Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (6. Senat) - 6 A 10321/18


Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2018 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 7.955,35 € festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

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1. Die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen eine Berufungszulassung nicht.

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a) Die Antragsbegründung stellt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das veranlagte Grundstück des Klägers werde durch die abgerechnete Erschließungsanlage zweiterschlossen, nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163).

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Anders als der Kläger meint, schließt der Bebauungsplan „A...“ aus dem Jahr 1983 eine Zweiterschließung seines Wohngrundstücks nicht aus. Zwar wird mit diesem Bebauungsplan eine Ausfahrtsbeschränkung zu der abgerechneten Erschließungsanlage, der damals ein Wirtschaftsweg war, und ein Baufenster auf dem gegenüber davon liegenden Grundstücksteil festgesetzt. Das Verwaltungsgericht hat allerdings bereits zutreffend ausgeführt, dass sich dem nicht entnehmen lässt, dieser frühere Wirtschaftsweg könne auch dann keine Erschließungsfunktion für das Grundstück des Klägers erlangen, wenn er aufgrund einer Jahrzehnte später erfolgenden Planungsentscheidung der Beklagten als Gemeindestraße erstmals hergestellt wird. Gegen die Auffassung des Klägers, im Jahr 1983 habe die planerische Konzeption der Beklagten eine (Zweit-)Erschließung seines Grundstücks ausgeschlossen, spricht zudem, dass dem Kläger seinerzeit eine Eckgrundstücksvergünstigung bei der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen gewährt wurde, wie die Beklagte durch Vorlage einer Kopie des seinerzeit ergangenen (Teil-)Beitragsbescheids belegt hat.

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b) Wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt wurde, ist nach dem auch in der Antragsbegründung erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Mai 2002 (– 9 C 5.01 –, NVwZ-RR 2002, 770) maßgebend, ob für ein Grundstück im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten gerade im Hinblick auf die abzurechnende Straße "aktuell" eine Baugenehmigung erteilt werden müsste. Dies trifft auf das veranlagte Grundstück des Klägers zu, auch wenn man sich die „Ersterschließung“ dieses Grundstücks hinwegdenkt.

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Die dafür ausreichende Zugangsmöglichkeit, auf der abgerechneten Erschließungsanlage mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen an die Grenze des Grundstücks heranzufahren und es von da – ggf. über einen zu dieser öffentlichen Straße gehörenden Gehweg und/oder Radweg bzw. Grünstreifen – zu betreten (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 1991 – 8 C 59.89 –, BVerwGE 88, 70), besteht unabhängig davon, ob die Böschung, durch die die Grenze zwischen der gewidmeten Erschließungsanlage und dem Grundstück des Klägers verläuft, bereits mit einer Treppe als Zugang versehen wurde.

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Hängt die Beseitigung eines Zugangshindernisses – wie hier – von einem Zusammenwirken der Gemeinde und des Eigentümers des Anliegergrundstücks ab, ist das Grundstück im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen, wenn die Gemeinde sich verpflichtet, die auf der Straßenparzelle erforderlichen Voraussetzungen für einen Zugang zu schaffen, der Eigentümer des in der Erreichbarkeit behinderten Grundstücks es an seiner erforderlichen Mitwirkung aber fehlen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 1991 – 8 C 67.89 –, BVerwGE 88, 248; OVG RP, Urteil vom 20. Januar 2004 – 6 A 11601/03.OVG –; OVG RP, Beschluss vom 19. September 2017 – 6 A 11198/16.OVG –). Denn es ist unsinnig, zwei oder drei Treppenstufen auf dem Grundeigentum der Beklagten im Randbereich der gewidmeten Straße zu errichten, solange der Kläger nicht bereit ist, seinerseits im Böschungsbereich seines Grundstücks die weiteren Stufen anzulegen, die insgesamt erst den Zugang schaffen.

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Dabei ist auf Seiten des Grundstückseigentümers bereits dann von einer fehlenden Mitwirkung auszugehen, wenn er mit seinem Gesamtverhalten dokumentiert, er habe kein Interesse an der Beseitigung des Hindernisses (vgl. VGH BW, Urteil vom 1. September 1997 – 2 S 661/96 –, juris). Wie in dem angefochtenen Urteil bereits erwähnt wurde, hat der Kläger von einer „ziemlich sinnlose[n] Zufahrt“ (Schriftsatz vom 9. Oktober 2017) und einer Zweiterschließung gesprochen, mit der „nur Nachteile verbunden“ seien. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger keine Erklärung zu der Zusage der Beklagten, ihren Beitrag zur Schaffung eines Zugangs zu leisten, abgegeben. Daraus kann auf das Bestehen seiner Mitwirkungsbereitschaft nicht geschlossen werden. Vielmehr hat er auch damit erkennen lassen, dass er kein Interesse an der Errichtung eines Zugangs hat.

