Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (3. Senat) - 3 B 11532/19

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 24. September 2019 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

1

Die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 90 Abs. 1 Satz 1 Landesdisziplinargesetz – LDG – statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

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I. Das Verwaltungsgericht hat dem (erneut gestellten) Antrag des Antragstellers, die ihm gegenüber vom Antragsgegner mit Bescheid vom 21. April 2017 angeordnete vorläufige Dienstenthebung und die gleichzeitig verfügte Einbehaltung von 10 v.H. seiner Dienstbezüge auszusetzen, zu Recht stattgegeben. Denn der Antragsteller hat mit seinem aktuellen Abänderungsantrag neue Umstände aufgezeigt, aus denen sich die Notwendigkeit einer Abänderung der Entscheidung der Vorinstanz (Beschluss vom 12. November 2018 – 3 L 9243/17.TR –) ergibt, durch die der Aussetzungsantrag des Antragstellers – unter Abänderung des zuvor ergangenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 29. September 2017 – abgelehnt wurde.

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1. Nach § 80 Abs. 3 LDG in Verbindung mit § 80 Abs. 7 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – kann jeder Beteiligte wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände die Abänderung von Beschlüssen beantragen, die in einem disziplinarrechtlichen Eilverfahren nach § 80 Abs. 1 LDG ergangen sind. Ein solcher Antrag ist allerdings nur dann zulässig, wenn der Beteiligte veränderte Umstände geltend macht, aus denen sich zumindest die Möglichkeit einer Abänderung der vorhergehenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ergibt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Vorinstanz zutreffend in dem Urteil des Amtsgerichts Saarburg vom 18. April 2019 (8a Ds 8141 Js 10649/17) gesehen, mit dem der Antragsteller vom Vorwurf der Beihilfe zu einem, dem dortigen Hauptangeklagten K. vorgeworfenen, Betrug freigesprochen worden ist.

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Die Disziplinarkammer hat insofern zutreffend dargelegt, dass auf der Grundlage des Ergebnisses der strafgerichtlichen Entscheidung – die nach Rücknahme der zunächst von der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufung zwischenzeitlich rechtskräftig geworden ist – nunmehr (erneut) ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnungen der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von 10 v.H. der Dienstbezüge des Antragstellers (§ 45 Abs. 1 und 2 LDG) bestehen. Zur Begründung wird zunächst gemäß § 21 LDG in Verbindung mit § 122 Abs. 3 Satz 3 VwGO auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Die vom Antragsgegner gegen dieses vorinstanzliche Ergebnis dargelegten Gründe rechtfertigen keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Maßgebend hierfür sind die nachfolgenden Erwägungen.

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2. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 LDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen im aktiven Dienst befindlichen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird. Diese Anordnung kann nach § 45 Abs. 1 Satz 2 LDG auch dann ergehen, wenn durch das Verbleiben des Beamten im Dienst die Ordnung des Dienstbetriebes oder die disziplinaren Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Da der Antragsgegner von der letztgenannten Möglichkeit in seiner Verfügung vom 17. April 2017 ersichtlich keinen Gebrauch gemacht hat, müsste zur Bestätigung der Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Verfügung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren folglich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst erfolgen. Davon ist nach der in diesem Eilverfahren allein möglichen (aber auch gebotenen) summarischen Überprüfung, das heißt nach Aktenlage unter Einbeziehung der Ausführungen der Beteiligten, jedoch derzeit nicht mehr auszugehen.

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a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt dies jedoch nicht schon aus dem von ihm insoweit herangezogenen „Doppelverwertungsverbot“ nach § 13 Abs. 2 LDG bzw. dem von ihm genannten Rechtsgrundsatz „ne bis in idem“. Zum einen beansprucht der verfassungsrechtlich in Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 3 Grundgesetz – GG – verankerte Rechtsgrundsatz des Verbots einer Doppelbestrafung („ne bis in idem“) eine uneingeschränkte Geltung lediglich im Strafverfahren (aa). Darüber hinaus wird er, soweit er im vorliegenden Fall überhaupt Anwendung finden könnte, durch spezielle Vorschriften des Disziplinarrechts verdrängt bzw. modifiziert (bb).

