Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 LA 251/19

Tenor

Die Anträge der Beklagten und der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 6. Kammer – vom 25. April 2019 werden abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens werden den Beteiligten wie folgt auferlegt: Die Beklagte und die Beigeladenen tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu je einem Viertel. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

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Der Kläger, das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), begehrt Einsicht in Unterlagen des Kraftfahrt-Bundesamtes hinsichtlich der Software-Updates in Bezug auf die von den beigeladenen Automobilunternehmen genutzten Abschalteinrichtungen bei den Dieselmotoren der Baureihe EA 189. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Einsicht in Unterlagen zu den Modellen VW Amarok, Audi A4, A5 und Q5 sowie Seat Exeo zu gewähren, insbesondere in jene Unterlagen, aus denen hervorgeht, was die Behörde im Fall der Bewertung des Software-Updates zu den genannten Modellen unter einer Abschalteinrichtung versteht und durch welche Bewertung welcher Änderungen der Software eine illegale Abschalteinrichtung aus Behördensicht als „entfernt“ gilt. Hiergegen wenden sich die Beklagte und die Beigeladenen mit Anträgen auf Zulassung der Berufung.

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Die Anträge sind unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor; jedenfalls haben die Antragstellerinnen die Voraussetzungen hierfür nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

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I. Die Beklagte rügt einen Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 VwGO. Das Verwaltungsgericht habe kein In-camera-Verfahren durchgeführt und damit die Pflicht zur Amtsaufklärung verletzt (§ 86 Abs. 1 VwGO).

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Wer die Verletzung der Aufklärungspflicht rügt, muss substanziiert darlegen, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig gewesen waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu einer für den Zulassungsantragsteller günstigeren Entscheidung hätten führen können. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Aufklärungsrüge kein Mittel darstellt, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der ersten Instanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Deshalb muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (OVG Schleswig, Beschluss vom 22. März 2016 – 14 LA 2/15 –, juris Rn. 4; vgl. ferner – die Revision betreffend – BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 – 8 C 13.19 –, juris Rn. 26).

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Diese Voraussetzungen sind in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt.

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Es fehlt bereits die Darlegung, dass der geschwärzte Inhalt der streitbefangenen Unterlagen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig war. Das Verwaltungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, es könne offenbleiben, ob es sich dabei um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG handele, da jedenfalls das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiege. Die hierfür erforderliche Abwägung hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 20. April 2018 – 6 A 48/16 – (juris Rn. 74 - 79) ausführlich dargelegt. Es hat auch erläutert, warum eine weitere Aufklärung des Sachverhalts aus Gründen des materiellen Rechts nicht geboten sei. In der Abwägung seien zwar Art und Umfang der voraussichtlichen negativen Auswirkungen auf den Dritten im Rahmen einer Prognose zu berücksichtigen. Da die Inhalte jedoch abstrakt beschrieben seien, sei nicht ersichtlich, inwieweit eine Kenntnis der jeweiligen Einzelinhalte, beispielsweise die detaillierte technische Funktionsweise der Anlagenbauteile oder des Abgasrückführungssystems bzw. Einzeldaten zu Messergebnissen und Motorkennbuchstaben zu einer anderweitigen Abwägung führen sollte.

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Die Beklagte zeigt nicht auf, warum nach dieser Maßgabe gleichwohl eine Aufklärung geboten war. Stattdessen unterstellt sie dem angefochtenen Urteil einen Argumentationsgang, der sich dort nicht findet. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht nicht die Auffassung vertreten, bei abstrakter Kenntnis von Unterlagen müssen deren Geheimhaltungsbedürftigkeit stets verneint werden. Die Voraussetzungen, unter denen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse schon deshalb nicht schutzwürdig sind, weil sie sich auf strafbare Handlungen oder sonstige Rechtsverstöße beziehen, hat das Verwaltungsgericht angesprochen, letztlich aber als nicht entscheidungserheblich offengelassen. Gleiches gilt für die Frage, ob die Ausführungen in den Tabellen der Beigeladenen ausreichend substanziiert sind. Das Urteil enthält auch nicht die Aussage, dass kein inhaltlicher Bezug der Akten und Vorgänge zum Streitgegenstand bestehe. Das Verwaltungsgericht hat lediglich die (doppelte) Voraussetzung verneint, dass ein inhaltlicher Bezug zum Streitgegenstand bestehe und die konkreten Unterlagen oder Auskünfte zur vollständigen Sachverhaltsaufklärung und Streitentscheidung ohne Zweifel benötigt würden. Im Übrigen berücksichtigt die Kritik der Beklagten nicht, dass die Frage, ob das erstinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, vom materiellrechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts aus zu beurteilen ist, selbst wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (vgl. zum Revisionsrecht BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2010 – 4 BN 3.10 –, juris Rn. 8). Daher kommt es an dieser Stelle nicht darauf an, ob das Verwaltungsgericht bei der Interessenabwägung von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist.

