Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 MB 2/20

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer - vom 19. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

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Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, als Beteiligter zu einem beim Antragsgegner geführten Verwaltungsverfahren hinzugezogen zu werden. Das Verwaltungsverfahren betrifft den Erlass wasser- und abfallrechtlicher Verfügungen oder auch verwaltungsvollstreckungsrechtliche Maßnahmen in Bezug auf ein Grundstück, welches derzeit vom Vater des Antragstellers bewirtschaftet wird. Sein Vater erhielt das Grundstück als Vorerbe und ist Adressat der behördlichen Maßnahmen; der Antragsteller ist gemeinsam mit seinem Bruder als Nacherbe eingesetzt.

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Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2019 ist zulässig, aber unbegründet. Dabei kann offenbleiben, ob der im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag,

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„unter Abänderung des Beschlusses des VG zum Az. 6 B 40/19 vom 19.12.2019 im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO festzustellen, dass der Antragsteller gemäß Antrag vom 18.03.2019 und 20.09.2019 seitens der Antragsgegnerin als Beteiligter dem Verfahren im Verwaltungsvorgang A…, Straße…, Sü..., hinzugezogen wird“,

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gegenüber den erstinstanzlich gestellten Anträgen,

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1. im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO festzustellen, dass der Antragsteller gemäß Antrag vom 18.03.2019 und 20.09.2019 seitens der Antragsgegnerin als Beteiligter im Sinne des § 78 Abs. 2 Satz 2, hilfsweise § 78 Abs. 2 Satz 1 LVwG im Verwaltungsvorgang A… bezüglich des Grundstücks in Sü..., Straße… hinzugezogen wird;

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2.dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufzugeben, ihm als Beteiligten im Verwaltungsvorgang A… bezüglich des Grundstücks in Sü..., Straße…, gemäß Antrag vom 18.03.2019 und 20.09.2019 Akteneinsicht als Beteiligter, hilfsweise als unbeteiligter Dritter gemäß § 88 Abs. 1 LVwG zu gewähren,

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eine Beschränkung des Streitgegenstandes beinhaltet und ob die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung überhaupt zulässig ist. Denn auch bei sachdienlicher Auslegung des Antrages (§ 88 VwGO) unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung stellen die dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage. Die wegen der angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache vom Verwaltungsgericht gestellten erhöhten Anforderungen an den Erlass einer einstweiligen Anordnung werden damit nicht erfüllt; insbesondere bleibt es dabei, dass ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Es ist nicht überzeugend dargelegt, dass der Antragsteller bezüglich des im Antrag bezeichneten Verwaltungsverfahrens Beteiligter i.S.d. § 78 Abs. 1 Nr. 1 - 3 LVwG wäre noch, dass er entsprechend § 78 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 oder 2 LVwG einen Anspruch auf Hinzuziehung zu diesem Verfahren hätte. Entsprechend besteht auch kein Anspruch auf Akteneinsicht gemäß § 88 Abs. 1 LVwG.

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1. In Bezug auf den geltend gemachten Anspruch auf Hinzuziehung zum Verfahren nach § 78 Abs. 2 Satz 2 LVwG verlangt das Verwaltungsgericht, dass der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für die dritte Person haben muss. Eine solche Wirkung liege vor, wenn durch den (möglicherweise) ergehenden Verwaltungsakt zugleich und unmittelbar Rechte des Dritten begründet, aufgehoben oder geändert werden. Dies sei der Fall beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Doppelwirkung, durch den der eine Beteiligte unmittelbar begünstigt, der andere in seiner Rechtsposition beeinträchtigt würde.

