Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (8. Senat) - 8 A 11825/16
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 9. November 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die in der Baugenehmigung zur Errichtung einer Lagerhalle für Fahrzeugersatzteile enthaltenen Auflagen zur Löschwasserrückhaltung.
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Im Juni 2012 stellte sie den Bauantrag zur Errichtung einer ca. 57m x 45m großen eingeschossigen Lagerhalle für einen Großhandel mit Kfz.-Verschleiß- und Ersatzteilen. Dabei sollen auch brennbare Flüssigkeiten in kleinen Mengen gelagert werden. Das Baugrundstück befindet sich im festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Mosel. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD Nord) erteilte mit Bescheid vom 19. September 2012 die für die Errichtung notwendige wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung.
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Mit Bescheid vom 4. Januar 2013 genehmigte die Beklagte das beantragte Bauvorhaben mit der Maßgabe, dass das beim Brand der Lagerhalle anfallende verunreinigte Löschwasser zurückzuhalten und hierfür eine Rückhalteeinrichtung zu errichten sei. Zur Begründung hierfür führte die Behörde unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der SGD Nord aus: Die in der Halle zu lagernden wassergefährdenden Stoffe unterschritten zwar die Mengenschwellen nach der Löschwasserrückhalte-Richtlinie. Im selben Brandabschnitt werde jedoch eine größere Menge anderer Stoffe gelagert. Da über die Art des Lagerguts wenig bekannt sei, könne die damit verbundene Brandlast im Anschluss an die Erläuterung der Schweizer Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen mit ca. 800 MJ/m³ angenommen werden. Daraus errechne sich bei einer realistischen Lagerguthöhe von 5 m ein Löschwasserbedarf von rund 3.845 m³. Diese Berechnung zeige, dass bei einem Vollbrand der Lagerhalle große Mengen Löschwasser benötigt würden. Es stehe zu erwarten, dass das abfließende Löschwasser durch ausgetretene wassergefährdende Stoffe, Brandrückstände, umwelttoxische Zersetzungsprodukte und/oder Löschmittelzusätze verunreinigt sei. Ohne Löschwasserrückhaltung sei zu befürchten, dass verunreinigtes Löschwasser über den Regenwasserkanal in die Kyll gelange. Dies sei aus Gewässerschutzgründen abzulehnen.
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Gegen diese Löschwasserrückhalteauflagen legte die Klägerin Widerspruch ein. Im August 2013 stellte sie einen Nachtragsbauantrag. Die hiervon erfassten Änderungen des Bauvorhabens betrafen im Wesentlichen die Verschiebung des Baukörpers und die Schaffung eines separaten, allen technischen Anforderungen entsprechenden Raums zur Lagerung für wassergefährdende Stoffe. Daneben überreichte die Klägerin eine Aufstellung der im Übrigen gelagerten Produkte und Ersatzteile. In dem von der Klägerin nachgereichten Brandschutzgutachten der Fa. g. vom 14. August 2013 wurde zusammenfassend festgestellt, dass gegen die Errichtung und den Betrieb des Gebäudes unter Berücksichtigung der Industriebau-Richtlinie keine brandschutztechnischen Bedenken bestünden. Löschwasserrückhalteanlagen seien nicht gefordert, weil die Menge der wassergefährdenden Stoffe die Schwellenwerte der Löschwasserrückhalte-Richtlinie nicht überschritten. Die im Gutachten verlangten Brandschutzanforderungen betrafen im Wesentlichen die Lage und Zugänglichkeit des Objekts, die erforderliche Löschwassermenge, die Größe des Brandabschnitts, die Rettungswege sowie die Brandmeldeanlagen.
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Die SGD Nord, Regionalstelle Wasserwirtschaft, äußerte sich in ihrer Stellungnahme zu dem Nachtragsbauantrag vom 23. August 2013 weiterhin kritisch zu dem Bauvorhaben. Es sei weiterhin unklar, welche Materialien in der Lagerhalle untergebracht würden. Die Homepage der Fa. C., der Mieterin der Lagerhalle, zeige, dass nicht nur metallische Teile zum Sortiment gehörten, sondern auch Teile aus Kunststoff, u.a. auch Reifen sowie elektronische Bauteile. Es werde weiterhin davon ausgegangen, dass für die genehmigte Halle eine sehr hohe Brandlast bestehe. Anfallendes Löschwasser könne durch Brandgase, Brandrückstände und/oder Löschmittelzusätze (z.B. poly- oder perfluorierte Chemikalien) verunreinigt sein. Ohne Rückhaltemaßnahmen seien Schädigungen des Grundwassers bzw. des Fließgewässers Kyll zu befürchten.
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Mit Bescheid vom 4. März 2014 erteilte die Beklagte der Klägerin die Nachtragsbaugenehmigung zur Errichtung der Lagerhalle. Auch diese enthielt in den Ziffern 7 bis 13 Auflagen zur Löschwasserrückhaltung, die wie folgt lauten:
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„7. Das beim Brand der Lagerhalle anfallende verunreinigte Löschwasser ist zurückzuhalten.
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8. Die Bemessung des Rückhaltevolumens ist entweder
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a. gemäß VdS 2557 „Planung und Einbau von Löschwasser- Rückhalteeinrichtungen“,
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b. analog zur Löschwasserrückhalterichtlinie (LöRÜRL) oder
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c. nach der Erläuterung „Bewertung Brandabschnittsgrößen“ der Schweizer VKF durchzuführen.
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9. Die Berechnung des Rückhaltevolumens und die Konzeption der Löschwasserrückhaltung sind mit der Brandschutzdienststelle der Stadtverwaltung Trier und der SGD Nord, Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz Trier abzustimmen.
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10. Bei der Planung und der Errichtung der Löschwasser-Rückhalteeinrichtung sollten folgende Regelwerke als Erkenntnisquellen herangezogen werden:
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a. VdTÜV-Merkblatt 967 „Anforderungen an Lageranlagen mit ortsfesten Behältern, an die aktive Lagerung in ortsbeweglichen Behältern sowie an Füll- und Entleerstellen für brennbare Flüssigkeiten“, Anhang 11 „Anforderungen an ortsfeste Löschwasser-Rückhalteeinrichtungen für brennbare Flüssigkeiten“ sowie
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b. VdS 2557 „Planung und Einbau von Löschwasser-Rückhalteeinrichtungen“
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11. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass bei einem Brand in der Lagerhalle kein Löschwasser in den „Gefahrgutraum“ gelangen kann. Sofern dies nicht sichergestellt werden kann, ist der „Gefahrgutraum“ bei der Löschwasserzurückhaltung gesondert zu berücksichtigen.