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aa) Der Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme stellt zunächst schon keine Kriminalstrafe im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG, sondern eine Maßnahme zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung dar (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 1967 – 2 BvR 391/64 und 263/66 –, BVerfGE 21, 378 [384]). Verzichtet der Gesetzgeber auf die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme, weil der Beamte wegen desselben Sachverhalts strafrechtlich verurteilt oder ein gegen ihn eingeleitetes Strafverfahren nach § 153a StPO eingestellt worden ist, so geschieht dies, weil die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes im Hinblick auf die Verurteilung oder die Erfüllung von Auflagen und Weisungen des Strafgerichts nicht mehr gefährdet ist. Der Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, welche Disziplinarmaßnahmen von einem Maßnahmeverbot erfasst sein sollen, unter welchen Voraussetzungen das Maßnahmeverbot gelten und ob es nach einer Einstellung des Strafverfahrens auf der Grundlage von § 153a StPO überhaupt eingreifen soll, durch Art. 103 Abs. 3 GG nicht eingeschränkt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 – 2 WD 11.07 –, Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 und vom 20. April 1999 – 1 D 44.97 –, juris). Er hat allerdings das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Verbot unverhältnismäßiger Regelungen und Maßnahmen zu beachten. Dies schließt nicht aus, ein Maßnahmeverbot auf die Fälle fehlender Erziehungsbedürftigkeit oder fehlenden Ansehensverlusts zu beschränken oder auf ein Maßnahmeverbot nach vorheriger Einstellung des Strafverfahrens aufgrund des § 153a StPO ganz zu verzichten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 2009 – 2 B 87.08 –, juris Rn. 5).

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bb) Wie bei einem Sachverhalt zu verfahren ist, bei dem das Verhalten eines Beamten sowohl in strafrechtlicher Hinsicht von Relevanz sein kann als auch ein beamtenrechtlicher Disziplinarvorwurf im Raum steht, regelt für den Bereich der rheinland-pfälzischen Beamten abschließend § 13 LDG. Diese Vorschrift unterscheidet, ebenso wie die bundesrechtliche Norm (§ 14 BDG) und die Disziplinargesetze anderer Länder (z.B. Art. 15 BayDG oder § 14 LDG NRW), in Bezug auf die Zulässigkeit von Disziplinarmaßnahmen nach Straf- oder Bußgeldverfahren zwischen einem absoluten und einem relativen Maßnahmeverbot.

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(1) Ist gegen den Beamten im Straf- oder Bußgeldverfahren unanfechtbar eine Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden oder kann eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 4 oder Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung nach der Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden, darf gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 LDG wegen desselben Sachverhalts ein Verweis, eine Geldbuße oder eine Kürzung des Ruhegehalts in keinem Fall verhängt werden (absolutes Maßnahmeverbot). Eine Kürzung der Dienstbezüge oder eine Zurückstufung darf nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 LDG nur verhängt werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten (relatives Maßnahmeverbot).

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(2) Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt im vorliegenden Fall aber ein derartiges Maßnahme- bzw. Doppelverwertungsverbot als Ausfluss des Rechtsgrundsatzes „ne bis in idem“ von vornherein nicht in Betracht. Denn gegen ihn wurde weder eine Strafe noch eine Geldbuße oder eine Ordnungsmaßnahme verhängt. Auch wurde das Strafverfahren nicht nach § 153a Abs. 1 Satz 4 oder Abs. 2 Satz 2 der StPO eingestellt. Vielmehr wurde der Antragsteller im Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen, wobei es sich um einen „echten“, das heißt nach Prüfung der Sach- und Rechtslage ergangenen und damit für das laufende Disziplinarverfahren verwertbaren Freispruch handelt.

