Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 A 11381/11

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 30. Juni 2011 wird festgestellt, dass das Grundstück Parzelle Nr. 1894/2 in der Gemarkung G. als Teilstrecke eines im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesstraßengesetzes bestehenden öffentlichen Gemeindeweges und als nach § 54 Landesstraßengesetz weiterhin fortbestehende öffentliche Wegefläche gemäß § 1 Abs. 2 Landesstraßengesetz eine öffentliche Straßenfläche ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das Grundstück Parzelle-Nr. 1894/2 entlang der südlichen Grenze ihres Grundstücks Parzelle-Nr. 1888/3 in der Gemarkung G. weiter als öffentliche Straße besteht.

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Sie ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke, darunter die Parzelle-Nr. 1888/3, die mit einem ehemaligen Mühlenanwesen (H. Mühle 1) - früher als „R. Mühle“ bezeichnet - bebaut sind. Außerdem gibt es dort eine Teichanlage. Die Gebäude und die Teichanlage werden seit Jahrzehnten gewerblich im Rahmen eines fischereiwirtschaftlichen Betriebes genutzt. In einem der Gebäude befindet eine Gastwirtschaft, die derzeit allerdings nicht verpachtet ist.

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Ca. 100 m nordwestlich liegt das Anwesen H. Mühle 2 - früher „W. Mühle“ genannt -, das Herrn R. W. gehört, dessen Eltern es 1960 erworben hatten. Zwischen beiden Anwesen liegt das 294 m³ große Grundstück Parzelle-Nr. 1894/2. Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob die genannte Parzelle eine Teilstrecke eines früheren durch die frühere W. Mühle verlaufenden Verbindungsweges zwischen den Ortsgemeinden G. und Sch. war, hieraus die Funktion der streitigen Parzelle als Teilstrecke einer öffentlichen Wegeverbindung abzuleiten ist und diese öffentliche Funktion bis zum Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes im Jahre 1963 fortbestand. Im Urkataster der Steuergemeinde G. aus den Jahren 1843/44 ist unter der Plan-Nr. 1884 ein Weg über die H. Mühle nach Sch. verzeichnet, der von der Gemeinde G. zu unterhalten war. Daneben ist unter der Kategorie „IV. Feld- und Waldwege“ die Plan-Nr. 1894 als „Feld- und Waldweg von der H. Mühle nach dem K.“ verzeichnet. Insoweit streiten die Beteiligten, ob die heutige Wegeparzelle Nr. 1894/2 früher Bestandteil der Wegeparzelle Nr. 1884 oder der Wegeparzelle Nr. 1894 war.

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Auf der Parzelle-Nr. 1894/2 ist heute kein Weg mehr vorhanden. Sie ist vielmehr mit Gras, Gebüsch und Bäumen bewachsen. Aufgrund eines notariellen Tauschvertrages vom 22. Januar 2010 erwarb es Herr W. von der Beklagten. Im Hinblick auf diesen Tauschvertrag forderte die Klägerin die Beklagte auf, zu erklären, dass das genannte Grundstück weiterhin als Gemeindeweg öffentlich sei. Die Beklagte gab in der Folgezeit die geforderte Erklärung nicht ab.

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Daraufhin hat die Klägerin am 17. September 2010 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorgetragen hat, die Parzelle-Nr. 1894/2 sei Teil der Wegeparzelle-Nr. 1894 gewesen. Die öffentliche Wegeverbindung über die genannte Wegeparzelle habe ihre Gebäude erschlossen und sie an den öffentlichen Fahrweg Parzelle-Nr. 1315/1 auf dem Gebiet der Gemeinde Sch. angeschlossen. Es habe sich bei der Parzelle Nr. 1884 auf dem Gebiet der Beklagten und dem anschließenden Wegegrundstück auf dem Gebiet der Gemeinde Sch. um eine durchgehende Wegeverbindung zwischen den beiden Gemeinden gehandelt, was sich aus dem Urkataster ergebe. Dem Verkauf der öffentlichen Wegefläche, des – heutigen – Grundstücks Parzelle-Nr. 1894/2, durch den Tauschvertrag vom 22. Januar 2010 sei kein Entwidmungsverfahren vorausgegangen. Ihr Grundstück Parzelle-Nr. 1888/3 verliere durch den Grundstückstausch auf 2/3 seiner Länge die öffentlich-rechtliche Erschließung durch die Straße. Das stelle sich ihr gegenüber als rechtswidrig dar. Die straßenrechtliche Funktion könne nicht durch bloßen Verkauf, sondern nur nach Vornahme eines korrekt durchgeführten Entwidmungsverfahrens aufgehoben werden, an dem sie als Anliegerin zu beteiligen sei. Die öffentliche Funktion der streitigen Wegeparzelle ergebe sich aus einem Schreiben des Landesarchivs vom 26. Oktober 2001 und den diesem beigefügten Kopien aus dem Urkataster. Diese Unterlagen gäben hinreichende Hinweise dafür, dass das fragliche Grundstück bereits 1843 eine öffentliche Straße dargestellt habe und deshalb gemäß § 54 LStrG als öffentliche Straße im Sinne des Landesstraßengesetzes zu bewerten sei. Der Umstand, dass die Beklagte den öffentlichen Weg in diesem Bereich vollkommen habe verwildern lassen, sei insoweit rechtlich ohne Bedeutung. Außerdem sei die Übertragung des Eigentums an der Wegeparzelle an ihren Nachbarn ein klarer Verstoß gegen die Verpflichtung der Beklagten zur sparsamen öffentlichen Haushaltsführung.

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Dem hat die Beklagte entgegengehalten, auf der Parzelle-Nr. 1894/2 existiere bereits seit Jahrzehnten kein Weg mehr. Es sei unzutreffend, dass das Grundstück der Klägerin Parzelle-Nr. 1888/3 durch einen Weg auf dem Grundstück Parzelle-Nr. 1894/2 erschlossen worden sei. Aus dem Urkataster lasse sich die Öffentlichkeit des Grundstücks nicht herleiten. Das Urkataster weise die Parzelle-Nr. 1894 nur als Feld- und Waldweg aus. Sofern daraus die Öffentlichkeit dieses Feld- und Waldweges hergeleitet werden könne, hätte dieser Weg spätestens mit Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes am 01. April 1963 seinen Status verloren.

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Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat die Klage durch Urteil vom 30. Juni 2011 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Feststellung, weil sich auf dem Grundstück Parzelle-Nr. 1894/2 keine öffentliche Straße im Sinne von § 1 Abs. 2 LStrG befinde. Gemäß § 1 Abs. 2 LStrG seien öffentliche Straßen nur die dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, wobei seit Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes am 01. April 1963 die Widmung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 3 LStrG öffentlich bekannt zu machen sei. Eine solche förmliche Widmung sei hinsichtlich der Parzelle-Nr. 1894/2 nicht erfolgt. Der öffentliche Charakter des fraglichen Grundstücks könnte sich daher allenfalls aus § 54 Abs. 1 Satz 1 LStrG ergeben, wonach alle Straßen, die nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße gehabt hätten, öffentliche Straßen im Sinne des Landesstraßengesetzes seien. Davon könne hinsichtlich der Parzelle-Nr. 1894/2 jedoch nicht ausgegangen werden. Zwar könne der Nachweis eines auch vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes erforderlichen staatlichen Willensaktes zur Begründung der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung einer Wegefläche, sofern er lange Zeit zurückliege und deshalb hierüber möglicherweise keine Unterlagen mehr vorhanden seien, durch verschiedene Indizien geführt werden, wozu auch das von der Klägerin vorgelegte Urkataster zählen könne. Daraus lasse sich im konkreten Falle aber die Eigenschaft einer öffentlichen Straße für die Parzelle-Nr. 1894 und damit auch für das daraus entstandene Grundstück Parzelle-Nr. 1894/2 nicht herleiten. In dem Urkataster werde nämlich das frühere Grundstück Parzelle-Nr. 1894 im Gegensatz zu dem früheren Grundstück Parzelle-Nr. 1884 nicht als Gemeindeweg, sondern nur als Feld- und Holzweg aufgeführt, was nicht die Annahme rechtfertige, dass dieser Weg im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 LStrG eine öffentliche Straße dargestellt habe.