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12. Die Löschwasser-Rückhalteeinrichtung muss bis zum Zeitpunkt der Entsorgung des verunreinigten Wassers dicht sein. Sie ist so anzuordnen bzw. auszurüsten, dass eine Überfüllung - auch bei Stromausfall – rechtzeitig erkannt und die sichere Entleerung veranlasst werden kann.
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13. Die Löschwasserrückhalteeinrichtung ist vom Betreiber regelmäßig auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen. Die Prüfung ist zu dokumentieren.“
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Zur Begründung wiederholte die Beklagte die Ausführungen der SGD Nord in deren Stellungnahme vom 23. August 2013.
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Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass die Annahme einer „pauschal sehr hohen Brandlast“ fehlerhaft sei. Außerhalb des Geltungsbereichs der Löschwasserrückhalte-Richtlinie könne die Errichtung von Löschwasserrückhalteeinrichtungen nicht gefordert werden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2016 wurden die Widersprüche der Klägerin gegen die Nebenbestimmungen sowohl im Bescheid vom 4. Januar 2013 als auch im Bescheid vom 4. März 2014 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Stadtrechtsausschuss aus: Rechtsgrundlage für die angefochtenen Nebenbestimmungen in der Baugenehmigung bzw. der Nachtragsbaugenehmigung sei § 36 Abs. 2 VwVfG und § 50 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 LBauO i.V.m. §§ 5, 32 Abs. 2 und 48 Abs. 2 WHG. Die Voraussetzungen für besondere Anforderungen zur Löschwasserrückhaltung lägen vor. Nach Errichtung des besonderen Gefahrgutraumes stelle sich die Frage einer Löschwasserrückhaltung zwar für die wassergefährdenden Stoffe nicht mehr. Aber auch außerhalb des Geltungsbereichs der Löschwasserrückhalte-Richtlinie könne im Einzelfall eine Rückhaltung gefordert werden. Dies sei hier wegen der erhöhten Brandlast und der sich daraus ergebenden hohen Löschwassermenge der Fall. Im Hinblick auf die drohende erhebliche Gewässerverunreinigung im Brandfall seien die Investitionskosten für eine Löschwasserrückhaltung auch angemessen.
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Zur Begründung der dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen: Die angegriffenen Auflagen seien rechtswidrig, denn für sie fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage. § 50 LBauO sei unanwendbar. Die Vorschrift werde durch die speziellen wasserrechtlichen Vorgaben verdrängt. Ob ein Löschwasserrückhaltebecken errichtet werde, sei in § 62 WHG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 der Anlagenverordnung – VawS-RLP – in Verbindung mit der Löschwasserrückhalte-Richtlinie geregelt. Diese speziellen Regelungen gingen den allgemeinen Sorgfaltspflichten in den §§ 5, 32 und 48 WHG vor. Werde der Schwellenwert nach Ziffer 2.1 der Löschwasserrückhalte-Richtlinie unterschritten – wie hier – folge daraus, dass eine Löschwasserrückhaltung nicht erforderlich sei. Für die Anwendung des § 50 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 LBauO bleibe damit kein Raum. Im Übrigen seien auch die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 50 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 LBauO nicht erfüllt. Es sei durch das Brandschutzgutachten nachgewiesen, dass die Brandwahrscheinlichkeit erheblich reduziert worden sei und auch eine erheblich geringere Löschwassermenge im Schadensfall benötigt werde.
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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
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Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 9. November 2016 die in der Nachtragsbaugenehmigung vom 4. März 2014 unter den Ziffern 7 bis 13 enthaltenen Nebenbestimmungen zur Errichtung eines Löschwasserrückhaltebeckens sowie den Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2016 aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Das Rechtsschutzziel sei auf die Aufhebung der Nebenbestimmungen in der Nachtragsbaugenehmigung beschränkt, nachdem die ursprüngliche Baugenehmigung von der Klägerin ersichtlich nicht mehr umgesetzt werde. Die isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen sei zulässig. Die Klage sei auch begründet. Die angefochtenen Nebenbestimmungen seien mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 LBauO scheide als Ermächtigungsgrundlage deshalb aus, weil der hiermit bezweckte Schutz des Wasserhaushalts inzwischen abschließend durch das aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes erlassene Wasserhaushaltsgesetz geregelt sei. Aufgrund der durch die Inanspruchnahme der Bundesgesetzgebungskompetenz hervorgerufenen Sperrwirkung dürfe die bisherige landesrechtliche Regelung nicht mehr angewendet werden. Regelungen zum Schutz des Wasserhaushalts dürften ausschließlich nur noch auf die diesbezüglichen Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes gestützt werden. Nach der Konzeption des Wasserhaushaltsgesetzes seien Löschwassereinrichtungen nur beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen vorgesehen. Dem widerspreche es, wenn eine Pflicht zur Löschwasserrückhaltung auch bei nicht wassergefährdenden Stoffen allein über einen Rückgriff auf die generellen Pflichten in §§ 5, 32 Abs. 2 und 48 Abs. 2 WHG gestützt werde. Sowohl § 62 WHG als auch § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAwS-RLP, der bis zum Inkrafttreten der Bundesverordnung AwSV noch anwendbar sei, sollten verhindern, dass gelagerte wassergefährdende Stoffe zusammen mit dem Löschwasser in das Grundwasser gelangen könnten. Die Gefahr müsse also aus der Verbindung bzw. der Kontamination des Löschwassers mit den (gelagerten) wassergefährdenden Stoffen herrühren. Die Möglichkeit einer irgendwie gearteten sonstigen Verunreinigung des Löschwassers rechtfertige es hingegen nicht, dem Bauherrn ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage die Pflicht zur Errichtung einer Rückhalteeinrichtung aufzuerlegen. Dies würde letztlich dazu führen, dass nahezu jedes bauliche Vorhaben die Errichtung eines Rückhaltebeckens erforderlich machen könnte.
