Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 LA 45/17

Tenor

Der Prozesskostenhilfeantrag sowie der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 5. Kammer, Einzelrichterin - vom 28. Februar 2017 werden abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Gründe

I.

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Der Kläger ist nach seinen Angaben afghanischer Staatsangehöriger. Er stellte am 15.Juli 2014 einen Asylantrag und wurde mit Schreiben vom 6. Juli 2016 zur Anhörung am 30. Juni 2016 geladen. Das Schreiben, das keine Belehrung gemäß § 33 Abs. 4 AsylG enthält, wurde seinem Verfahrensbevollmächtigten am 6. Juni 2016 per Fax übermittelt. Der Kläger erschien nicht zur Anhörung.

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Mit Bescheid vom 26. Juli 2016 entschied die Beklagte, dass der Asylantrag als zurückgenommen gelte und stellte das Asylverfahren ein (Nr. 1 des Bescheides). Sie stellte fest, dass die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorlägen (Nr. 2 des Bescheides), forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an (Nr. 3 des Bescheides) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4 des Bescheides).

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Der Kläger hat am 9. August 2017 Klage erhoben und beim Verwaltungsgericht beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Juli 2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

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hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen,

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hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

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Hinsichtlich der Befristung des auf § 11 Abs. 1 AufenthG beruhenden Einreise- und Aufenthaltsverbots (Nr. 4 des angefochtenen Bescheides) sei der Anfechtungsantrag mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Einen Verpflichtungsantrag hinsichtlich der Befristung habe der Kläger nicht gestellt.

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Bezüglich Nr. 1 des angefochtenen Bescheides (Feststellung der Rücknahme, Einstellung des Verfahrens) sei der Anfechtungsantrag, der in dem Verpflichtungsantrag enthalten sei, zulässig. Der Antrag sei aber unbegründet, denn die Einstellung des Verfahrens sei rechtmäßig. Die fehlende Belehrung in der Ladung zum Anhörungstermin führe nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Dies lasse sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ableiten. So spreche § 33 Abs. 4 AsylG von den bereits Kraft Gesetz „eintretenden Rechtsfolgen“ und nicht von einzutretenden Rechtsfolgen. Der Zweck des § 33 AsylG, der darin zu sehen sei, das Bundesamt bei fehlender Mitwirkungsbereitschaft des Ausländers zu entlasten, spreche nicht dafür, § 33 Abs. 4 AsylG mehr als eine Ordnungsfunktion beizumessen. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit Zustellungsfiktionen wiederholt betont, dass wegen der mit einer Zustellungsfiktion verbundenen Nachteile eine entsprechende Belehrung zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung geboten sei. Ein vergleichbar gewichtiger Nachteil erwachse dem Ausländer durch eine ohne vorherige Belehrung erfolgte Verfahrenseinstellung nach neuem Recht allerdings nicht. Nach der Gesetzesbegründung solle die erstmalige Einstellung lediglich „Warncharakter“ enthalten. Zudem könnten die Folgen einer unbelehrten Einstellung dadurch abgemildert werden, dass der Beginn des Laufes der Frist des § 33 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 AsylG von einer ordnungsgemäßen Belehrung abhängig gemacht werde.

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Der Verpflichtungsantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes sei unzulässig, weil bereits der Anfechtungsantrag zulässig sei und dem Kläger ausreichenden Schutz biete.

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Soweit der Kläger hilfsweise die Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 bzw. 7 S. 1 AufenthG begehre, sei der Antrag zulässig aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht erläutert dies im Einzelnen. Vor diesem Hintergrund seien auch die Abschiebungsandrohung und die Ausreisefrist nicht zu beanstanden.

12

Gegen das ihm am 6. März 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. April 2017 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Er beruft sich auf den Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG und wirft die Frage auf, ob alleine eine fehlende oder fehlerhafte Belehrung gemäß § 33 Abs. 4 AsylG zwingend zur Rechtswidrigkeit eines Einstellungsbescheides gemäß §§ 32, 33 AsylG führe. Er begründet im Einzelnen, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts hierzu nicht überzeuge und dass die von ihm aufgeworfene Frage in seinem Sinne zu entscheiden sei. Ergänzend weist er auf zahlreiche verwaltungsgerichtliche Entscheidungen hin, die seine Rechtsauffassung bestätigten.

II.

13

1) Der Prozesskostenhilfeantrag ist abzulehnen, denn der bereits gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO).

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Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ausreichend dargelegt, wie dies gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG geboten gewesen wäre. Die von ihm aufgeworfene Frage ist im Übrigen auch nicht grundsätzlich bedeutsam.

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Die Darlegung einer Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte und (auch) für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre Klärungsfähigkeit und die allgemeine Bedeutung (vgl. allg. zu den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung im Asylrecht Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl.2016, § 78 AsylG Rn. 11 ff, 34 f). Sofern das Verwaltungsgericht – wie hier – über mehrere Streitgegenstände entschieden hat und der Berufungszulassungsantrag unbeschränkt gestellt wird, muss der Zulassungsantragsteller dies, insbesondere die Entscheidungserheblichkeit, für alle Streitgegenstände darlegen, wenn dies nicht ausnahmsweise offensichtlich erkennbar ist. Eine solche Darlegung fehlt hier. Angesichts der differenzierten Begründungen des Verwaltungsgerichts zu den verschiedenen Klaganträgen war insbesondere die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage für die jeweiligen Klaganträge nicht verzichtbar.

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Die vom Kläger aufgeworfene Frage ist auch nicht grundsätzlich bedeutsam, denn sie lässt sich bereits im Zulassungsverfahren zweifelsfrei im Sinne der Rechtsauffassung des Klägers beantworten. Die Rücknahmefiktion des § 33 Abs. 1 AsylG tritt nur ein, wenn der Ausländer gemäß § 33 Abs. 4 AsylG belehrt worden ist. Dies folgt aus dem Wortlaut und dem Zweck der Norm. § 33 Abs. 4 AsylG ist keine Sollvorschrift. Der Ausländer „ist“ vielmehr auf die nach den Absätzen 1 und 3 eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen. Insbesondere aus dem Erfordernis der Empfangsbestätigung und ihrer Funktion als Beweismittel wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Belehrung mit dem Eintritt der Rücknahmefiktion verknüpfen wollte. Ob die Belehrung auch verfassungsrechtlich zwingend geboten war (vgl. dazu z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. März 1994 – 2 BvR 2371/93 – zu § 17 Abs. 2 AsylVfG 1982 - juris) oder ob die vom Bundesverfassungsgericht geforderten strengen Maßstäbe angesichts der in § 33 Abs. 5 AsylG geregelten Wiederaufnahmemöglichkeit hier nicht gelten, kann dahingestellt bleiben. Da der Gesetzgeber das Erfordernis der Belehrung zwingend geregelt hat, bleibt kein Raum, diese Vorschrift als – wie das Verwaltungsgericht meint – bloße Ordnungsvorschrift auszulegen. Soweit ersichtlich gehen im Übrigen auch alle bisher veröffentlichten Entscheidungen der Verwaltungsgerichte davon aus, dass bei fehlender Belehrung keine Rücknahmefiktion eintritt (vgl. z.B. VG Düsseldorf – Beschl. v. 10.01.2017 – 12 L 4432/16.A -; VG Stuttgart – Beschl. v. 06.02.2017 - A 1 K 198/17 -; VG Kassel, Beschl. v. 06.03.2017 – 6 L 437/17.KS.A – alle Juris).

17

2) Aus den oben genannten Gründen ist auch der Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen.

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3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.

19

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

20

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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