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Die von der Beklagten zitierten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 28. Februar 2019 – 7 C 20.17 – geben für den vorliegenden Fall nichts her, da sie sich nicht auf die Abwägung zwischen der Geheimhaltungsbedürftigkeit und dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe beziehen.

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Die Beklagte legt ferner nicht dar, warum die von ihr bezeichnete Aufklärungsmaßnahme geeignet gewesen sein soll, die von ihr als aufklärungsbedürftig bezeichneten Tatsachen aufzuklären. Die Beklagte stellt sich vor, das Verwaltungsgericht hätte ein In-camera-Verfahren veranlassen müssen, um Zugang zu den mit der Sperrerklärung belegten Information zu erlangen. Zugleich steht die Beklagte aber auf dem Standpunkt, diese Informationen seien geheimhaltungsbedürftig und es bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe. Hiervon ausgehend hätten aber im In-camera-Verfahren die Voraussetzungen von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO bejaht und die Sperrerklärung bestätigt werden müssen. Auf diese Weise hätte das Verwaltungsgericht gerade nicht die Informationen erlangt, deren Aufklärung die Beklagte vermisst.

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Die Beklagte legt darüber hinaus nicht dar, inwiefern eine erfolgreiche Aufklärung zu einem für sie günstigeren Prozessausgang hätte führen können. Eine erfolgreiche Aufklärung hätte vorausgesetzt, dass das Verwaltungsgericht Kenntnis von den gesperrten Informationen erlangt hätte. Dies wiederum hätte erfordert, dass im In-camera-Verfahren die Verweigerung der Vorlage für rechtswidrig erklärt worden wäre. In der Folge wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die ungeschwärzten Unterlagen an das Verwaltungsgericht zu übermitteln. Auf diese Weise jedoch hätte der Kläger bereits im Prozess Zugang zu den streitbefangenen Informationen erlangen können und wäre dadurch klaglos gestellt worden. Dieses Ergebnis wäre für die Beklagte ersichtlich nicht vorteilhafter gewesen als das tatsächliche erlassene Verpflichtungsurteil.

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Schließlich hat die Beklagte auch nicht mit einem Antrag gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO auf die Durchführung eines In-camera-Verfahrens hingewirkt. Eine formlose Meinungsäußerung in der mündlichen Verhandlung steht dem nicht gleich, zumal diese keinen Niederschlag im Tatbestand des Urteils gefunden hat, der Beweis für das mündliche Parteivorbringen liefert (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 314 Satz 1 ZPO). Dass sich dem Verwaltungsgericht die weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen, ist nicht dargelegt.

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II. Der Zulassungsantrag der Beigeladenen bleibt ebenfalls erfolglos.

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1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dass dem Informationszugang keine Ablehnungsgründe gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG entgegenstehen, wird vom Zulassungsvorbringen nicht mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt.

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a) § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG schützt u.a. die Durchführung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Dieser Ablehnungsgrund ist nach Meinung des Verwaltungsgerichts nicht (mehr) einschlägig, weil sich die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegenüber der Beklagten nach Gewährung der Akteneinsicht an die Verteidiger nicht mehr auf die Gefährdung des Untersuchungszwecks und damit verknüpfte Ablehnungsgründe nach dem Umweltinformationsgesetz beruft. Dies ergibt sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt hat, aus den E-Mails der Staatsanwaltschaft vom 5. September, 13. September und 29. November 2018.

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Erfolglos versuchen die Beigeladenen, in diesem Zusammenhang einen eigenständigen, vom Verwaltungsgericht nicht verfolgten rechtlichen Ansatz zu entwickeln. Die Idee, zwischen dem objektiven und dem subjektiven Schutzzweck von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG in der Weise zu differenzieren, dass der subjektive Schutzzweck einen weitergehenden Informationsausschluss gebietet, vermag schon im Ansatz nicht zu überzeugen. Sie widerspricht dem klaren Wortlaut und der offen zu Tage liegenden Systematik der Ablehnungsgründe sowie der höchstrichterlichen Rechtsprechung. § 8 UIG dient nach Wortlaut und Systematik (vgl. § 9 UIG) dem „Schutz öffentlicher Belange“. Im Falle von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG schließt das zwar den gleichzeitigen Schutz von privaten Interessen nicht aus. Indem der hier geregelte Informationsausschluss die Richtigkeit eines Verfahrensergebnisses gewährleistet, kommt er mit seinen Wirkungen nicht allein der Allgemeinheit, sondern in gleicher Weise auch den vom Verfahren Betroffenen zugute. Zum Schutz der öffentlichen Belange tritt daher der Schutz von Individualinteressen hinzu, wobei wegen der Parallelität der Schutzrichtung auch dieser Schutz vom Gesetzgeber bezweckt ist (vgl. zu § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG a.F.: BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1999 – 7 C 32.98 –, juris Rn. 28). Die vorausgesetzte Parallelität der Schutzrichtung schließt jedoch eine über den objektiven Zweck hinausgehende subjektive Schutzrichtung aus. Daran ändert der Hinweis auf höherrangiges Recht nichts. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) oder der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK) erzwingen keine Auslegung von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG, die mit der Systematik des Gesetzes nicht vereinbar ist. Abgesehen hiervon benennen die Beigeladenen auch keine konkreten Individualinteressen, die zwar in subjektiver, aber nicht in objektiver Hinsicht dem Schutz strafrechtlicher Ermittlungen zugeordnet werden könnten.