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Die Beklagte trägt zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine gesetzliche Ermächtigung für die angefochtenen Nebenbestimmungen verneint. Die Auflagen zur Löschwasserrückhaltung könnten auf § 50 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 LBauO gestützt werden. Bei dieser Ermächtigung handele es sich um Bauordnungs- und nicht um Wasserhaushaltsrecht. Eine Sperrwirkung durch die bundesrechtlichen Regelungen zum Wasserhaushalt komme nicht in Betracht. Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 62 WHG komme der allgemeine Besorgnisgrundsatz nach §§ 5, 32 Abs. 2 und 48 Abs. 2 WHG zur Anwendung. Der Anwendungsbereich dieser allgemeinen Vorschriften sei durch § 62 WHG nur insofern eingeschränkt, als es um Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen gehe. In besonders gelagerten Fällen kämen indes auch bei anderen Anlagen Maßnahmen zur Löschwasserrückhaltung in Betracht. Dies sei abhängig von der Art und Menge der gelagerten Stoffe sowie von der Lage der Anlage, etwa in einem Wasserschutz- oder Überschwemmungsgebiet. Hier sei mangels geeigneter Lagerlisten von einer hohen Brandlast der gelagerten Gegenstände auszugehen. Die von der Klägerin vorgelegte Auflistung habe lediglich Artikelnummer und Produktkennzeichnungen beinhaltet, die eine konkrete Ermittlung der Brandlast nicht zugelassen hätten. Nach eigenen Berechnungen belaufe sich der zu erwartende Löschwasserbedarf auf ca. 900 m³. Gewässergefährdungen seien insbesondere durch eingesetzte Löschzusatzmittel zu befürchten. Einwirkungen auf den Wasserhaushalt durch derart große Wassermengen ließen sich ohne geeignete Rückhalteeinrichtungen nicht verhindern. Dagegen bewegten sich die zu erwartenden Löschwassermengen im Zusammenhang mit „üblichen Vorhaben“ in weit geringeren Größenordnungen. Die Kosten für die von der Klägerin verlangten Rückhaltevorkehrungen dürften sich auf ca. 100.000,00 € belaufen.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 9. November 2016 die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Nach ihrer Auffassung hat das Verwaltungsgericht zu Recht eine Ermächtigungsgrundlage für die angefochtenen Nebenbestimmungen verneint. Der stoff- und anlagenbezogene Bereich des Wasserhaushaltsrechts sei abschließend im Wasserhaushaltsgesetz normiert. Der Bundesgesetzgeber habe in § 62 WHG abschließend die Voraussetzungen und die Grundlagen dafür normiert, wann eine Löschwasserrückhaltung zum Schutz des Wasserhaushalts erforderlich sei. Dies habe der Gesetzgeber davon abhängig gemacht, ob die gelagerten oder behandelten Stoffe zur Gruppe der wassergefährdenden Stoffe gehörten. Darüber hinaus sei es der zuständigen Wasserbehörde untersagt, Löschwasserrückhaltungen für nicht wassergefährdende Stoffe zu erlassen. Im Übrigen seien die angefochtenen Auflagen unverhältnismäßig. Ihre Erfüllung verursache Kosten in Höhe von ca. 200.000,00 €.
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Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich an dem Verfahren beteiligt und wie folgt geäußert: Es bestünden Bedenken an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts. Bei § 50 LBauO handele es sich nicht um eine Regelung zum Wasserhaushaltsrecht, sondern vielmehr um eine solche zum Bauordnungs- und Gefahrenabwehrrecht. Selbst wenn man aber § 50 LBauO dem Wasserrecht zuordnen wollte, stünden seiner Anwendbarkeit kompetenzrechtliche Überlegungen nicht entgegen. Zwar besitze der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Wasserhaushalts (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG). Landesrechtliche Regelungen seien aber nur bei einer abschließenden Gesetzgebung durch den Bund im Bereich stoff- und anlagenbezogener Regelungsfelder gesperrt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der Erlass einer einzelnen bundesrechtlichen Regelung mit Stoff- und Anlagenbezug nicht gleichbedeutend mit einer abschließenden bundesrechtlichen Gesetzgebung. Darüber hinaus werde der Anwendungsbereich des allgemeinen Besorgnisgrundsatzes in den §§ 5, 32 Abs. 2 und 48 Abs. 2 WHG durch die Regelung in § 62 WHG zwar eingeschränkt, nicht hingegen gänzlich ausgeschlossen. Ein Vorrang von §§ 62 f. WHG komme von vornherein dann nicht in Betracht, sofern es um den Umgang mit nicht wassergefährdenden Stoffen gehe. Im Rahmen des der Behörde bei Anwendung des allgemeinen Besorgnisgrundsatzes eröffneten Beurteilungs- und Ermessensspielraums werde es zumindest in besonders gelagerten Fällen in Betracht kommen, Maßnahmen zur Löschwasserrückhaltung anzuordnen. Hieran sei zu denken bei der Nähe zu einem Oberflächengewässer bzw. dem Grundwasserabstand, der Lage in einem Wasserschutz- oder Überschwemmungsgebiet, der Größe des Lagers bzw. der Art und Menge der gelagerten Stoffe. Die Brisanz der streitbefangenen Rechtsfrage beruhe auf den Erfahrungen mit einer Vielzahl an Brandereignissen in den letzten Jahren in Rheinland-Pfalz, die die Notwendigkeit zur Anordnung von Löschwasserrückhaltekapazitäten zur Verhütung gravierender Schäden für Boden und Grund- bzw. Trinkwasser vor Augen führten. Als Großschadensereignisse seien zu nennen: der Brand von ca. 300.000 Reifen in Rodenbach im Oktober 2008, der Brand eines Lederlagers im März 2009, der Brand einer Gewerbemüllsortieranlage im Juni 2009, der Brand eines Autoverwerters im März 2010 und der Brand einer Recyclingfirma im Juli 2010. So habe denn auch der Ausschuss Wasserrecht der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA-AR) in seiner Sitzung am 25./26. Januar 2017 beschlossen, dass Maßnahmen zur Löschwasserrückhaltung auch bei der Lagerung von nicht wassergefährdenden Stoffen rechtlich zulässig seien. Ferner hätten Vertreter des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bund bei den Regelungen über wassergefährdende Stoffe von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht abschließend in dem oben dargelegten Sinne Gebrauch gemacht habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
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Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Auflagen zur Löschwasserrückhaltung in der Nachtragsbaugenehmigung vom 4. März 2014 im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
I.
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Zunächst hat das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzziel der Klägerin zutreffend auf die Aufhebung lediglich der Auflagen Nrn. 7 bis 13 in der Nachtragsbaugenehmigung vom 4. März 2014 eingeschränkt, weil sie allein nur noch das Änderungsbauvorhaben realisieren will und auch bereits realisiert hat.