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Diese rechtlichen Vorgaben stellt der Antragsteller nicht in Frage, meint jedoch, dass vom Ausgang des Verfahrens für ihn als Nacherbe eine rechtsgestaltende Wirkung ausgehe, weil der Vorerbe die an ihn gerichteten behördlichen Maßnahmen nicht befolgen werde und der Antragsteller deshalb im Nacherbfall in das Verwaltungsverfahren einzutreten habe. Diese Argumentation verfängt jedoch nicht. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht nicht auf den künftigen Nacherbfall, sondern maßgeblich auf die gegenwärtigen Verhältnisse abgestellt, wonach allein der Vorerbe als in Frage kommender Handlungs- und/ oder Zustandsstörer in seinen Rechten betroffen ist. Ein Verwaltungsakt mit unmittelbar rechtsgestaltender (Doppel-) Wirkung gegenüber dem Antragsteller als Nacherbe liegt danach nicht vor. Dies würde voraussetzen, dass der Verwaltungsakt ein bestehendes Recht aufhebt oder verändert oder ein Ge- oder Verbot auferlegt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl., § 13 Rn. 40). Eine Ausdehnung der Vorschrift auf den vom Antragsteller geltend gemachten Fall künftig zu erwartender Auswirkungen hat das Verwaltungsgericht mit Verweis auf den Wortlaut und die notwendige Abgrenzung zur fakultativen Hinzuziehung (Absatz 2 Satz 1) gerade verneint, ohne dass sich die Beschwerde damit auseinandersetzt. Aus dem Verweis auf § 4 Abs. 3 BBodSchG ergibt sich nichts Anderes. Abgesehen davon, dass die Beschwerde nichts zur Anwendbarkeit des Bundesbodenschutzgesetzes vorträgt, setzt auch die hier geregelte Verantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers zunächst den Eintritt des (Nach-) Erbfalles voraus (vgl. Spieth/Wolfers, Die neuen Störer: Zur Ausdehnung der Altlastenhaftung in § 4 BBodSchG, NVwZ 1999, 355, 359).

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Inwiefern sich darüber hinaus eine unmittelbar rechtsgestaltende (Doppel-) Wirkung daraus ergeben sollte, dass der Antragsteller die Einleitung von umweltschutzrechtlichen Maßnahmen bzw. die Durchführung von Ersatzvornahmen durch den Antragsgegner angeregt bzw. beantragt hat, erschließt sich im Übrigen nicht. Nach Angaben des Antragsgegners sind diese Anträge einem gesonderten Verwaltungsverfahren zugeordnet.

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2. Auch in Bezug auf die fakultative Hinzuziehung stellt das Verwaltungsgericht maßgeblich darauf ab, dass der Nacherbfall noch nicht eingetreten ist und bis dahin aufseiten des Antragstellers keine rechtlichen Interessen i.S.d. § 78 Abs. 2 Satz 1 LVwG vom Ausgang des Verfahrens berührt würden. Das berührte Interesse müsse von einer Rechtsnorm geschützt oder Ausdruck einer rechtlich geschützten Position sein. Eine Rechtsposition, die ihn zum Besitz oder zur Nutzung des Grundstücks berechtige, stehe dem Antragsteller nicht zu. Gegenwärtig bestehe lediglich ein Anwartschaftsrecht an der Erbschaft. Dieses werde durch den Erlass einer gegen den Vorerben gerichteten ordnungsrechtlichen Maßnahmen sowie deren Vollstreckung oder durch das Unterlassen ordnungsrechtlicher Maßnahmen weder aufgehoben noch verändert.