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Aber auch dann, wenn der Feld- und Waldweg bis zum Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes am 01. April 1963 ein öffentlicher Weg geblieben sein sollte, habe dieser Feld- und Waldweg mit Inkrafttreten des Gesetzes die Eigenschaft eines öffentlichen Weges verloren. Das ergebe sich aus § 1 Abs. 5 LStrG, wonach Wege, die ausschließlich der Bewirtschaftung land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke dienten, keine öffentlichen Straßen seien. Daher hätten Wirtschaftswege auch wenn sie am 31. März 1963 noch öffentlich-rechtlichen Charakter gehabt hätten, kraft Gesetzes diese Eigenschaft verloren, ohne dass es eines besonderen Einziehungsverfahrens bedurft hätte.

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Zur Begründung ihrer durch Beschluss des Senates vom 01. Dezember 2011 zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor, das Verwaltungsgericht habe das Urkataster aus den Jahren 1843/44 sowie die von ihr vorgelegten alten Karten unzutreffend gewertet. Der aus diesen Unterlagen ersichtliche frühere Verbindungsweg zwischen den Gemeinden G. und Sch. mit der Plan-Nr. 1884 sei auf der Teilstrecke zwischen den heutigen Anwesen H. Mühle 1 und H.mühe 2 auf der heutigen Parzelle-Nr. 1894/2 verlaufen. Im Rahmen eines Flächentausches sei eine südlich davon gelegene Teilstrecke des alten Verbindungsweges 1921 der Parzelle-Nr. 1886 zugeschlagen worden. Der Verbindungsweg sei dadurch aber nicht unterbrochen, sondern lediglich an dem Rand der Parzelle-Nr. 1886 verlegt worden, ohne dass allerdings insoweit vollständig eine neue Vermessung erfolgt sei. Im Zuge dieses Grundstückstausches im Jahre 1921 habe eine Teilstrecke des um die Parzelle-Nr. 1886 herum verlegten Weges, die von der Gemeinde erworben worden sei, die Parzellenbezeichnung-Nr. 1894 erhalten. Die nach wie vor fortbestehende durchgehende Wegeverbindung zwischen den Gemeinden G. und Sch. sei damals weiter über das heutige Anwesen des Herrn W. verlaufen, wobei die Fortsetzung dieser Wegeverbindung über die sich an die frühere Wegeparzelle-Nr. 1884 anschließende Wegeparzelle-Nr. 1315 auf dem Gebiet der Gemeinde Sch. verlaufen sei. Anhand der alten Karten und späteren Vermessungen lasse sich der Nachweis führen, dass die heutige Parzelle-Nr. 1894/2 Bestandteil der früheren durchgehenden Verbindung zwischen den Gemeinden G. und Sch. gewesen sei und nicht zu der im Urkataster aufgeführten früheren Wegeparzelle-Nr. 1894 gehört habe. Das Verwaltungsgericht stelle bei seinen Überlegungen somit bezüglich der aus dem Urkataster von 1843/44 zu entnehmenden Indizien auf den falschen Weg ab. Gleichwohl sei auch die frühere, im Urkataster verzeichnete Wegeparzelle-Nr. 1894 zur öffentlichen Benutzung bestimmt gewesen. Die streitige Parzelle habe als Bestandteil der öffentlichen Wegeverbindung zwischen den beiden Gemeinden ihre öffentliche Verbindungsfunktion bis zum Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes im Jahre 1963 nicht verloren. Dass die daran anschließende nördliche Teilstrecke der alten Wegeverbindung, die durch das Anwesen des Herrn W. (H. Mühle 2) verlaufen sei, in den siebziger Jahren an diesen veräußert worden sei und dadurch die Funktion als öffentlichen Weg verloren habe, sei irrelevant, weil eine Entwidmung gemäß § 37 Abs. 3 LStrG nicht erfolgt sei. Einer solchen hätte es seinerzeit jedoch bedurft. Darüber hinaus seien die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Entwidmung nicht gegeben.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 30. Juni 2011 festzustellen, dass das Grundstücke Parzelle-Nr. 1894/2 entlang der südlichen Grenze ihres Grundstücks Parzelle-Nr. 1888/3 in der Gemarkung G. weiter als öffentliche Straße besteht.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie trägt vor, das Verwaltungsgericht habe zu Recht den öffentlichen Charakter der Wegeparzelle-Nr. 1894/2 verneint. Unstreitig sei nach Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes 1963 eine Widmung der genannten Parzelle nicht erfolgt. Es sei aber auch früher eine solche nicht vorgenommen worden, weshalb § 54 Abs. 1 S. 1 LStrG nicht einschlägig sei. Der Klägerin sei der Nachweis nicht gelungen, dass die streitige Parzelle in der Vergangenheit eine Teilstrecke eines öffentlichen Verbindungsweges gewesen sei. Das Verwaltungsgericht habe die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen zutreffend bewertet. Zwar möge es so sein, dass im 19. Jahrhundert in diesem Bereich ein Verbindungsweg existiert habe. Damit sei aber nicht bewiesen, dass der tatsächliche Verlauf des früher bestehenden Verbindungsweges mit der heutigen Wegeparzelle Nr. 1894/2 übereinstimme. Im Laufe der Zeit sei nach den eigenen Angaben der Klägerin der Verlauf des ursprünglichen Verbindungsweges verändert worden. Auch die Gebäudesituation sei gegenüber dem 19. Jahrhundert verändert. Schließlich sei die Zufahrt zu der H. Mühle früher nicht über die von der Klägerin angesprochene Wegeverbindung zwischen den Gemeinden G. und Sch., sondern von der K 30 her erfolgt.

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Ab den zwanziger Jahren habe die streitige Parzelle keine öffentlich-rechtliche Funktion mehr gehabt. Dort, wo nach den Angaben der Klägerin ein Weg sein solle, stünden heute Tannen, wie sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Fotos ergebe. Der Vortrag der Klägerin, dass bis in die sechziger Jahre hinein eine Wegeverbindung zwischen den genannten Gemeinden über das heutige Anwesen des Herrn W. verlaufen sei, sei falsch. Nach dem 2. Weltkrieg sei nämlich die K 30 als normale Fahrstraße ausgebaut worden, wohingegen die über die H. Mühle verlaufende Verbindung für Fahrzeuge nicht nutzbar gewesen sei. Schon wegen fehlender finanzieller Mittel sei sie in der Vergangenheit nicht in der Lage gewesen, die von der Klägerin behauptete öffentliche Verbindung nach Sch. als öffentliche Straße auszubauen, weshalb dieser Weg lediglich den Charakter eines Wirtschaftsweges gehabt habe. Schon 1960 seien auf der Parzelle Nr. 1894/2 Tannen gepflanzt worden, die ausweislich der vorgelegten Fotos so groß seien, dass sie schon in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts vorhanden gewesen sein müssten. Bereits nach 1960 habe der damalige Eigentümer des Anwesens H. Mühle 2 sich um einen Ankauf der Teilstrecke des alten Verbindungsweges bemüht, der durch sein Anwesen verlaufen sei. Bezüglich des Teilstückes des früheren Weges Parzelle-Nr. 1315 habe er sich damals mit der Gemeinde Sch. einigen können, was sicherlich nicht möglich gewesen sei, wenn zu der Zeit dort noch ein öffentlicher Weg bestanden hätte. Die von der Klägerin behauptete durchgehende Wegeverbindung sei auch deshalb nicht für jedermann zugänglich gewesen, weil der Weg am Anwesen des Herrn W. durch ein Tor versperrt gewesen sei. Das Klagebegehren der Klägerin sei lediglich ein Rachefeldzug gegen den Eigentümer des Anwesens H. Mühle 2.