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Ferner trifft es nicht zu, dass sich das Zugänglichmachen der in den Ermittlungs- bzw. Gerichtsakten enthaltenen Informationen an Dritte nach den jeweils anwendbaren Verfahrensvorschriften richtet und ein etwaiger Konflikt zwischen dem Umweltinformationsgesetz und den Verfahrensvorschriften zugunsten der Verfahrensvorschriften zu lösen ist. Die Beigeladenen berufen sich für den gesetzgeberischen Willen auf die Entstehungsgeschichte zu § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG a.F. Diese ist jedoch – abgesehen vom unverändert gebliebenen Schutzgut des Ablehnungsgrundes – für die gegenwärtige Fassung des Gesetzes unergiebig. War es unter der Geltung des früheren Rechts konsequent, dass ein Zugang zu Informationen während eines laufenden Ermittlungsverfahrens ausschließlich nach den dafür geltenden strafprozessualen Regelungen erfolgen konnte, ist die informationspflichtige Stelle nunmehr grundsätzlich zu einer eigenständigen Entscheidung über den Ablehnungsgrund berufen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. März 2019 – 12 B 13.18 –, juris Rn. 50).

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In keineswegs überzeugender Weise bemühen sich die Beigeladenen darum, der Erklärung der Staatsanwaltschaft einen Sinn unterzuschieben, der dem Inhalt widerspricht. Die Auffassung, in der E-Mail vom 29. November 2018 differenziere die Staatsanwaltschaft zwischen der Gefährdung des Ermittlungszwecks auf der einen Seite und der Gefährdung der Rechte von Beschuldigten und Dritten auf der anderen Seite, trifft nur insofern zu, als dort neben der „Gefährdung des Untersuchungszwecks und damit verknüpfte Ablehnungsgründe nach UIG und IFG“ auch „schutzwürdige Interessen sowie Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse Betroffener und Dritter“ angesprochen werden. Letztere werden jedoch – anders als von den Beigeladenen offenbar unterstellt – nicht dem Schutz der Durchführung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG zugeordnet. Wie die Aussage zu verstehen ist, dass die Akteneinsichtsgesuche Dritter „über den [der Beigeladenen zu 1.] bekannten Akteninhalt hinaus“ abgelehnt worden sind, muss nicht abschließend geklärt werden. Soweit diese Ablehnungen mit der – hier allein interessierenden – „Gefährdung des Untersuchungszwecks“ begründet worden sind, bezieht sich die Aussage jedenfalls entweder auf hier nicht streitbefangene Unterlagen oder auf ablehnende Bescheide zu einer Zeit, als die Staatsanwaltschaft noch von einer Gefährdung des Untersuchungszwecks in Bezug auf die hier streitbefangenen Unterlagen ausging. Anderenfalls ergäbe sich in der Zusammenschau der drei E-Mails ein offensichtlicher Widerspruch.

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Auch die Ausführungen zur Darlegungslast und zur Vermutungswirkung gehen fehl. Wenn Akten – wie hier – von der Staatsanwaltschaft beigezogen worden sind, kann u.U. vermutet werden, dass die in ihnen enthaltenen Informationen zur Wahrung des Zwecks weiterer Ermittlungen noch nicht offengelegt werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 18.12 –, juris Rn. 25). Die Vermutungswirkung reicht jedoch für sich genommen nicht aus, um den Ablehnungsgrund zu bejahen. Sie kann allenfalls dazu führen, dass die Darlegungslast der Behörde (nicht der Beigeladenen) herabgesetzten Anforderungen unterliegt. Unter Umständen reicht insofern eine auf Prüfung der Sachlage gegründete Einschätzung der Staatsanwaltschaft aus, dass neue Ermittlungsansätze denkbar sind und der Untersuchungszweck durch Preisgabe der begehrten Informationen gefährdet würde (vgl. BVerwG, a.a.O.). Im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft jedoch im Gegenteil zu erkennen gegeben, dass eine Gefährdung des Untersuchungszwecks nicht zu besorgen ist.

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Die Ausführungen der Beigeladenen zu einer drohenden Medienkampagne führen nicht weiter, da eine solche Gefahr nicht konkret belegt wird.

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Nach alledem unterliegt es keinen ernstlichen Zweifeln, dass nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen nicht zu befürchten sind. Auf eine Interessenabwägung kommt es insofern nicht an.

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b) Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat das Bekanntgeben der Informationen auch keine nachteiligen Auswirkungen auf die Durchführung laufender strafgerichtlicher Verfahren im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG.

