Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 LB 30/18

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 7. September 2016 – 12. Kammer, Einzelrichter – geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der am … 1996 in Al-Jine im Bezirk Aleppo geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger, arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Er begehrt seine Anerkennung als Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG bzw. der Genfer Flüchtlingskonvention.

2

Der Kläger verließ nach eigenen Angaben im August oder September 2014 Syrien und reiste im November 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. Dezember 2014 einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung am 21. Juli 2016 gab der Kläger an, zuletzt in der Provinz Edlib im Dorf Maarat Mussrin bei seinen Eltern in der Großfamilie gelebt zu haben. Er habe die Schule nach der 12. Klasse ohne Abschluss verlassen und in Syrien Koch gelernt. Wehrdienst habe er in Syrien nicht geleistet. Zur Begründung seines Asylantrags gab er an, Syrien wegen des Krieges verlassen zu haben. Seine Mutter sei deshalb krank geworden, seinen Vater habe er durch den Krieg verloren, sein Bruder sei im Krieg verletzt. Das Haus sei eine Ruine. Es habe wegen des Krieges keine Arbeit gegeben. Er wolle sich in Deutschland als Koch weiterbilden lassen, das sei in Syrien nicht möglich. Dort habe er keine Zukunft gehabt und seine Träume nicht verwirklichen können.

3

Mit Bescheid vom 1. August 2016 erkannte die Beklagte den Kläger als subsidiär Schutzberechtigten an und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab.

4

Mit seiner am 22. August 2016 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass ihm ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung allein schon deshalb zustehe, weil ihm aufgrund seiner (illegalen) Ausreise und Asylantragstellung politische Verfolgung in Syrien drohe. Die Ausreise, die Asylantragstellung und der Aufenthalt im westlichen Ausland würden vom syrischen Staat als Ausdruck einer regimefeindlichen Gesinnung aufgefasst.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 1. August 2016 in Ziffer 2 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Mit Urteil vom 7. September 2016 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen und den Bescheid vom 21. Juli 2016 aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger sich unabhängig davon, ob er vorverfolgt aus Syrien ausgereist sei, auf beachtliche Nachfluchtgründe berufen könnte. Der syrische Staat sehe gegenwärtig das Stellen eines Asylantrags im Zusammenhang mit einer (illegalen) Ausreise und dem entsprechenden Aufenthalt im westlichen Ausland als Anknüpfungspunkt und Ausdruck einer politisch missliebigen Gesinnung und damit als Kritik am herrschenden System an. Auch die steigende Zahl an Flüchtlingen aus Syrien habe nicht zur Folge, dass der einzelne, sich im westlichen Ausland aufhaltende Flüchtling aufgrund dieses Massenphänomens nicht mehr als potentieller politischer Gegner des Regimes angesehen werde. Unter den derzeitigen Umständen habe jeder sich im westlichen Ausland aufhaltende Syrer im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Anknüpfung an seine vermutete oppositionelle Gesinnung mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen. Die obligatorische Befragung durch syrische Sicherheitskräfte bei der Rückkehr knüpfe an die vom Staat unterstellte politische Überzeugung an. Dem Kläger stehe keine sichere, innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Es bestehe nur die Möglichkeit einer Einreise über den von syrischen Regierungskräften kontrollierten Flughafen von Damaskus.

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Zur mit Beschluss vom 11. Dezember 2017 zugelassenen Berufung trägt die Beklagte Folgendes vor: Die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Quellenlage ließe sich hinsichtlich der Frage, ob bei Konstellationen der vorliegenden Art die nötige Anknüpfung an ein Verfolgungsmerkmal bzw. ob ein „Politmalus“ feststellbar sei, unterschiedlich interpretieren. Rückkehrer unterlägen zwar allgemein der Gefahr der Folter oder unmenschlicher Behandlung. Es gebe jedoch keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, dass abgeschobenen Rückkehrern grundsätzlich ungeachtet besonderer persönlicher Umstände oppositionelle Tätigkeit unterstellt werde und die Befragungen und damit teilweise einhergehende Misshandlungen in Anknüpfung an ein asylrelevantes Merkmal erfolgten. Vielmehr beschränkten sich die zur Verfügung stehenden Auskünfte auf die Schilderung von Einzelfällen, aus denen sich für die Motivation des syrischen Staates – ungeachtet des Unrechtsgehalts dieses staatlichen Handelns – nichts ableiten lasse. Eine vorherige Asylantragstellung oder der längerfristige Auslandsaufenthalt seien deshalb für sich allein kein Grund für Verhaftung oder Repressalien.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 12. Kammer, Einzelrichter – zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat im erklärten Einverständnis der Beteiligten (Schriftsätze vom 14. und 15. Mai 2018) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, so dass das Urteil zu ändern war. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.

15

Nach § 3 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründen) außerhalb des Landes (Herkunftslands) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist nach § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

16

Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG kann als eine solche Verfolgung insbesondere die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt gelten. Als Verfolgung kann gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylG auch eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung gelten. Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind u. a. gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen.

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Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG), wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). Erforderlich ist ein gezielter Eingriff, wobei die Zielgerichtetheit sich nicht nur auf die durch die Handlung bewirkte Rechtsgutsverletzung selbst bezieht, sondern auch auf die Verfolgungsgründe, an die die Handlung anknüpfen muss. Maßgebend ist im Sinne einer objektiven Gerichtetheit die Zielrichtung, die der Maßnahme unter den jeweiligen Umständen ihrem Charakter nach zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 – 10 C 52.07 – juris, Rn. 22, 24). Die Schwere des befürchteten Eingriffs kann dabei je nach Einzelfall, insbesondere im Zusammenhang mit willkürlich handelnden Staatsmächten, nur bedingt Erkenntnisse zur Gerichtetheit der Verfolgung geben. Dabei entspricht die zunächst zum nationalen Recht entwickelte Rechtsdogmatik zur Frage der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ auch dem neueren europäischen Recht, welches hierfür den Begriff des „real risk“ verwendet (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 10 C 25.10 – juris, Rn. 22 m.w.N.).

18

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 – juris, Rn. 19). Der danach relevante Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Zu bewerten ist letztlich, ob aus Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in das Herkunftsland als unzumutbar erscheint; insoweit geht es also um die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat (BVerwG, Urteil vom 6. März 1990 – 9 C 14.89 – juris, Rn. 13). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. Ergeben die Gesamtumstände die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung, wird ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert (BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 – 9 C 118.90 – juris, Rn. 17). Auch in solchen Fällen müssen aber die festgestellten Verfolgungsfälle nach Intensität und Häufigkeit zur Größe der Zahl der Verfolgten als ins Gewicht fallend angesehen werden können, wenn das Anknüpfungsmerkmal für eine mögliche Verfolgung auf eine Vielzahl von Personen zutrifft (hier: Asylantragstellung und Aufenthalt im westlichen Ausland bzw. Entziehung vor Einberufung bzw. Wehrdienstverweigerung); es muss dann also – vergleichbar einer Gruppenverfolgung – eine entsprechende Verfolgungsdichte vorliegen. Hiervon kann nur dann abgesehen werden, wenn ein staatliches Verfolgungsprogramm besteht, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht und das deshalb hinreichend wahrscheinlich eine Verfolgung erwarten lässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2010 – 10 B 18.09 – juris, Rn. 2 m.w.N.; vgl. zu den Prognosegrundsätzen bei gruppengerichteten Verfolgungen: Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 27).

19

Beim Flüchtlingsschutz gilt für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337/9) enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 – 10 C 7.11 – juris, Rn. 12).

20

Das gilt unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Die Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU, nicht durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Verfolgungshandlungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5.09 – juris, Rn. 23). Dabei gilt als vorverfolgt, wer seinen Heimatstaat entweder vor eingetretener oder vor unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat (vgl. BVerwG, Urteil 14. Dezember 1993 – 9 C 45.92 – juris, Rn. 8).

21

Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 – juris, Rn. 32).

22

1. Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Furcht des Klägers vor einer Verfolgung wegen eines flüchtlingsrechtlich relevanten Grundes unbegründet.

23

Zu bewerten ist allein eine Verfolgung durch den syrischen Staat. Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist der tatsächliche Zielort des Ausländers bei seiner Rückkehr. Das ist zwar in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 – juris, Rn. 13 ff. m.w.N.). Der Herkunftsort des Klägers, das Dorf Maarat Mussrin (oder Maarrat Missrin) in der Provinz Edlib (oder Idlib) im Nordwesten Syriens, unweit der Stadt Idlib gelegen, befindet sich - wie die gesamte Provinz Idlib - in den Händen der Oppositions-Rebellen. Insgesamt ist die Region heiß umkämpft, die Nachrichtenmagazine sprechen von einem Stellvertreterkrieg (https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/08/03/russland-bereitet-sich-auf-entscheidungs-schlacht-in-syrien-vor/; https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/08/07/china-erwaegt-militaer-einsatz-syrien/; https://www.heise.de/tp/features/Syrien-Russland-verspricht-ueber-die-Golangrenze-zu-wachen-4131210.html; https://www.n-tv.de/politik/Grossmaechte-ziehen-Grenzen-in-Syrien-article20451166.html und Spiegel Online vom 17. April 2018, Assad zielt ins Herz der Revolution). Es ist jedoch auch zu prüfen, ob der Ausländer seinen Herkunftsort gefahrlos erreichen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Februar 1993 – 9 C 31.92 – juris, Rn. 10). Unabhängig davon, unter wessen Kontrolle der Heimatort des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht, ist dieser nur über einen Reiseweg erreichbar, der vom syrischen Regime kontrolliert wird. Dies gilt in erster Linie für eine – hypothetische – Rückführung des Klägers, die derzeit allein über eine Flugverbindung denkbar ist. Insoweit kommt nach aktuellem Erkenntnisstand nur Damaskus in Betracht (vgl. Auswärtiges Amt [AA], Auskunft vom 12. Oktober 2016 an VG Trier zu den beiden allein geöffneten Flughäfen Damaskus und dem im Kurdengebiet gelegenen Qamishly; daneben soll auch noch der unter Kontrolle des syrischen Regimes stehende Flughafen Latakia für internationale Flüge offen stehen, vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe [SFH] vom 21. März 2017, Syrien: Rückkehr, S. 6).

24

2. Der Kläger ist nicht vorverfolgt aus Syrien ausgereist. Er hat bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, allein wegen der Auswirkungen der kriegerischen Auseinandersetzungen in seiner Heimatregion ausgereist zu sein. Dem Kläger drohte vor der Ausreise auch keine unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung wegen seiner Religions- und Volkszugehörigkeit oder seiner regionalen Herkunft, siehe sogleich unter 3. b). Eine flüchtlingsrechtlich relevante Vorverfolgung des Klägers ergibt sich zudem nicht aus dem Umstand, dass er für den Wehrdienst in der syrischen Armee herangezogen werden könnte. Wegen der insoweit relevanten rechtlichen Maßstäbe wird auf die nachfolgenden Ausführungen zu 3. c) Bezug genommen

25

3. Eine Flüchtlingsanerkennung des Klägers kommt nicht wegen Ereignissen und einer damit einhergehenden Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG in Betracht, die eingetreten sind, nachdem er sein Herkunftsland verlassen hat (vgl. § 28 Abs. 1a AsylG, sog. Nachfluchttatbestände). Der Kläger kann sich zur Begründung der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht auf die illegale Ausreise und/ oder den längeren Aufenthalt im westlichen Ausland und eine dort erfolgte Asylantragstellung berufen (a). Bei ihm liegen auch weder im Hinblick auf seine Glaubenszugehörigkeit noch wegen seiner regionalen Herkunft, risikoerhöhende Umstände vor (b). Für den Kläger ergibt sich eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsgefahr auch nicht aus dem Umstand einer etwaigen Wehrdienstentziehung (c). Selbst wenn man alle Umstände im Rahmen einer Gesamtwürdigung gemeinsam betrachtet, ergibt sich nichts Abweichendes (d).

