Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 KN 15/15

Tenor

Der Normenkontrollantrag des Antragstellers vom 29.09.2015 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich als Eigentümer des Grundstücks … (Flurstück … der Flur …) in … gegen die 1. Änderung und Ergänzung zum Bebauungsplan Nr. 12 der Antragsgegnerin. Sein Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 12 für das Gebiet „westlich … / …“, der am 10. April 1996 in Kraft getreten ist. Das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück ist über eine Wegefläche („Weg A“) erschlossen, die nach der Planzeichnung des Bebauungsplans Nr. 12 als „Straßenverkehrsfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) ausgewiesen ist. In der Wegefläche verläuft eine Rohrleitung. Im hinteren Drittel der Wegefläche ist in der Planzeichnung des Bebauungsplans Nr. 12 ein Punkt eingezeichnet, der nach der Zeichenerklärung die Bedeutung „Sperrpfosten“ haben soll.

2

Der „Weg A“ befindet sich seit ca. 19 Jahren im gemeindlichen Eigentum. Eine Widmung als öffentliche Straße ist bislang nicht erfolgt. Der „Sperrpfosten“ ist nicht errichtet worden; am Ende des „Weges A“ in Richtung Westen befindet sich eine Schranke.

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Mitte 2010 wurde festgestellt, dass auf dem – westlich an den „Weg A“ angrenzenden Gelände, das seinerzeit landwirtschaftlich genutzt war – ein Gartengerätehaus sowie ein 270 qm großer befestigter Stellplatz errichtet worden war. Der Bauherr und Pächter jener Fläche beantragte Anfang 2011 die Ausweisung dieser Fläche als „Gartenland“ für eine beabsichtigte Nutzung in Form einer Gartenhütte, eines Spielplatzes, eines Abstellraums für Gartengeräte, einer offenen Grillhütte sowie eines Parkplatzes mit Carport.

4

Die Antragsgegnerin beschloss am 13. Oktober 2011 die Aufstellung eines Bebauungsplanes über die 1. Änderung und Ergänzung des Bebauungsplanes Nr. 12 für die betroffene Fläche (Flurstück …) und zugleich über die Änderung des Flächennutzungsplans. Für die Planungskosten wurde eine Kostenerstattungsvereinbarung mit dem Pächter geschlossen. Nach einer frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit wurde der Planentwurf vom 13. Mai bis 14. Juni 2013 ausgelegt. Danach sollte das Flurstück … als Grünfläche ausgewiesen werden. In der Planzeichnung des Entwurfs waren zwei Flächen für Stellplätze und Nebenanlagen bzw. für eine Bebauung umgrenzt. In der Fläche für die Stellplätze sollte die Errichtung von zwei Stellplätzen zulässig sein.

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Der Antragsteller nahm dazu mit Schreiben vom 12. Juni 2013 Stellung. Die Antragsgegnerin änderte im Hinblick auf die eingegangenen Stellungnahmen den Planentwurf – insbesondere – in Bezug auf die Stellplätze und den Plangeltungsbereich. Dieser sollte nun auch den „Weg A“ bis zur Höhe des ursprünglich markierten „Sperrpfostens“ umfassen. Der geänderte Planentwurf wurde vom 23. Januar bis 24. Februar 2014 ausgelegt. Der Antragsteller nahm dazu erneut – mit Schreiben vom 22. Februar 2014 – Stellung.

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Auf der Grundlage einer sogenannten Abwägungstabelle entschied sich die Antragsgegnerin dafür, an dem (geänderten) Planentwurf festzuhalten und beschloss diesen am 08. Mai 2014 als Satzung. Die 1. Änderung und Ergänzung des Bebauungsplanes Nr. 12 wurde anschließend am 15. Juli 2015 ausgefertigt und ortsüblich bekannt gemacht.