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Soweit die Beigeladenen einwenden, hier müsse zwischen der objektiven und der subjektiven Schutzdimension differenziert werden, kann auf die Ausführungen unter a) verwiesen werden. Entsprechendes gilt für das Rangverhältnis zwischen Strafverfahrens- und Informationszugangsrecht. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG stellt nicht ohne weiteres sicher, dass ein Antragsteller keinen Zugang zu verfahrensrelevanten Informationen erlangt, bevor die Angeschuldigten die Möglichkeit hatten, Stellung zu den gegen sie vorgebrachten strafrechtlichen Vorwürfe zu nehmen.

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Das weitere Argument, nach Anklageerhebung sei die Zuständigkeit für die Einschätzung einer möglichen Gefährdung des Verfahrens von der Staatsanwaltschaft Braunschweig auf die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig übergegangen, findet im Gesetz keine Stütze. Die Zuständigkeit für die erforderliche Prognose liegt weder bei der Staatsanwaltschaft noch beim Strafgericht, sondern bei der informationspflichtigen Behörde, d.h. hier beim Kraftfahrt-Bundesamt. Warum sich für das strafgerichtliche Verfahren nachteilige Auswirkungen ergeben können, nachdem die Staatsanwaltschaft nachteilige Auswirkungen auf die Ermittlungen verneint hat, lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen. Dass der Informationszugang „sämtlich die Schutzzwecke des strafrechtlichen Zwischenverfahrens gefährden“ würde, wird nicht belegt.

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Die Beigeladenen rügen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Das Verwaltungsgericht habe sich mit ihren Ausführungen nicht auseinandergesetzt. Diese Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Beigeladenen in diesem Zusammenhang nicht darlegen, was sie erstinstanzlich vorgetragen haben und woraus sich ergibt, dass das Verwaltungsgericht diesen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat.

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c) Das Verwaltungsgericht hält es ferner nicht für ersichtlich, dass die Herausgabe der streitbefangenen Informationen geeignet sein könnte, laufende zivilgerichtliche Verfahren im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG zu beeinträchtigen. Es stützt sich hierfür selbständig tragend auf die Erwägung, dass eine substantiierte Darlegung nachteiliger Auswirkungen auf mögliche Verfahren nicht gelungen sei, da der Ablehnungsgrund von den Beigeladenen lediglich pauschal für alle Dokumente geäußert werde und keine Entsprechung in den tabellarischen Auflistungen finde. Dazu verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht. Die allgemeinen Ausführungen zum Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit helfen nicht darüber hinweg, dass die Beigeladenen weder konkrete Gerichtsverfahren und konkrete Informationen benennen noch die potentiellen Folgen der Offenlegung konkret darstellen.

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Nur ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Den Beigeladenen geht es darum, den Zivilgerichten die streitbefangenen Informationen vorzuenthalten und so auf für sie günstige Entscheidungen hinzuwirken. Das Umweltinformationsgesetz dient nicht diesem Interesse. Soweit § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG laufende Gerichtsverfahren betrifft, schützt die Norm primär das Verfahren und nur mittelbar auch die Parteien des Verfahrens, nicht aber materielle Positionen der Parteien (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. März 2019 – OVG 12 B 13.18 –, juris Rn. 51). Dies hat der Senat für die Parallelregelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 IZG-SH bereits entschieden (Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 LB 11/12 –, juris Rn. 50 ff.; ebenso zu den Parallelvorschriften anderer Informationsfreiheitsgesetze: BVerwG, Beschluss vom 9. November 2010 – 7 B 43.10 –, juris Rn. 12; OVG Hamburg, Beschluss vom 16. April 2012 – 5 Bf 241/10.Z –, juris Rn. 17, 14; OVG Koblenz, Urteil vom 23. April 2010 – 10 A 10091/10.OVG –, juris Rn. 29; OVG Münster, Beschluss vom 19. Juni 2002 – 21 B 589/02 –, juris Rn. 34). Beeinträchtigungen der Rechtspflege treten jedenfalls dann nicht ein, wenn zusätzliche Informationen dazu führen, dass ein Zivilgericht ein materiell richtiges Urteil fällen kann (VG Frankfurt, Urteil vom 10. Mai 2006 – 7 E 2109/05 –, juris Rn. 56; ebenso zu § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG: VG Berlin, Urteil vom 21. Oktober 2010 – 2 K 89.09 –, juris Rn. 24; Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, § 3 Rn. 141; a.A. Schirmer, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand 2020, IFG § 3 Rn. 117.3). Für eine Differenzierung zwischen grundrechtsgeschützten und anderen Prozessparteien gibt es in dieser Hinsicht keinen einleuchtenden Grund. Die Beigeladenen tragen dazu auch nichts vor.