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Der Senat hat Beweis erhoben über die Nutzung der Parzelle Nr. 1894/2 als öffentlicher Weg vor dem 1. April 1963 durch die Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Niederschrift vom 17. Oktober 2012.

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Zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme trägt die Klägerin vor, mehrere Zeugen hätten nachvollziehbar und übereinstimmend bekundet, dass die streitige Parzelle und im weiteren Verlauf der Weg durch die W. Mühle (H. Mühle 2) als Teilstrecke der Verbindung zwischen den Orten Sch. und S. in der Zeit vor 1960 genutzt worden sei. Nach den Aussagen dieser Zeugen sei der Weg auch nicht versperrt gewesen. Nach der Aussage des Zeugen Richter sei die Strecke sogar mit einem Pferdefuhrwerk befahrbar gewesen. Als Teilstrecke der Verbindung von G. nach Sch. sei die Parzelle zu der Zeit nach den Angaben anderer Zeugen offensichtlich nicht mehr genutzt worden, weil damals schon eine kürzere Verbindung über die R. Mühle (H. Mühle 1) bestanden habe. Dass die Rechtsvorgänger - die Eltern - des Zeugen W. den Weg nach 1960 versperrt hätten, sei für die rechtliche Wegequalität vor Inkrafttreten des LStrG ohne Bedeutung.

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Die Beklagte trägt zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor, die Behauptung der Klägerin, es habe sich bei der Parzelle Nr. 1894/2 vor dem 1. April 1963 um eine öffentliche Wegefläche gehandelt, sei durch die Zeugen nicht bestätigt worden. Nicht nur die in G. wohnhaften sondern auch die überwiegende Zahl der in H. wohnhaften Zeugen hätten bestätigt, dass sie zum Kirchbesuch und zur Konfirmandenstunde in Sch. den Weg über die R. Mühle (H. Mühle 1) und damit nicht die streitige Parzelle genutzt hätten. Die von einzelnen Zeugen geschilderte gelegentliche Nutzung der Strecke über die streitige Parzelle und daran anschließend durch die W. Mühle (H. Mühle 2) als geringfügige Abkürzung des Weges von H. nach S. und zurück habe nur bis zum Beginn der 60er Jahre stattgefunden. Die Nutzung der streitigen Parzelle und des Durchgangs durch die W. Mühle entgegen dem Willen des damaligen Eigentümers habe aber nicht dazu führen können, dass es sich dabei um einen öffentlichen Weg gehandelt habe. Der Aussage des Zeugen S., den Weg noch nach 1960 mit dem Fahrrad und später mit dem Motorrad befahren zu haben, stünden die Aussagen anderer Zeugen entgegen. Zudem erscheine die Darstellung des genannten Zeugen auch angesichts der örtlichen Verhältnisse auf dem sich an den Durchgang durch die W. Mühle anschließenden Pfad nicht glaubwürdig.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Hefte). Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

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Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren gibt zunächst keine Veranlassung, das von dem Verwaltungsgericht bejahte Feststellungsinteresse der Klägerin zu verneinen. Zwar ergibt sich dieses Feststellungsinteresse nicht aus den von dem in der mündlichen Verhandlung anwesenden und sich für die Klägerin äußernden Herr B. vorgetragenen Erwägungen, über die streitige Wegeparzelle und das Anwesen H. Mühle 2 des Zeugen W. könne eine Verbindung über die H.alb auf das Gebiet der Nachbargemeinde Sch. - erneut - geschaffen werden, wodurch die Nutzung des Eigentums der Klägerin als eine solche Verbindung, wie sie unzulässigerweise tatsächlich erfolge, künftig unterbunden werden könne. Abgesehen davon, dass die Klägerin es selbst in der Hand hat, die unbefugte Nutzung ihres Eigentums außerhalb des zwischen den Baulichkeiten H. Mühle 1 verlaufenden Fahrweges Parzelle Nr. 1894/1 zu unterbinden, könnte aus den vorstehend erwähnten Überlegungen der Klägerin ein Feststellungsinteresse schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil die Parzelle Nr. 1894/2, über deren öffentlich-rechtlichen Charakter zwischen den Beteiligten gestritten wird, an der H.alb und an der Gemarkungsgrenze der Beklagten endet und jenseits der H.alb auf dem Gebiet der Gemeinde Sch. keinerlei Fortführung einer Wegeverbindung mehr existiert, nachdem die dort früher bestehende Parzelle Nr. 1315 bereits seit Jahrzehnten nicht mehr besteht. Auch als öffentliche Wegefläche kann der Parzelle Nr. 1894/2 deshalb keine Verbindungsfunktion und damit auch keine ein öffentliches Verkehrsbedürfnis erfüllende Funktion mehr zukommen, weil es sich allenfalls um einen an der Hirschalb endenden Stichweg handelt. Damit gehen die diesbezüglichen Überlegungen der Klägerin ins Leere.

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Ob das erforderliche Feststellungsinteresse, wie die Klägerin geltend macht, aus einem behaupteten Wertverlust der Parzelle Nr. 1888/3, wegen des Verlustes der Erschließung entlang einer Teillänge der südlichen Grundstücksgrenze abgeleitet werden könnte, ungeachtet des Umstandes, dass die genannte Parzelle bereits niveaugleich durch den vorerwähnten Fahrweg Parzelle-Nr. 1894/1 erschlossen wird, bedarf hier keiner Klärung. Jedenfalls im Hinblick darauf, dass die Klägerin die Ableitung von über den genannten Fahrweg auf Grund dessen Gefälles ihrem Grundbesitz zufließenden Oberflächenwassers über die streitige Parzelle zur H.alb erstrebt, und vor dem Hintergrund eines diesbezüglichen zivilrechtlichen Rechtsstreites ist nämlich ihr Interesse an der Klärung, ob die genannte Fläche als öffentliche Fläche für die Verlegung einer Rohrleitung genutzt werden kann, nicht in Abrede zu stellen. Ob diese von der Klägerin angedachte Entwässerungslösung letztendlich die günstigste Lösung ist, was von der Beklagten bestritten wird, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.