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Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass die isolierte Anfechtung der Auflagen statthaft ist. Belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts können nämlich selbstständiger Gegenstand einer Anfechtungsklage sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 – 11 C 2.00 –, BVerwGE 112, 221, LS 1). Dies war für die sog. selbstständigen Nebenbestimmungen nach § 36 Abs. 2 Nrn. 4 und 5 VwVfG – wie hier die Auflagen – bereits nach der früher herrschenden Meinung anerkannt und wird im Übrigen auch für die sog. unselbstständigen Nebenbestimmungen nach § 36 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwVfG allgemein vertreten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2010 – 3 C 19.09 –, NVwZ-RR 2010, 645 und juris, Rn. 9; Urteil vom 17. Oktober 2012 – 4 C 4.11 –, BVerwGE 144, 341, Rn. 5; ebenso U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 36 Rn. 54; Weis, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 36 Rn. 125; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 36 Rn. 26, jeweils m.w.N.).
II.
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In der Sache hat das Verwaltungsgericht die Auflagen zur Löschwasserrückhaltung im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Zwar fehlt es nach Auffassung des Senats nicht an der hierfür erforderlichen Rechtsgrundlage. Jedoch hat die Beklagte von dem ihr darin eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 40 VwVfG und § 114 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die angefochtenen Auflagen ist die in den Bescheiden genannte Bestimmung in § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 LBauO. Daneben hätte auch in Betracht gezogen werden können, die Nebenbestimmungen auf § 36 Abs. 1 VwVfG und § 1 LVwVfG in Verbindung mit den materiellen Genehmigungspflichten aus §§ 5, 32 Abs. 2 und 48 Abs. 2 WHG zu stützen.
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Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 LBauO können für bauliche Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung im Einzelfall besondere Anforderungen gestellt werden, soweit die Bestimmungen der §§ 6 bis 48 LBauO zur Abwehr von Gefahren oder unzumutbaren Belästigungen nicht ausreichen. Nach § 50 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 LBauO können sich die besonderen Anforderungen insbesondere auf „Brandschutzeinrichtungen und Brandschutzvorkehrungen sowie auf Auffangvorrichtungen für Löschwasser“ erstrecken. Gemäß § 50 Abs. 2 gilt diese Sonderermächtigung insbesondere für bauliche Anlagen und Räume, die für gewerbliche Betriebe bestimmt sind (Nr. 10), wie hier bei dem Lager der Klägerin für Kfz.-Ersatzteile.
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1. Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Verwaltungsgerichts ist § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 LBauO im vorliegenden Fall anwendbar, um für die Nutzung der Lagerhalle der Klägerin Anforderungen zur Löschwasserrückhaltung zu stellen.
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Wie sich aus den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2016 (S. 18) ergibt, betreffen die von der Klägerin angefochtenen Auflagen in Nrn. 7 bis 13 der Nachtragsbaugenehmigung vom 4. März 2014 nicht den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. Denn für die hiermit verbundenen Gefahren sei durch die Einrichtung des besonderen Gefahrgutraumes hinreichend Sorge getragen. Die Auflagen beträfen daher die im Übrigen in der Halle gelagerten nicht wassergefährdenden Stoffe.
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Die Anwendbarkeit von § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 LBauO für bauliche Anlagen, in denen mit nicht wassergefährdenden Stoffen und Erzeugnissen umgegangen wird, ist durch die Regelungen im Wasserrecht nicht gesperrt.
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a) Wie bei § 50 LBauO insgesamt, handelt es sich auch bei der Ermächtigung zu Brandschutzvorkehrungen und Löschwasserrückhalteeinrichtungen in § 50 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 LBauO um Regelungen des Bauordnungsrechts, wofür dem Land nach Art. 70 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz zusteht.
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Während sich die §§ 6 bis 48 LBauO auf materielle Anforderungen für bauliche (Standard-)Anlagen, wie insbesondere Wohngebäude beziehen, ist in § 50 LBauO die Möglichkeit geschaffen, für Sonderbauten besondere Anforderungen zur Abwehr von Gefahren oder unzumutbaren Belästigungen je nach der Art der baulichen Anlage zu stellen (vgl. Jeromin, LBauO RP, 4. Aufl. 2016, § 50 Rn. 1). Diese Ermächtigungen knüpfen an die jeweilige bauliche Anlage an und zielen auf den Schutz der durch deren Errichtung oder Nutzung betroffenen Rechtsgüter. Bei den Vorkehrungen für den Brandschutz handelt es sich vorrangig um den Schutz von Leben und Gesundheit, daneben aber auch um den Schutz der Umwelt. Zu Letzterem gehört einmal der Schutz vor Verunreinigungen des Bodens (vgl. hierzu: OVG RP, Beschluss vom 5. April 2017 – 8 A 11316/16.OVG –, Beseitigung von Bodenverunreinigungen infolge eines Brandschadensereignisses auf einer als Parkplatz benutzten Wiese). Brandschutzvorkehrungen und insbesondere Anforderungen an die Löschwasserrückhaltung dienen aber auch dem Schutz des Wasserhaushalts. Dieser neben den anderen Regelungszielen mit verfolgte Schutzzweck macht die auf bauliche Anlagen und deren Nutzung bezogene Vorschrift in § 50 LBauO damit jedoch noch nicht zu einer Regelung des Wasserhaushalts, wofür nunmehr dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zusteht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG). So ist denn auch die Richtlinie zur Bemessung von Löschwasser-Rückhalteanlagen beim Lagern wassergefährdender Stoffe (Löschwasserrückhalte-Richtlinie vom August 1992) durch die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 1. Oktober 2015 (MinBl. S. 154) als technische Baubestimmung i.S.v. § 3 Abs. 3 LBauO eingeführt (vgl. die Anlage zur Verwaltungsvorschrift, Teil I Nr. 3.4).
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Im Übrigen wäre selbst dann, wenn man die Regelung in § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 LBauO als Regelung zum Wasserhaushalt verstehen wollte, die Gesetzgebungskompetenz des Landes für die hier zu beurteilende Frage (Anforderungen an den anlagenbezogenen Umfang mit nicht wassergefährdenden Stoffen und Erzeugnissen) durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG nicht gesperrt. Denn nach § 72 Abs. 1 GG wird den Ländern die Befugnis zur Gesetzgebung im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nur entzogen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Wie den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen ist, hat der Bund für bauliche Anlagen zum Umgang mit nicht wassergefährdenden Stoffen und Erzeugnissen indes von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht.