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Abgesehen davon hat der Grundsatz der Waffengleichheit nicht die Bedeutung, die ihm die Beigeladenen zuschreiben. Im Hinblick auf eine Prozessführung, die sich auf unterschiedliche private Interessen bezieht, beinhaltet der Begriff „Waffengleichheit“, dass jeder Partei eine vernünftige Möglichkeit eingeräumt werden muss, ihren Fall vor Gericht unter Bedingungen zu präsentieren, die für diese Partei keinen substanziellen Nachteil im Verhältnis zu seinem Prozessgegner bedeuten (EGMR, Urteil vom 27. Oktober 1993 – 37/1992/382/460 –, NJW 1995, 1413, Rn. 33). Der Grundsatz der Waffengleichheit dient im Zivilprozess dazu, diejenige Partei zu schützen, die sich in Darlegungs- oder Beweisnot befindet, etwa indem ihr der „Anbeweis“ als Voraussetzung für eine Parteivernehmung erspart wird (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – III ZR 249/09 –, juris Rn. 16) oder indem das Gericht von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einholt, soweit die Partei darauf angewiesen ist, dass der Sachverhalt durch ein solches aufbereitet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2019 – VI ZR 12/17 –, juris Rn. 10). Dieser Grundsatz würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn ein an sich bestehender Anspruch auf Zugang zu Informationen unter Berufung auf die Waffengleichheit verneint und auf diese Weise der Beweisnot einer Partei gerade erst Vorschub geleistet würde. Auch in der von den Beigeladenen zitierten Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union zur Normenkontrolle im Unionsrecht wird eine solche Forderung nicht erhoben.

28

Ferner trifft es nicht zu, dass der Beibringungsgrundsatz im deutschen Zivilprozessrecht eine zentrale Folge des Prinzips der prozessualen Waffengleichheit ist. Dies wird bereits dadurch widerlegt, dass es gerichtliche Verfahren gibt, in denen nicht die Verhandlungsmaxime, sondern der Grundsatz der Amtsaufklärung gilt (vgl. etwa § 86 Abs. 1 VwGO), ohne dass dadurch der Grundsatz der Waffengleichheit in Frage gestellt würde.

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d) Das Verwaltungsgericht verneint ferner nachteilige Auswirkungen auf den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG. Der Ablehnungsgrund scheitere bereits daran, dass die Beigeladenen nicht ausreichend dargelegt hätten, welche nachteiligen Auswirkungen die Preisgabe welcher der auf den etwa 4000 Seiten enthaltenen Informationen auf welches konkrete Verfahren haben sollte. Hierzu äußert sich das Zulassungsvorbringen nicht. Allgemeine Ausführungen zum Grundsatz des fairen Verfahrens vermögen das Argument des Verwaltungsgerichts nicht zu entkräften.

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e) Das Verwaltungsgericht verneint schließlich auch den Ablehnungsgrund gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG mit der Begründung, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.

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aa) Ohne Erfolg rügen die Beigeladenen, dabei werde ihr Interesse an der Geheimhaltung tatsächlich und rechtlich unzutreffend bewertet.

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Das Verwaltungsgericht hat offengelassen, ob und in welchem Umfang die streitbefangenen Unterlagen tatsächlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten, ob kein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht, weil sich die Informationen auf strafbare Handlungen oder sonstige Rechtsverstöße beziehen, und ob es sich um „Umweltinformationen über Emissionen“ im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 UIG handelt. Es hat mithin ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe auch für den Fall angenommen, dass diese Fragen in einem für die Beigeladenen vorteilhaften Sinne zu beantworten sind.

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Die Beigeladenen tragen demgegenüber vor, es handele sich bei den streitbefangenen Unterlagen um „besonders wettbewerbssensible“ Informationen. Das Verwaltungsgericht hat eine derartige Feststellung nicht getroffen. Warum diese Unterlassung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründen soll, wird mit dem Zulassungsvorbringen nicht verdeutlicht. Die Beigeladenen verweisen lediglich pauschal auf den erstinstanzlichen Vortrag. Sie erläutern auch nicht, was – über die allgemeine Wettbewerbssensibilität von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen hinaus – unter einer „besonderen Wettbewerbssensibilität“ zu verstehen ist.

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Die Beigeladenen beziehen sich auf Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Sie stellen jedoch keine konkrete Verbindung zwischen diesen Grundrechten und der Argumentation des Verwaltungsgerichts her. Insbesondere legen sie nicht dar, durch welche verfassungsrechtlichen Maßstäbe die Auslegung von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG beeinflusst wird, wie sich dies fallbezogen auswirkt und warum das angefochtene Urteil hiervon abweicht.

35

Es trifft im Übrigen nicht zu, dass das Verwaltungsgericht den Beigeladenen den „verfassungsrechtlichen Schutz“ wegen der nachträglichen Anordnung einer Nebenbestimmung gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV abgesprochen hat. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr offengelassen, ob kein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht, weil sich die Informationen auf strafbare Handlungen oder sonstige Rechtsverstöße beziehen (s.o.).

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bb) Die Angriffe auf die Einschätzung des (überwiegenden) öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe bleiben ebenfalls ohne Erfolg.