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Die begehrte Feststellung, dass es sich bei der streitigen Parzelle Nr. 1894/2 um eine nach wie vor öffentliche Wegefläche handelt, war hier zu treffen, da die Parzelle entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, das sich diesbezüglich ausschließlich an der heutigen Parzellennummer nicht aber an der früheren Bezeichnung orientiert hat, eine Teilstrecke der früheren Parzelle Nr. 1884 war, die im Urkataster als Gemeindeweg eingetragen ist und von der im Urkataster als Feld- und Holzweg aufgeführten Parzelle Nr. 1894 zu unterscheiden ist, der heute die Teilstrecke der Parzelle-Nr. 1894/1 entspricht, die zwischen den Gebäuden H. Mühle 1 verläuft und von da aus nach Osten Richtung K 30 führt. Nach den vorliegenden Unterlagen handelte es sich bei dem Gemeindeweg Parzelle-Nr. 1884 um einen öffentlichen Weg, der diesen Charakter nach den vorliegenden Unterlagen und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bis zum Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes nicht verloren hat, weil weder dessen im Laufe der Zeit nachlassende Nutzung noch die ab dem Jahr 1960 beginnende rechtswidrige Sperrung durch den damaligen Eigentümer W. den öffentlich-rechtlichen Charakter des Weges beseitigen konnte. Auch der Umstand, dass der Weg nach Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes zugewachsen und als solcher in der Örtlichkeit nicht mehr erkennbar war, änderte daran nichts. Dies gilt ferner für den Umstand, dass die streitige Parzelle nach dem Wegfall des Anschlusses auf dem Gebiet der Gemeinde Sch. durch die frühere Parzelle-Nr. 1315, soweit diese durch die W. Mühle verlief, bereits vor Jahrzehnten - allerdings erst nach Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes - jegliche Verbindungsfunktion verloren hat und es sich bei den daraus gemäß § 37 Abs. 1 LStrG von der Beklagten als Straßenbaulastträgerin zu ziehenden Konsequenzen um eine gebundene Entscheidung handelt. Solange eine Einziehung der Wegeteilstrecke über die Parzelle-Nr. 1894/2 gemäß § 37 LStrG wegen des Fehlens eines öffentlichen Verkehrsbedürfnisses nicht erfolgt ist, bleibt der öffentlich-rechtliche Charakter auch einer tatsächlich in der Örtlichkeit nicht mehr als Weg erkennbaren Fläche gleichwohl bestehen, weshalb das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern war.

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Gemäß § 54 Satz 1 LStrG sind öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes, alle Straßen, die nach bisherigem Recht – also der Rechtslage vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes am 01. April 1963 – die Eigenschaft einer öffentlichen Straße hatten. Dabei stellt § 1 Abs. 2 LStrG klar, dass der Begriff „öffentliche Straße“ auch solche öffentlichen Verkehrsanlagen erfasst, die üblicherweise als Wege oder Plätze (oder Gassen, Steige, Pfade usw.) bezeichnet werden. Entgegen der herkömmlichen Verwendung der Bezeichnung „Straße“ nur für die vorwiegend dem Fahrverkehr dienenden Verkehrswege, umfasst „Straße“ als rechtlicher Sammelbegriff des Straßenrechts ohne Rücksicht auf Art und Umfang des zulässigen Gebrauchs und die technische Beschaffenheit also auch solche der Allgemeinheit zur Verfügung stehende Verkehrsflächen, die dem Begriff der „Straße“ im heutigen Sprachgebrauch nicht entsprechen, weshalb es bezüglich des zwischen den Beteiligten im Streit stehenden öffentlich-rechtlichen Charakters der Parzelle-Nr. 1894/2 nicht darauf ankommt, ob diese Strecke – gar mit heutigen Fahrzeugen – aufgrund ihrer Beschaffenheit und Breite befahrbar war. Insoweit hat sich die Rechtslage gegenüber dem früher – vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes anzuwendenden – Recht nicht verändert. Insoweit hat der Senat in seinem Urteil vom 13. April 1961 (AS, Bd. 8, 241 ff.) dargelegt, dass auch die Tatsache, dass ein Weg nur sehr schmal ist und kaum noch genutzt wird, der Annahme seiner Öffentlichkeit nicht entgegensteht. In der genannten Entscheidung hat der Senat ausgeführt:

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„Bei vielen alten Wegen hat die Bedeutung nachgelassen, und der Verkehr ist zurückgegangen. Dadurch sind sie aber nicht ihres Charakters als öffentliche Wege entkleidet worden (OVG Münster, OVGE Bd. 9, S. 33). Auch ist für öffentliche Wege keine bestimmte Breite vorgeschrieben. Daher können auch Fußpfade öffentliche Wege sein, wenn sie dem öffentlichen Verkehr offen stehen oder offen gestanden haben. Sie sind nur nach Benutzungsart und nach Benutzungszweck eingeschränkt.“

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Relevant ist für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren daher zunächst allein die Frage, ob es sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesstraßengesetzes bei der streitigen Parzelle um die Teilstrecke eines öffentlichen Weges handelte.

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Bezüglich der rechtlichen Situation in der Pfalz vor dem Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes hat der Senat in seinem Urteil vom 07. Juni 1979 (1 A 32/76) ausgeführt, dass zur Beurteilung dieser Frage das dort während der Zugehörigkeit zu Frankreich eingeführte und bis zum Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes materiell nicht geänderte französische Wegerecht anzuwenden ist. Danach wird ein Weg dann zur öffentlichen Sache, wenn der Staat ihn für den öffentlichen Dienst bestimmt. Mithin bedurfte es, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. April 1961 (a.a.O.) ausgeführt hatte, grundsätzlich eines entsprechenden staatlichen Willensaktes (vgl. hierzu auch die eingehende Darstellung in Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz L 12, Bogner/Bitterwolf-de Boer/Probstfeld/Kaminski/Witte, Kommentar zum LStrG, § 1 Anm. 2.4.2 bis 2.4.5, m.w.N.). In diesem Urteil wie in seiner nachfolgenden Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 18. Oktober 1962 - 1 A 91/61 -, vom 23. November 1967 - 1 A 69/65 -, vom 07. Juli 1968 - 1 A 47/67 -, vom 10. April 1969 - 1 A 26/68 - und vom 07. Juni 1979 - 1 A 32/76 -) hat der Senat aber auch ausgeführt, dass naturgemäß bei alten und wenig bedeutenden, heute möglicherweise unbedeutenden Wegen, deren Entstehung sehr lange Zeit zurückliegt, der Nachweis, dass und in welcher Form sie für den öffentlichen Dienst bestimmt worden sind, nur schwer zu erbringen sein werde. Deshalb lasse sich bei diesen Wegen oft nur aus einer Reihe mehr oder weniger untrüglicher Merkmale auf das Vorhandensein eines sie ins Leben rufenden staatlichen Willensaktes schließen. Als entsprechende Indizien kommen die Aufnahme eines Weges in das Urkataster in Betracht, ferner dass sich die Wegefläche im Eigentum der Gemeinde befindet, dass der Weg in früheren Zeiten vom Publikum dauernd und ungestört benutzt worden ist, aber auch, dass es sich um einen Weg handelt, der von einem Dorf zum anderen führte und deshalb nicht nur als einfacher Feld- oder Dienstbarkeitsweg anzusehen ist (vgl. Urteil des Senates vom 07. Juni 1979 - 1 A 32/76 -). Im vorliegenden Fall bestehen entgegen der Auffassung der Beklagten hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die streitige Parzelle eine Teilstrecke eines früheren öffentlichen Weges war.

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Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes, es habe sich bei der streitigen Parzelle nicht um die Teilstrecke eines vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes bestehenden öffentlichen Weges gehandelt, was sich aus dem Urkataster der Steuergemeinde G. aus den Jahren 1843/44 (Bl. 68 bis 77 GA) ergebe, beruht erkennbar auf einem Irrtum, der seine Ursache wohl darin hat, dass sich das Verwaltungsgericht bei seiner Auswertung des Urkatasters an der heutigen Parzellen-Nr. der streitigen Parzelle - 1894/2 - orientiert hat und nicht daran, welche Parzellen-Nr. die streitige Strecke im 19. Jahrhundert hatte, als das Urkataster aufgestellt worden ist. Daher geht die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichtes, der im Urkataster aufgeführte Weg Parzelle-Nr. 1894 sei, weil er darin unter den Feld- und Holzwegen aufgeführt worden sei (Bl. 70 GA), kein öffentlicher Weg gewesen, weshalb auch die heutige Parzelle-Nr. 1894/2 nie Teil eines öffentlichen Weges gewesen sein könne, in die Irre. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen gehörte die Fläche der heutigen Parzelle-Nr. 1894/2 im 19. Jahrhundert nämlich nicht zu dem Weg Nr. 1894, sondern zu dem Weg Nr. 1884.