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Am 29. September 2015 hat der Antragsteller einen Normenkontrollantrag gestellt. Er ist der Ansicht, die Planänderung und –ergänzung beruhe auf einem Abwägungsausfall. Der „Weg A“ sei als reiner „Wohnzufahrtsweg“ konzipiert worden und habe keine Durchfahrtsmöglichkeit zur westlich angrenzenden landwirtschaftlichen Fläche vorgesehen. Im Hinblick darauf und auf den vorgesehenen Sperrpfosten sei ein schützenswertes Vertrauen entstanden. Dieses könne nur durch eine gerechte Abwägung überwunden werden, die fehle. Die vormals eingeschränkte Benutzbarkeit des „Weges A“ werde nun aufgehoben. Dadurch werde die ihm und den Anliegern der Grundstücke … vorbehaltene uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des Weges zu seinem Grundstück entzogen. Zudem komme es zu einer erheblichen Lärmbelästigung. Die Bedeutung der früheren Planfestsetzungen habe die Antragsgegnerin verkannt. Weder aus den Abwägungsunterlagen noch aus der Planbegründung sei ersichtlich, dass sie dies in der Abwägung berücksichtigt habe. Weiter seien auch Alternativen, wie die Zuwegung über „Plaggen“ oder über die W...er Straße – nicht erwogen worden. Die westliche Randlage seines Grundstückes werde durch die Schaffung einer privaten Grünfläche beeinträchtigt. Die Planänderung für zwei Stellplätze und für eine „Gartenfläche“ sei zudem nicht erforderlich. Es würden reine Privatinteressen bedient. Die Antragsgegnerin habe für eine schon 2010 begonnene Nutzung der Fläche – auf privaten Wunsch – erst im Nachhinein rechtmäßige Zustände herstellen wollen. Die Planaufstellung sei erst nach mehrjähriger illegaler Nutzung des Flurstücks … erfolgt. Anderweitige Stellplatzmöglichkeiten – etwa hinsichtlich einer Parkbucht an der Straßen … bzw. hinsichtlich der Möglichkeit, Fahrzeuge am Straßenrand abzustellen – seien nicht erwogen worden. Seine Interessen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Plan verstoße auch gegen die Umwidmungssperrklausel in § 1 a Abs. 2 BauGB. Die Festsetzung als private Grünfläche schränke eine Benutzbarkeit durch die Allgemeinheit ein. Durch die Öffnung des Stichweges („Weg A“) sei er in seinem Eigentumsrecht negativ betroffen. Durch die Schaffung von nur zwei Stellplätzen werde keine Verbesserung der Verkehrssituation herbeigeführt. Der Plan sei für dieses Ziel nicht geeignet. Städtebauliche Gründe für den Plan seien nur vorgeschoben.

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Der Antragsteller beantragt,

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die 1. Änderung und Ergänzung zum Bebauungsplan Nr. 12 der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Normenkontrollantrag abzuweisen.

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Sie hält den Antragsteller nicht für antragsbefugt. Er sei von dem Plan nicht unmittelbar betroffen. Überdies würden nur geringfügige, nicht abwägungserhebliche Belange angeführt. Die planerische Abwägung sei nicht zu beanstanden. Die relevanten Grundlagen seien vollständig ermittelt worden. Für den „Weg A“ habe schon nach dem Ursprungsplan ein Anspruch auf eine alleinige Nutzung der Anlieger dieses Weges bestanden. Durch die beiden im Plangeltungsbereich festgesetzten Stellplätze werde nur eine moderate Zunahme der Wegenutzung erfolgen. Eine Zusage des früheren Bürgermeisters, wonach über den „Weg A“ keine neuen Flächen erschlossen werden sollten, sei nicht aktenkundig und im Übrigen rechtlich unwirksam. Eine Fehleinschätzung liege der Abwägung nicht zugrunde. Der „Weg A“ sei zuvor als öffentlicher Weg festgesetzt worden. Der im Ursprungsplan markierte Sperrpfosten sei keine zwingende Festsetzung. Gleiches gelte auch für den vorhandenen Schlagbaum. Die Planung sei auch erforderlich. Private Stellplätze verbesserten die Verkehrssituation auf öffentlichen Straßen. Soweit an der Straße … eine Parkbucht entfallen sei, steht dies mit der vorliegenden Planung in keinem Zusammenhang. Vormals landwirtschaftlich genutzte Flächen würden so wenig wie nötig in Anspruch genommen. Auf der Stellplatzfläche sei eine offene Kleingarage baurechtlich zulässig. Das gelte auch für einen Doppelcarport. Für das Planerfordernis dürften auch private Interessen eine Rolle spielen. Der Umstand, dass der „Weg A“ bislang nicht gewidmet worden sei, sei allein straßenrechtlich relevant und begründe im vorliegenden Zusammenhang keine Vertrauensgrundlage für den Antragsteller.