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Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht die verfahrensrechtliche Bedeutung des Anwartschaftsrechts verkannt hätte. Bei dem Anwartschaftsrecht des Nacherben handelt es sich um die Aussicht auf eine Erbschaft, die schon vor dem Nacherbfall einen gegenwärtigen, rechtsgeschäftlich übertragbaren und auch vererblichen Vermögenswert in der Hand des Nacherben darstellt (BVerwG, Beschl. v. 27.10.1997 - 4 BN 20/97 -, juris Rn. 7 und Beschl. v. 21.03.2001 - 8 B 265/00 -, NJW 2001, 2417, juris Rn. 3). Der Nacherbe erlangt eine unentziehbare und unbeschränkbare Rechtsstellung, die ihm in Bezug auf die Erbschaft zahlreiche einzelne Rechte gewährt und sein zukünftiges Erbrecht sichert (BGH, Urt. v. 09.06.1983 - IX ZR 41/82 - BGHZ 87, 367 ff, juris Rn. 26). So wird der künftige Herausgabeanspruch nach § 2130 BGB durch die dem Nacherben zustehenden Kontroll- und Sicherungsmöglichkeiten der §§ 2127 bis 2129 BGB geschützt (Lieder in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, BGB § 2127 Rn. 1). Zudem unterliegt der Vorerbe gegenüber dem Nacherben gemäß den §§ 1213 bis 1215 BGB bestimmten Beschränkungen in seiner Verfügungsbefugnis. Dies soll den Nacherben vor einer übermäßigen Verminderung des Nachlasses bewahren (Lieder a.a.O., § 2113 Rn. 1).

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Insoweit ist nicht zu verkennen, dass das Anwartschaftsrecht des Nacherben von Rechtsnormen geschützt ist. Den Regelungen der §§ 2100 ff. BGB ist allerdings auch zu entnehmen, dass die Entscheidung über die Nutzung des Nachlasses vor Eintritt des Nacherbfalls allein dem Vorerben vorbehalten ist. Diese gesetzgeberische Wertung kann bei der Auslegung prozessualer oder verwaltungsverfahrensrechtlicher Normen nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.10.1997 - 4 BN 20/97 -, juris Rn. 9). Aus diesem Grunde erscheinen die vom Antragsteller zitierten Regelungen in §§ 2130, 2134 BGB nicht geeignet, eine schützenswerte materiell-rechtliche Rechtsposition i.S.d. § 78 Abs. 2 Satz 1 LVwG zu begründen. Denn diese Schutzregelungen gelten ausschließlich im Verhältnis zwischen dem Vorerben und dem Nacherben und ändern nichts daran, dass bis zum Eintritt der Nacherbfolge allein der Vorerbe im Besitz und Genuss der Erbschaft bleibt. Er allein ist Träger der damit einhergehenden öffentlich-rechtlich begründeten Rechte und Pflichten.

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Des Weiteren erscheint es auch nicht gerechtfertigt, den Nacherben einer Person gleichzustellen, die an einem Grundstück dinglich oder obligatorisch berechtigt ist, da er in keiner unmittelbaren Rechtsbeziehung zum Grundstück steht. Das Bundesverwaltungsgericht lehnt es deshalb ab, aus dessen Anwartschaft eine Klagebefugnis i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO abzuleiten (BVerwG, Beschl. v. 27.10.1997 - 4 BN 20/97 -, juris Rn. 6 und Beschl. v. 21.03.2001 - 8 B 265/00 -, NJW 2001, 2417, juris Rn. 3). Entsprechend vermag sich der Senat jedenfalls nicht anhand der Darlegungen in der Beschwerde davon zu überzeugen, dass die Anwartschaft eine materiell-rechtliche Rechtsposition begründet, die vom Ausgang eines Verwaltungsverfahrens berührt werden könnte, wenn das Verwaltungsverfahren grundstücksbezogene ordnungsrechtliche Maßnahmen gegen den Vorerben zum Gegenstand hat. Der Antragsteller wird nicht gehindert, über sein Anwartschaftsrecht zu verfügen.

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3. Unsubstantiiert erscheint schließlich auch der Hinweis der Beschwerde, dass Antragsteller und Antragsgegner die gleichen umweltschützenden Interessen verfolgten, weshalb schon eine Beteiligung i.S.d. § 78 Abs. 1 Nr. 3 LVwG nicht ausgeschlossen werden könne. Dass die zuständige Behörde deshalb mit dem Antragsteller einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will, ergibt sich daraus nicht im Ansatz. Dies wird im Übrigen vom Antragsgegner auch bestritten.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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