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a) Die Begründung des Verwaltungsgerichts, dass allein der Aufenthalt des Klägers im westlichen Ausland und die Asylantragstellung in der Bundesrepublik vom syrischen Staat als Ausdruck einer regimefeindlichen Gesinnung angesehen werde und der Kläger im Falle einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aus diesem Grund mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste, wird vom Senat angesichts der aktuellen Erkenntnislage und weiterer Erwägungen nicht geteilt und rechtfertigt daher die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht.

27

Unter Beachtung der vorgenannten Maßstäbe ist bei der Prüfung danach zu differenzieren, ob einem Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungshandlung droht und – falls dies bejaht wird – zwischen der Verfolgungshandlung und einem Verfolgungsgrund (hier: politische Überzeugung wegen einer vermeintlich oppositionellen Einstellung gegenüber dem syrischen Regime) eine Verknüpfung besteht. Für beides fehlt es an hinreichend gesicherten Erkenntnissen.

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Der Senat hat hierzu mit am 4. Mai 2018 verkündeten Urteilen (u.a. 2 LB 17/18, juris Rn. 36 ff.) unter Verweis auf das Urteil vom 23. November 2016 (3 LB 17/16, juris) ausgeführt, dass nach der gegenwärtigen Erkenntnislage keine hinreichende Grundlage für die Annahme besteht, dass der totalitäre Staat Syrien jeden Rückkehrer, auch solche, die ihr Land unverfolgt verlassen haben, pauschal unter eine Art Generalverdacht stellt, der Opposition anzugehören, sofern nicht besondere, individuell gefahrerhöhende Umstände vorliegen, die auf eine oppositionelle Einstellung hinweisen. Wegen der Begründung im Einzelnen, insbesondere der Bewertung der vorliegenden Erkenntnismittel wird auf das Urteil vom 4. Mai 2018 – 2 LB 17/18, juris Rn. 36 bis 75 verwiesen. Hieran hält der Senat fest. Neue Erkenntnisse haben sich seitdem nicht ergeben.

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b) Im Falle des Klägers liegen keine solchen besonderen, risikoerhöhenden Faktoren für die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung bzw. einer Verfolgung wegen einer vermeintlich oppositionellen Einstellung vor. Anknüpfend an die vorliegenden Erkenntnisse und den vor allem in den Berichten des UNHCR aufgeführten Risikoprofilen sind bei dem Kläger insbesondere die Aspekte seiner Religionszugehörigkeit (aa) sowie seiner regionalen Herkunft (bb) zu erörtern.

30

aa) Die Zugehörigkeit zum sunnitischen Glauben allein stellt keinen risikoerhöhenden Faktor dar, aufgrund dessen dem Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien beachtlich wahrscheinlich die Gefahr einer Verfolgung drohen würde, weil ihm deshalb eine regimefeindliche Haltung zugeschrieben werden würde. Der Senat hat zu diesem Aspekt im Urteil vom 4. Mai 2018 (Az. 2 LB 17/18, juris Rn. 77 bis 81) Folgendes ausgeführt:

31

Nach Berichten des UNHCR bestehe zwar die von der Regierung bekämpfte Opposition größtenteils aus sunnitischen Arabern (vgl. UNHCR vom November 2017, S. 54). Die Zugehörigkeit zur Religionsgruppe der Sunniten erhöhe daher die Gefahr, Opfer staatlicher Verfolgung zu werden (so bereits UNHCR vom April 2017, S. 5; SFH vom 21. März 2017, S. 11; siehe auch UNHCR vom November 2015, S. 26, wonach die Mitgliedschaft in religiösen Gruppen – darunter auch die Sunniten – ein gefahrerhöhendes Moment sein könne). Anderen Berichten zufolge seien alle Rückkehrer von Misshandlungen am Flughafen und Grenzübergängen bedroht. Ethnizität und Religion seien keine Aspekte, die sich auf die Gefährdung durch Misshandlung auswirkten (vgl. IRB vom 19. Januar 2016, S. 7).

32

Trotz des vor allem vom UNHCR definierten Risikoprofils kann eine generelle Gefährdung sunnitischer Syrer bereits deshalb nicht angenommen werden, weil 74 % der syrischen Bevölkerung der Glaubensgruppe der Sunniten angehören (Stand 2006, siehe http://m.bpb.de/nachschlagen/lexika/fischer-weltalmanach/65805/syrien). Ferner sind Sunniten sowohl im Regime als auch in den Streitkräften – zum Teil in hohen Stellungen – vertreten (vgl. Gerlach, „Was in Syrien geschieht“, Bundeszentrale für politische Bildung, vom 19. Februar 2016; vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 21. Februar 2017, a.a.O., Rn. 83 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 27. Juni 2017, a.a.O., Rn. 68). Allenfalls kann die sunnitische Religionszugehörigkeit ein weiterer Faktor bei der Bestimmung des Risikoprofils in dem Sinne sein, dass eine aus anderen Gründen den Regierungskräften verdächtig erscheinende Person als umso verdächtiger wahrgenommen werden wird, wenn sie sunnitischer Glaubenszugehörigkeit ist (in diese Richtung ebenfalls UNHCR vom Februar 2017, S. 2).

33

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der UNHCR in seiner Stellungnahme von November 2017 (S. 54 ff.) die Zugehörigkeit zum sunnitischen Glauben nicht mehr als per se risikoerhöhenden Faktor ansieht und auch nicht als ein Merkmal, aufgrund dessen der Person regierungsfeindliche Absichten unterstellt werden (ebenso: VGH Mannheim, Urteil vom 9. August 2017 – A 11 S 710/17 – juris, Rn. 48). Vielmehr geht auch der UNHCR davon aus, dass die Verfolgungsgefahr für Mitglieder religiöser und ethnischer Gruppen von Region zu Region variiert und von den spezifischen Konfliktbedingungen der jeweiligen Region abhänge. Eine Verfolgungsgefahr ergebe sich insbesondere für Angehörige religiöser und ethnischer Gruppen, die aus Gebieten stammten, die von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden, so dass diesen abhängig von den individuellen Umständen des Einzelfalles der Flüchtlingsschutz zu gewähren sei.

34

An diesen Ausführungen hält der Senat fest.

35

bb) Eine dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung wegen einer ihm seitens des syrischen Regimes zugeschriebenen politischen Überzeugung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass er aus einem Gebiet stammt, das unter Kontrolle von oppositionellen Truppen gestanden hat bzw. steht.

36

Der Kläger hat zwar nicht ausdrücklich angegeben, dass das Dorf, in dem er gewohnt hat, von oppositionellen Gruppen – gegebenenfalls zeitweise – beherrscht wurde. Allerdings bestätigen vorhandene Berichte, dass die gesamte Provinz Idlib zwischen den Truppen des Assad-Regimes und anderen Konfliktparteien umkämpft ist bzw. war (https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/08/03/russland-bereitet-sich-auf-entscheidungs-schlacht-in-syrien-vor/; https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/08/07/china-erwaegt-militaer-einsatz-syrien/; https://www.heise.de/tp/features/Syrien-Russland-verspricht-ueber-die-Golangrenze-zu-wachen-4131210.html; https://www.n-tv.de/politik/Grossmaechte-ziehen-Grenzen-in-Syrien-article20451166.html und Spiegel Online vom 17. April 2018, Assad zielt ins Herz der Revolution).

37

Der UNHCR meint, aus Unruhegebieten stammende Personen würden von der Regierung mit oppositionellen Gruppen in Verbindung gebracht und als regierungsfeindlich betrachtet (UNHCR vom November 2017, S. 33, 37; und vom Februar 2017, S. 16). Willkürliche Festnahmen basierten häufig allein auf der Herkunft aus einem Ort, in dem oppositionelle Kräfte aktiv sind (UNHCR vom November 2017, S. 37; Februar 2017, S. 21). So sei es in Gebieten, in denen die Regierung die Kontrolle wiedererlangt habe, zu Festnahmen von Männern und Jungen über 12 Jahren allein wegen der ihnen von der Regierung zugeschriebenen Unterstützung für regierungsfeindliche bewaffnete Kräfte gekommen (UNHCR, Februar 2017, S. 20). Einigen Auskünften zufolge erhöhe daher die Herkunft aus von der Opposition besetzten oder umkämpften Regionen die Gefahr, Opfer staatlicher Verfolgung zu werden (UNHCR vom Februar 2017, S. 5; vgl. SFH vom 21. März 2017, S. 11).

38

Es gibt allerdings keine dahingehenden Informationen, dass aus dem Ausland nach Syrien Zurückkehrende allein aufgrund ihrer Herkunft aus einer vermeintlich regierungsfeindlichen Region Verfolgung ausgesetzt gewesen wären. Zumeist ist nur von gefahrerhöhenden Umständen die Rede. Der Senat schließt sich zudem der in obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, dass viel dafür spricht, dass diejenigen, die vor den Auseinandersetzungen zwischen dem Assad-Regime und Konfliktparteien in ihrer Region ins Ausland geflohen sind, sich also dem Konflikt gerade entzogen haben, auch aus Sicht des syrischen Regimes nicht als Bedrohung aufgefasst werden (so OVG Bremen, Urteil vom 24. Januar 2018 – 2 LB 194/17 – juris, Rn. 66 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 27. Juni 2017 – 2 LB 91/17 – juris, Rn. 71; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 1 A 10922/16 – juris, Rn. 160 ff.).

39

cc) Ungeachtet der voranstehenden Ausführungen genügt allein die pauschale Bezugnahme auf eines oder mehrere vom UNHCR definierten Risikoprofile nach Auffassung des Senats nicht, um die Annahme einer flüchtlingsrechtlich relevanten (politischen) Verfolgung durch das Assad-Regime begründen zu können. Es bedarf stets einer konkreten Einzelfallbetrachtung. Die Zugehörigkeit zu den vom UNHCR in den International Protection Considerations with Regards to People Fleeing the Syrian Arab Republic, Update V, vom November 2017 benannten Risikogruppen indiziert zwar nach wie vor die Wahrscheinlichkeit, dass die betroffene Person internationalen Schutz benötigt; dies wird jedoch durchweg durch die Worte relativiert: "depending on the individual circumstances of the case". Es ist also schon nach dem eigenen Anspruch der "Considerations" nicht angängig, die Annahme einer politischen Verfolgung allein auf die pauschale Zuordnung zu einer oder mehreren der Risikoprofile zu stützen, insbesondere ohne Rücksicht auf die Frage, in welches Umfeld der Betroffene hypothetisch zurückkehren müsste. Erforderlich ist vielmehr auch danach stets eine hinreichend substantiierte Einzelfallbetrachtung (ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. März 2018 – 2 LB 1749/17 – juris, Rn. 118; OVG Saarlouis, Beschluss vom 11. April 2018 – 2 A 147/18 –, juris Rn. 9).

40

Der Kläger hat keine konkreten Umstände vorgetragen, weshalb ihm vom Assad-Regime eine oppositionelle Einstellung unterstellt werden könnte und ihm deshalb Verfolgungsmaßnahmen drohen könnten. Auf die Ausführungen unter 2. und 3. wird Bezug genommen.

41

c) Für den Kläger gilt dies auch in Ansehung der Möglichkeit, dass er bei seiner Rückkehr zum Wehrdienst in die syrische Armee einberufen wird. Der Umstand, dass er sich durch seinen Auslandsaufenthalt dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben könnte, begründet keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung durch den syrischen Staat.