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Was hieraus für das Disziplinarverfahren folgt, bestimmt § 13 Abs. 2 LDG. Danach darf wegen eines Sachverhalts, der Gegenstand einer strafgerichtlichen Entscheidung gewesen ist, die – wie vorliegend – rechtskräftig mit einem Freispruch des Beamten endete, eine Disziplinarmaßnahme nur verhängt werden, wenn dieser Sachverhalt, ohne den Tatbestand einer Strafvorschrift oder einer Bußgeldvorschrift zu erfüllen, ein Dienstvergehen darstellt. Soweit die Sperrwirkung des rechtskräftigen Freispruchs im Straf- oder Bußgeldverfahren für das Disziplinarverfahren reicht, besteht für dieses somit ein Prozesshindernis (BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1990 – 1 D 54.89 –, BVerwGE 86, 279 [281 f.]). Demgegenüber lässt § 13 Abs. 2 LDG den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme zu, wenn der Sachverhalt, der Gegenstand des Freispruchs gewesen ist, ein Dienstvergehen darstellt, ohne dabei eine Straf- oder Ordnungswidrigkeit zu sein. Erfüllt also ein bestimmtes Verhalten zwar keinen Straftatbestand, wohl aber den Tatbestand eines Dienstvergehens, liegt ein sog. disziplinarer Überhang vor und entfaltet der rechtskräftige Freispruch im Straf- oder Bußgeldverfahren keine Sperrwirkung für das Disziplinarverfahren (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Urteile vom 9. Mai 1990 – 1 D 54.89 –, BVerwGE 86, 279 [282], vom 30. Juli 1991 – 2 WD 5.91 –, BVerwGE 93, 143 [146], vom 6. Juni 2000 – 1 D 66.98 –, Buchholz 235 § 17 BDO Nr. 1, vom 16. März 2004 – 1 D 15.03 –, Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36 und vom 5. Mai 2015 – 2 B 32.14 –, juris Rn. 7; stRspr).

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Die sich in diesem Beschwerdeverfahren wie auch im noch durchzuführenden Hauptsacheverfahren danach stellende Frage, ob gegen den Antragsteller trotz des rechtskräftigen Freispruchs im Strafverfahren noch eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen werden darf oder ob einem solchen Ausspruch die Sperrwirkung des rechtskräftigen Freispruchs entgegensteht, ist im erstgenannten Sinne zu entscheiden. Denn der Antragsteller hat nach allen derzeit vorliegenden Erkenntnissen jedenfalls deshalb ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG – begangen, weil er zumindest mit einer über ein bloßes Korrekturlesen auf Rechtsschreib- und Zeichensetzungsfehler weit hinausgehenden Mitarbeit dem Polizeikommissaranwärter K. bei der Erstellung seiner Bachelorarbeit (auch als „Thesis“ bezeichnet) geholfen hat. Diese Mithilfe ist zwar keine Straftat, sie erfüllt indes den Tatbestand eines Dienstvergehens.

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b) Für diesen Disziplinarvorwurf ist – erneut entgegen der Auffassung des Antragstellers – sowohl in dem vorliegenden Eilverfahren als auch in dem sich hieran womöglich anschließenden Verfahren in der Hauptsache durch das Disziplinargericht grundsätzlich nicht mehr aufzuklären, ob der Antragsteller in die Erstellung der Bachelorarbeit in einem disziplinarisch erheblichen Maße, das heißt in Form einer Hilfestellung, die über ein bloßes Korrekturlesen auf Rechtsschreib- und Zeichensetzungsfehler hinausging, involviert war. Denn dieser Sachverhalt steht nach dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens durch das Urteil des Amtsgerichts Saarburg vom 18. April 2019 (Urteilsabdruck S. 3 f. und 5 f.) mit bindender Wirkung für das weitere Disziplinarverfahren fest.

14

(1) Entfaltet der rechtskräftige Freispruch im Straf- oder Bußgeldverfahren wegen eines disziplinaren Überhangs keine Sperrwirkung für das Disziplinarverfahren, gilt die Regelung des Disziplinargesetzes über die Bindung an tatsächliche Feststellungen in anderen Verfahren und die Lösung von einer solchen Bindung (§ 16 LDG). Grundsätzlich können die Tatsachenfeststellungen in sachgleichen freisprechenden Strafurteilen unter die Bindungswirkung nach den Disziplinargesetzen fallen, wenn und soweit diese auf einer vollständigen Prüfung der Tat- und Schuldfrage beruhen oder wenn das freisprechende Strafurteil darauf beruht, dass, wie etwa im Fall eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes, Tat und Täterschaft des Beamten feststehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1974 – 1 D 1.74 –, vom 6. Juni 2000 – 1 D 66.98 –, Buchholz 235 § 17 BDO Nr. 1; und vom 16. März 2004 – 1 D 15.03 –, Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36; Beschluss vom 5. Mai 2015 – 2 B 32.14 –, juris Rn. 8).

