollzugsbeamten tätig geworden ist und nicht der Beklagte etwa aufgrund eigener Feststellungen eigenständig eine Gefahrenbeseitigung vorgenommen hat, kann sich auch nicht die Frage stellen, ob der Beklagte unabhängig von einem vorherigen Tätigwerden der allgemeinen Ordnungsbehörde eine erkannte Gefahr beseitigen und die Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten gemäß § 40 Abs. 1 LStrG verlangen kann.

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Soweit der Beklagte seinen Kostenerstattungsanspruch auf § 9 Abs. 1 POG gestützt hat, liegt auf der Hand, dass eine Ermächtigung zum eigenständigen Handeln des Beklagten aus dieser Vorschrift nicht hergeleitet werden kann, weil dem Beklagten als Anstalt des öffentlichen Rechts durch die Satzung der Stadt Z... vom 17. Februar 2003 in der Fassung vom 12. Dezember 2011 ordnungsbehördliche Befugnisse nicht übertragen worden sind. Das trägt der Beklagte auch nicht vor. Gleichermaßen fehl geht der Beklagte, soweit er sich sowohl im Kostenerstattungsbescheid als auch im Widerspruchsbescheid auf § 10 VwVG stützt, der entsprechende Befugnisse gemäß § 4 VwVG lediglich Bundesbehörden verleiht, wozu der Beklagte zweifellos nicht zählt.

19

War die Zuständigkeit der allgemeinen Ordnungsbehörde für die Maßnahmen der Gefahrenabwehr gemäß §§ 9 Abs. 1, 6 Abs. 1 POG gegeben, was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht, und ist diese hier auch tatsächlich tätig geworden, indem sie einen Beauftragten – den Beklagten - zur Durchführung der Gefahrenabwehrmaßnahme einschaltete, so war auch allein die allgemeine Ordnungsbehörde gemäß § 6 Abs. 2 POG zuständig, die Kostenerstattung zu verlangen. Der Beklagte hätte demgemäß der Stadt Z... als allgemeiner Ordnungsbehörde die ihm entstandenen Kosten in Rechnung stellen müssen, woraufhin dann die Ordnungsbehörde nach Überprüfung der Kostenrechnung auf Angemessenheit von dem Kläger die Erstattung hätte verlangen können.

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Ohne dass es für die Entscheidung im vorliegenden Fall darauf ankommt, gibt der vorliegende Sachverhalt allerdings Anlass, anzumerken, dass sich die Kostenanforderung durch die Ordnungsbehörde nicht in der ungeprüften Weiterleitung der Rechnung des Beauftragten erschöpfen kann. Ebenso wie bei der Ersatzvornahme nach § 63 LVwVG ist insoweit zwar nicht geregelt, welche Überwachungs- und Prüfpflichten die Behörde im Einzelnen wahrzunehmen hat. Eine detaillierte, alle möglichen Fallgestaltungen erfassende Regelung wäre wohl auch nicht möglich. Bezüglich der Vollstreckung hat der Landesgesetzgeber allerdings in § 62 LVwVG und dort in Abs. 2 den allgemeinen Grundsatz festgehalten, dass die Vollstreckungsbehörde mit der gebotenen Sorgfalt vorgehen muss und die Vollstreckung so zu betreiben hat, dass der Vollstreckungsschuldner möglichst wenig hierdurch beeinträchtigt wird. Dort ist bezüglich der Auswahl der Zwangsmittel nämlich festgelegt, dass das Zwangsmittel in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck stehen muss und es möglichst so zu bestimmen ist, dass der Vollstreckungsschuldner und die Allgemeinheit am wenigstens beeinträchtigt werden. Diese Verpflichtung endet aber nicht schon mit der Auswahl des Zwangsmittels - z.B. Ersatzvornahme -, sondern gilt auch für die weitere Vollstreckung bis zu deren Abschluss. Dementsprechend wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die daraus folgende Pflicht abgestellt, den Kostenaufwand nicht über das hinausgehen zu lassen, was zur Beseitigung der Störung unumgänglich ist. Bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung wird die Durchführung der Ersatzvornahme zwar nicht rechtswidrig. Die Behörde ist jedoch darauf beschränkt, den Ersatz derjenigen Kosten zu verlangen, die sich auch bei pflichtgemäßer Sachbehandlung ergeben hätte (vgl. Urteil des Senates vom 18. Februar 2004 – 1 A 11507/03.OVG – m.w.N.). Das muss gleichermaßen auch bei solchen Fallgestaltungen gelten, wie hier, wo die Ordnungsbehörde zur Gefahrenbeseitigung einen Beauftragten einschaltet.

21

Ob im vorliegenden Fall die geltend gemachte Kostenforderung dem genügt, was der Kläger bestreitet, bedarf im vorliegenden Verfahren indessen keiner weiteren Klärung, weil dem Beklagten jedenfalls die Zuständigkeit zum Erlass des angefochtenen Kostenerstattungsbescheides fehlte, wie oben ausgeführt worden ist. Ebenso wenig bedarf einer abschließenden Klärung daher die Frage, welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, dass den Verwaltungsvorgängen greifbare Anhaltspunkte über den Umfang der zu beseitigenden Gefahr nicht zu entnehmen sind.