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Das ergibt sich zweifelsfrei aus den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 12. September 2011 vorgelegten Ablichtungen alter Karten, deren Richtigkeit von der Beklagten nicht substantiiert bestritten worden ist. Danach endete der alte Weg Nr. 1884 – auf seiner letzten Teilstrecke über die heutige Parzelle-Nr. 1894/2 verlaufend – an der H.alb und der dort verlaufenden Gemeindegrenze zur Nachbargemeinde Sch. (s. Karten Bl. 184 und 186 GA). Der in den alten Karten als Sch.er Weg bezeichnete Weg trägt heute die Bezeichnung H.straße. Deren Straßenparzelle ist die heutige Parzelle-Nr. 1884/1 (Quelle: Landschaftsinformationssystem der Naturschutzverwaltung Rheinland-Pfalz). Damit unterliegt es für den Senat keinem Zweifel, dass die heutige H.straße dem in dem Urkataster aus den Jahren 1843/44 verzeichneten Gemeindeweg Nr. 1884 entspricht, der darin unter den Gemeindewegen aufgeführt ist (Bl. 69 GA) mit dem unter der Überschrift „Zu den Wegen“ enthaltenen Vermerk „freies und zur öffentlichen Benutzung bestimmtes Eigentum“ (Bl. 68 GA). Hierauf hat das Landesarchiv Speyer bereits in seiner Stellungnahme vom 26. Juni 2011 (Bl. 124 ff. GA) ausdrücklich hingewiesen. Aus dem Urkataster ergibt sich des Weiteren, dass es sich bei dem Weg Nr. 1884 seinerzeit ersichtlich um einen Verbindungsweg zu dem Ort Sch. handelte, weil dieser Weg als „Weg über die H. Mühle nach Sch.“ bezeichnet worden ist (Bl. 69 GA). Den von der Klägerin vorgelegten alten Karten (Bl. 184 und 186 GA) ist des Weiteren zu entnehmen, dass dieser Verbindungsweg jenseits der Gemeindegrenze – zwischen den Bauten der W. Mühle (H. Mühle 2) verlaufend - seine Fortführung in einem an ihn an der H.alb anschließenden Weg der Nachbargemeinde Sch. fand. Hierbei handelte es sich um den Weg Parzelle-Nr. 1315 (s. Karte Bl. 193 GA) dessen durch die frühere W. Mühle verlaufende Teilstrecke erst nach Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes an den früheren Eigentümer dieser  Mühle veräußert worden ist. Die daran anschließende Teilstrecke des Weges trägt heute die Parzellen-Nr. 1315/1. Somit ist festzuhalten, dass ausweislich des Urkatasters und der zu den Gerichtsakten gereichten Ablichtungen alter Katasterunterlagen die heutige H.straße damals bereits ein zur öffentlichen Nutzung bestimmter Gemeindeweg war, dessen Teilstrecke die heutige Parzelle-Nr. 1894/2 war.

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Dieser Weg machte damals - westlich der heutigen Baulichkeiten der H. Mühle 1 - eine scharfe Kehre zur H.alb und zur W. Mühle hin. An diese Spitzkehre stieß seinerzeit der weiter nach Osten verlaufende Weg Parzelle-Nr. 1894 an. Aus den vorerwähnten alten Karten ergibt sich des Weiteren, dass im Zeitpunkt der Erstellung des Urkatasters überhaupt nur über die Wege Nr. 1884 und Nr. 1315 bei der früheren W. Mühle eine Querung der H.alb möglich und eine Verbindung zwischen G. und Sch. gegeben war, wohingegen im Bereich der heutigen H. Mühle 1 offensichtlich keine Brücke bestand. Dort waren und sind im Übrigen bis heute keine Wegeparzellen vorhanden, über die eine Verbindungswegetrasse hätte geführt werden können. Diese Umstände hat das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, weil es sich ausschließlich an der Übereinstimmung der heutigen Parzelle-Nr. 1894/2 mit der im Urkataster verzeichneten Wege-Nr. 1894 orientiert hat. Der öffentliche Charakter einer Wegefläche geht aber nicht dadurch verloren, dass eine Teilstrecke im Laufe der Zeit eine andere Parzellen-Nr. erhält.

31

Entgegen der Auffassung der Beklagten wie auch der Einschätzung des Verwaltungsgerichtes (s. S. 6 des Urteilsabdrucks) hat der frühere öffentliche Weg Nr. 1884 auch nicht vor Inkrafttreten bzw. mit Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes seinen öffentlich-rechtlichen Charakter verloren. Soweit das Verwaltungsgericht in seinem Urteil die, wie oben dargelegt worden ist, vorliegend nicht relevante Frage offengelassen hat, ob der im Urkataster verzeichnete Weg Nr. 1894 früher ein öffentlicher Weg gewesen sei, hat es die Möglichkeit, die Frage unbeantwortet zu lassen, damit begründet, dass Wirtschaftswege, auch soweit sie am 31. März 1963 noch öffentlich-rechtlichen Charakter hatten, kraft Gesetzes diese Eigenschaft mit Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes verloren hätten, ohne dass es insoweit eines besonderen Einziehungsverfahrens bedurfte, weil § 1 Abs. 5 LStrG für Wirtschaftswege eine spezielle und dem § 54 Abs. 1 LStrG vorgehende Regelung enthalte, wie der Senat in seinem Urteil vom 07. Juli 1979 (- 1 A 32/76 -; siehe auch gemeinsamer Runderlass des Ministeriums des Innern und des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 24. Januar 1964, MinBl. 1964, § 230) ausgeführt hat. Dem muss bezüglich des früheren Weges Nr. 1894 aus den vorstehend erläuterten Gründen nicht weiter nachgegangen werden. Soweit die Beklagte diese Argumentation des Verwaltungsgerichts aber auch bezüglich des früheren Weges Nr. 1884 aufgreift und vorträgt, der Weg habe vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes nur noch den Charakter eines Wirtschaftsweges gehabt, geht sie fehl. Das setzt nämlich voraus, dass der frühere Weg Nr. 1884 tatsächlich vor dem 31. März 1963 seinen öffentlichen Charakter als der Allgemeinheit zur Verfügung stehender Weg verloren hätte und öffentlich-rechtlich lediglich noch die Funktion eines Wirtschaftsweges behalten hätte, was jedoch einen entsprechenden staatlichen Willensakt vorausgesetzt hätte, für den entsprechende Unterlagen nicht vorhanden sind und für den entsprechende untrügliche Indizien fehlen.

32

Diese öffentlich-rechtliche Funktionsänderung konnte auch unter der früheren Rechtslage nicht lediglich durch die tatsächliche Änderung der Nutzung eines Weges erfolgen, vielmehr war hierzu ebenso wie für die Widmung ein staatlicher Hoheitsakt erforderlich (Urteil vom 7. Juni 1979 – 1 A 32/76 -). Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. April 1961 (a.a.O.) erwähnt hatte, genügte nämlich der Umstand, dass der Verkehr auf einem Weg zurückgegangen war und dass ein Weg kaum noch genutzt wurde, nicht, einen Weg seines Charakters als öffentlicher Weg zu entkleiden. In dem Urteil vom 07. Juni 1979 (1 A 32/76) hat der Senat allerdings auch dem Umstand Rechnung getragen, dass ebenso wie bezüglich der Widmung auch bezüglich einer Entwidmung oder Widmungsbeschränkung, die in früherer Zeit erfolgt ist, nach einem langen Zeitablauf die entsprechenden Unterlagen fehlen können, weshalb es möglich sein müsse, aus entsprechenden untrüglichen Merkmalen auf eine solche in früherer Zeit erfolgte Entwidmung zu schließen. Solche untrüglichen Merkmale ergeben sich im vorliegenden Falle indessen weder aus den von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen noch hat die Beweisaufnahme solche erbracht. Dabei ist bezüglich der Beweisaufnahme darauf hinzuweisen, dass hierdurch nicht die frühere Öffentlichkeit des Weges zu klären war, die, wie vorstehend erläutert worden ist, nicht in Zweifel gezogen werden kann, sondern, ob hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der früher öffentliche Weg durch einen staatlichen Willensakt vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes seine Funktion als der Allgemeinheit zur Verfügung stehender Verbindungsweg verloren hatte. Das ist jedoch nach der Auffassung des Senates zu verneinen.