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Diese Bindungswirkung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 LDG soll verhindern, dass zu ein- und demselben Sachverhalt unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Der Gesetzgeber hat sich insofern dafür entschieden, die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts sowie die Sachverhalts- und Beweiswürdigung primär den Strafgerichten zu überlassen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass tatsächliche Feststellungen, die ein Gericht auf der Grundlage eines Strafprozesses mit seinen besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen trifft, eine erhöhte Gewähr der Richtigkeit bieten (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2004 – 1 D 15.03 –, juris Rn. 15).

16

(2) Ob bei einer solchen Sachlage das Disziplinargericht überhaupt noch befugt ist, die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zu überprüfen, ist allerdings umstritten. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht greift die Sperrwirkung eines rechtskräftigen Freispruchs unabhängig von der inhaltlichen Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts. Die Disziplinargerichte seien weder berechtigt noch verpflichtet, eigene Feststellungen zu treffen; eine Überprüfungsmöglichkeit wie in § 16 Abs. 1 Satz 2 LDG bestehe für die Disziplinargerichte nicht (so zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 14 Rn. 27; Mayer, in: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl. 2009, § 14 Rn. 12).

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Auch nach der Rechtsprechung haben die Verwaltungsgerichte die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Eine Bindungswirkung entfällt in diesem Fall auch nicht deshalb, weil das rechtskräftige Urteil auf Freispruch lautet, da sich diese auf die tatsächlichen Feststellungen und nicht auf den Rechtsfolgenausspruch bezieht (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. Oktober 2015 – 16a D 14.1057 –, juris Rn. 22). Dies gilt allerdings nur, soweit die Bindungswirkung für das disziplinarische Gerichtsverfahren reicht. Demgemäß entfällt die Bindungswirkung, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen offenkundig unrichtig sind (stRspr, vgl. zu § 57 BDG etwa BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 3.12 –, BVerwGE 146, 98 Rn. 13; sowie Beschlüsse vom 5. Mai 2015 – 2 B 32.14 –; vom 29. August 2017 – 2 B 76.16 – und vom 18. September 2017 – 2 B 14.17 –, jeweils juris).

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Einer Entscheidung dieser Streitfrage bedarf es vorliegend jedoch nicht. Denn auch nach der zweiten – vorzugswürdigen – Ansicht steht der Tatbestand der über ein bloßes Korrekturlesen auf Rechtsschreib- und Zeichensetzungsfehler hinausgehenden Mitarbeit des Antragstellers bei der Erstellung der Bachelorarbeit des Polizeikommissaranwärters K. in dem hier vorliegenden summarischen Verfahren, das heißt vor allem nach Aktenlage, ohne vernünftige Zweifel fest. Vorbehaltlich einer Prüfung im Hauptsacheverfahren unter dem Blickwinkel der Lösung von den strafgerichtlichen Feststellungen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 LDG sind danach die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts Saarburg jedenfalls für das vorliegende Verfahren bindend.

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2. Aus dem Vorstehendem folgt für die hier zu treffende Beschwerdeentscheidung, dass sich der Antragsteller zwar, wie rechtskräftig feststeht, durch seine Handlungen im Zusammenhang mit der Erstellung der Bachelorarbeit des Polizeikommisaranwärters K. keiner Straftat schuldig gemacht hat, er jedoch mit einer jedenfalls im Rahmen dieses Eilverfahrens hinreichenden Wahrscheinlichkeit ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen hat. Wie dieses Verhalten disziplinarisch zu ahnden ist, kann in dem summarischen Verfahren nach §§ 45, 80 Abs. 1 LDG nicht mit der gebotenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Dies muss – nach Abschluss der (bislang nicht weiter betriebenen) behördlichen Ermittlungen – dem gerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. In diesem Disziplinarverfahren wird der Antragsgegner im Fall der Erhebung einer Disziplinarklage schon in der Klageschrift substantiiert darzustellen haben, ob und inwiefern aus dem Verhalten des Antragstellers eine disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit trotz des strafgerichtlichen Freispruchs im Wege eines disziplinaren Überhangs folgt (vgl. Urban/Wittkowski, a.a.O., § 14 Rn. 29; Mayer, a.a.O., § 14 Rn. 14).