42

aa) Der Senat hat die zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel hinsichtlich der tatsächlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Wehrdienst in der syrischen Armee im Verfahren 2 LB 17/18 ausgewertet und im Urteil vom 4. Mai 2018 (2 LB 17/18, juris Rn. 90) hierzu Folgendes ausgeführt:

43

In Syrien besteht eine allgemeine Wehrpflicht, die grundsätzlich für alle syrischen Männer unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund wie auch für Palästinenser gilt, die in Syrien leben. Oppositionelle werden ebenfalls einberufen. Die Registrierung für die Wehrpflicht erfolgt im Alter von 18 Jahren. Nach Auskunft des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Österreich (vom 25. Januar 2018, S. 38) sind junge Männer im Alter von 17 Jahren aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von mindestens 18 Jahren werden die Männer per Einberufungsbescheid zum Ableisten des Wehrdienstes aufgefordert. Zudem werden junge Männer an Kontrollstellen oder bei Razzien auf öffentlichen Plätzen (zwangs)rekrutiert (AA vom 2. Januar 2017 an VG Düsseldorf zu Az. 5 K 7480/16.A, S. 3; BFA vom August 2017, S. 18; DRC, August 2017, S. 13). Jeder Mann im Alter zwischen 18 und 42 Jahren ist gesetzlich verpflichtet, einen zweijährigen Militärdienst abzuleisten. Die Wehrpflicht besteht auch für Verheiratete und Familienväter (AA an VG Düsseldorf, a.a.O.). Aufgrund der prekären Personalsituation soll es sogar zu Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen gekommen sein (BFA vom August 2017, S. 18; SFH vom 23. März 2017, S. 5 ff.).

44

Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen – von Bestechungen abgesehen – bei Personen jüdischen Glaubens oder bei Untauglichkeit. Zudem bestehen Regelungen über Ansprüche auf Aufschub vom Antritt des Grundwehrdienstes etwa für Einzelkinder oder Studenten. Diese Regelungen gelten zwar formal weiterhin, in der Praxis finden sie allerdings aufgrund des stark zunehmenden Personalbedarfs nur eingeschränkt und zunehmend willkürlich Anwendung. Für im Ausland lebende Männer gibt es die gesetzliche Möglichkeit, sich gegen Zahlung einer Geldkompensation vom Militärdienst zu befreien (vgl. BFA vom August 2017, S. 20; DRC vom August 2017, S. 8 f.; SFH vom 23. März 2017, S. 8). Nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a.a.O., m.w.N.) gelte dies nur für Männer, die entweder legal für ihre Arbeit oder ihr Studium ausgereist seien, oder für Söhne von Diplomaten und die mehr als fünf Jahre außerhalb des Landes gelebt haben. Die zu zahlende Gebühr wurde von 5.000 US-Dollar im Jahr 2014 auf 8.000 US-Dollar erhöht (vgl. BFA vom 25. Januar 2018, S. 42, und AA an VG Düsseldorf zu Az. 5 K 7480/16.A vom 2. Januar 2017, S. 6).

45

Es besteht keine Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern bzw. zivilen Ersatzdienst zu leisten (UNHCR vom April 2017, S. 30; AA vom 2. Januar 2017 an VG Düsseldorf zu Az. 5 K 7480/16.A, S. 5; SFH vom 23. März 2017, S. 4). Entlassungen aus dem Militärdienst sind nach den vorliegenden Erkenntnisquellen seit dem Jahre 2011, dem Beginn der militärischen Auseinandersetzung, eher zur Ausnahme geworden. Viele Wehrpflichtige sind über Jahre hinweg in der Armee tätig und oftmals wäre Desertion die einzige Möglichkeit, den Militärdienst zu beenden (SFH vom 23. März 2017, S. 5 f.; Finnish Immigration Service [FIS] vom 23. August 2016, S. 12).

46

Gediente Wehrpflichtige müssen nach Beendigung des Wehrdienstes als Reservisten jederzeit abrufbar sein und mit ihrer Einberufung rechnen (AA vom 2. Januar 2017 an VG Düsseldorf zu Az. 5 K 7480/16.A, S. 4). Reservisten werden wie Rekruten einberufen. Entweder erhalten sie eine Benachrichtigung des Rekrutierungsbüros oder sie werden über öffentliche Aufrufe im Fernsehen, Radio oder über die Presse einberufen (SFH vom 18. Januar 2018, S. 6). In der Vergangenheit wurden alle Männer bis zum Alter von 42 Jahren als Reservisten geführt. Aufgrund der prekären Personalsituation gibt es nach den vorliegenden Auskünften gegenwärtig kein festgesetztes Höchstalter für die Aktivierung von Reservisten mehr, vielmehr würden im Einzelfall Männer im Alter von bis zu 50 oder sogar 60 Jahren erneut zum Dienst verpflichtet (BFA vom August 2017, S. 20; so auch FIS vom 23. August 2016, S.11). Nach Angaben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Österreich (vom 25. Januar 2018, S. 20) bestand der Reservedienst vor dem Ausbruch des Konflikts im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten und Reservisten seien nur selten einberufen worden. Dies habe sich seit 2011 jedoch geändert. Es würden einzelne Berichte vorliegen, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen habe (z.B. Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung; so auch UNHCR vom April 2017, S. 24 f., Fn. 118). Bei der Einberufung von Reservisten sei das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person sowie ihr Rang und ihre Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der die Person gedient habe (BFA vom 25. Januar 2018, S. 40 mit Verweis auf DRC vom 26. Februar 2015 und vom August 2017, S. 10). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe gibt an, dass „verschiedenen Quellen“ zufolge Männer bis zum 54. Lebensjahr eingezogen werden (Auskunft an VG Wiesbaden vom 17. Januar 2017). Dem Auswärtigen Amt liegen Berichte vor, wonach die Wehrpflicht in der Praxis bis zum 50. Lebensjahr ausgeweitet werde (Auskunft an VG Düsseldorf vom 2. Januar 2017, S. 3). Nach einer weiteren Auskunft könnten Männer bis zum 52. Lebensjahr einberufen werden (Deutsche Botschaft Beirut vom 3. Februar 2016, S. 2). Vereinzelt werden demgegenüber Berichte über die Einziehung jenseits der Altersgrenze von 42 Jahren als „Gerüchte“ bezeichnet (DRC vom August 2017, S. 40).

47

Über die aktuelle (allgemeine) Praxis der Rekrutierung wird berichtet (vgl. insgesamt zum Nachfolgenden: BFA vom 25. Januar 2018, S. 38 ff., und vom 5. Januar 2017, S. 23; DRC, August 2017, S. 8, 13), dass es im Zeitraum von März 2016 bis März 2017 keine Generalmobilmachung gegeben habe. Jedoch seien offenbar in verschiedenen Wellen die Bemühungen intensiviert worden, Wehrpflichtige und Reservisten einzuziehen; nach einigen Quellenangaben erfolgte dies deshalb, weil nur wenige Männer auf die Einberufung reagiert und sich zum Dienst eingefunden haben (DRC vom August 2017, S. 8). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet: Das syrische Regime habe seit Herbst 2014 die Mobilisierungsmaßnahmen für Rekruten und Reservisten und die Suche nach Wehrdienstentziehern und Deserteuren intensiviert und dieses Vorgehen seit Januar 2016 nochmals gesteigert. Es erfolgten örtliche Generalmobilmachungen und intensive Razzien im öffentlichen und privaten Bereich. An den Checkpoints der syrischen Armee gebe es Listen mit Namen von einzuziehenden Reservisten und erstmals wehrdienstpflichtigen jungen Männern, die bei Aufgreifen verhaftet würden (SFH vom 23. März 2017, S. 6 f., und vom 28. März 2015, S. 2 ff.). Die regulären Rekrutierungsmethoden würden immer noch angewendet, weil das Regime zeigen wolle, dass sich nichts verändert habe. So würden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Es gebe aber auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die, ohne einberufen worden zu sein, in Syrien lebten (BFA vom 5. Januar 2017, S. 23). Insgesamt sei schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee tatsächlich durchgesetzt werde. In der syrischen Armee herrsche zunehmende Willkür und die Situation könne sich von einer Person zur anderen unterscheiden (BFA vom 5. Januar 2017, S. 22 mit Verweis auf FIS vom 23. August 2016, S. 5 ff.). So wird beispielsweise über die im Land errichteten Kontrollstellen berichtet (UNHCR, vom April 2017, S. 24 ff.; UNHCR, Auskunft an VGH Kassel vom 30. Mai 2017, S. 2), dass an diesen in großem Maße Männer im wehrdienstfähigen Alter, die einen Einberufungsbescheid erhalten hätten, aber auch solche, bei denen dies noch nicht der Fall gewesen sei, eingezogen würden. Während an anderer Stelle berichtet wird, an den Kontrollstellen würden Bestechungsgelder verlangt (vgl. SFH vom 28. März 2015, S. 4), um sich vom Militärdienst freizukaufen. Es gebe weitere Beispiele, dass Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft hätten, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden könne, sondern schlicht Willkür darstelle. So sei es vor dem Bürgerkrieg gängige Praxis gewesen, sich vom Wehrdienst freizukaufen, was aber nicht davor schütze, im Zuge des aktuellen Konflikts – manchmal sogar Jahre danach – dennoch eingezogen zu werden (BFA vom 25. Januar 2018, S. 41).

48

Männer im Alter zwischen 18 und 42 Jahren dürfen seit März 2012 nur mit einer offiziellen Beglaubigung des Militärs, mit der bescheinigt wird, dass sie von der Wehrpflicht bzw. vom Militärdienst freigestellt sind, ausreisen. Seit Herbst 2014 besteht darüber hinaus für Männer, die zwischen 1985 und 1991 geboren sind, ein generelles Ausreiseverbot (SFH vom 23. März 2017, S. 13 f., SFH vom 28. März 2015, S. 4 f.). Jungen Männern vor Erreichen des 18. Lebensjahres werde die Ausreise erschwert, indem ihnen Reisepässe nur für eine kurze Gültigkeitsdauer ausgestellt würden (BFA vom 5. Januar 2017, S. 24). Männer, die ihren Wehrdienst bereits abgeleistet hätten, könnten eine Ausreisegenehmigung einfacher bekommen (BFA, August 2017, S. 24). Die Ausreise ohne die erforderliche Genehmigung bzw. über einen nicht genehmigten Ausreisepunkt sei strafbar. Einschätzungen des UNHCR zufolge sei es jedoch unklar, ob das Gesetz tatsächlich angewandt werde und Rückkehrer entsprechender Strafverfolgung ausgesetzt seien, da die Gesetzesumsetzung in Syrien willkürlich und nicht vorhersehbar sei (UNHCR vom April 2017, S. 2 f.).

49

Wehrdienstverweigerung wird in Syrien nach dem Military Penal Code geahndet (vgl. AA an VG Düsseldorf vom 2. Januar 2017 zu Az. 5 K 7480/16.A, S. 4 f.; Deutsche Botschaft Beirut vom 3. Februar 2016, S. 2; SFH, vom 30. Juli 2014, S. 3 f. und vom 23. März 2017, S. 8 f.). Dessen Artikel 98 bestimmt, dass derjenige, der sich der Einberufung entzieht, mit Haft zwischen einem und sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft wird. Wer das Land verlässt, ohne eine Adresse zu hinterlassen, unter der er immer erreichbar ist, und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Für Desertion im eigentlichen Sinn werden in Artikel 101 fünf Jahre Haft angedroht bzw. fünf bis zehn Jahre, wenn der Deserteur das Land verlässt. Erfolgt die Desertion in Kriegszeiten oder während des Kampfes, beträgt die Haftstrafe 15 Jahre. Desertion im Angesicht des Feindes wird gemäß Artikel 102 mit lebenslanger Haft bzw. bei Überlaufen zum Feind mit Exekution bestraft. Berichten zufolge kann auch ein Wehrdienstentzug durch illegale Ausreise von nicht gemusterten bzw. nicht einberufenen Wehrpflichtigen mit Geldbuße oder Gefängnis bestraft werden (AA an VG Düsseldorf vom 2. Januar 2017 zum Az. 5 K 7480/16.A, S. 5).

