Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (14. Senat) - 14 LA 1/17

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 17. Kammer, Einzelrichter - vom 19. Dezember 2016 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

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1. Der Kläger wendet sich gegen eine mit Disziplinarverfügung vom 29. Juni 2016 verhängte Zurückstufung von dem Amt eines Polizeihauptmeisters (Besoldungsgruppe A 9) in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe A 8) wegen nichtangezeigter Nebentätigkeiten. Seine Klage hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Dezember 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger als Geschäftsführer der … für die Organisation von Reitsportturnieren im technischen Bereich umfangreich tätig gewesen sei und nicht lediglich seinen Namen zur Verfügung gestellt habe. Ferner sei er für die Fa. …, deren Inhaberin seine Ehefrau sei, im Rahmen eines Turnierservices tätig gewesen. Die Nichtanzeige dieser Nebentätigkeiten nach § 40 BeamtStG, § 70 ff. LBG stelle ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG dar.

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2. Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet. Das Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 41 Abs. 1 LDG iVm § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG iVm § 41 Abs. 1 LDG iVm § 64 Abs. 2 BDG iVm § 124a Abs. 4 Satz 4, § 124 Abs. 5 Satz 2 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht.

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Der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Senats, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung begehrt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie dessen Misserfolg (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Mai 1999 - 2 L 244/98 -, juris, Rn. 21). Die Zweifel müssen das Ergebnis der Entscheidung betreffen (OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 4 M 102/99). Gemessen an diesen Maßstäben rechtfertigt das Zulassungsvorbringen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der angegriffenen Entscheidung.

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a. Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils mit der Begründung geltend, dass das Verwaltungsgericht bei der Prüfung des Vorliegens eines Dienstvergehens wegen nichtangezeigter Nebentätigkeiten § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG hätte prüfen müssen, wonach ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen ist, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigten.

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Dieser Einwand greift nicht durch. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlichen Verfehlungen nicht entscheidend nach der formalen Dienstbezogenheit, d.h. nach der engen räumlichen oder zeitlichen Beziehung zum Dienst; vielmehr kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an. Abzustellen ist darauf, ob durch das Verhalten inner- oder außerdienstliche Pflichten verletzt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 1 D 52.91 -, juris, Rn. 12 m.w.N.). Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist danach dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit (BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 -, juris, Rn. 54; sich anschließend OVG Schleswig, Urteil vom 26. Mai 2016 - 14 LB 4/15 -, juris, Rn. 48).

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Gemessen an diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht richtigerweise § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nicht geprüft, da ein innerdienstlicher Pflichtverstoß vorliegt. Denn die fehlende Anzeige der Nebentätigkeiten des Klägers nach § 40 BeamtStG iVm § 70 ff. LBG hängt mit seinem Amt zusammen und kann Auswirkungen auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten haben (vgl. im Ergebnis ebenso für die Nichtanzeige von Nebentätigkeiten BayVGH, Urteil vom 21. Januar 2015 - 16a D 13.1889 -, juris, Rn. 57 und Urteil vom 25. Oktober 2016 - 16b D 14.2351 -, juris, Rn. 83).

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b. Der Einwand des Klägers, ernstliche Zweifel lägen auch deshalb vor, da das Verwaltungsgericht nicht untersucht habe, ob und in welchem Umfang er selbst eine Nebentätigkeit ausgeübt habe, ist ebenfalls nicht zutreffend. Soweit er meint, er habe lediglich die Funktion eines Geschäftsführers der … im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Vertretung einer Kapitalgesellschaft wahrgenommen, was mit einer Tätigkeit gegen Vergütung nichts zu tun habe, übersieht er § 72 Abs. 4 Nr. 1 d) LBG. Danach unterliegt der Eintritt in ein Organ eines Unternehmens mit Ausnahme einer Genossenschaft einer Anzeigepflicht, auch wenn die Ausübung dieser Tätigkeit unentgeltlich erfolgt. Der Kläger war als einer von drei Geschäftsführern der … Teil eines Organs eines Unternehmens. Die Geschäftsführer einer Unternehmergesellschaft („UG“, § 5a GmbHG) als Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind nach §§ 6, 35 GmbHG ein Organ dieser Gesellschaft (vgl. Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, § 6 Rn. 1, 21. Auflage 2017). Ist die UG wie vorliegend Komplementärin der Kommanditgesellschaft, führen die Geschäftsführer der UG zudem die Geschäfte der UG&Co.KG (vgl. § 164 HGB). Für die Anzeigepflicht reicht es dabei aus, dass der Kläger Teil dieses Organs der UG&Co.KG ist. Ob er diese Funktion unentgeltlich wahrgenommen hat, ist wegen § 72 Abs. 1 Nr. 4 d) LBG SH ohne Bedeutung.

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Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht ausführlich dargestellt, dass der Kläger für die … nicht nur „seinen Namen bereitgestellt“ hat, sondern er selbst für diese umfangreich bei der Organisation von Reitturnieren im technischen Bereich tätig geworden ist.