33

Soweit die Beklagte in ihrem schriftsätzlichen Vortrag darauf abgestellt hat, dass sich in der Vergangenheit die Wegeführung ebenso verändert habe, wie Veränderungen an den Baulichkeiten der früheren R. Mühle und der früheren W. Mühle vorgenommen worden seien, weshalb aus den alten – von der Klägerin vorgelegten – Lageplänen keine Rückschlüsse auf die Öffentlichkeit der heutigen Parzelle Nr. 1894/2 bezogen werden könnten, ist dem nicht zu folgen. Zwar sind in der Tat Veränderungen gegenüber dem Zustand festzustellen, wie ihn die ältesten Karten ausweisen, die die Klägerin vorgelegt hat (Bl. 184 ff GA). Diese betreffen jedoch nicht die Teilstrecke des ehemaligen öffentlichen Gemeindeverbindungsweges, die die heutige Parzelle-Nr. 1894/2 ist. Im Zuge dieser Veränderungen hat die streitige Strecke Anfang der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts lediglich - zusammen mit einer neu geschaffenen Teilstrecke des Gemeindeverbindungsweges - die Nummer der Wegeparzelle 1894 erhalten, der sowohl die neu geschaffene Teilstrecke als auch das letzte Teilstück der Wegeparzelle 1884 bis zur H.alb - die heutige Parzelle Nr. 1894/2 - zugeschlagen worden sind. Das hat allerdings nichts daran geändert, dass die nach wie vor durchgehende und die H.alb in diesem Bereich querende Verbindung zwischen den Ortslagen der Gemeinden G. und Sch. in diesem Bereich weiterhin über die Fläche der heutigen Parzelle Nr. 1894/2 verlief. Das ist ohne weiteres aus den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 04. Januar 2012 vorgelegten Unterlagen (Bl. 259 bis 267 GA) ersichtlich. Danach ist im Zuge eines Grundstückstausches eine Teilstrecke des alten Verbindungsweges Nr. 1884 dem damaligen westlichen an den Verbindungsweg angrenzenden Wiesengrundstück Parzelle Nr. 1886 zugeschlagen worden. Dadurch ist der Verbindungsweg jedoch nicht unterbrochen worden, weil er im Zuge dieser Veränderungen westlich um die Parzelle Nr. 1886 herumgeführt und eine neue Teilstrecke des Verbindungsweges geschaffen wurde, die seinerzeit der Wegeparzelle Nr. 1894 zugeschlagen wurde. Dass diese durchgehende Verbindung zwischen der Ortslage G. und der heutigen H. Mühle 1 als heutige H.straße nach wie vor besteht, konnte der Senat auf seiner Fahrt zu dem Ortstermin im Bereich in der H. Mühle 1 feststellen und ist zwischen den Beteiligten ersichtlich nicht streitig.

34

Aus den von der Klägerin vorgelegten Kartenablichtungen (Bl. 264 ff., 267 GA) ist ersichtlich, dass zum Zeitpunkt des Grundstückstausches im Jahre 1921 die einzige die H.alb querende Verbindung nach Sch. über die heutige Parzelle Nr. 1894/2 führte. Im Bereich der heutigen H. Mühle 1 ist nämlich keinerlei die Hirschalb querende Wegetrasse katastermäßig dargestellt. Das gilt auch noch für den Veränderungsnachweis aus dem Jahre 1973 (Bl. 267 GA), der die Neuvermessung im Zusammenhang mit dem Erwerb der durch die frühere W. Mühle verlaufenden Teilstrecke des früheren Weges Parzelle Nr. 1315 der Gemeinde Sch. wiedergibt. Dieser zeigt, dass die einzige, die H.alb auf eigenständigen Wegeparzellen querende Verbindung zwischen G. und Sch. in diesem Bereich auch noch zu dieser Zeit nur über die heutige Parzelle 1894/2 und durch die frühere W. Mühle auf der Parzelle 1315 der Gemeinde Sch. verlief. Dass die streitige Parzelle im Jahre 1921 der weiter nach Osten führenden Parzelle Nr. 1894 zugeschlagen wurde und damit deren Parzellen-Nr. erhielt, hat danach an ihrer Funktion als Teilstrecke eines Gemeindeverbindungsweges nichts geändert. Demgegenüber war 1973 ausweislich des Veränderungsnachweises eine parzellierte wegemäßige Verbindung über die H.alb hinweg im Bereich der heutigen H. Mühle 1 der Klägerin nicht vorhanden. Selbst heute besteht dort keine wegemäßige Verbindung auf eigenständigen Wegeparzellen. Lediglich tatsächlich ist dort - ausschließlich über den privaten Grundbesitz der Klägerin - eine Querung der H.alb und eine Verbindung zwischen G. und Sch. möglich.

35

Hieraus folgt, dass weder vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes noch danach in diesem Bereich eine Neutrassierung des alten Verbindungsweges – bestehend aus dem Weg Nr. 1884 auf dem Gemeindegebiet der Beklagten und der daran anschließenden Wegeparzelle Nr. 1315 auf dem Gebiet der Nachbargemeinde Sch. - erfolgt ist. Dass seitens der beiden Gemeinden eine entsprechende Neutrassierung der Wegeverbindung vorgenommen worden wäre oder dass die beiden Gemeinden etwa einen neu geschaffenen Verbindungsweg durch die heutige H. Mühle 1 erstellt und in der Folgezeit unterhalten hätten, was Indizien für einen entsprechenden staatlichen Willensakt der Einziehung der über die heutige Parzelle Nr. 1894/2 verlaufenden Teilstrecke des alten Verbindungsweges darstellen könnten, hat die Beklagte auch nicht vorgetragen. Vielmehr war es, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, wohl lediglich so, dass zu irgendeinem früheren Zeitpunkt, nachdem die Querung der Hirschalb im Bereich der früheren R. Mühle, dem heutigen Anwesen der Klägerin, möglich geworden war, rein tatsächlich aber ohne rechtliche Grundlage der dortige Übergang über die Hirschalb von den Zeugen, soweit sie zur Kirche und zum Konfirmandenunterricht von G. nach Sch. gingen, als Abkürzung des trassierten Verbindungsweges genutzt wurde. Hieraus allein kann aber nicht auf das Vorliegen eines staatlichen Willensaktes zur Einziehung der streitigen Teilstrecke des früheren Gemeindeverbindungsweges geschlossen werden, weil die Teilstrecke, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, bis zu ihrer widerrechtlichen Sperrung durch die Eltern des heutigen Eigentümers der H. Mühle 2 von der Allgemeinheit – wenn auch in geringerem Umfang – weiter genutzt worden ist.

36

Es versteht sich von selbst, dass ein öffentlicher Gemeindeverbindungsweg nicht exklusiv von den Einwohnern der durch ihn verbundenen Ortslagen genutzt wird, sondern auch von den Einwohnern anderer Gemeinden, die ihn als Teilstrecke einer Verbindung zwischen diesen anderen Gemeinden an einer bestimmten Stelle betreten und an einer anderen Stelle wieder verlassen, wie dies hier offensichtlich zwischen den Gemeinden H. und S. in dem Zeitraum geschehen ist, über den die von dem Senat angehörten Zeugen berichten konnten. Von daher kommt es für die fortbestehende – wenn auch möglicherweise geringere – öffentliche Nutzung des Weges durch die Allgemeinheit nicht darauf an, ob über den Weg, weil er im Urkataster als „Weg über die H. Mühle nach Sch.“ bezeichnet worden ist, auch tatsächlich die Einwohner von G. bis zum Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes hierüber nach Sch. gelaufen sind, worauf die Beklagte wohl abstellt.