50

Die Umsetzung der Bestrafung scheint nach den vorliegenden Erkenntnisquellen willkürlich zu sein (siehe SFH, 23. März 2017, S. 10 f. mit Verweis auf FIS vom 23. August 2016, S. 12 f. und weitere Quellen). In diesem Zusammenhang gibt es etwa Stellungnahmen, dass zurückkehrenden Wehrdienstpflichtigen Haft, Folter, Misshandlungen, Einsatz an der Front sowie dauerhaftes Verschwinden bzw. Tod drohe (vgl. beispielhaft DOI an OVG Schleswig vom 8. November 2016; Deutsche Botschaft Beirut vom 3. Februar 2016, S. 1 f., wonach im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst Fälle von Haft oder dauerndem Verschwinden bekannt geworden seien bzw. verlässlichen Berichten zufolge inhaftierte Personen aus dem Gefängnis heraus zum Militärdienst eingezogen wurden; IRB vom 19. Januar 2016, wonach Wehrdienstpflichtige eine sehr vulnerable Gruppe darstellen; SFH vom 28. März 2015, wonach es bei ergriffenen Wehrdienstverweigerern in der Haft zu Folter komme).

51

Zum anderen ergibt sich aus den zur Verfügung stehenden Berichten auch, dass die Bestrafung häufig von der Position und dem Rang des Betroffenen, seinem Profil, der Herkunftsregion aber auch dem Bedarf an der Front abhänge. Bestehe der Verdacht, dass Kontakte zur Opposition bestehen, würden die Untersuchungen und die Folter intensiviert (SFH vom 23. März 2017, S. 10 mit Verweis auf weitere Quellen, u.a. FIS vom 23. August 2016, S. 12 f.; BFA vom 5. Januar 2017, S. 27). Es wird auch dargestellt, dass einige der Verhafteten zwar zu Haftstrafen verurteilt und dann eingezogen, andere aber lediglich verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt würden (SFH vom 28. März 2015, S. 4; BFA, 5. Januar 2017, S. 27). Nach dem UNHCR würden Wehrdienstentzieher in der Praxis eher, als dass sie nach dem Militärstrafgesetzbuch bestraft würden, innerhalb von Tagen oder Wochen nach ihrer Verhaftung an die Front geschickt, oft nach nur minimaler Ausbildung (UNHCR, November 2017, S. 40). Der Danish Refugee Council (August 2017, S. 13 f., Fn. 62) berichtet unter Berufung auf verschiedene Quellen, dass Wehrdienstentzieher, wenn sie aufgegriffen werden, riskierten, in den Militärdienst gesandt zu werden, während Deserteuren härtere Strafen drohten, wie z.B. Haft oder Todesstrafe. Nach anderen Berichten gebe es aber auch Deserteure, die nachdem sie wieder aufgegriffen worden seien, in den Militärdienst bzw. an die Front geschickt worden seien (DRC vom August 2017, S. 14, Fn. 67 – 69, SFH vom 23. März 2017, S. 10 m.w.N.).

52

bb) Hiervon ausgehend ist es beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Syrien zum Militärdienst einberufen würde. Er befindet sich derzeit – ebenso wie im Zeitpunkt der Ausreise aus seinem Heimatland – im wehrdienstfähigen Alter. Seinen Angaben zufolge hat er seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet.

53

cc) Unter Zugrundelegung der Annahme, das syrische Regime werde den Kläger aufgrund seines längeren Auslandsaufenthalts im wehrdienstfähigen Alter bei einer hypothetischen Rückkehr wie einen Wehr- bzw. Militärdienstentzieher behandeln, der der Einberufung nicht gefolgt ist bzw. ohne eine Genehmigung des Militärs das Land verlassen und keine Adresse hinterlassen hat, unter der er für die Militärbehörden erreichbar ist, hat sich der Kläger zwar strafbar gemacht. Der Senat hält es gleichwohl schon nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass ihm eine Verfolgungshandlung (1), insbesondere eine Bestrafung aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründen (2), etwa wegen einer unterstellten Regimegegnerschaft, droht.

54

Der Senat hat hierzu im Urteil vom 4. Mai 2018 (2 LB 17/18, juris Rn. 103 ff.) Folgendes ausgeführt:

55

Voranzustellen ist dabei, dass die Heranziehung zur Wehrpflicht bzw. Rekrutierung volljähriger Männer als solche keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung darstellt, weil diese nicht wegen eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale erfolgt, sondern alle Männer trifft, die den Wehrdienst abzuleisten haben oder als Reservist wieder eingezogen werden könnten. Auch die zwangsweise Heranziehung zum Wehrdienst und die damit im Zusammenhang stehenden Sanktionen wegen Kriegsdienstverweigerung oder Desertion, selbst wenn sie von weltanschaulich totalitären Staaten ausgehen, stellen nicht schon für sich allein eine politische Verfolgung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 1986 – 9 C 322.85 – juris, Rn. 11; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. September 2017 – 2 LB 750/17 – juris, Rn. 63). Anderes gilt nur dann, wenn beides nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dient, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen soll (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1986 – 9 C 322.85 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 54 = DVBl 1987, 47, vom 6. Dezember 1988 – 9 C 22.88 – BVerwGE 81, 41 <44> und vom 25. Juni 1991 – 9 C 131.90 – Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 21 = InfAuslR 1991, 310 <313>; zuletzt Beschluss vom 24. April 2017 – 1 B 22.17 – juris, Rn. 14; allgemein zur Erforderlichkeit der Anknüpfung an die politische Überzeugung als Grundlage eines zielgerichteten Eingriffs in ein flüchtlingsrechtlich geschütztes Rechtsgut s.a. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 – BVerfGE 80, 315 <335>; BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 – 10 C 52.07 – BVerwGE 133, 55 <60 f.>).

56

Es kann daher offen bleiben, ob die Rekrutierung des Klägers eine Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG darstellte. Jedenfalls fehlt es in Bezug auf die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft daran, dass die Rekrutierung zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt wird, die durch die Maßnahmen gerade wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe getroffen werden sollen. Insbesondere stellt die Gruppe der Männer, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, keine soziale Gruppe im Sinn des § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG dar. Insoweit fehlt es jedenfalls daran, dass die Gruppe dieser Männer in Syrien eine abgegrenzte Identität hat (vgl. zu den Maßstäben bei einer Gruppenverfolgung auch OVG Schleswig, Urteil vom 14. Dezember 2006 – 1 LB 67/05 – juris, Rn. 30 m.w.N.). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die syrische Gesellschaft die Männer, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, als soziale Gruppe wahrnimmt. Auch liegt insoweit keine Anknüpfung an das (männliche) Geschlecht vor. Sanktionen wegen Verletzung dieser Pflicht richten sich ausschließlich nur deshalb gegen Männer, weil eine Wehrdienstpflicht in Syrien nur für Männer besteht (vgl. zuletzt DOI, Auskunft an VGH Kassel vom 22. Februar 2018, S. 4; AA an VG Düsseldorf vom 2. Januar 2017 zu Az. 5 K 7480/16.A, S. 4).

57

(1) Für die Frage des Vorliegens einer Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG ist zu bewerten, ob sich aus den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen in hinreichender Dichte Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kläger zu 1) bei der gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien bestraft bzw. inhaftiert werden würde (mit der damit verbundenen Gefahr der Folter oder Misshandlung), wenn ihm das syrische Regime die Erfüllung der Straftatbestände der Wehrdienst- bzw. Militärdienstentziehung unterstellt. Ob einem Wehr- bzw. Militärdienstentzieher allein die Einziehung zum Wehrdienst und ein Militäreinsatz oder zusätzlich eine Inhaftierung bzw. ein Strafverfahren drohen, wird in den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht einheitlich beurteilt. Der Senat ist nach der Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände jedoch der Auffassung, dass keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vorliegen, dass (ggf. zurückkehrenden) Wehr- bzw. Militärdienstdienstverweigerern beachtlich wahrscheinlich eine Bestrafung und/ oder Inhaftierung droht, sofern keine weiteren individuellen Anhaltspunkte auf eine Regimegegnerschaft hindeuten. Vor allem im Hinblick auf den weiterhin hohen Personalbedarf in der syrischen Armee und die Rekrutierungsbemühungen des Assad-Regimes fallen selbst die geschilderten – wenn auch nur zum Teil belegten – Verfolgungsfälle nicht im erforderlichen Maße ins Gewicht (so ebenfalls OVG B-Stadt, Urteil vom 11. Januar 2018 – 1 Bf 81/17.A – juris, Rn. 107 ff.; die Frage einer Verfolgungshandlung ebenfalls verneinend OVG Lüneburg, zuletzt mit Beschluss vom 22. Februar 2018 – 2 LB 1789/17 – juris, Rn. 94 ff.; die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung im Ergebnis wohl bejahend: OVG Münster, Urteil vom 4. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A – juris, Rn. 41; OVG Koblenz, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 1 A 10922/16 – juris, Rn. 147, 152).

58

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führt aus, dass bei Einreisen nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft werde, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst absolviert hätten, komme es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert würden (BFA vom 25. Januar 2018, S. 40 mit Verweis auf IRB vom 19. Januar 2016, S. 6 f.).

59

Der UNHCR führt in seinen Stellungnahmen aus November 2017 (S. 40, Fn. 227 unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des UNHCR aus Februar 2017) und vom 30. Mai 2017 (S. 2) aus, dass Berichten zufolge Wehr- bzw. Militärdienstentziehern eher als strafrechtliche Sanktionen (Inhaftierung) nach dem Militärstrafgesetz innerhalb von Tagen bzw. Wochen nach ihrer Festnahme ein Einsatz an vorderster Front drohe, oft nur mit einer minimalen Ausbildung. In der deutschen Übersetzung von April 2017 (S. 23 und Fn. 113) der in Bezug genommenen Stellungnahme vom Februar 2017 heißt es, dass Wehrdienstentzieher Berichten zufolge in der Praxis festgenommen und unterschiedlich lange inhaftiert würden, sie müssten danach in ihrer militärischen Einheit Dienst leisten. Aus Berichten gehe weiter hervor, dass sie während der Haft dem Risiko von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt seien. Als Referenz wird eine Anwältin von Human Rights Watch mit der Äußerung zitiert, Human Rights Watch wisse, dass Menschen in Syrien aufgrund ihrer Weigerung, in der Armee zu dienen, inhaftiert seien. Zudem wird ein Bericht aus Al Jazeera vom Juni 2016 angeführt, wonach mögliche Folgen für Wehrdienstentzieher umgehende Einziehung nach der Festnahme, Einsatz an vorderster Front, Untersuchung und Folter und/ oder Inhaftierung seien. Welche Konsequenz(en) die Wehrdienstentziehung habe, könne vom Profil der betreffenden Person, ihren Verbindungen und dem Gebiet abhängen (siehe auch UNHCR vom 30. Mai 2017, S. 4 Fn. 15: „…Die Quellen sprechen von mehreren möglichen Konsequenzen, wenn ein Wehrdienstentzieher von den Behörden gefasst wird; unmittelbar nach der Festnahme verordnete Einberufung in den Wehrdienst, Einsatz an vorderster Front, Ermittlungen und Folter, und/ oder Inhaftierung. Welche dieser Konsequenzen oder welche Kombination an aufgeführten Konsequenzen eine Person zu befürchten hat, hängt vom persönlichen Profil der Person, ihren Verbindungen und ihrem Wohnort ab. Wenn die Behörden besagte Person verdächtigen, in Verbindung mit Oppositionsgruppen zu stehen und mit diesen womöglich zu kooperieren, wird sie Ermittlungen und Misshandlungen einschließlich Folter unterzogen werden. …“.).