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Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 20. April 2018 – 6 A 48/16 – (juris Rn. 75 - 78) auf den hohen Stellenwert des öffentlichen Interesses abgestellt. Die Öffentlichkeit habe ein über das allgemeine Interesse an der Veröffentlichung von Umweltinformationen hinausgehendes Interesse daran, dass die behördlichen Maßnahmen zur Beseitigung der umstrittenen Abschalteinrichtungen möglichst umfassend offengelegt würden. Diese Kenntnis ermögliche ein Urteil darüber, ob und in welcher Weise die unzulässige Tätigkeit der Beigeladenen behördlich überwacht worden sei und ob es hier gegebenenfalls auch Versäumnisse gegeben haben könnte. Seit Bekanntwerden der umstrittenen Abschalteinrichtungen im September 2015 sei das mediale Interesse an dem Vorgang bezüglich der betroffenen Fahrzeuge unverändert hoch. Der Vorgang habe letztlich dazu geführt, dass sich die in Deutschland betroffenen Verbraucher dem von der Beklagten angeordneten Software-Update unterziehen müssten; anderenfalls stehe das Erlöschen ihrer Betriebserlaubnis im Raum. Dieses Software-Update sei im Hinblick auf die Wirksamkeit und die Auswirkungen auf die Lebensdauer der Motoren und auf die Umwelt umstritten und weiterhin von großem öffentlichen und medialen Interesse. Es sei zu zahlreichen Gerichtsverfahren vor den Zivilgerichten gekommen und der Vorgang sei Gegenstand zweier Untersuchungsausschüsse gewesen. Vor diesem Hintergrund sei gerade der Kommunikationsvorgang zwischen der Beklagten und den Beigeladenen bezüglich der technischen Beseitigung der Abschalteinrichtung zur Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes von erheblichem öffentlichen Interesse.

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Gegen diese – nachvollziehbaren – Ausführungen, die schon für sich genommen den hohen Rang des öffentlichen Interesses belegen, wenden die Beigeladenen ein, ihre Fahrzeuge seien wirksam typgenehmigt. Jedoch ist nichts dafür ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht nicht von einer wirksamen Typgenehmigung ausgeht. Das Urteil stützt sich vielmehr darauf, dass die Beklagte (unbeschadet der Typgenehmigung) die Abschalteinrichtungen der Beigeladenen als nicht gesetzeskonform eingestuft hat.

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Weiter heißt es im angefochtenen Urteil, dass gerade angesichts der verfehlten Klimaschutzziele und der seit Jahren unverändert bestehenden medialen Aufmerksamkeit das öffentliche Interesse weiterhin als außerordentlich hoch zu bewerten sei. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der in einigen Innenstädten geltenden Fahrverbote. Zwar beträfen diese nicht ausschließlich die Fahrzeuge der Beigeladenen, sondern sämtliche Dieselfahrzeuge unterhalb der Euro-6-Norm. Dennoch habe sich die Thematik der Fahrverbote gerade vor dem Hintergrund der zu hohen „Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte“ in den Innenstädten gestellt und eben diese Werte seien von den Beigeladenen durch die unzulässigen Abschalteinrichtungen deutlich überschritten worden. Diese starke Überschreitung der Stickstoffdioxid-Werte soll nunmehr durch die Software-Updates auf das im Rahmen der Genehmigungserteilung zulässige Maß reduziert worden sein und gerade um die Überprüfung der Einhaltung dieser (nicht überhöhten) Werte durch die Beklagte und deren damit einhergehende Auswirkungen auf die Umwelt gehe es hier.

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Auch diese Argumentation wird von den Beigeladenen nicht durchgreifend in Frage gestellt. Es trifft nicht zu, dass es den Luftreinhalteplänen um eine Gesamtbetrachtung der NOx-Belastung in der Luft überhaupt geht, „völlig unabhängig von der NOx-Quelle“. Ziel der Luftreinhaltepläne ist es u.a., den Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m3 gemäß Anlage 11 Abschnitt B zur 39. BlmSchV einzuhalten. Die hierfür vorgesehenen Maßnahmen sind entsprechend dem Verursacheranteil unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten sind, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen (§ 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG). Sie setzen also gerade an der Quelle an und stellen insofern eine Beziehung zwischen Belastung und Quelle her.

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Der Hinweis auf typgenehmigungsrelevante Grenzwerte geht fehl. Das Verwaltungsgericht stellt nicht auf solche Grenzwerte ab. Ihm geht es offensichtlich um die Emissionen im praktischen Fahrbetrieb. Der Auffassung der Beigeladenen, hierfür gebe es keinen Grenzwert, kann nicht ohne weiteres gefolgt werden. Gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 müssen die von dem Hersteller ergriffenen technischen Maßnahmen sicherstellen, dass die Auspuff- und Verdunstungsemissionen während der gesamten normalen Lebensdauer eines Fahrzeuges bei normalen Nutzungsbedingungen entsprechend dieser Verordnung wirkungsvoll begrenzt werden. Hieraus folgt jedenfalls nach Auffassung des Gerichts der Europäischen Union, dass die in Anhang I dieser Verordnung festgesetzten Grenzwerte für Stickstoffoxidemissionen im tatsächlichen Fahrbetrieb einzuhalten sind (EuG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – T-339/16 –, BeckRS 2018, 32925 Rn. 122). Aber auch wenn es zuträfe, dass der gesetzgeberischen Entscheidung eine Abweichung zwischen Realbetrieb und Werten im Prüfstand immanent wäre, so würde dies jedenfalls nicht diejenige Abweichung rechtfertigen, die durch eine Abschalteinrichtung verursacht wird. Gerade das Spannungsverhältnis zwischen der Rechtsposition der Beigeladenen und den sich hierzu sofort aufdrängenden Gegenargumenten bestätigt im Übrigen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass an der Offenlegung des Kommunikationsvorgangs zwischen der Beklagten und den Beigeladenen nach wie vor ein hohes öffentliches Interesse besteht.