20

Ob diese disziplinare Bewertung dann dazu führt, dass der Dienstherr oder die Allgemeinheit kein Vertrauen in die Amtsführung des Antragstellers mehr haben kann (mit der Folge seiner Entfernung aus dem Dienst gemäß §§ 8, 11 Abs. 2 Satz 1 LDG) oder ob es mit der Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme, etwa einer Zurückstufung gemäß § 7 LDG sein Bewenden haben kann, haben in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zunächst der Antragsgegner (für die Erhebung einer Disziplinarklage) und sodann das erstinstanzliche Disziplinargericht (für die letztlich von ihm zu treffende Disziplinarentscheidung) zu bewerten. Von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme kann derzeit jedoch nicht ausgegangen werden.

21

Keinesfalls hat sich der Antragsteller allerdings, wie er meint, überhaupt keiner disziplinaren Verfehlung schuldig gemacht. Vielmehr hat er – im Gegenteil – den maßgebenden Beitrag für die durch den Polizeikommissaranwärter K. begangene Täuschungshandlung geleistet. In dem rechtskräftigen Urteil wird dieser nämlich nur deswegen mangels Vorsatzes freigesprochen, weil der Antragsteller „als erfahrener Polizeibeamter“ ihm eine derartige Hilfeleistung bei der Erstellung der Arbeit angeboten hatte. Dieses Verhalten des Antragstellers führte nach Auffassung des Strafgerichts dazu, dass ein Bewusstsein unrechtmäßigen Handelns bzw. einer Täuschung beim Angeklagten K. als „eher lebensfremd“ anzusehen sei (Urteilsabdruck, S. 6). Unabhängig davon, ob diesen – nach Auffassung des Senats keineswegs überzeugenden – Ausführungen des Strafgerichts in strafrechtlicher Hinsicht zu folgen ist, zeigen sie doch als Tatsachenfeststellung die disziplinarisch zu würdigende Verantwortlichkeit des Antragstellers für die Erstellung der (wie zwischenzeitlich rechtskräftig feststeht) nicht selbstständig gefertigten Bachelorarbeit („Thesis“) des Polizeikommissaranwärters K. auf. Die hierin liegende Verletzung der Pflicht als Vorgesetzter und Leiter einer Polizeiinspektion, bei einem einzelnen Polizeikommissaranwärter in dem sich aus dem Chat-Verkehr ergebenden Umfang an der Fertigung der Bachelorarbeit („Thesis“) mitzuwirken, wiegt schwer.

22

Welche Disziplinarmaßnahme für den Antragsteller nach Abschluss der disziplinaren Ermittlungen bei einer derart schwerwiegenden Pflichtverletzung tat- und schuldangemessen ist, kann insoweit nur durch eine mündliche Verhandlung und die dabei erforderliche Prüfung sämtlicher für und gegen den Beamten sprechenden Gesichtspunkte (vgl. § 11 Abs. 1 LDG) herausgearbeitet werden. Für eine Vorwegnahme dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufwändigen Ermittlungs- und Bewertungsarbeit ist im Rahmen dieses summarischen Verfahrens kein Raum. Deshalb sollten auch keine weiteren Eilverfahren mehr angestrengt werden, sondern nunmehr durch ein beschleunigt, gleichwohl aber auch sorgfältig durchzuführendes Ermittlungsverfahren entweder eine Einstellungsverfügung ergehen oder die Disziplinarklage erhoben werden.