60

Der Bericht von Al Jazeera und die weiteren Ausführungen im Bericht des UNHCR deuten eher darauf hin, dass eine Inhaftierung mit Misshandlung und Folter dann droht, wenn aufgrund weiterer Umstände von einer oppositionellen Haltung der betroffenen Person ausgegangen wird. Dem Bericht der Anwältin hingegen ist nicht zu entnehmen, auf welche Tatsachengrundlage er gestützt wird. Auch eine bezifferte Dimension von Inhaftierungs- bzw. von Folterfällen kann dem Bericht nicht entnommen werden.

61

Soweit von einem Einsatz an vorderster Front innerhalb von wenigen Tagen und Wochen nach der Festnahme berichtet wird, führt der UNHCR in seiner Stellungnahme aus April 2017 an anderer Stelle (S. 25 und Fn. 122) aus, es sei gängige Praxis, Wehrpflichtige und Reservisten nach begrenzter Ausbildung oder ganz ohne militärische Ausbildung an den Frontlinien einzusetzen. Als Referenz wird in der Fußnote 122 der Syrienexperte des Institute for the Study of War (ISW), Herr Kozak, zitiert, wonach Reservisten fast grundsätzlich an die vorderste Front und neu eingezogene Wehrdienstleistende fast ohne Ausbildung in den Kampf geschickt würden. Aufgrund dessen kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass Militärdienstentzieher nach ihrer Festnahme härter behandelt werden als Personen, die der Einberufung zum Wehrdienst bzw. der Einberufung als Reservist gefolgt sind (vgl. zum sog. Politmalus: BVerfG, Beschluss vom 29. April 2009 – 2 BvR 78/08 – juris, Rn. 18 m.w.N.).

62

Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Inhaftierung lässt sich auch nicht aus der Stellungnahme von Herrn Kozak gewinnen, die in den Berichten des UNHCR vom November 2017 sowie vom 30. Mai 2017 wiedergegeben wird (UNHCR vom November 2017, S. 40, Fn. 226 - E-Mail von C. Kozak vom 6. Oktober 2017 -; UNHCR, Auskunft an VGH Kassel vom 30. Mai 2017, S. 3 Fn. 14 - E-Mail von C. Kozak vom 18. Mai 2017 -, vgl. auch S. 6, E-Mail vom 24. Mai 2017). Herr Kozak wird dahingehend zitiert, er habe Berichte gehört, wonach das Verhalten eingezogener Wehrdienstentzieher durch Militäroffiziere und andere Offizielle als verräterisch und regierungsfeindlich angesehen würde. In der Stellungnahme des UNHCR vom 30. Mai 2017 (S. 6) wird er dahingehend zitiert, dass die Regierung in der Praxis aufgrund des anhaltenden Bedarfes an Streitkräften ein begrenztes Interesse daran zeige, Wehrdienstentzieher den geltenden rechtlichen Sanktionen zu unterziehen. Anstatt langjähriger Gefängnisstrafen scheine die rasche Einberufung in den Wehrdienst die bevorzugte Reaktion auf Wehrdienstentziehung zu sein und zwar selbst bei Personen, die in Regionen wohnten, die zuvor unter der Kontrolle von Oppositionsgruppen gestanden hätten. Die meisten Wehrdienstentzieher befänden sich daher vermutlich nicht für lange Zeit im Strafverfolgungssystem. Die brutalen Bedingungen der Einziehung zum Militärdienst mit haftähnlicher Internierung auf Militärstützpunkten und minimalem Training vor dem Fronteinsatz blieben jedoch bestehen.

63

Auch wenn sich die verschiedenen Äußerungen inhaltlich nicht widersprechen, lassen sie hinsichtlich der beachtlichen Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgungshandlung verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu. Den Äußerungen von Herrn Kozak kann zudem nicht entnommen werden, auf welchen tatsächlichen Grundlagen sie beruhen, ob es sich um eine eigene Bewertung handelt oder diesen Äußerungen Erkenntnisse über entsprechende Vorgänge und ggf. in welcher Dimension bzw. unter welchen Umständen zugrunde liegen. Die weiteren vom UNHCR in der Stellungnahme vom 30. Mai 2017 (S. 6 f.) genannten Referenzquellen (J. Landis, R. Davis und L. Fakih) gehen nach ihrem Verständnis des Assad-Regimes bzw. auf der Grundlage von nicht näher genannten Interviews davon aus, dass Wehrdienstverweigerung als regierungsfeindlich angesehen werde. Den Äußerungen lässt sich ebenfalls – soweit es sich nicht nur um Wertungen handelt – keine Tatsachengrundlage entnehmen.

64

Der Danish Refugee Council (vom August 2017, S. 13 unter Hinweis auf C. Kozak) geht davon aus, dass die individuelle Verfolgung von einzelnen Personen, die sich dem Wehrdienst bzw. dem Militärdienst entzogen hätten, auch angesichts der Vielzahl derjenigen, die der Einberufung nicht gefolgt seien, nicht im Vordergrund stehe. Weiter wird dort (S. 13 f., Fn. 62) unter Berufung auf C. Kozak und andere Quellen ausgeführt, dass Wehrdienstentzieher, wenn sie festgenommen werden, riskierten zum Militärdienst eingezogen zu werden, während Deserteuren eher schwerere Konsequenzen drohten, wie Inhaftierung (imprisonment) oder die Todesstrafe.

65

Das Auswärtige Amt (Auskunft an VG Düsseldorf zu Az. 5 K 7221/16 A vom 2. Januar 2017, S. 2 f.) berichtet – wie bereits ausgeführt – allgemein über Befragungen von Rückkehrern aus dem Ausland und führt gleichzeitig aus, dass zu einer systematischen Anwendung von schwerwiegenden Eingriffen bei derartigen Befragungen keine Erkenntnisse vorlägen. Zur speziellen Verfolgungsgefahr für zurückkehrende Wehrdienstentzieher äußert sich das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 13. September 2017 an das Verwaltungsgericht Köln (S. 1). Es führt aus, dass über die Exekution von desertierten Soldaten berichtet werde, sowie über willkürliche Verhaftungen von Männern, die sich nicht ausweisen könnten und aus umkämpften Gebieten geflohen seien. „Dies gilt auch für Männer im wehrpflichtigen Alter, die sich dem Militärdienst entzogen haben“. Unabhängig von der genauen semantischen Bedeutung der zitierten Formulierung, ist die Belastbarkeit dieser weiter nicht belegten Äußerung vor allem angesichts der gegenteiligen Erkenntnisse, dass die Rekrutierung von Wehrpflichtigen im Vordergrund stehe, zumindest fraglich. In der Auskunft der deutschen Botschaft Beirut an das BAMF (3. Februar 2016, S. 1) wird von Fällen – auch im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Wehrdienst – berichtet, bei denen Rückkehrer befragt, zeitweilig inhaftiert und dauerhaft verschwunden seien. Dies stehe aber überwiegend in Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten.

66

Das Deutsche Orient-Institut führt in seiner Auskunft vom 8. November 2016 an das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (S. 1, 2) zwar aus, dass, wenn die Ausreise u.a. dem Zweck gedient habe, sich dem Wehrdienst zu entziehen, dies eine harte Bestrafung nach sich ziehe. Allerdings wird weiter ausgeführt, dass die zur Verfügung stehende Datenlage aufgrund der aktuellen Lage in Syrien hinsichtlich behördlicher Aktivitäten und Vorgehensweisen des syrischen Staates nicht immer belastbar sei.

67

Das IRB berichtet in seiner Stellungnahme vom 19. Januar 2016 (S. 5 f. dt. Übersetzung) von einer Gefährdung nicht gedienter Männer bei einer Einreise über die Flughäfen. Verschiedene Quellen hätten festgestellt, dass Männer im wehrfähigen Alter besonders gefährdet seien, von Sicherheitsbehörden am Flughafen und anderen Grenzübergangsstellen misshandelt zu werden. Es ist jedoch unklar, auf welcher Datenlage die benannten Quellen zu der Einschätzung gekommen sind und ob es bei den inhaftierten Personen weitere Anhaltspunkte für eine mögliche oppositionelle Einstellung oder das Zuschreiben einer regimefeindlichen Einstellung gab. So wird an anderer Stelle im Bericht auch ausgeführt (S. 4 f. dt. Übersetzung), dass es nur „limitierte“ Informationen bezüglich der Behandlung von syrischen Rückkehrern seit 2011 gebe bzw. es „sehr schwer“ sei, Informationen über die Behandlung von Rückkehrern durch Grenzbeamte zu erhalten, da die Presse darüber nicht berichten könne. Die im Weiteren geschilderten Einzelfälle können nach Ansicht des Senats schon angesichts der Vielzahl von Wehrdienstentziehern nicht als ausreichende Faktenlage für die Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung dienen.

68

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Auskunft vom 21. März 2017, S. 8) zitiert im Wesentlichen den Bericht des IRB vom 19. Januar 2016 (S. 8 f. dt. Übersetzung), wonach Männer im wehrdienstfähigen Alter besonders gefährdet seien, Opfer von Misshandlungen zu werden. Auf die vorstehenden Ausführungen zu dieser Stellungnahme wird Bezug genommen. Wehrdienstentziehern drohe je nach Profil und Umständen sofortiger Einzug zum Militär, Einzug an die Front oder Haft und Folter (SFH vom 23. März 2017, S. 10 m.w.N.). Mit Verweis auf den Finish Immigration Service führt die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a.a.O.) weiter aus, dass die Umsetzung der Bestrafung willkürlich sei. Die Bestrafung hänge von der Position und dem Rang des Deserteurs wie auch dem Bedarf an der Front ab. In einer Stellungnahme vom 18. Januar 2018 (S, 7 f.) führt die Schweizerische Flüchtlingshilfe unter Verweis auf den UNHCR weiter aus, dass Wehrdienstentziehung als oppositionelle Handlung bewertet und Wehrdienstentzieher in der Praxis zu unterschiedlich langen Haftstrafen verurteilt würden. In der Haft komme es zu Folter und anderen Misshandlungen.

69

Das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA vom 5.1.2017, S. 27) führt unter Berufung auf den Danish Immigration Service aus, dass ein Wehrdienstverweigerer, der aufgegriffen würde, zum Dienst in der Armee geschickt werden könnte. Die Konsequenzen hingen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gebe, wären die Folgen ernster. Im Bericht des Bundesamtes aus August 2017 (S. 20 und Fn. 51) geht dieses unter Berufung auf Interviews mit einer europäischen diplomatischen Quelle in Beirut am 18. Mai 2017 sowie vom selben Tag mit Lama Fakih davon aus, dass bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung die Meinungen der Quellen auseinandergingen. Während die einen darin eine „Foltergarantie“ und ein „Todesurteil“ sähen, würden andere sagen, dass Verweigerer sofort eingezogen würden.