37

Die Zeugenaussagen haben dem Senat ein hinreichend klares Bild vermittelt, auf dessen Grundlage sich die zwischen den Beteiligten streitige Frage beantworten lässt. Dieses Bild in Frage zu stellen, geben die Äußerungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung und die schriftsätzlichen Ausführungen der Beteiligten in den Schriftsätzen vom 30. Oktober 2012 keine Veranlassung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vorgänge auf die sich die Schilderungen der Zeugen zu konzentrieren hatten, da es um den Zeitraum vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes im Jahre 1963 ging, über 50 oder gar 60 Jahre zurückliegen. Weiter war in Rechnung zu stellen, dass vor einer mündlichen Verhandlung mit einer umfangreichen Beweisaufnahme, wie sie der Senat durchgeführt hat, naturgemäß innerhalb eines Ortes darüber gesprochen wird und dass es auch ohne weiteres nachvollziehbar ist, dass eine Partei, bevor sie Zeugen benennt, mit diesen zunächst abklärt, ob diese überhaupt nach so langer Zeit noch etwas zur Sache sagen können. Daher folgt der Senat nicht den insbesondere von Klägerseite geltend gemachten Bedenken gegen den Wahrheitsgehalt der Zeugenaussagen, die darin begründet sein sollten, das die Zeugen vor dem Termin mit der Klägerseite oder dem Ortsbürgermeister der Beklagten über die Angelegenheit gesprochen haben. Der Senat sieht darin nämlich keinen Anlass, den einzelnen Zeugen zu unterstellen, sie hätten ihre Aussagen den Wünschen einer Prozesspartei entsprechend formuliert. Er sieht daher auch keine Veranlassung, der von Klägerseite vorgetragenen verwandtschaftlichen oder parteipolitischen Nähe der Zeugen zu den Beteiligten nachzugehen. Die Zeugen haben nämlich glaubhaft dargetan, bei ihrer Aussage nicht von Seiten der Beteiligten beeinflusst worden zu sein.

38

Nach den teilweise sehr anschaulichen Schilderungen der Zeugen ist davon auszugehen, dass die streitige Wegeparzelle als Verbindung zwischen G. und Sch. wohl tatsächlich nicht mehr benutzt worden ist. Offenbar war in der Zeit zwischen dem Kriegsende und dem Ende der fünfziger Jahre – in dem Zeitraum über den die Zeugen berichten konnten - eine Querung der H.alb auf kürzerer Strecke als über den bestehenden Gemeindeverbindungsweg über die heutige H. Mühle 1 der Klägerin, der früher als R. Mühle bezeichneten  Mühle, über den privaten Grundbesitz möglich, die von ihren Rechtsvorgängern nicht unterbunden wurde, obwohl sie über private Grundstücke verlief. Dass es sich hierbei streckenweise – hinter der früheren R. Mühle – um eine steilere Wegestrecke handelte, kann dem Wahrheitsgehalt dieser Aussagen entgegen der von Klägerseite in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken nicht entgegengehalten werden. Die heutige Gewohnheit, Distanzen am bequemsten auf einer befahrbaren Strecke zu überwinden, kann nicht der Nachkriegssituation gleich gesetzt werden, in der Beschwernisse auf dem Fußweg zur Nachbargemeinde, zur Kirche, zur Schule oder zur Arbeit ohne Weiteres hingenommen wurden. Deshalb hält es der Senat für glaubhaft, dass die vorstehend geschilderte Strecke auch als Kirchweg als kürzere Verbindung anstelle der über die streitige Parzelle und durch die W. Mühle verlaufenden Verbindungsstrecke genutzt wurde.

39

Somit hat die Beweisaufnahme zwar ergeben, dass rein tatsächlich eine Verlagerung dieses Fußgängerverkehrs über die H.alb stattgefunden hatte, dessen Strecke zuletzt – als Abkürzung - über den nicht im öffentlichen Verkehr gewidmeten Grundbesitz der Rechtsvorgänger der Klägerin führte. Allein das ersetzt jedoch keinen staatlichen Willensakt, wie er zur Einziehung der damals nach wie vor bestehenden Verbindungsstrecke erforderlich gewesen wäre. Das allein ist aber auch kein untrügliches Merkmal für das Vorliegen eines solchen staatlichen Willensaktes. Die Wegeparzellen bestanden nämlich weiterhin fort und wurden auch nicht im Zuge des Erwerbs des Anwesens H. Mühle 2 im Jahre 1960 an die Eltern des heutigen Eigentümers W. veräußert. Diese hatten sich lediglich tatsächlich Teilflächen der Wegefläche bemächtigt und diese widerrechtlich zusammen mit ihrem Eigentum eingefriedet. Erst Anfang der 70er Jahre haben sie von der Gemeinde Sch. die durch ihr Anwesen verlaufende Teilstrecke der Parzelle Nr. 1315 und sogar erst 2010 die streitige Parzelle erworben.

40

Untrügliche Merkmale im Sinne der Rechtsprechung des Senates für eine – teilweise - frühere staatliche Einziehung des öffentlichen Gewindeverbindungsweges im Bereich der streitigen Parzelle hat die Beweisaufnahme deshalb nicht erbracht, weil die öffentliche Nutzung der streitigen Strecke und deren Fortführung durch die frühere W. Mühle nicht gänzlich zum Erliegen gekommen ist, wie die Beweisaufnahme ergeben hat. Einzelne Zeugen haben nämlich sehr anschaulich geschildert, diese Strecke als Teil einer anderen Verbindung, nämlich der Verbindung zwischen S. und H. genutzt zu haben. Dass das zum Unwillen des damaligen Eigentümers der W. Mühle geschah, wie einige Zeuge schilderten, berührt den Rechtscharakter der öffentlichen Wegeverbindung nicht, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch tatsächlich noch von der Allgemeinheit genutzt wurde. Von daher mag der von einzelnen Zeugen geschilderte Hund oder der Charakter des damaligen Eigentümers der W. Mühle, der gefürchtet wurde und z.B. von der Zeugin J. S. als „giftig“ bezeichnet wurde (s. Niederschrift vom 17. Oktober 2012 S. 28), zwar geeignet gewesen sein, den einen oder anderen zu veranlassen, dem Hund und seinem Herrn aus dem Wege zu gehen. Das berührte den öffentlich rechtlichen Charakter der Verbindungsstrecke aber ebenso wenig, wie der Umstand, dass der frühere Eigentümer seinerzeit öfters „gemeutert“ haben soll, wenn sein Anwesen auf der Verbindungsstrecke durchquert wurde, wie die Zeugen F. H. (a.a.O. S. 8) und W. S. schilderten (a.a.O., S. 29).