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b) Handelt es sich bei § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 LBauO um eine Vorschrift des Bauordnungsrechts, so bestehen aus Gründen der Gesetzgebungskompetenz keine Bedenken an ihrer Gültigkeit. Ihre Nichtanwendbarkeit könnte sich daher allein aus den Regeln zur Kollision divergierender Rechtsnormen ergeben. Indes fehlt es für den hier zu beurteilenden Sachverhalt an einer Kollisionslage.
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Existieren für denselben Sachverhalt zwei verschiedene Rechtsnormen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen, so ist zu fragen, ob eine kumulative Konkurrenz vorliegt, beide Rechtsnormen also unabhängig voneinander Anwendung finden und sich dann die jeweils strengere Vorschrift durchsetzt (so für Überschneidungen der §§ 62, 63 WHG mit Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten: Meyer, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 81. EL 2016, Band I, WHG, § 62 Rn. 3). Alternativ kommt eine verdrängende Konkurrenz in Betracht; nach den danach anerkannten Regeln hat bei rangverschiedenen Normen die höherrangige Norm Vorrang; bei ranggleichen Normen soll die jüngere bzw. die speziellere Norm den Vorrang genießen. Welche der Kollisionsregeln gilt, ist letztlich durch Auslegung der kollidierenden Normen zu ermitteln (vgl. hierzu insgesamt: Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, § 18 II., § 75 I. und § 76 I.).
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Zur Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits kann dahingestellt bleiben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Anwendungsvorrang von anlagenbezogenen Vorschriften im Wasserhaushaltsrecht gegenüber § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 LBauO besteht. In Betracht kommt insofern § 62 WHG mit den dazu ergangenen untergesetzlichen Normen, die Anforderungen an den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen stellen. Aber selbst für diesen Bereich lässt § 62 Abs. 5 WHG weitergehende landesrechtliche Vorschriften zu, wenn auch nur für besonders schutzbedürftige Gebiete. Für die hier allein interessierenden Anlagen zum Umgang mit nicht wassergefährdenden Stoffen enthält das Wasserhaushaltsrecht jedenfalls keinen Rechtssatz, der die Anordnung brandschutztechnischer Vorkehrungen einschließlich der Löschwasserrückhaltung auf der Grundlage von Vorschriften aus anderen Rechtsbereichen verböte.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Verwaltungsgerichts fehlen Anhaltspunkte dafür, dass mit den §§ 62, 63 WHG für die mit der Errichtung und Nutzung von Anlagen verbundenen Gefahren für den Wasserhaushalt eine umfassende und abschließende Regelung des Anlagenrechts dergestalt getroffen ist, dass Anforderungen an den Anlagenbetrieb nur unter den dort geregelten Voraussetzungen zulässig sind. Mithin fehlt es bereits an einer Kollisionslage mit § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 LBauO, so dass sich Fragen nach einem eventuellen Anwendungsvorrang erübrigen.
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Nach Auffassung des Senats lässt sich den wasserhaushaltsrechtlichen Vorschriften zum anlagenbezogenen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen der von der Klägerin vertretene umfassende Regelungsanspruch nicht entnehmen. Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte für ein „beredtes Schweigen“ des Gesetzgebers auch für den anlagenbezogenen Umgang mit nicht wassergefährdenden Stoffen und Erzeugnissen. Vielmehr ist § 62 WHG als eine spezielle Ausprägung des in den §§ 5 Abs. 1, 32 Abs. 2, 45 Abs. 2 und 48 Abs. 2 WHG verankerten allgemeinen Besorgnisgrundsatzes für einen besonders sensiblen Bereich des Gewässerschutzes anzusehen. Lediglich im Rahmen ihres Anwendungsbereichs, nämlich des anlagenbezogenen Umgangs mit wassergefährdenden Stoffen, kommt daher eine Kollisionslage und ein eventueller Vorrang des spezielleren Rechts in Betracht. Der hier allein interessierende anlagenbezogene Umgang mit nicht wassergefährdenden Stoffen und Erzeugnissen ist im Wasserhaushaltsrecht indes nicht geregelt.
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Einer dahingehenden weiten Ausschlusswirkung auch für den anlagenbezogenen Umgang mit nicht wassergefährdenden Stoffen steht bereits die amtliche Begründung zu §§ 62 und 63 WHG entgegen. In dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des Wasserrechts vom 17. März 2009 wird zunächst betont, dass Kapitel 3, Abschnitt 3 lediglich die „materiellen Anforderungen an den anlagenbezogenen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (§ 62) und die hierzu erforderliche behördliche Vorkontrolle (§ 63) [regelt].“ Darüber hinaus wird ausgeführt, dass „in verschiedenen anderen Rechtsbereichen … ebenfalls Anforderungen an die Beschaffenheit von Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen geregelt [sind].“ Diese bezögen jedoch nicht die Erfordernisse des Gewässerschutzes mit ein, so dass auf eine spezielle wasserrechtliche Regelung nicht verzichtet werden könne (vgl. BT-Drucks. 16/12275, S. 70 f.). Der Hinweis auf die in anderen Rechtsbereichen „ebenfalls“ vorhandenen Eignungsanforderungen deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber hier eine zusätzliche Regelung für den sensiblen Bereich des anlagenbezogenen Umgangs mit wassergefährdenden Stoffen für notwendig erachtet hat, er mit dieser Regelung aber keineswegs die Anwendung anderer Vorschriften, die auch dem Ziel des Gewässerschutzes dienen, ausschließen wollte.
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Hierfür spricht auch das Verhältnis von § 62 WHG zu den allgemeinen wasserrechtlichen Sorgfaltspflichten. Nach § 5 Abs. 1 WHG ist jede Person verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften zu vermeiden und die Leistungsfähigkeit des Wasserhaushalts zu erhalten. Nach § 32 Abs. 2 WHG dürfen Stoffe an einem oberirdischen Gewässer nur so gelagert werden, dass eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist. Entsprechende Regelungen zur Lagerung von Stoffen finden sich in § 45 Abs. 2 WHG für die Lagerung an einem Küstengewässer sowie in § 48 Abs. 2 WHG für die Besorgnis der Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit. Wenn demgegenüber § 62 Abs. 1 Satz 1 für Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen, Behandeln und Verwenden wassergefährdender Stoffe verlangt, dass dadurch nachteilige Veränderungen der Eigenschaften von Gewässern nicht zu besorgen sein dürfen, handelt es sich um eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Besorgnisgrundsatzes, der Vorrang allenfalls im Rahmen seines Anwendungsbereichs (anlagenbezogener Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) beansprucht, hingegen nicht beim Umgang mit nicht wassergefährdenden Stoffen (so: Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl. 2014, § 32 Rn. 21; Gößl, in: Sieder/Zeidler/Dahme/Knopp, WHG, 50. EL 2016, § 62 Rn. 57; Posser, in: BeckOK, Umweltrecht, Giesberts/Reinhardt, 42. Edition 2017, § 32 Rn. 21).