22

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann seine Zuständigkeit zum Erlass des angefochtenen Kostenerstattungsbescheides und damit dessen Rechtmäßigkeit hier nicht aus § 40 Abs. 1 LStrG hergeleitet werden, ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, ob die Vorschrift überhaupt eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass belastender Verwaltungsakte darstellt. Soweit sich der Beklagte auf die Vorschrift beruft und hieraus – unabhängig von der Zuständigkeit der Stadt Z... als allgemeiner Ordnungsbehörde - seine eigene Befugnis zum Erlass des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes ableitet, ist zunächst anzumerken, dass diese Erwägungen nicht ohne weiteres mit den Überlegungen gleichzusetzen sind, die gemeinhin der Umdeutung von Verwaltungsakten zugrunde liegen. Hierbei handelt es sich in der Regel um Fallgestaltungen, in denen eine Behörde ihren Verwaltungsakt auf eine Vorschrift stützt, deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind, wohingegen sie einen gleichartigen Verwaltungsakt in eigener Zuständigkeit auf eine andere Vorschrift stützen könnte, wobei dann im gerichtlichen Verfahren zu prüfen ist, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der an sich einschlägigen Norm erfüllt sind. Im vorliegenden Fall geht es dem Beklagten demgegenüber darum, unabhängig von der an sich zuständigen und auch tätig gewordenen Behörde eine eigene Zuständigkeit zu begründen, weshalb die Umdeutung einer Gefahrenabwehrmaßnahme nach § 9 Abs. 1 POG in eine Maßnahme der Straßenreinigung nach § 40 Abs. 1 LStrG letztlich darauf hinauslaufen würde, der zuständigen Behörde diese Zuständigkeit zu entziehen.

23

Unabhängig hiervon könne der Beklagte aber unmittelbar aus § 40 Abs. 1 LStrG eine eigenständige Zuständigkeit nicht ableiten, was er letztlich auch nicht behauptet, weshalb er sich auf die Satzung für den Umwelt- und Servicebetrieb Z... als Anstalt des öffentlichen Rechtes der Stadt Z... vom 17. Februar 2003 i.d.F. vom 12. Dezember 2011 beruft. Zwar kann die Gemeinde gemäß § 86a Abs. 3 GemO einer Anstalt des öffentlichen Rechtes gemäß § 86a Abs. 1 GemO Aufgaben ganz oder teilweise übertragen einschließlich des Rechtes, an ihrer Stelle Satzungen für die übertragenen Aufgaben zu erlassen. Daraus folgt aber nicht zwangsläufig auch die Befugnis zum Erlass von belastenden Verwaltungsakten. Die Gemeinde – hier die Stadt Z... – kann dem Beklagten insoweit zudem keine weitergehenden Befugnisse übertragen, als sie selbst hat. Dass aus § 17 LStrG, der die Straßenreinigung regelt, die Befugnis zum Erlass belastender Verwaltungsakte nicht hergeleitet werden kann, hat der Senat bereits durch Urteil vom 07. Januar 2010 (1 A 10831/09.OVG) entschieden. Soweit dem Beklagten daher gemäß § 2 Abs. 1c der vorerwähnten Satzung die Straßenreinigung nach § 17 LStrG als Aufgabe übertragen worden ist, erwächst dem Beklagten daher daraus nicht die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes.

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Soweit dem Beklagten gemäß § 2 Abs.1e Ziffer 2aa) die Unterhaltung der öffentlichen Verkehrsflächen übertragen worden ist, stellt sich bereits die Frage, ob insoweit auch die Befugnisse nach § 40 Abs. 1 LStrG mit übertragen worden sind, unabhängig von der Frage, ob die Vorschrift überhaupt zum Erlass eines Verwaltungsaktes befugt, was die Verwaltungsgerichte Koblenz und Mainz verneint haben (Urteile vom 5. Dezember 2001 - 4 K 563/11.KO – und – 4 K 564/11.KO - ; Gerichtsbescheid vom 19. März 2012 – 6 K 825/11.MZ -) und worüber der erkennende Senat noch nicht abschließend entschieden hat. Einer Klärung dieser Frage bedarf es im vorliegenden Verfahren indessen nicht, weil die Übertragung der von dem Beklagten wahrzunehmenden Straßenunterhaltung nicht gleichzusetzen ist mit der Übertragung der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten. Dass die vorgenannte Satzung der Stadt Z... insoweit durchaus differenziert, wird aus der Regelung in § 2 Abs. 1b deutlich, die die Abfallbeseitigung betrifft. In dieser Vorschrift ist nämlich ausdrücklich geregelt, dass der Beklagte zum Erlass von Verwaltungsakten ermächtigt wird. Eine entsprechende Regelung fehlt demgegenüber bezüglich der Straßenunterhaltung, woraus zu folgern ist, dass dem Beklagten insoweit nicht die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten übertragen worden ist. Daher kann er aus der Übertragung bestimmter Aufgaben durch die vorerwähnte Satzung der Stadt Z... die behauptete Zuständigkeit zum Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht ableiten.

25

Nach alledem war das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und der angefochtene Kostenerstattungsbescheid und der Widerspruchsbescheid aufzuheben.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

27

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

28

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

29

Beschluss

30

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 1.808,80 € festgesetzt (§§ 52 Abs.3, 63 Abs. 2 GKG).

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