70

In der schriftlichen Auskunft an das Verwaltungsgericht Dresden (Az. 5 A 1337/17.A) vom 6. Februar 2017 gibt die als Sachverständige beauftrage Petra Becker an, dass derjenige, der sich dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland entzieht, bei seiner Rückkehr mit Gefängnis und Folter rechnen müsse, auch wenn sie es für das Wahrscheinlichste halte, dass ein rückkehrender Wehrpflichtiger bei seiner Einreise direkt dem Wehrdienst zugeführt wird.

71

Abgesehen von der danach unklaren und mit nur wenig Fakten belegten Erkenntnislage sind nach Auffassung des Senats zudem die nachfolgenden Erwägungen bei der Beurteilung, ob zurückkehrenden Wehrdienstverweigerern beachtlich wahrscheinlich eine Bestrafung und/ oder Inhaftierung droht, wenn keine individuellen Anhaltspunkte auf eine Regimegegnerschaft hindeuten, zu berücksichtigen:

72

Die syrische Armee ist durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen erheblich geschwächt und hat einen Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Es wird berichtet (BFA vom 25. Januar 2018, S. 23 und vom 5. Januar 2017, S. 23; DRC vom August 2017, S. 8; SFH vom 23. März 2017, S. 2), dass viele Männer ihrer Einberufung nicht Folge leisten. Auskünften zufolge sollen die kampffähigen Truppen der syrischen Armee von ehemals 300.000 Soldaten auf ca. 125.000 bis 175.000, nach anderen Angaben auf 80.000 bis 100.000 reduziert worden sein. Bereits im Jahr 2014 soll das Assad-Regime nur noch über 100.000 Soldaten verfügt haben (UNHCR vom 30. Mai 2017, S. 2, Fn. 7 unter Verweis auf C. Kozak), von denen nur 30.000 bis 40.000 Soldaten den Eliteeinheiten angehören, die tatsächlich in der Lage gewesen seien, militärische Operationen durchzuführen (SFH vom 23. März 2017, S. 2). Anderen Angaben zufolge soll die syrische Armee im November 2016 nur noch über 50.000 Soldaten verfügt haben (SFH vom 23. März 2017, S. 2, Fn. 6).

73

Hinzu kommt, dass diverse Quellen berichten, die syrische Armee sei inzwischen nur teilweise in große Militäroperationen involviert. Bei diesen verlasse sich das Assad-Regime auf eine Mischung aus Elite-Einheiten, loyalen Milizen und ausländischer Unterstützung, insbesondere die iranischen „Islamischen Revolutionsgarden“, afghanische und irakische schiitische Milizen und die libanesischen Hisbollah-Milizen. Diejenigen Einheiten, in denen Wehrpflichtige überwiegend eingesetzt würden, seien daran nicht beteiligt (DRC vom August 2017, S. 9; zum militärischen Einfluss von Russland, dem Iran anderen internationalen Akteuren vgl. BFA vom 25. Januar 2018, S. 9, 13, 19; Bundeszentrale für politische Bildung vom 20. Oktober 2017, Syrien – Die aktuelle Situation; SFH vom 23. März 2017, S. 3 f.; Spiegel-Online vom 4. April 2018 – Dreigipfel zu Syrien – Teile und herrsche).

74

Gleichzeitig hat das syrische Regime verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die personellen Verluste zu kompensieren. Es wird beispielsweise über Verhaftungen von Deserteuren und von Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, sowie Zwangsrekrutierungen berichtet (SFH vom 23. März 2017, S. 2). Darüber hinaus wird geschildert, das Assad-Regime verlange bei Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, dass die jungen Männer der Region in die syrische Armee eintreten. Nach der Eroberung von Ost-Aleppo sollen etwa 5000 Männer in den Wehrdienst eingezogen worden sein. Selbst Häftlinge sollen unter Druck gesetzt werden, in die syrische Armee einzutreten (vgl. SFH vom 23. März 2017, S. 7). Auch intern Vertriebene werden an ihren neuen Aufenthaltsorten registriert und in den Militärdienst aufgeboten (SFH vom 28. März 2015 [Mobilisierung], S. 2). Andererseits versucht das Assad-Regime, mit Amnestien und der Erhöhung des Soldes Anreize für den Eintritt in den Militärdienst zu schaffen (SFH vom 23. März 2017, S. 3, 12; BFA vom August 2017, S. 23).

75

Dem Bestreben des Assad-Regimes nach einer Erhöhung der Zahl seiner Militärangehörigen durch Rekrutierung dürfte es auch angesichts der Berichte darüber, dass den Einberufungen im großem Umfang (nach Angaben der SFH sollen zwischen 70.000 bis 110.000 Soldaten desertiert sein oder sich dem Wehrdienst entzogen haben) nicht Folge geleistet wird (DRC vom August 2017, S. 8; SFH vom 23. März 2017, S. 2), widersprechen, wenn die so rekrutierten Soldaten zunächst inhaftiert und dann gegebenenfalls misshandelt und im schlimmsten Fall getötet würden. So wird auch berichtet, dass dem Regime nicht daran liege, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es würden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (BFA vom 25.Januar 2018 mit Verweis auf FIS vom 23. August 2016).

76

Diese Einschätzung wird nicht dadurch entkräftet, dass ein hoher Vertreter des syrischen Militärs eine harte Bestrafung der Zurückkehrenden angekündigt hat (Spiegel vom 11. September 2017, Assads Top-General droht Flüchtlingen). Es fehlen zureichende Anhaltspunkte dafür, dass diese Einzeläußerung repräsentativ für das syrische Regime gestanden hat. So hat Präsident Assad Ende 2015 in einem TV-Interview Gegenteiliges erklärt (vgl. hierzu OVG Koblenz, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 1 A 10922/1 – juris, Rn. 50 f.; OVG Münster, Urteil vom 21. Februar 2017 – 14 A 2316/16 – juris, Rn. 66 f.). Nach einer Auskunft der Deutschen Orient-Stiftung (an VG Freiburg zum Az. 4 A 3 K 3579/16 vom 29. November 2017) seien die Äußerungen des Generals nicht über das offizielle Sprachrohr der syrischen Regierung erfolgt. Neben verschiedenen Medienberichten würden von offizieller Seite keine Stellungnahmen, Bestätigungen oder Dementi vorliegen. Nach einem englischen Zeitungsbericht habe sich der zwischenzeitlich Verstorbene Issam Zaherddine später für seine Äußerung entschuldigt und klargestellt, dass er Kämpfer des IS und Rebellen gemeint habe, die syrische Truppen getötet hätten (vgl. The Telegraph vom 18. Oktober 2017, zitiert nach https://www.telegraph.co.uk/news/ 2017/10/18/top-syrian-general-killed-isil-landmine-near-deir-ezzor/).

77

Bei der vom Senat anzustellenden Prognose ist zudem die große Anzahl von syrischen Flüchtlingen im (benachbarten) Ausland zu berücksichtigen (siehe oben zu den konkreten Zahlen). Allein unter den vom UNHCR erfassten 5,6 Mio. Flüchtlingen befinden sich circa 25 % männliche Flüchtlinge im Alter zwischen 18 und 59 Jahren. Bei der bei der Prognose zu unterstellenden Rückkehr einer Vielzahl dieser Flüchtlinge nach Syrien kann nicht sicher vorhergesagt werden, wie sich das syrische Regime diesen gegenüber verhalten wird. Insbesondere eine Bestrafung auch nur eines beachtlichen Teils dieser mehr als 1,5 Millionen männlichen Rückkehrer ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Ergänzend ist – wie bei der allgemeinen Rückkehrfrage – darauf hinzuweisen, dass auch der Umstand, dass seit 2015 rund 260.000 Syrer, davon 31.000 im 1. Halbjahr 2017, zumindest zeitweise nach Syrien zurückgekehrt sind – darunter dürften auch Männer im wehrdienstfähigen Alter sein – Zweifel daran begründet, dass eine Inhaftierung einer signifikanten Zahl von Rückkehrern im wehrdienstfähigen Alter beachtlich wahrscheinlich ist.

78

Angesichts der dargestellten Erwägungen zum Personalbedarf in der syrischen Armee und der hohen Zahl von ausgereisten männlichen syrischen Bürgern sowie den Auskünften, die dafür sprechen, dass Wehrdienstentzieher nach einer Festnahme ohne vorangegangenes Strafverfahren oder Strafhaft umgehend zum Militärdienst eingezogen werden, sind für den Senat die (vereinzelten) Berichte über konkrete Verfolgungsfälle im Zusammenhang mit der Wehr- bzw. Militärdienstentziehung quantitativ und qualitativ nicht ausreichend, um eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung annehmen zu können. Diversen Berichten fehlt vor allem die Angabe einer die jeweiligen Einschätzungen stützenden Tatsachengrundlage. Eine solche wäre angesichts der dargestellten entgegenstehenden Gesichtspunkte jedoch erforderlich.

79

(2) Ungeachtet der Bewertung, dass danach bereits eine Verfolgungshandlung nicht beachtlich wahrscheinlich angenommen werden kann, lassen sich den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nach Ansicht des Senats keine hinreichend verlässlichen und ausreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Wehrdienst- bzw. Militärdienstentziehern beachtlich wahrscheinlich durch das syrische Regime eine regimefeindliche Haltung unterstellt wird und ihnen daher in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgung droht. Es fehlt mithin auch an der gemäß § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund.

80

Neben den bereits Eingangs (oben cc) vor (1), S. 37 f.) dargestellten Erwägungen sind folgende Erkenntnisse und Gesichtspunkte im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen:

81

Die syrische Armee rekrutiert Berichten zufolge grundsätzlich unabhängig von ethnischen oder religiösen Hintergründen (SFH vom 28. März 2015, S. 2 f.). Bei der Einberufung, die auf Grundlage des Kriegsrechts innerhalb weniger Tage erfolgen kann, wird zudem keine Unterscheidung zwischen Anhängern bzw. Unterstützern des Regimes und potentiellen Oppositionellen gemacht (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee vom 30. Juli 2014, S. 7). Dies zeigt sich auch daran, dass bei Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, verlangt wird, dass die jungen Männer der Region in die syrische Armee eintreten (SFH vom 23. März 2017, S. 7, und vom 28. März 2015, S. 2 f.).

82

Wie bereits dargestellt, ergibt sich aus einer Vielzahl der vom Senat ausgewerteten Erkenntnisquellen, dass die Bestrafung von Wehrdienstverweigerern willkürlich erfolgt und häufig von der Position und dem Rang des Betreffenden, der Herkunftsregion aber auch von dem Bedarf an der Front abhängig ist. Bestehe der Verdacht, dass Kontakte zur Opposition bestehen, würden die Untersuchungen und Folter intensiviert (SFH vom 23. März 2017, S. 10 mit Verweis auf FIS vom 23. August 2016, S. 12 f. und weitere Quellen; BFA vom 5. Januar 2017, S. 27). Ebenfalls wird berichtet, dass einige der Festgenommenen zwar zu Haftstrafen verurteilt und dann eingezogen würden, andere aber lediglich verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt würden (SFH vom 28. März 2015, S. 4). An anderer Stelle weist die Schweizerische Flüchtlingshilfe (vom 21. März 2017, S. 10) darauf hin, dass prinzipiell davon ausgegangen werden müsse, dass jede Person, die nach Syrien zurückkehre, verhaftet und misshandelt werden könne. Die Willkür zeige sich auch darin, dass sich Einzelne mit Bestechung freikaufen könnten. Amnesty International beschreibe den weit verbreiteten Opportunismus der syrischen Sicherheitsbeamten, die entweder aus Profitgier oder aus persönlicher Rache Menschen verhaften und verschwinden ließen. Auch seien viele Menschen in Haft, weil sie aus persönlichen Gründen von Informanten diffamiert worden seien. Diese Willkür spiegele sich auch in der Struktur der Sicherheitsdienste wieder (SFH vom 21. März 2017, S. 10).