23

3. In diesem Zusammenhang teilt der Senat die in dem angefochtenen Beschluss vom 24. September 2019 vertretene Auffassung des Verwaltungsgerichts, der „Schwerpunkt“ der disziplinarrechtlich erheblichen Verfehlungen des Antragstellers liege auf der unerlaubten Hilfestellung bei der Bachelorarbeit des Polizeikommissaranwärters K., in dieser Allgemeinheit nicht. In den vom Antragsgegner vorgelegten Ermittlungsakten finden sich im Gegenteil mehrere Anhaltspunkte, nach denen die disziplinarische Verantwortlichkeit des Antragstellers nicht nur auf eine unzulässige Hilfestellung bei der Erstellung seiner Bachelorarbeit des K. zu beschränken ist. Im Rahmen des jetzt durchzuführenden behördlichen Ermittlungsverfahrens sind deshalb auch die bislang nicht weiter ermittelten weiteren Vorwürfe von Bedeutung.

24

Danach fallen dem Antragsteller wohl weitere disziplinarisch erhebliche Handlungen zur Last, etwa in Bezug auf sexuelle Handlungen mit einem untergebenen Mitarbeiter in der Sauna, dem Übermitteln eines Fotos von einem erigierten männlichen Geschlechtsteil (wahrscheinlich dem des Antragstellers), sein Verhalten im Zusammenhang mit dem illegalen Verkauf einer Schusswaffe und – nicht zuletzt – dem wohl offenkundigen Missbrauch seiner Vorgesetztenstellung als damaliger Leiter der Polizeiinspektion S., wie sie unter anderem eindrucksvoll in dem von ihm selbst verfassten Brief an den ... S. belegt werden (Bl. 95 bis 101 der Ermittlungsakte). In diesem Brief teilt der Antragsteller dem ... S. auch mit, dass er aus subjektiven Gründen andere ihm untergebene Polizeibeamte in ihrem beruflichen Fortkommen behindert bzw. geschädigt hat.

25

Insbesondere die Rolle des Antragstellers bei dem illegalen Verkauf der Kurzwaffe Typ „Glock“ erscheint nach Lektüre dieses Briefes in einem sich von der Darstellung durch den Antragsteller diametral unterscheidenden Licht. Gibt der Antragsteller in seinen Einlassungen stets an, er sei darin nicht verwickelt gewesen, so hat er in Bezug auf seine disziplinarische Verantwortlichkeit ausweislich seiner Ausführungen in dem Brief eine erkennbar andere Sichtweise. Dort heißt es nämlich:

26

„Dann war die Sache mit der verkauften Waffe und ich konnte dir mal wieder unter Beweis stellen, was ein wirklich bester Freund ich für dich bin. Auch das habe ich mit voller Überzeugung getan. Die Weitergabe dieser Info der Waffenbehörde wäre aus Loyalitätsgründen gegenüber meinem PD Leiter übrigens meine Pflicht gewesen.“

27

Diese wie schon die weiteren in diesem Brief enthaltenen Ausführungen lassen keine Zweifel daran, dass dem Antragsteller bei seinen Handlungen und Unterlassungen die Verletzung seiner beamtenrechtlichen Pflichten, vor allem als Vorgesetzter, bewusst war.

28

Sollten sich die dem Antragsteller vorzuwerfenden Verhaltensweisen gegenüber seinen Untergebenen nachweisen lassen (wogegen nach derzeitigem Sach- und Streitstand wenig spricht), so dürfte zumindest eine Zurückstufung – ggf. auch um mehrere Besoldungsgruppen – der Ausgangspunkt der disziplinaren Überlegungen sein. Hierzu verweist der Senat ergänzend auf die umfassenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem ersten in diesem Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 29. September 2017. In dieser Entscheidung wird zutreffend ausgeführt, dass aufgrund der dem Antragsteller vorgeworfenen Verhaltensweisen im Fall ihres Nachweises im Hauptsacheverfahren ein Verbleib in einer Vorgesetztenfunktion nicht mehr in Betracht komme (Beschlussabdruck S. 25, Bl. 146 der Gerichtsakte). Dem dürfte nach allen bislang vorliegenden Erkenntnissen nicht nur im Rahmen dieses summarischen Verfahrens zu folgen sein.

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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 1 LDG.

30

IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 21 LDG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO).

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