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c. Soweit der Kläger meint, dass Verwaltungsgericht hätte zudem § 72 Abs. 1 Nr. 4 LBG prüfen und in diesem Rahmen untersuchen müssen, ob und in welchem Umfang er in seiner Eigenschaft als Kommanditist einer gewerblichen Tätigkeit nachgegangen ist, greift auch dieser Vortrag nicht durch. Aus obigen Ausführungen zu § 72 Abs. 1 Nr. 4 d) LBG SH ergibt sich, dass eine anzeigefreie Tätigkeit des Klägers nicht bestand. Vor diesem Hintergrund musste das Verwaltungsgericht nicht prüfen, ob und in welchem Umfang der Kläger in seiner Eigenschaft als Kommanditist einer gewerblichen Tätigkeit nachgegangen ist. Darüber hinaus übersieht der Kläger, dass er nicht selbst einer gewerblichen Tätigkeit nachgehen muss, sondern es – wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat – nach § 72 Abs. 1 Nr. 4 c) LBG ausreichend ist, wenn er bei einer solchen (gewerblichen) Tätigkeit mitarbeitet.

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d. Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung folgen auch nicht aus einem „Mangel hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen“. Mit seinem Vortrag wendet sich der Kläger gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedoch nur dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder die Grenzen richterlicher Überzeugungsbildung überschritten werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich sachwidrig und damit objektiv willkürlich wäre, gegen Denkgesetze verstieße oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachten würde (vgl. BayVGH, Beschluss vom 3. Juli 2017 - 6 ZB 16.2772 -, juris, Rn. 13; vgl. zu Verfahrensfehlern stRspr. BVerwG, Urteil vom 8. Juni 2017 - 2 B 17.17 -, juris, Rn. 27).

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Derartige Mängel der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung legt der Kläger nicht dar. Er greift vielmehr das Ergebnis der Beweiswürdigung an und ist der Auffassung, dass das Gericht bei Auswertung der vorliegenden Beweismittel zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen.

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e. Schließlich ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung aus dem Vortrag des Klägers, die Bewertung wäre „angesichts der sehr kargen Faktenlage nicht als so schweres Dienstvergehen zulässig, dass eine Rückstufung nicht zwingend geboten erschien“.

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Mit diesem Vortrag wird der Kläger dem Darlegungserfordernis nach § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gerecht. „Darlegen“ bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch soviel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.10.1961 – VIII B 78.61 -, E 13, 90). Die von Gesetzes wegen gebotene Darlegung von Zulassungsgründen muss sich an den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung orientieren und für jeden Zulassungsgrund geordnet und fallbezogen erläutern, in welcher Hinsicht die Zulassungstatbestände in § 124 Abs. 2 VwGO vorliegen sollen (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Mai 1999 - 2 L 244/97 -; NordÖR 1999, 285 m.w.N.). Zur Darlegung der Zulassungsgründe muss der Streitfall bezogen auf den einzelnen Zulassungsgrund so durchdrungen und aufbereitet werden, dass es dem Oberverwaltungsgericht möglich ist, an Hand der Ausführungen des Zulassungsantrages zu erkennen, ob der geltend gemachte Zulassungsgrund vorliegt (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 17. September 1997 - 8 M 21/97 -, NVwZ 1998, 200). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sind dargelegt, wenn der Kläger einen tragenden Rechtssatz oder eine entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 2. Februar 2017 - 1 LA 39/16 -, juris, Rn. 13). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77/83; Beschluss vom 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 -, NVwZ 2011, 546).

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Der Verweis des Klägers auf eine „karge Faktenlage“ ist gemessen an diesen Maßstäben pauschal und ohne schlüssige Gegenargumente. Mit den vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Gründen für die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung nach § 13 LDG setzt er sich nicht auseinander.

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Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Nichtanzeige von Nebentätigkeiten, die - wie hier - über Jahre hinweg ausgeübt wurden, keine dienstliche Bagatelle darstellt, sondern von erheblichem Gewicht ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1990 - 1 D 63.89 -, juris, 25 f.; Urteil vom 17. März 1998 - 1 D 73.96 -, juris, Rn. 16 f.) und bereits für sich schwer wiegt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Mai 2017 - 3d A 971/15.O -, juris, Rn. 114).Der Beamte hat aufgrund seiner vollen Hingabepflicht an den Beruf seine Arbeitskraft grundsätzlich voll dem Dienstherrn und der Allgemeinheit zu widmen; der Dienstherr hat in Form von Dienstbezügen und Alters- wie Hinterbliebenenversorgung für angemessenen Lebensunterhalt des Beamten und dessen Familie zu sorgen. Angesichts dieser korrespondierenden Pflichten liegt das Interesse des Dienstherrn auf der Hand ihm eine Prüfungs- und Entscheidungsmöglichkeit einzuräumen, wenn der Beamte durch eine nicht dienstlich veranlasste Nebentätigkeit seine geistigen und körperlichen Kräfte außerhalb seiner beruflichen Pflichten nutzbar machen will. Dienstherr und Allgemeinheit sollen in ihrem Interesse an einer vollwertigen, nicht durch anderweitige Verausgabung der Arbeitskraft beeinträchtigten Dienstleistung des Beamten geschützt werden, darüber hinaus in ihrem Interesse daran, dass der Beamte sein Amt pflichtgemäß unparteiisch, unbefangen und in ungeteilter Loyalität gegenüber dem Wohl der Allgemeinheit wahrnimmt und schon der Anschein möglicher Interessen- oder Loyalitätskonflikte vermieden wird (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1990 - 1 D 63.89 -, juris, 25 f: zudem BVerwG, Urteil vom 17. März 1998 - 1 D 73.96 -, juris, Rn. 16 f.).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 VwGO.

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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG und § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 LDG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO).


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