83

Der UNHCR gibt an, dass nach Stellungnahmen unabhängiger Beobachter Wehrdienstentziehung „wahrscheinlich“ als politischer Akt gegen die Regierung aufgefasst werde, was die Behandlung, der Wehrdienstentzieher ausgesetzt seien, ganz oder teilweise motivieren könne. Es könne zur einer Bestrafung kommen, die über die strafrechtlich vorgesehenen Sanktionen hinausgehe, einschließlich härtere Behandlung bei der Inhaftierung, während der Haft und Befragungen sowie während des militärischen Einsatzes (Bericht vom November 2017, S. 39 unten/ S. 40 oben mit Fn. 224; Auskunft an VGH Kassel vom 30. Mai 2017, S. 3 mit Fn. 13 und 14, S. 6 f.). Wie bereits oben dargestellt, führt der UNHCR allerdings in seiner Stellungnahme vom 30. Mai 2017 (S. 3) weiter aus, dass „oft nicht zu unterscheiden und festzustellen“ sei, ob die gegen die Betroffenen angewandten Sanktionen als Antwort auf die Straftat der Wehrdienstentziehung oder auf die unterstellten oppositionellen Überzeugungen erfolgten. Auch im Bericht vom November 2017 wird ausgeführt, dass Berichten zufolge Wehrdienstentzieher aber eher, als dass sie nach dem Militärstrafgesetzbuch bestraft, innerhalb von Tagen oder Wochen nach ihrer Verhaftung an die Front geschickt würden, oft nur nach minimaler Ausbildung. Anderen Berichten zufolge gebe es auch Deserteure, die nachdem sie aufgegriffen wurden, in den Militärdienst bzw. an die Front geschickt worden seien (DRC, August 2017 S. 14 Fn. 67 – 69; SFH vom 23. März 2017, S. 10 m.w.N.). Die vom UNHCR angeführten Referenzquellen lassen – auch dies ist bereits oben festgestellt worden – zudem nicht erkennen, auf welcher Tatsachengrundlage die Einschätzung der Unterstellung einer regimefeindlichen Haltung beruht.

84

Der vom UNHCR als Referenzquelle genannte Herr Kozak hat angegeben (UNHCR vom 30. Mai 2017, S. 3, Fn. 14, E-Mail von C. Kozak vom 18. Mai 2017), er habe gehört, dass das Verhalten von bereits einberufenen Wehrdienstverweigerern von Militäroffizieren und anderen Beamten als verräterisch und regierungsfeindlich angesehen werde könne. In der Stellungnahme des UNHCR vom November 2017 (S. 39, Fn. 224) wird Herr Kozak dahingehend zitiert (E-Mail vom 6. Oktober 2017), dass nach seiner Einschätzung die Regierung Sanktionen gegen Wehrdienstentzieher als strafrechtliche Ahndung verhänge, aber auch weil sie die Wehrdienstentziehung als politische oder regierungsfeindliche Tätigkeit ansehe.

85

Die in der Stellungnahme des UNHCR vom 30. Mai 2017 (S. 6) aufgeführten weiteren Referenzquellen (J. Landes, R. Davis und L. Fakih) geben z.T. ihre subjektive Einschätzung wieder. Es ist nicht erkennbar, auf Grundlage welcher Fakten (genannt werden von R. Davis „Interviews“) diese Einschätzung erlangt worden ist. Bei der Bewertung der Stellungnahme des UNHCR vom 30. Mai 2017 (S. 4) ist weiterhin zu beachten, dass dort die Relevanz des Vorliegens weiterer Risikofaktoren herausgestellt wird, mithin das persönliche Profil der jeweiligen Person die Gefahr von Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein, maßgeblich mitbestimmt (weitere Ausführungen hierzu siehe oben und Fn. 18 auf S. 4 der Stellungnahme des UNHCR, wo es heißt: „Berichten zufolge verhaftete die Regierung Männer im wehrdienstfähigen Alter, bei denen eine Verbindung mit Oppositionsgruppen vermutet wurde, insbesondere Sunniten.“).

86

Weiter wird berichtet, dass die Ausbildungszeit der Wehrpflichtigen oft kurz (45 Tage) sei (BFA vom August 2017, S. 18) und die Betreffenden häufig unverzüglich an die Front geschickt würden (UNHCR vom April 2017, S. 25 f.). Angesichts der Schilderungen, dass dies scheinbar alle Wehrpflichtigen und Reservisten treffe (vgl. UNHCR vom April 2017, S. 25 und Fn. 122), ist die Annahme nicht belastbar, wonach dies nur Wehrdienstverweigerer oder Reservisten treffe, die sich der Einberufung entzogen haben. Es ist daher auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dies in Anknüpfung an eine aufgrund der Wehrdienstentziehung dem Kläger zu 1) zugeschriebene regimefeindliche Haltung erfolgt.

87

Die Unabhängige Untersuchungskommission für Syrien führt im Bericht vom 11. August 2016 (A/HRC/33/55, S. 13 Rn. 75) aus, dass Zivilisten, hauptsächlich Männer im kampffähigen Alter, weiterhin von den Straßen Syriens verschwinden würden. Zehntausende von Syrern würden vermisst, viele unter Umständen, die vermuten ließen, dass sie gewaltsam verschwunden seien. Nicht weiter erläutert wird, ob es sich um (Zwangs-)Rekrutierungen oder Inhaftierungen handelt und aus welchen Gründen diese erfolgten.

88

Insbesondere das dargestellte (Rekrutierungs-)Verhalten des syrischen Regimes scheint insoweit primär durch Überlegungen zur Erhaltung seiner Macht gekennzeichnet zu sein. Demgegenüber fehlen nach Auffassung des Senats jedenfalls hinreichend verdichtete Erkenntnisse darüber, wie das syrische Regime mit der bei der Prognose zu unterstellenden Vielzahl zurückkehrender Männer, die sich der Einberufung zum Wehrdienst oder dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland entzogen haben, umgehen würde und ob ihnen allein wegen der Wehrdienstentziehung eine oppositionelle Haltung unterstellt würde. Darüber hinaus ist berücksichtigen, dass sich wehrpflichtige Männer durch eine Flucht aus einem „Oppositions-Gebiet“ auch einem etwaigen Einsatz in Einheiten, die gegen das syrische Herrschaftsregime kämpfen, entzogen haben.

89

Die gebotene Gesamtwürdigung der dargelegten Auskünfte, die in erheblichem Umfang von willkürlichen Verhaltensweisen des Regimes und seiner Vertreter berichten, der bereits zu der Frage einer Verfolgungshandlung ausgewerteten Erkenntnislage sowie der dargelegten Interessenlage des syrischen Regimes im Hinblick auf die Rückführung der Vielzahl von Wehr- und Militärdienstentziehern in die syrische Armee führt nach Auffassung des Senats zu der Schlussfolgerung, dass eine Inhaftierung und anschließende Misshandlung und damit eine Verfolgungshandlung wegen einer (unterstellten) regimefeindlichen Haltung nicht als beachtlich wahrscheinlich anzusehen ist, sofern nicht weitere risikoerhöhende Faktoren in der jeweiligen Person vorliegen (so im Ergebnis auch OVG Koblenz, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 1 A 10922/16 – juris, Rn. 139 ff.; OVG Saarlouis, Urteil vom 2. Februar 2017 – 2 A 515/16 – juris, Rn. 31; OVG Münster, Urteil vom 4. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A – juris, Rn. 53 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 27. Juni 2017 – 2 LB 91/17 – juris, Rn. 85 ff.; OVG B-Stadt, Urteil vom 11. Januar 2018 – 1 Bf 81/17.A – juris, Rn. 131 ff.; bejahend, wenn auch nicht entscheidungserheblich OVG Bremen, Urteil vom 24. Januar 2018 – 2 LB 194/17 – juris, Rn. 71).

90

Andere Obergerichte (VGH München, Urteil vom 14. Februar 2017 – 21 B 16.31001 – juris; VGH Mannheim, Urteil vom 28. Juni 2017 – A 11 S 664/17 – juris; VGH Kassel, Urteil vom 6. Juni 2017 – 3 A 3040/16.A – juris, für rückkehrende Wehrdienstentzieher, die aus einem regierungsfeindlichen Gebiet stammen; OVG Bautzen, Urteil vom 7. Februar 2018 – 5 A 1245/17.A – juris, Rn. 38 ff.) sind zu der Überzeugung gelangt, dass nach Syrien zurückkehrenden Männern mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Inhaftierung und menschenrechtswidrige Misshandlung droht, weil ihnen vom syrischen Regime eine regimefeindliche Haltung zugeschrieben werde. Zum Teil wird dies, da keine hinreichenden Erkenntnisse über nach Syrien zurückkehrende Männer vorliegen, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst durch Flucht ins Ausland entzogen haben, aus der Brutalität des Vorgehens des Assad-Regimes gegenüber Regimegegnern, insbesondere aus dem Vorgehen der Geheimdienste, geschlossen sowie aus dem Charakter des um seine Existenz kämpfenden Staates zur Wiederherstellung seines Herrschaftsmonopols abgeleitet (vgl. VGH München, a.a.O., Rn. 83 ff.; dort heißt es wörtlich: „Vor diesem Hintergrund [Anmerkung: Das Vorliegen nur vereinzelter Fallbeispiele und dass von Referenzfällen nicht ausgegangen werden könne, siehe Rn. 82] ergibt sich die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale vornehmlich aus dem Charakter des um seine Existenz kämpfenden Staates und den von seinen Machthabern mit größter Härte und unter Einsatz menschenrechtswidriger Mittel verfolgten Zielen.“). Andererseits wird angenommen, dass eine harte und menschenrechtswidrige Bestrafung von Männern, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, belegt sei, und von der erforderlichen Gerichtetheit auf Merkmale i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG im Hinblick auf den gegen die Zivilbevölkerung geführten Vernichtungskrieg, das dominierende Freund-/ Feind-Schema und wegen der Intensität der Verfolgungsmaßnahmen auszugehen sei (VGH Mannheim, Urteil vom 28. Juni 2017 – A 11 S 664/17 – Rn. 59 ff.; an diese Bewertung schließt sich das OVG Bautzen, a.a.O, juris, Rn. 40 ff. an; dieses geht weiterhin davon aus [a.a.O. Rn. 35], dass Rückkehrern im wehrdienstfähigen Alter nicht nur die gesetzlich dafür vorgesehene Bestrafung und/ oder die Einziehung droht, sondern insbesondere im Zusammenhang mit den drohenden Verhören und Bestrafungen auch Folter und der Einsatz an der Front mit oft nur minimaler Ausbildung, d. h. als „Kanonenfutter“.).

91

Der Einschätzung der benannten Obergerichte ist nicht zu folgen. Es ist – wie bereits dargestellt – schon zweifelhaft, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgungshandlung ausgegangen werden kann oder ob nicht vielmehr den Erkenntnisquellen in erforderlichem Maße entnommen werden kann, dass Personen, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, im ausgeführten Gesamtkontext und angesichts des Bedarfs an Soldaten (nur) in das Militär eingezogen werden bzw. eine Inhaftierung nur beim Vorliegen von risikoerhöhenden Faktoren erfolgt. Zudem werden das nach dem dargestellten Erkenntnisstand beachtliche Interesse des syrischen Regimes an einer Truppenverstärkung und die schon immer praktizierte Einbindung auch oppositioneller Gruppen in die syrische Armee sowie der Umstand, dass sich die Betreffenden durch Flucht aus einer regierungsfeindlichen Zone dem Konflikt und damit der Einnahme durch den Regierungsgegner gerade entzogen haben, nicht zureichend in die Bewertung aufgenommen (ebenso OVG Lüneburg, zuletzt mit Beschluss vom 22. Februar 2018 – 2 LB 1789/17 – juris, Rn. 123, dessen Würdigung sich der Senat anschließt).