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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter des Senates einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 02. Februar bzw. 11. Februar 2016).

14

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die übersandten Verfahrensvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen, ferner auf die Originalausfertigung des Bebauungsplanes Nr. 12 vom 10. April 1996 sowie der angegriffenen 1. Änderung und Ergänzung des Bebauungsplanes Nr. 12 vom 16. Juli 2015.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag des Antragstellers, über den gem. § 87a Abs. 2, 3 VwGO nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter entscheiden konnte, bleibt ohne Erfolg. Der Antrag ist zwar innerhalb der Antragsfrist gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO gestellt worden. Dem Antragsteller fehlt indes die erforderliche Antragsbefugnis. Dafür ist gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO erforderlich, dass der Antragsteller geltend macht, durch die angegriffene 1. Änderung und Ergänzung des Bebauungsplanes Nr. 12 oder dessen Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Weise verletzt zu werden. Dazu müssen hinreichend substantiierte Tatsachen vorgetragen werden, die eine Verletzung eigener Rechte des Antragstellers zumindest als möglich erscheinen lassen.

16

Da das Grundstück des Antragstellers nicht im Geltungsbereich der angegriffenen 1. Änderung und Ergänzung des Bebauungsplanes Nr. 12 liegt, kommt eine Verletzung seiner Rechte nur im Hinblick auf das drittschützende Gebot gerechter Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) in Betracht, das die Antragsgegnerin verpflichtet, auch die rechtserheblichen Belange der „Planaußenlieger“ im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Der Anspruch auf gerechte Abwägung wird allerdings nicht (schon) durch jeden privaten Belang ausgelöst, sondern nur durch solche Belange, die einen städtebaulichen Bezug haben und die mehr als nur geringfügig und die – auch – rechtlich schutzwürdig sind. Das ist unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls und der Situation des betroffenen Gebietes zu beurteilen.

17

Vorliegend ist die Antragsbefugnis des Antragstellers weder im Hinblick auf die „Erschließungssituation“ des Grundstücks des Antragstellers am „Weg A“ - insbesondere den „Wegfall“ des sogenannten Sperrpfostens – gegeben (unten 1.), noch ist sie aus einer - infolge der „Öffnung“ des „Weges A“ eintretenden - zusätzlichen Lärmbelästigung abzuleiten (unten 2.).

18

1. Was – zunächst – die „Erschließungssituation“ des Grundstücks des Antragstellers anbetrifft, ist festzustellen, dass sich diese in planungsrechtlicher Hinsicht durch die Festsetzungen der angegriffenen 1. Änderung und Ergänzung des Bebauungsplanes Nr. 12 der Antragsgegnerin nicht geändert hat. Der „Weg A“ war bereits in der ursprünglichen Fassung des Bebauungsplanes Nr. 12 als Straßenverkehrsfläche gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB festgesetzt; der angegriffene Ergänzung- und Änderungsbebauungsplan ändert daran nichts. Soweit in diesem Bebauungsplan für das westliche Ende des „Weges A“ erneut eine Straßenverkehrsfläche festgesetzt worden ist, ist damit – der Sache nach – an der vorherigen planungsrechtlichen Situation unverändert festgehalten worden.