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Anders als der Kläger meint, kommt es insoweit nicht darauf an, ob er als Grundstückseigentümer seine Mitwirkung nachdrücklich und ernsthaft verweigert hat. Danach ist nämlich (nur) dann zu fragen, wenn die Beseitigung des Zugangshindernisses allein in der Verfügungsmacht der Gemeinde steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 1991 – 8 C 67.89 –, BVerwGE 88, 248;). So liegen die Dinge hier − wie ausgeführt − jedoch nicht.

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c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich ferner nicht aus dem Vorbringen, das erschließungsrechtliche Planerfordernis (hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1994 − 8 C 2.93 − BVerwGE 97, 62) sei nicht erfüllt.

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Gemäß § 125 Abs. 2 BauGB dürfen Erschließungsanlagen, wenn ein Bebauungsplan nicht vorliegt, nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen. In dem angefochtenen Urteil ist zutreffend ausgeführt worden, dass die wichtigste materiell-rechtliche Bindung, in deren Rahmen sich jede planende Gemeinde bei der Ausübung ihrer Gestaltungsfreiheit und damit auch bei der bebauungsplanersetzenden Planung einer Erschließungsanlage nach § 125 Abs. 2 BauGB halten muss, das Gebot ist, alle von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieser Abwägungsvorgang kann – wie hier – durch die Erläuterung der Straßenplanung in Bezug auf Breite, Aufteilung in Teileinrichtungen, Gestaltung und technische Ausführung sowie deren Erörterung in dem zuständigen Gremium erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 – 9 C 2.03 –, NVwZ 2004, 483). Das Abwägungsergebnis kann nur dann zur Rechtswidrigkeit der Herstellung der Erschließungsanlage führen, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass diese planerische Entscheidung ohne den Mangel im Ergebnis anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 – 4 C 57.80 –, BVerwGE 64, 33 <39 f.>). Davon kann im Hinblick auf die abgerechnete Erschließungsanlage und die Einzelheiten ihrer Ausführung nicht die Rede sein. Anhaltspunkte für eine Verfehlung der Anforderungen an eine alle von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange berücksichtigende Abwägung legt der Zulassungsantrag nicht dar; sie sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.

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Durchgreifende Richtigkeitszweifel wirft die Antragsbegründung auch nicht mit dem Hinweis auf, die Hauptsatzung der Beklagten übertrage dem Ortsbeirat H. lediglich die Befugnis, über die „Ausbauart“, also das Bauprogramm, zu entscheiden, nicht aber die Befugnis, eine planerische Entscheidung nach § 125 Abs. 2 BauGB zu treffen.

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Da der Gesetzgeber mit dem erschließungsrechtlichen Planerfordernis sicherstellen wollte, dass insbesondere die Anbaustraßen in Übereinstimmung mit der übrigen städtebaulichen Struktur der Gemeinde angelegt werden (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1997 – 8 C 6.96 –, NVwZ-RR 1998, 64), kann die planerische Entschließung nach § 125 Abs. 2 BauGB im Einzelfall auch zusammen mit der Festlegung des sog. Bauprogramms (Ausbaupläne in technischer und räumlicher Sicht) erfolgen (vgl. VGH BW, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 2 S 1657/06 –, NVwZ-RR 2008, 444). Denn die Entscheidung über die „Ausbauart“, also in welcher Breite, Aufteilung in Teileinrichtungen, Gestaltung und technischen Ausführung eine Erschließungsanlage vor dem Hintergrund der gewünschten städtebaulichen Entwicklung und unter Berücksichtigung insbesondere der Belange der Anlieger, des Verkehrs, der Wirtschaft und des Umweltschutzes hergestellt werden soll, fällt mit der Abwägung dieser Gesichtspunkte gegeneinander und untereinander zusammen.

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2. Soweit mit dem Zulassungsantrag gerügt wird, das Verwaltungsgericht habe „in verfahrensfehlerhafter Weise“ angenommen, der Kläger habe sich „nachträglich und ernsthaft“ gegen die Anlegung eines Zugangs ausgesprochen, werden weder Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch ein Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) dargelegt. Denn eine solche Annahme kann dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht aus dem (prozessualen) Gesamtverhalten des Klägers geschlossen, dass er kein tatsächliches Interesse an einer Beseitigung des bestehenden Hindernisses für das Betretenkönnen seines Grundstücks habe.

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3. Der Antrag war nach alledem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.

16

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 und 3 GKG.

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