92

Jedenfalls das Fehlen einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit für eine an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal anknüpfende Verfolgungshandlung beruht auf einer anderen Bewertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen und den dem syrischen Regime zu unterstellenden Handlungsmotiven. Es ist nämlich fraglich, ob als handlungsleitendes Muster des Assad-Regimes ein solches Freund-/ Feind-Schema vorliegt, welches darauf schließen lässt, dass im Grunde jeder Wehrdienstentzieher als Gegner des Herrschaftsregimes angesehen wird. Neben der sich aus den Erkenntnisquellen ergebenden Willkür einzelner staatlicher Akteure dürften die Handlungen des syrischen Regimes vor allem dadurch bestimmt sein, was der Machterhaltung bzw. dem Vorteil des Regimes dient.

93

Des Weiteren ist bei der Gesamtwürdigung Folgendes zu berücksichtigen: Angesichts des kulturübergreifend verbreiteten Phänomens der Furcht vor einem Kriegseinsatz als Motivation zur Wehrdienstentziehung in Kriegszeiten dürfte es für jedermann auf der Hand liegen, dass Flucht und Asylbegehren syrischer Wehrpflichtiger in der Regel nichts mit politischer Opposition zum syrischen Regime, sondern allein mit – verständlicher – Furcht vor einem Kriegseinsatz zu tun hat. Es hieße, dem syrischen Regime ohne greifbaren Anhalt Realitätsblindheit zu unterstellen, wenn angenommen würde, es könne dies nicht erkennen und schreibe deshalb jedem Wehrdienstentzieher eine gegnerische politische Gesinnung zu. Für eine solche Annahme des Regimes gibt es keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Sie ist zudem nicht derartig verifiziert, dass darauf die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung gestützt werden kann (so ausdrücklich OVG Münster, Urteil vom 4. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A – juris Rn. 70; ebenso OVG Koblenz, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 1 A 10922/16 – juris, Rn. 153; OVG Saarlouis, Urteil vom 2. Februar 2017 – 2 A 515/16 – juris, Rn. 31; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Februar 2018 – 2 LB 1789/17 – juris, Rn. 99).

94

Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof benennt zu dem entscheidenden Punkt, dass der syrische Staat Wehrdienstentziehern eine oppositionelle Gesinnung unterstelle (VGH München, Urteil vom 12. Dezember 2016 – 21 B 16.30372 – juris, Rn. 72, 78 f.) keine tatsächlichen Anhaltspunkte, sondern beschränkt sich auf eine Spekulation. Die von ihm festgestellten Tatsachen, dass der syrische Staat wegen des bürgerkriegsbedingt hohen Bedarfs an Soldaten versucht, wehrdienstpflichtige Männer im Lande zu halten, Reservisten einzuberufen und nach ungedienten Wehrpflichtigen zu fahnden (vgl. VGH München, Urteil vom 12. Dezember 2016 – 21 B 16.30372 – juris, Rn. 60 ff.), erklären das brutale Vorgehen gegen Wehrdienstentzieher ohne jeden Zusammenhang mit der politischen Gesinnung der Wehrpflichtigen. Soweit eingewandt wird, das syrische Regime sei unberechenbar, rationale Überlegungen könnten ihm nicht unterstellt werden, so mag das zutreffen (zur willkürlichen Gewaltanwendung syrischer Sicherheitskräfte vgl. SFH vom 21. März 2017, S. 8 f). Daraus folgt aber lediglich, dass mit willkürlicher Anwendung von Folter und willkürlichen Misshandlungen gerechnet werden muss, also gerade nicht mit (systematischen) Verfolgungshandlungen in Verknüpfung mit spezifischen Verfolgungsgründen. Solche willkürliche, von den spezifischen Verfolgungsgründen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG losgelöste Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung begründen jedoch keinen Flüchtlingsschutz, sondern einen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, den der Kläger zu 1) bereits von der Beklagten zuerkannt bekommen hat (ebenso zum Ganzen: OVG Münster, Urteil vom 4. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A – juris, Rn. 76 ff.).

95

Auch der im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg enthaltene Hinweis auf „Willkür“, extralegale Tötungen, Folterungen und Verschwindenlassen „von Personen jeder Herkunft ungeachtet des konkreten Hintergrundes“ weist nach den vorangehenden Ausführungen nicht auf eine politische Gerichtetheit, sondern vielmehr auf das Fehlen eines Verfolgungsgrundes hin. Es fehlt für die Flüchtlingsanerkennung mithin an der erforderlichen Zielrichtung, die der Maßnahme unter den jeweiligen Umständen ihrem Charakter nach zukommen muss (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 – 10 C 52.07 – juris, Rn. 22, 24). Nach Auffassung des Senats ist auch die besondere Intensität der drohenden Verfolgungshandlungen angesichts des seit jeher stark repressiven Charakters des syrischen Staates nicht geeignet, die Gerichtetheit der drohenden Maßnahmen auf einen Verfolgungsgrund zu indizieren (ebenso ausdrücklich OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Februar 2018 – 2 LB 1789/17 – juris, Rn. 123). Angesichts der in Syrien generell herrschenden Brutalität und Willkür von Sicherheits- und Justizorganen stellt die Anwendung von Folter als solche jedenfalls kein gewichtiges Indiz für die politische Motiviertheit einer Verfolgung wegen Wehrdienstentziehung dar (ebenso OVG Koblenz, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 1 A 10922/16 – juris, Rn. 154).

96

Hieran hält der Senat fest. Neue Erkenntnisse haben sich seitdem nicht ergeben.

97

dd) Ein Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Zusammenhang mit einer möglichen Rekrutierung folgt auch nicht aus § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3a Abs. 2 Nr. 5, § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG.

98

Nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG kann die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, eine Verfolgungshandlung sein. § 3 Abs. 2 AsylG erfasst Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

99

Es ist bereits fraglich, ob eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass dem Kläger überhaupt Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG droht. Nach dem oben Gesagten hat sich der Kläger durch seine Ausreise und den längeren Auslandsaufenthalt zwar einer Wehrdienstentziehung strafbar gemacht, es ist jedoch schon nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er deshalb auch tatsächlich mit einer Verfolgungshandlung zu rechnen hat. Unabhängig davon hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass er im Falle einer sich der Rückkehr nach Syrien anschließenden Rekrutierung den Militärdienst deshalb verweigern werde, weil dieser Handlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 AsylG umfassen würde. Der Kläger hat auch nicht in Syrien den Wehrdienst verweigert, sondern sich diesem „nur“ durch Flucht entzogen. Ob diese Fallgestaltung – Entziehung durch Flucht – überhaupt dem Begriff der Wehrdienstverweigerung i. S. d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG unterfällt, ist zumindest zweifelhaft (verneinend OVG Münster, Urteil vom 4. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A – juris, Rn. 95). Der Senat kann die Beantwortung dieser Frage aufgrund der nachfolgenden Erwägungen jedoch offenlassen. Im Urteil vom 4. Mai 2018 (2 LB 17/18, juris Rn. 147 f.) hat er insoweit Folgendes ausgeführt:

100

Zwar ist bekannt, dass die verschiedenen, teilweise durch Interessen von außen gesteuerten Konfliktparteien des Bürgerkriegs in Syrien schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen haben (vgl. UNHCR vom November 2017, S. 9, AI, Report Syrien 2018, S. 2 ff.; Human Rights Watch vom 13. Februar 2017, Syria: Coordinates Chemical Attacks on Aleppo; OVG Münster, Urteil vom 4. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A – juris, Rn. 92; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Februar 2018 – 2 LB 1789/17 – juris, Rn. 104 m.w.N.). Auch kann sich grundsätzlich jeder Militärangehörige auf § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG berufen, auch derjenige, der lediglich logistische oder unterstützende Funktionen hat; die Vorschrift ist damit nicht darauf beschränkt, dass der betreffende Militärangehörige persönlich Verbrechen der genannten Art begehen müsste (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – C-472/13 – Shepherd, juris, Rn. 33, 37 zu dem der Regelung zugrunde liegenden Artikel 9 Abs. 2 lit. e der Richtlinie 2004/83/EG).

101

Jedoch kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Union der Schutz auf nicht den Kampftruppen angehörende Personen nur dann ausgedehnt werden, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheint, dass sie sich bei der Ausübung ihrer Funktionen in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müssten (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – C-472/13 – juris, Rn. 38). Folglich obliegt es demjenigen, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen möchte, mit hinreichender Plausibilität darzulegen, dass die Einheit, der er angehört, die Einsätze, mit denen sie betraut wurde, unter Umständen durchführt oder in der Vergangenheit durchgeführt hat, unter denen Handlungen der in dieser Bestimmung genannten Art mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen werden oder wurden (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – C-472/13 – juris, Rn. 43). Es muss also der geleistete Militärdienst selbst in einem bestimmten Konflikt die Begehung von Kriegsverbrechen umfassen, einschließlich der Fälle, in denen der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft Begehrende nur mittelbar an der Begehung solcher Verbrechen beteiligt wäre, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheint, dass er durch die Ausübung seiner Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Verbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würde (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – C-472/13 – juris, Rn. 46).

102

Hiervon ist im Falle des Klägers nicht auszugehen. Der Kläger ist als ungedienter Wehrpflichtiger überhaupt keiner Einheit zugeteilt, sondern muss seine militärische Ausbildung noch durchlaufen. Erst danach könnte sich überhaupt absehen lassen, ob und wie er tatsächlich mit den genannten Handlungen in Berührung kommen könnte (vgl. zu dieser Konstellation OVG Münster, Urteil vom 4. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A – juris, Rn. 94)

103

Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht mehr auf die Frage an, ob es im Hinblick auf § 3a Abs. 2 Nr. 5, § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG ebenso wie bei den übrigen Verfolgungshandlungen einer Verknüpfung gemäß § 3a Abs. 3 AsylG bedarf (bejahend u.a. OVG Münster, Urteil vom 4. Mai 2017 – 14 A 2023/16.A – juris, Rn. 87, und Beschluss vom 7. November 2017 – 14 A 2295/17.A – juris, Rn. 16; vgl. zum Meinungsstand OVG Lüneburg, Urteil vom 27. Juni 2017 – 2 LB 91/17 – juris, Rn. 97 ff.), die voraussetzen würde, dass dem Kläger wegen einer unterstellten Wehrdienstverweigerung beachtlich wahrscheinlich eine an die ihm zugeschriebene politische Überzeugung anknüpfende Bestrafung droht, die sich als härter als üblich darstellt (sog. Politmalus).

104

d) Selbst wenn man beim Kläger alle vorgenannten Umstände – die illegale Ausreise und/ oder den längeren Aufenthalt im westlichen Ausland und eine dort erfolgte Asylantragstellung, die Glaubens- und Volkszugehörigkeit, die regionale Herkunft sowie die Frage der Wehrdienstentziehung – zusammen in die zu treffende Prognoseentscheidung einbezieht, ergibt sich daraus keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine flüchtlingsrechtlich relevante (politische) Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG. Beim Kläger liegen keine besonderen, individuell gefahrerhöhenden Umstände vor, weshalb ihm vom syrischen Regime eine oppositionelle Haltung unterstellt werden könnte und ihm deshalb Verfolgungsmaßnahmen drohten.

105

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.

106

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

107

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.


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