19

Ein Unterschied zwischen dem Ursprungsplan und dem vorliegend angegriffenen Änderungs- und Ergänzungsplan ist auch in Bezug auf das westliche „Ende“ des „Weges A“ nicht festzustellen: Der Weg endete bereits im Ursprungsplan westlich des Streifens, der als „Fläche zum Anpflanzen von Knicks“ festgesetzt worden ist (Knick). Dabei ist es im Änderungs- und Ergänzungsplan geblieben. Planungsrechtlich war – somit – bereits nach dem „alten“ Plan eine Querung des Knicks zulässig mit der Folge, dass der „Weg A“ auch zur Erreichung der (seinerzeit) jenseits des Knicks (westlich) gelegenen Flächen genutzt werden konnte. Vor diesem Hintergrund geben die planungsrechtliche Festsetzungen keinerlei Ansatzpunkt für die Annahme des Antragstellers, der „Weg A“ sei (nur) für die Anlieger der Grundstücke … und für den Antragsteller „eingeschränkt benutzbar“ gewesen.

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Die Festsetzung als Verkehrsfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB führt dazu, dass die betroffene Fläche für alle anliegenden Grundstücke – aus bauplanungsrechtlicher Sicht – genutzt werden darf. Zu den anliegenden Grundstücken gehört sowohl nach der Ursprungsfassung als auch nach der jetzt angegriffenen Fassung des Bebauungsplanes auch das am „Kopfende“ des „Weges A“ gelegene Grundstück. Zwar lässt sich der Planzeichnung und der zugehörigen Zeichenerklärung zum (Ursprungs-)Bebauungsplan Nr. 12 der Antragsgegnerin vom 10. April 1996 nicht entnehmen, ob die Straßenverkehrsfläche als eine öffentliche oder eine private Fläche festgesetzt worden ist, doch ist insoweit zu beachten, dass sich schon aus dem Charakter der festgesetzten Verkehrsfläche ergibt, dass eine Festsetzung als öffentliche Verkehrsfläche gewollt ist (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn u.a., BauGB, Stand August 2016, § 9 Rn. 104). Dies wird durch die Begründung des Bebauungsplans Nr. 12 (Nr. 4.2) bestätigt, wonach die Erschließung in diesem Bereich über einen „öffentlichen Fahrweg“ erfolgt. Im gleichen Sinne wird in der Begründung des angegriffenen Änderungs- und Ergänzungsbebauungsplans (Nr. 6) ausgeführt, dass die Erschließung über einen „öffentlichen Weg zwischen den Grundstücken …“ erfolgt. Mangels entgegenstehender Festsetzungen dürfen damit alle an den „Weg A“ angrenzenden Grundstücke Zu- und Abfahrten zu diesem Weg nehmen.

21

Der Hinweis des Antragstellers darauf, dass mit dem angegriffenen Änderungs- und Ergänzungsbebauungsplan die frühere Festsetzung eines Sperrpfostens auf der Fläche des „Weges A“ weggefallen ist, ist – sachlich – zutreffend, begründet aber keine andere Beurteilung seiner Antragsbefugnis.