41

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, der Weg sei seinerzeit gesperrt gewesen und deshalb für die Allgemeinheit nicht mehr nutzbar gewesen, stellt sich bereits die Frage, ob aus einer solchen von dem früheren Eigentümer der W. Mühle vorgenommenen Sperrung überhaupt zu folgern wäre, dass hierdurch der öffentliche Charakter eines Verbindungsweges hätte entfallen können. Der Frage muss aber schon deshalb nicht weiter nachgegangen werden, weil die Beweisaufnahme diesen Vortrag der Beklagten nicht bestätigt hat. Eine solche Sperrung hat zwar der Zeuge K. E. (a.a.O., S. 7) erwähnt. Indessen waren seine Aussagen derart ungenau und sein Erinnerungsvermögen ersichtlich so gering, dass der Senat der diesbezüglichen Aussage keinen Beweiswert zusprechen kann. Eine Stange als Sperre hat zwar auch der Zeuge F. H. geschildert (a.a.O. S.8). Diese Aussage bestätigt den Vortrag der Beklagten aber deshalb nicht, weil dem Zeugen eine Datierung nicht möglich war und sich die Erinnerung daher auch auf die erst von den Eltern des Zeugen W. vorgenommene Sperrung nach 1960 beziehen kann. Der Zeuge hat nämlich weiterhin geschildert, mit seiner Mutter durch den Hof der W. Mühle zum Bahnhof nach S. gegangen zu sein. Ebenfalls keine Bestätigung der Behauptung der Beklagten folgt aus der Aussage des Zeugen W. R. (a.a.O., Bl. 26) der ersichtlich allenfalls eine vage Erinnerung an einen Lattenzaun mit dem Törchen hatte, Genaues indessen nicht sagen konnte. Diesen Aussagen stehen detaillierte und anschauliche Schilderungen anderer Zeugen entgegen, die eine Sperrung des Weges in dem hier maßgeblichen Zeitraum ausgeschlossen erscheinen lassen.

42

Gesperrt wurde der Durchgang offensichtlich erst nach 1960 durch die Eltern des heutigen Eigentümers des Anwesens H. Mühle 2, des Herrn Roland W., wie dieser dem Senat sehr anschaulich zu schildern vermochte (a.a.O. S.32). Danach haben seine Eltern ihr Anwesen geradezu „verbarrikadiert“. Diese widerrechtliche Sperrung des Verbindungsweges - die durch das Anwesen H. Mühle 2 verlaufende Teilstrecke der Wegeparzelle Nr. 1315 der Gemeinde Sch. wurde von den Eltern des Herrn W. erst in den siebziger Jahren erworben, der Erwerb der Teilstrecke des alten Verbindungsweges, der heutigen Parzelle Nr. 1894/2, erfolgte erst durch einen notariellen Tauschvertrag im Jahre 2010 - konnte den öffentlich-rechtlichen Charakter der widerrechtlich eingefriedeten Teilstrecke des Verbindungsweges indessen nicht beseitigen. Selbst der Umstand, dass ein öffentlicher Weg in der Örtlichkeit nicht mehr existierte, sondern teilweise überbaut wurde, konnte die Öffentlichkeit eines Weges auch vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes nicht beseitigen, wie der Senat in seinem Urteil vom 13. April 1961 (a.a.O.) ausgeführt hat. Deshalb kann der Umstand, dass die Eltern des Zeugen W. den Durchgang eigenmächtig und rechtswidrig unterbunden haben, zwar wohl kaum angezweifelt werden, rechtliche Konsequenzen für die Öffentlichkeit der eingefriedeten Wegeteilstrecke hatte das aber nicht.

43

Anschaulich und insoweit auch glaubhaft haben insbesondere die Zeugen E. J. (a.a.O., S. 10), W. K. (a.a.O., S. 15) und B. L. (a.a.O., S. 18 f.) die Nutzung des Weges als Teil der Verbindung zwischen S. und Sch. geschildert. So hat die Zeugin J. den Weg über einen längeren Zeitraum als Lehrmädchen begangen und geschildert, auch von Kunden von der Wegenutzung gehört zu haben. Das sei auch der Weg von H. nach S. zum Bahnhof gewesen. Von regelmäßigen Verwandtenbesuchen über diesen Weg haben die Zeugen W. K. (a.a.O. S.13), W. K. (a.a.O.), L. (a.a.O.), A. S. (a.a.O. S. 27), J. S. (a.a.O. S.28) und W. S. (a.a.O.) berichtet. Der Zeuge L. hat sogar noch ein Foto (auf dem seine Verwandten zu sehen waren) von dem Durchgang durch die frühere W. Mühle vorzeigen können. Nach diesem Aussagen aber auch nach den Aussagen anderer Zeugen wurde die streitige Wegeparzelle wie auch der sich daran anschließende Durchgang durch die frühere W. Mühle über die Parzelle Nr. 1315 der Gemeinde Sch. ersichtlich noch bis Ende der fünfziger Jahre von der Allgemeinheit als Teilstrecke des Weges zwischen H. und S. genutzt. Ob hierüber ein reger Fußgängerverkehr verlief, was die Beklagte mit ihren Nachfragen nach Begegnungen der Zeugen mit Anderen auf den Weg durch die W. Mühle offensichtlich zu klären bemüht war, ist nach der Rechtsprechung des Senates letztlich ohne Bedeutung, wie oben ausgeführt worden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass noch eine – wenn auch möglicherweise geringere – Nutzung durch die Allgemeinheit stattfand, woran der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinen Zweifel hegt. Deshalb bestehen keine hinreichenden Indizien dafür, dass die streitige Parzelle als Teilstrecke eines öffentlichen Verbindungsweges durch einen staatlichen Willensakt vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes eingezogen worden wäre. Weiterhin bestehen somit keine Anhaltspunkte dafür, dass die streitige Teilstrecke rechtlich lediglich noch auf die Funktion eines öffentlichen Wirtschaftsweges reduziert worden wäre. Bestand demgemäß im Zeitpunkt des Inkrafttretens noch ein über die streitige Wegeparzelle verlaufender öffentlicher Gemeindeverbindungsweg, dann ist dieser gemäß § 54 Satz 1 LStrG mit Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes zu einer öffentlichen Straße im Sinne dieses Gesetzes geworden.

44

Diesen Rechtscharakter hat die heutige Parzelle Nr. 1894/2 in der Folgezeit bis heute nicht verloren. Einen entsprechenden staatlichen Willensakt in der Gestalt einer Einziehung gemäß § 37 Abs. 1 LStrG, der hierzu erforderlich wäre, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Einer derartigen Einziehung bedarf es auch dann, wenn ein Weg, wie hier, durch Bewuchs versperrt und im Laufe der Zeit zugewachsen als solcher in der Örtlichkeit nicht mehr erkennbar ist. An die Stelle der nach dem Gesetz notwendigen förmlichen Einziehung kann ferner nicht der zweifellos eingetretene Funktionsverlust treten, den die Verbindungsstrecke - allerdings erst Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts nach Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes - erfahren hat, als die anschließende Teilstrecke des ursprünglichen Gemeindeverbindungsweges auf dem Gemeindegebiet Sch., soweit sie durch das heutige Anwesen H. Mühle 2 verlief, fortgefallen und von den Eltern des Zeugen W. erworben worden ist. Ab diesem Zeitpunkt war die ursprünglich bestehende Verbindungsfunktion nicht mehr gegeben. Der Weg endet danach heute als Stichweg an der H.alb und an der Gemarkungsgrenze. Damit ist das öffentliche Verkehrsbedürfnis – die Verbindungsfunktion – zweifellos entfallen. Das allein genügt indessen nicht, den öffentlichen Charakter einer Wegefläche zu beseitigen. Vielmehr obliegt es dem Straßenbaulastträger dann, hieraus die Konsequenz gemäß § 37 Abs. 1 LStrG zu ziehen. Insoweit steht ihm zwar kein Ermessen zu, weil es sich um eine gebundene Entscheidung handelt. Daraus folgt aber nicht, dass die förmliche Einziehung gemäß § 37 Abs. 1 LStrG entbehrlich wäre. Solange er dies nicht tut, bleibt der öffentlich rechtliche Charakter der Parzelle erhalten.

45

Nach alledem war die von der Klägerin begehrte Feststellung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zu treffen.

46

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

47

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

48

Beschluss

49

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG).

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