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Kann daher der „schlanken“ gesetzlichen Regelung in § 62 WHG zum anlagenbezogenen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen schon keine Ausschlusswirkung gegenüber Vorschriften aus anderen Rechtsbereichen über den anlagenbezogenen Umgang mit nicht wassergefährdenden Stoffen entnommen werden (vgl. zu den „im Ganzen schlank gehaltenen gesetzlichen Vorgaben“: BT-Drucks. 16/12275, S. 58), so gilt nichts anders für das hierzu erlassene untergesetzliche Regelwerk.
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Die aufgrund des §§ 23, 62 Abs. 4 und 63 Abs. 2 Satz 2 WHG mittlerweile am 18. April 2017 erlassene Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) tritt nach ihrem § 73 erst am 1. August 2017 in Kraft (BGBl. I S. 905). Aber auch die bis dahin weiter geltende Landesverordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe (Anlagenverordnung – VAwS) vom 1. Februar 1996 (GVBl. S. 121) enthält zwar eine spezielle Regelung über die Verpflichtung zur Rückhaltung von im Schadensfall anfallenden Stoffen, die mit ausgetretenen wassergefährdenden Stoffen verunreinigt sein können (§ 3 Abs. 1 Nr. 4). Jedoch gilt diese Regelung ebenso wie die Verordnung des Bundes nur für Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. Nichts anderes gilt für die bereits zitierte Richtlinie des Landes zur Bemessung von Löschwasser-Rückhalteanlagen beim Lagern wassergefährdender Stoffe (LöRüRL) vom August 1992.
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Dass mit den Normen des Wasserhaushaltsrechts keine abschließende Regelung für alle anlagenbezogenen Gefährdungen des Wasserhaushalts bezweckt ist, zeigt im Übrigen auch § 20 AwSV. Diese neue Vorschrift des künftigen Verordnungsrechts des Bundes enthält ebenfalls eine Regelung speziell zur „Rückhaltung bei Brandereignissen“. Danach müssen Anlagen so geplant, errichtet und betrieben werden, dass bei Brandereignissen austretende wassergefährdende Stoffe, Lösch-, Berieselungs- und Kühlwasser mit wassergefährdenden Eigenschaften nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zurückgehalten werden. In der amtlichen Begründung heißt es selbst zu dieser nur den anlagenbezogenen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen betreffenden Vorschrift, dass sie „anderweitige Brandschutzbestimmungen in den Bauordnungen der Länder unberührt [lässt]“ (vgl. BR-Drucks. 77/14, S. 139). Auch vor diesem Hintergrund fehlen belastbare Anhaltspunkte dafür, mit den Vorschriften zum Wasserhaushaltsrecht sei eine abschließende Regelung dahingehend ergangen, dass eine Löschwasserrückhaltung allein beim anlagenbezogenen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen verlangt werden dürfe und im Übrigen ausgeschlossen sei.
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2. Die Beklagte hat von dem ihr in § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 LBauO eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Norm entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
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a) Die Ermächtigung der Bauaufsichtsbehörden, besondere Anforderungen an Sonderbauten zu stellen, setzt voraus, dass die Vorschriften der §§ 6 bis 48 LBauO nicht genügen, um die allgemeinen Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO zur Abwehr von Gefahren oder unzumutbaren Belästigungen zu erfüllen. Die jeweils betroffene „bauliche Anlage besonderer Art oder Nutzung“ muss also Quelle für eine besondere Gefahrenlage sein. Gerade im Bereich der Löschwasserrückhaltung muss sich die Behörde im Klaren sein, dass es sich um eine Maßnahme der Gefahrenvorsorge für den Fall handelt, dass es zu einem Brand der Anlage kommt, der nicht rechtzeitig eingedämmt, sondern - wegen der Höhe der Brandlast und dem Fehlen anderweitiger Abwehrmaßnahmen - nur unter Einsatz großer Mengen von (möglicherweise wassergefährdendem) Löschwasser bekämpft werden kann. Wie die Beklagte und der Vertreter des öffentlichen Interesses zutreffend ausführen, muss es sich für das Auferlegen von Löschwasserrückhaltevorkehrungen nach § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 LBauO um einen besonders gelagerten Fall handeln. Das der Bauaufsichtsbehörde in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen ist in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Art und Weise auszuüben (§ 40 VwVfG, § 114 Satz 1 VwGO). Hierzu muss die Behörde alle Erwägungen anstellen, die nach dem gesetzlichen Entscheidungsprogramm von ihr gefordert werden. Um ihr Ermessen sachgerecht ausüben zu können, muss sie vor allem den Sachverhalt in wesentlicher Hinsicht vollständig und zutreffend ermittelt haben (vgl. Rennert, in. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn. 24 f.).
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Ob und in welchem Umfang dem Bauherrn nach § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 LBauO Vorkehrungen zur Löschwasserrückhaltung als besondere Maßnahmen der Gefahrenvorsorge auferlegt werden dürfen, beurteilt sich auch nach den materiellen Anforderungen des Wasserhaushaltsrechts, die die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer umfassenden Sachentscheidungs-kompetenz nach §§ 65 Abs. 1 Satz 1 und 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO zu berücksichtigen hat (vgl. auch § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WHG). Wie oben ausgeführt, gilt für den anlagenbezogenen Umgang mit nicht wassergefährdenden Stoffen oder Erzeugnissen der allgemeine wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz, wie er in §§ 5 Abs. 1, 32 Abs. 2, 45 Abs. 2 und 48 Abs. 2 WHG niedergelegt ist. Dabei muss die Weite des in § 32 Abs. 2 WHG ebenso wie in § 48 Abs. 2 WHG formulierten Besorgnisgrundsatzes durch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingeschränkt (operationalisiert) werden (vgl. Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 32 Rn. 39 und § 48 Rn. 26). Nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit sind zu besorgen, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts bei einer auf konkreten, nachvollziehbaren Feststellungen beruhenden Prognose nach menschlicher Erfahrung und nach dem Stand der Technik nicht von der Hand zu weisen ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 32 Rn. 39).