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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

43

Aus der Vielzahl der Informationen und aus den technischen Zusammenhängen ergeben sich keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten. Das Verwaltungsgericht ist bei der Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe bewusst nicht auf technische Einzelheiten eingegangen. Da die Inhalte abstrakt beschrieben seien, sei nicht ersichtlich, inwieweit eine Kenntnis der jeweiligen Einzelinhalte zu einer anderweitigen Abwägung führen sollte. Die Beigeladenen halten diesen Ansatz zwar für falsch. Der Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO muss sich jedoch auf die entscheidungstragenden Bestandteile des verwaltungsgerichtlichen Urteils beziehen (Seibert, in: Sodan/Ziedow, NK-VwGO, 5. Auflage 2018, § 124 Rn. 125; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124 Rn. 29).

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Besondere tatsächliche Schwierigkeiten ergeben sich auch nicht aus der wettbewerblichen Relevanz. Hierzu fehlt es an einer näheren Erläuterung (vgl. oben 1.e, Unterpunkt aa).

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Auch besondere rechtliche Schwierigkeiten sind nicht dargelegt. Die Beigeladenen beziehen sich pauschal auf vielschichtige Auslegungsfragen und eine uneinheitliche verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, ohne dies zu konkretisieren.

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3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

47

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung liegt nur dann vor, wenn die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist (OVG Schleswig, Beschluss vom 31. Juli 2017 – 2 LA 51/16 –, juris Rn. 7). In der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung muss deutlich werden, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen, warum es also erforderlich ist, dass sich das Berufungsgericht noch einmal klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt und entscheidet, ob die Bedenken durchgreifen (OVG Schleswig, Beschluss vom 12. Februar 2016 – 2 LA 16/16 –, juris Rn. 2). Daran fehlt es hier.

48

Die Beigeladenen halten folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

49

1. Umfasst der Ablehnungsgrund der nachteiligen Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 UIG auch den Schutz der subjektiven Rechtsstellung des Betroffenen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens?

50

2. Welche Anforderungen sind an eine Darlegung nachteiliger Auswirkungen auf die subjektive Rechtsstellung des Beschuldigten eines Ermittlungsverfahrens durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen nach § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Var. 3 UIG zu stellen? Genügt die informationspflichtige Behörde insbesondere den Anforderungen an diese Darlegungslast, wenn sie sich auf eine Vermutungswirkung ausgehend von einer zwischen den Schutzzwecken des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 UIG differenzierende Stellungnahme der Staatsanwaltschaft beruft?

51

3. Erfasst der Begriff der „nachteiligen Auswirkungen“ in § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Var. 1 UIG auch nachteilige Auswirkungen auf die Rechtsstellung privater Dritter in laufenden Gerichtsverfahren?

52

4. Umfasst der Ablehnungsgrund des Anspruchs einer Person auf ein faires Verfahren nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 2 UIG auch die subjektive Rechtsstellung Betroffener in straf- und zivilrechtlichen Verfahren?

53

Die erste Frage war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht ist im Zusammenhang mit § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG nicht auf den „Schutz der subjektiven Rechtsstellung des Betroffenen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens“ eingegangen, insbesondere nicht in einem die aufgeworfene Frage verneinenden Sinne. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG a.F. geklärt, dass der Informationsausschluss, indem er die Richtigkeit eines Verfahrensergebnisses gewährleistet, mit seinen Wirkungen nicht allein der Allgemeinheit, sondern in gleicher Weise auch den vom Verfahren Betroffenen zugutekommt. Zum Schutz der öffentlichen Belange tritt daher der Schutz von Individualinteressen hinzu, wobei wegen der Parallelität der Schutzrichtung auch dieser Schutz vom Gesetzgeber bezweckt ist (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1999 – 7 C 32.98 –, juris Rn. 28). Das Zulassungsvorbringen zeigt nicht auf, inwiefern hierzu weiterer Klärungsbedarf besteht (vgl. oben 1.a).

54

Die zweite Frage war aus dem vorstehend genannten Grund für das Verwaltungsgericht ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Sie ist in ihrem ersten Teil überdies nicht hinreichend konkret formuliert. In ihrem zweiten Teil macht sie eine Voraussetzung, die nicht zutrifft. Die Staatsanwaltschaft differenziert in ihrer Stellungnahme zwar zwischen verschiedenen Schutzzwecken, aber nicht zwischen verschiedenen Schutzzwecken von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG (vgl. oben 1.a). Im Übrigen sind die Anforderungen an die Darlegungslast der informationspflichtigen Behörde höchstrichterlich geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014
– 7 C 18.12 –, juris Rn. 19 ff.). Ob die Behörde diesen Anforderungen jeweils gerecht wird, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Weitergehenden allgemeinen Klärungsbedarf zeigen die Beigeladenen nicht auf.