22

Im (Ursprungs-)Bebauungsplan Nr. 12 der Antragsgegnerin ist die Markierung eines Sperrpfostens – der Zeichenerklärung zufolge – auf § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB gestützt worden. Die genannte Vorschrift trägt die Markierung nicht; sie ist damit nicht als planungsrechtlich verbindliche Festsetzung anzuerkennen. Soweit insoweit eine Verkehrsregelung – im Sinne einer Sperre nach Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO (Zeichen 250, 267) oder nach Anlage 4 zu § 43 Abs. 3 StVO – gemeint sein sollte, vermittelt dafür § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB keine Rechtsgrundlage (vgl. Söfker, a.a.O., Rn. 105 m.w.N.). Der Gemeinde steht im Rahmen des vorliegenden Bebauungsplans kein „Festsetzungserfindungsrecht“ zu. Sie muss sich – m.a.W. – an den Katalog der nach § 9 Abs. 1 BauGB zulässigen Festsetzungen halten (numerus clausus; vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.12.1990, 4 NB 13.90, NVwZ-RR 1991, 455; Urt. des Senats v. 29.04.2014, 1 KN 14/14, Juris, Rn. 33; Söfker, a.a.O., § 9 Rn. 12 m.w.N.). Ein „Sperrpfosten“ gehört nicht zu den möglichen Festsetzungsinhalten nach § 9 Abs. 1 BauGB. In Bezug auf das Straßenrecht gibt die Festsetzung einer öffentlichen Straßenverkehrsfläche den Rahmen für eine Widmung und – damit verbunden für die Anbindung der Anliegergrundstücke an die Straße im Rahmen des Anliegergebrauchs vor. Die – ohne ersichtliche planungsrechtliche Grundlage erfolgte – Markierung eines Sperrpfostens ändert daran nichts. Eine Festsetzung, die (insbesondere) für das westlich des „Weges A“ gelegene Grundstück einen Anschluss an diese Verkehrsfläche planungsrechtlich ausschließt (Zufahrts-, Zugangsverbot), ist gerade nicht getroffen worden. Ausgehend davon kann der Antragsteller aus der im Ursprungsplan erfolgten Darstellung eines Sperrpfostens für sich keine rechtlich geschützte und für die Abwägung erhebliche Position ableiten. Soweit sich der Antragsteller – darüber hinaus – auf die Zusage des ehemaligen Bürgermeisters der Antragsgegnerin bezieht, über den „Weg A“ keine neuen Flächen zu erschließen, folgt daraus – ebenfalls – kein abwägungserheblicher Belang. Es kann offen bleiben, ob und ggfs. in welcher Form eines solche Zusage überhaupt erteilt worden ist. Die Antragsgegnerin wäre – jedenfalls – nicht gehalten, sich im Rahmen der Abwägung zum angegriffenen Änderungs- und Ergänzungsbebauungsplan daran auszurichten, denn ihre planerische Gestaltungsfreiheit bleibt im Hinblick auf das Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 7 BauGB bindungsfrei. Die Gemeinde kann sich – insbesondere nicht verpflichten, einen Bebauungsplan mit einem bestimmten Inhalt aufzustellen bzw. einen bestimmten Planinhalt zu unterlassen (§ 1 Abs. 3 S. 2 BauGB). Dem früheren Bürgermeister der Antragsgegnerin war es insoweit im Rahmen seiner Aufgaben nach § 50 GO nicht gestattet, die Abwägung der Gemeinde bzw. künftige Beschlüsse über Bebauungspläne in einer bestimmten Richtung festzulegen.

23

2. Die Antragsbefugnis eines Plannachbarn im Sinne des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO– hier des Antragstellers – kann sich aus den städtebaulichen Folgen der angegriffenen Planung ergeben. Dazu gehört grundsätzlich auch die – vom Antragsteller geltend gemachte „erhebliche Lärmbelästigung“ infolge der „Öffnung“ des „Weges A“ nach Maßgabe des angegriffenen Änderungs- und Ergänzungsplans.

24

Allerdings führen planbedingte Lärmzunahmen nicht in jedem Falle zu Bejahung der Antragsbefugnis. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts als auch des Senats, dass Lärmzunahmen, die nur geringfügig sind und sich auf ein Privatgrundstück (deshalb) nur unwesentlich auswirken, in die Abwägung nicht eingestellt werden müssen und – damit – auch nicht zur Bejahung einer Antragsbefugnis herangezogen werden können (BVerwG, Beschl. v. 24.05.2007, 4 BN 16.07 u.a., BauR 2007, 2041 sowie Beschl. v. 19.02.1992, 4 NB 11.91, NJW 1992, 2844, Urt. d. Senats v. 22.11.2007, 1 KN 11/06, NordÖR 2008, 344 sowie Urt. d. Senats v. 17.09.2015, 1 KN 20/14, Juris).