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Speziell für die Vorsorge für Brandschadensfälle wird man eine Gefahrenlage fordern müssen, die sich von der Gefährdungslage bei baulichen (Standard-) Anlagen deutlich unterscheidet. Auch bei diesen kann es sich um größere Gebäude, etwa Mehrfamilienhäuser, mit einer durchaus höheren Brandlast handeln. Für das Auferlegen besonderer Anforderungen bei Sonderbauten wird es daher entscheidend auf die Art und Menge der darin aufbewahrten Stoffe und Erzeugnisse ankommen, aber auch auf die Gelände- und Bodenbeschaffenheit sowie auf die vorhandene Infrastruktur für die Bekämpfung von Störfällen (Überwachungs-, Kontroll- und Einflussmöglichkeiten; vgl. Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 32 Rn. 41).
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Für die gebotene Ermessensausübung der Behörde und zur Konkretisierung der gegebenenfalls zu fordernden Vorsorgemaßnahmen kann ferner der vom Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten veröffentlichte „Leitfaden Brandschadensfälle Rheinland-Pfalz“ vom Januar 2017 als Orientierung herangezogen werden. Dieser Leitfaden ist für Betriebe und Anlagen konzipiert, bei denen im Brandfall erhebliche Umweltgefährdungen, insbesondere für Boden und Wasser, zu besorgen sind. Dabei wird die Notwendigkeit vorsorgender Maßnahmen zum Brandschutz in erster Linie von der Menge der Stoffe oder Erzeugnisse abhängig gemacht, mit denen in den Betrieben und Anlagen umgegangen wird. Der Leitfaden beschränkt sich nicht auf Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, sondern bezieht auch Anlagen ein, die mit brennbaren Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen ohne Wassergefährdungsklasse umgehen (genannt werden etwa: aliphatische Kunststoffe, sonstige Kunststoffe sowie Reifen, Spanplatten/Möbel, Altholz und Textilien). Denn auch in diesem Fall könne das bei der Brandbekämpfung anfallende Löschwasser Gewässerverunreinigungen verursachen. Des Weiteren kämen Brandschutzvorkehrungen bei wasserwirtschaftlich sensiblen Standorten in Betracht, wie z.B. der Lage in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten, im Einzugsbereich von Mineralwassergewinnungsanlagen, in Überschwemmungs-gebieten sowie in Bereichen oberirdischer Gewässer. Ob das Erfordernis einer Löschwasserrückhaltung bestehe, solle letztlich erst aufgrund einer Gefahren- und Risikoanalyse entschieden werden. Eine solche Analyse sei geboten, wenn der anlagenbezogene Umgang mit Stoffen oder Erzeugnissen eine hohe Brandlast befürchten lasse. Dies sei in der Regel dann der Fall, wenn die in der Tabelle 2-1 (S. 15 des Leitfadens) genannten Mengengrenzen überschritten würden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: Leitfaden Brandschadensfälle, S. 14 bis 16 und S. 45 f.).
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b) Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die Anordnung von Löschwasserrückhaltemaßnahmen im Falle der Lagerhalle der Klägerin als ermessensfehlerhaft. Die von der Beklagten vertretene Notwendigkeit und Zumutbarkeit einer solchen Maßnahme beruht auf zu vagen Annahmen und lässt die gebotene Ermittlung und Bewertung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles vermissen.
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Zunächst hat die Behörde zwar im Ansatz zutreffend darauf abgestellt, ob aufgrund von Art und Menge der außerhalb des Gefahrgutraums in der genehmigten Halle gelagerten Stoffe und Erzeugnisse eine hohe Brandlast zu besorgen ist. Dabei hat sie allerdings nicht näher ermittelt, welcher Art die nach der Genehmigung einlagerungsfähigen Fahrzeugersatzteile sein können. Sowohl in der Baugenehmigung vom 4. Januar 2013 (S. 8 f.) wie in der Nachtragsbaugenehmigung vom 4. März 2014 (S. 6) hat sich die Behörde auf den Standpunkt gestellt, dass unklar bleibe, welcher Art die in der bereits errichteten und von der Fa. C. genutzten Halle gelagerten Materialien seien. Der von der Klägerin vorgelegte Ordner mit einer Zusammenstellung der Lagerteile ist nicht näher ausgewertet worden. In der Berufungsbegründungsschrift der Beklagten heißt es, die von der Klägerin vorgelegte Auflistung habe lediglich Artikelnummern und Produktkennzeichnungen beinhaltet, welche eine konkrete Ermittlung der Brandlast nicht zugelassen hätten (vgl. a.a.O., S. 5). Hier wäre es geboten gewesen, die aufgrund der Baugenehmigung zugelassene Lagerung nicht wassergefährdender Stoffe und Erzeugnisse näher zu ermitteln. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der für die Brandlast maßgeblichen brennbaren Stoffe und Erzeugnisse und hier insbesondere für die Kunststoffe und Reifen (vgl. die in Tabelle 2-1 im „Leitfaden Brandschadensfälle“ [S. 15] genannten Stoffe und Erzeugnisse). Erst wenn die Klägerin auf konkrete Anfragen zu Art und Menge dieser für die Brandlast maßgeblichen Stoffe und Erzeugnisse ihrer Mitwirkungslast nicht nachgekommen wäre, hätte die Behörde gestützt auf allgemeine Erkenntnisse eine „worst-case-Betrachtung“ anstellen dürfen.