55

Die dritte Frage war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. In Bezug auf strafgerichtliche Verfahren ist das Verwaltungsgericht nicht auf „nachteilige Auswirkungen auf die Rechtsstellung privater Dritter in laufenden Gerichtsverfahren“ eingegangen, insbesondere nicht in einem die aufgeworfene Frage verneinenden Sinne. Hinsichtlich zivilgerichtlicher Verfahren stützt sich das Urteil selbständig tragend darauf, dass eine substantiierte Darlegung nachteiliger Auswirkungen auf mögliche Verfahren nicht gelungen ist. Im Übrigen ist ober- und höchstrichterlich geklärt, dass § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG, soweit es laufende Gerichtsverfahren betrifft, primär das Verfahren schützt und nur mittelbar auch die Parteien des Verfahrens, nicht aber materielle Positionen der Parteien (vgl. oben 1.c). Die aufgeworfene Frage verhält sich hierzu nicht und macht auch nicht deutlich, dass ergänzender Klärungsbedarf besteht. Dass § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG nicht der „Umgehung“ der prozessualen Waffengleichheit dient, versteht sich von selbst. Dies muss – unbeschadet der Frage, wie dieses Prinzip zu verstehen ist (vgl. oben 1.c), – nicht in einem Berufungsverfahren geklärt werden. Ferner erschließt sich nicht, warum und in welcher Weise § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG den Interessen der öffentlichen Hand (in der Rolle einer Prozessbeteiligten) anders dienen sollte als den Interessen privater Dritter (vgl. oben 1.c).

56

Die vierte Frage war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Das Urteil stützt sich unter dem Aspekt des fairen Verfahrens selbständig tragend darauf, dass die Beigeladenen nicht ausreichend dargelegt haben, welche nachteiligen Auswirkungen die Preisgabe welcher der auf den etwa 4000 Seiten enthaltenen Informationen auf welches konkrete Verfahren haben sollte. Abgesehen davon ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, dass das Gesetz nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auch den „Betroffenen“ schützt. Die aufgeworfene Frage wird demnach im Urteil so beantwortet, wie es die Beigeladenen für richtig halten.

57

4. Schließlich machen die Beigeladenen erfolglos einen Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 VwGO geltend. Das Verwaltungsgericht hat die Pflicht zur Amtsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nicht verletzt.

58

a) Die Beigeladenen rügen eine Entscheidung ohne vorherige Durchführung eines „in camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO. Sie legen jedoch nicht dar, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur Durchführung eines solchen Verfahrens hatte, obwohl es sich auf den Standpunkt gestellt hat, die Kenntnis von Einzelheiten nicht zu benötigen. Dass die Beigeladenen dies für falsch halten, ist unerheblich, weil es auf den materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts ankommt (vgl. oben I.).

59

Die Beigeladenen verweisen darauf, dass das Verwaltungsgericht die Akten angefordert hat. Mit einer Aktenanforderung verbindet sich jedoch nicht notwendig die Annahme, dass entscheidungserhebliche Tatsachen nur durch Einsicht in die angeforderten Akten gewonnen werden können. Im Rahmen der Amtsaufklärung können Akten und andere Unterlagen auch ohne strenge Prüfung der Entscheidungserheblichkeit vorsorglich beigezogen werden. Wird zu angeforderten Akten – wie hier – von der obersten Aufsichtsbehörde eine Sperrerklärung abgegeben, so wird die Entscheidungserheblichkeit durch den gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 358 ZPO erforderlichen Beweisbeschluss klargestellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. November 2003 – 20 F 13.03 –, juris Rn. 4). Ein solcher Beschluss ist hier nicht ergangen. Im Übrigen ist das Gericht an die eigenen Verfügungen und Beschlüsse nicht gebunden (Umkehrschluss aus § 318 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1986 – IX ZR 18/86 –, juris Rn. 19).

60

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer den Beigeladenen günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. oben I.). Die Beigeladenen tragen dazu auch nichts vor.

61

Schließlich haben die Beigeladenen keinen Beweisantrag gestellt.Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (BVerwG, Beschluss vom 16. März 2011 – 6 B 47/10 –, juris Rn. 12).

62

b) Die Beigeladenen beanstanden ferner, dass das Verwaltungsgericht zur Frage nachteiliger Auswirkungen auf laufende strafrechtliche Gerichtsverfahren keine Einschätzung des Landgerichts Braunschweig eingeholt hat. Hierzu fehlt die Darlegung, welche konkreten Tatsachen dabei hätten festgestellt werden können. Der Hinweis auf eine angebliche Einschätzungsprärogative des Strafgerichts verfängt nicht (vgl. oben 1.b). Im Übrigen haben die Beigeladenen auch in diesem Punkt keinen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung gestellt.

63

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

64

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 2 GKG.

65

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

66

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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