25

Der Antragsteller befürchtet infolge der Festsetzung des Änderungs- und Ergänzungsbebauungsplanes zwar eine „erhebliche“ Lärmbelästigung, dies allein genügt indes nicht. Es kommt darauf an, ob ausreichend Tatsachen dafür vorliegen, dass der Plan zu einer – mehr als nur geringfügigen – Lärmerhöhung führt. Eine solche Lärmerhöhung kommt erst ab einer planbedingten Zunahme des Dauerschallpegels von 2 dB(A) in Betracht, da eine geringere Lärmzunahme nach allgemeinen Erkenntnissen der Akustik für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar ist. Die Wahrnehmbarkeit kann auch bei Lärmzunahmen von bis zu 3 dB(A) – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles – fehlen (vgl. Urt. d. Senats v. 17.09.2015, a.a.O., S. 7 d. Abdr.).

26

Im vorliegenden Fall ist – sicher – von einer nur geringfügigen Lärmzunahme – unterhalb 2 dB(A) – auszugehen. Der „Weg A“ erschließt vier Baugrundstücke (darunter dasjenige des Antragstellers) und – künftig – den Geltungsbereich des angegriffenen Änderungs- und Ergänzungsplans, der zwei Stellplätze zulässt (vgl. Nr. B.1.1 der Textfestsetzung). Bei vier Baugrundstücken und einem Fahrzeug je Grundstück erhöht sich damit infolge der beiden Stellplätze die Zahl der Kraftfahrzeuge, die den „Weg A“ benutzen von vier auf sechs Fahrzeuge. Damit kann – maximal – eine Zunahme des vom Fahrzeugverkehr ausgehenden Schalldrucks um den Faktor 1,5 eintreten. In der Akustik ist allgemein anerkannt, dass erst ab einer Verdoppelung des Schalldruckes eine Zunahme der Lärmpegel um (bis zu) 3 dB(A) eintritt. Damit steht – vorliegend – fest, dass die Lärmzunahme, die dem angegriffenen Änderungsbebauungsplan – möglicherweise – zuzuordnen ist, sicher im Bereich des Geringfügigen, für das menschliche Ohr nicht mehr Wahrnehmbaren bleiben wird. Allein die Nutzung der beiden im Plangebiet gelegenen Stellplätze führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung. Eine abwägungserhebliche Betroffenheit des Antragstellers besteht somit nicht.

27

3. Soweit der Antragsteller – darüber hinaus – die planungsrechtliche Erforderlichkeit des angegriffenen Änderungs- und Ergänzungsplans angreift und die Ansicht vertritt, die Abwägung der Antragsgegnerin sei fehlerhaft, da sie sich an Privatinteressen orientiere und seine Interessen nicht ausreichend berücksichtige, ist daraus kein – konkreter – individueller Belang abzuleiten, der die Antragsbefugnis begründen könnte. Die genannten Argumente betreffen Fragen, die sich – erst – nach Zulässigkeit des Normenkontrollantrages stellen, nämlich nach der Erforderlichkeit der Planung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB und nach der Beachtung des Abwägungsgebotes nach § 1 Abs. 7 BauGB. Da vorliegend – wie ausgeführt – die Antragsbefugnis fehlt, kann der Antragsteller insoweit eine Überprüfung des angegriffenen Bebauungsplans nicht beanspruchen.

28

4. Der – in der mündlichen Verhandlung hervorgetretene – Umstand, dass der „Weg A“ bislang nicht als öffentliche Wegefläche gewidmet worden ist, ist für die vorliegende Entscheidung unerheblich. Die Widmung legt den straßenrechtlichen Gemeingebrauch fest (§ 6 Abs. 1 StrWG SH). Sie wird durch einen Bebauungsplan nur insoweit beeinflusst, als die Widmung im Einklang mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes – hier: der Festsetzung einer Straßenverkehrsfläche – stehen muss. Daraus, dass die Straße bislang nicht gewidmet worden ist, kann der Antragsteller keine „eingeschränkte Benutzbarkeit“ des „Weges A“ ableiten. Bei einem nicht gewidmeten Weg obliegt es der Bestimmung des Wegeeigentümers – hier: der Antragsgegnerin – die Nutzung des Straßenverkehrsfläche zu bestimmen.

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5. Der Normenkontrollantrag ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

31

Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.


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