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Hier hat die Beklagte die von ihr eingeleiteten Versuche, die Brandlast der genehmigten Lagerhalle konkret zu ermitteln, nicht weiter verfolgt. Stattdessen hat sie sich in der Ausgangsgenehmigung vom 4. Januar 2013 zur Ermittlung der Brandlast von Autozubehörlägern auf die Angaben in der Bewertung der Vereinigung kantonaler Feuerversicherungen zu Brandabschnittsgrößen zurückgezogen (Brandlast von durchschnittlich 800 MJ/m³, vgl. S. 9 der Baugenehmigung vom 4. Januar 2013, Bl. 125 der Baugenehmigungsakte I). In der Nachtragsbaugenehmigung vom 4. März 2014 wird nur ausgeführt, dass die Lagerhalle für eine sehr hohe Brandlast konzipiert sei und dies damit begründet, dass in dem von der Klägerin vorgelegten Brandschutzgutachten der Fa. g. vom 14. August 2013 eine „pauschal sehr hohe Brandlast unterstellt“ worden sei (vgl. S. 7 der Baugenehmigung vom 4. März 2014, Bl. 168 R der Baugenehmigungsakte II unter Hinweis auf S. 12 des Brandschutzgutachtens vom 14. August 2013). Diese Bewertung der Brandlast für die Lagerhalle der Klägerin durch den Brandschutzgutachter beruhte jedoch nicht auf einer konkreten Beurteilung der aufgrund der erteilten Genehmigung erwartbaren Lagergegenstände. Vielmehr hat sich der Gutachter lediglich für die Frage der Größe der Brandabschnitte und der Anforderungen an Bauteile und Baustoffe auf das vereinfachte Verfahren („Verfahren ohne Brandlastermittlung“) nach Abschnitt 6 der Industriebau-Richtlinie vom Juli 2014 (technische Baubestimmung i.S.v. § 3 Abs. 3 LBauO, Anlage zur Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 1. Oktober 2015, MinBl. S. 194, Teil I Nr. 3.2) berufen. Nach diesem vereinfachten Verfahren wird eine hohe Brandlast unterstellt, um für die Bewertung der Brandabschnittsgröße „auf der sicheren Seite“ zu sein.
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(2) Fehlt damit schon eine hinreichend konkrete Aufklärung von Art und Menge der mit der Baugenehmigung zugelassenen Lagergegenstände und insbesondere der Menge der für die Brandlast der Halle in besonderem Umfang maßgeblichen Stoffe und Erzeugnisse, wie insbesondere Kunststoffteile und Reifen, so fehlt es darüber hinaus auch an einer bei unterstellter hoher Brandlast zusätzlich notwendigen Gefahren- und Risikoanalyse. Wie im „Leitfaden Brandschadensfälle“ dargelegt, genügt die Feststellung einer großen Menge eingelagerter brandlastiger Stoffe und Erzeugnisse alleine nicht, um die Auferlegung von Löschwasserrückhalteeinrichtungen zu rechtfertigen. Vielmehr bedarf es der eingehenden Untersuchung, ob aufgrund der besonderen Umstände des Falles einschließlich der vorhandenen Infrastruktur zur Störfallbekämpfung zusätzliche Maßnahmen der Gefahrenvorsorge geboten und zumutbar sind. Wie sich den Ausführungen im Leitfaden entnehmen lässt, kann diese Analyse durchaus ergeben, auf eine Löschwasserrückhaltung zu verzichten, obwohl in der Anlage die Mengengrenzen für brandlastige Stoffe und Erzeugnisse überschritten werden (vgl. das Beispiel auf S. 46 des Leitfadens).
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Im Unterschied dazu wird in der angefochtenen Baugenehmigung allein aufgrund der unterstellten hohen Brandlast der Lagerhalle und der daraus gefolgerten hohen Löschwassermenge im Falle eines Vollbrandes auf die Notwendigkeit einer Löschwasserrückhaltung geschlossen. Dabei kann der bloße Hinweis darauf, dass Löschwasser durch Brandgase, Brandrückstände und/oder Löschmittelzusätze verunreinigt und damit potentiell gewässergefährdend sein kann, eine konkrete Gefahren- und Risikoanalyse ebenso wenig ersetzen wie der Hinweis auf Großschadensereignisse, die wie etwa der Großbrand eines Reifenlagers mit 30.000 Reifen in Rodenbach im Oktober 2008 einen anderen Sachverhalt betreffen.
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Eine konkret auf die genehmigte Halle der Klägerin bezogene Gefahren- und Risikoanalyse wäre hier auch deshalb geboten gewesen, weil der von der Klägerin beauftragte Brandschutzsachverständige Dipl.-Ing. S. das von der Behörde angenommene Szenario einer großen Menge verunreinigten Löschwassers zur Bekämpfung eines Vollbrandes als wenig wahrscheinlich bezeichnet hat. Die dahingehenden Ausführungen finden sich im Protokoll zu der Besprechung aller Beteiligten am 6. August 2015 (Bl. 149 ff. der Akte des Stadtrechtsausschusses). Darin führt Dipl.-Ing. S. aus, dass hier aufgrund der vorhandenen Brandmeldeanlage sowie der automatischen Alarmweiterleitung zur Feuerwehr ein entstehender Brand aller Wahrscheinlichkeit nach frühzeitig entdeckt und die Feuerwehr noch in der Brandentstehungsphase mit der Brandbekämpfung beginnen könne. Die genehmigte Lagerhalle mit einer Brandabschnittsfläche von bis zu 2.700 m² sei genauso sicher wie ein mit einer Sprinkleranlage ausgestatteter Industriebau mit einer Fläche von bis zu 10.000 m², bei dem der Vertreter der Oberen Wasserbehörde eine Löschwasserrückhaltevorrichtung nicht für notwendig erachte. Dabei räumt Dipl.-Ing. S. ein, dass das Auftreten eines Vollbrandes in Industriebauten („natürlich“) nicht vollständig ausgeschlossen werden könne, der Verlust der Standsicherheit der Bauteile infolge eines Vollbrandereignisses jedoch äußerst unwahrscheinlich sei (vgl. die elektronische Nachricht vom 25. September 2015, Bl. 58 R der Akte des Stadtrechtsausschusses).
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Es ist nicht Aufgabe des Senats, die bislang unterbliebene Gefahren- und Risikoanalyse durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzuholen. Diese Aufgabe ist vielmehr im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu leisten. Hierzu hat die Beklagte noch Gelegenheit. Denn die mit diesem Urteil bestätigte Aufhebung der Auflagen zur Löschwasserrückhaltung in der Nachtragsgenehmigung vom 4. März 2014 wegen unzureichender Ermessenserwägungen hindert die Behörde nicht, ergänzende Ermittlungen zur Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit von Löschwasserrückhaltevorkehrungen für die Lagerhalle der Klägerin anzustellen und darauf gestützt gegebenenfalls erneut Löschwasserrückhaltepflichten aufzuerlegen, falls weniger belastende brandschutztechnische Vorsorgemaßnahmen ausscheiden.
- 68
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
- 69
Der Ausspruch hinsichtlich der Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
- 70
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Beschluss
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Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten zu den mit der Erfüllung der Auflagen verbundenen Kosten zugleich für das Verfahren erster Instanz auf 100.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).
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