Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 MB 34/21
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 15. Kammer - vom 15. September 2021 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.
Gründe
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Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15. September 2021 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.
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Den Antrag, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Zahlung einer laufenden Geldleistung gem. § 23 Abs. 2 SGB VIII für die Betreuung des Enkelkindes der Antragstellerin als Tagespflegekind zu verpflichten, hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, dass nach § 43 Abs. 3 des Schleswig-Holsteinischen Kindertagesstättengesetzes (folgend: KiTaG) die Betreuung durch Verwandte in gerader Linie und Verwandte in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad keine Kindertagespflege darstellt und die Antragstellerin als Großmutter Verwandte des Kindes in gerader Linie ist. Die Antragstellerin macht im Rahmen ihres Beschwerdevorbringens geltend, die Regelung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Ihre Tätigkeit werde in diesem Fall nicht als Kindertagespflege anerkannt, obwohl das Enkelkind ebenso betreut werde wie die anderen Kinder auch. Sie habe sich auch nicht deswegen vor elf Jahren für eine Tätigkeit als Kindertagesmutter entschieden, um jetzt entgeltlich ihre Enkelin betreuen zu können.
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Entgegen diesem Beschwerdevorbringen ist nicht erkennbar, dass diese Regelung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstieße. Vielmehr ist die in der Sache bestehende Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt.
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Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je 3 nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Anforderungen, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten, Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (BVerfG, Urt. v. 23.10.1951 - 2 BvG 1/51 -, juris Leitsatz 18 und Rn. 139; Beschl. v. 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07-, juris Rn. 64 m. w. N.; Beschl. v. 07.03.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. -, juris Rn. 171 m. w. N.).
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Vorliegend kommt es zwar aufgrund der Regelung des § 43 Abs. 3 KiTaG zu einer Ungleichbehandlung, weil die Tätigkeit der Antragstellerin aufgrund des Umstands, dass das betreute Kind ihr Enkelkind und damit in gerade Linie mit ihr verwandt ist, nicht als Kindertagespflege anerkannt und daher nicht entsprechend finanziell staatlich gefördert wird.
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Die so bewirkte und in der gesetzlichen Regelung des § 43 Abs. 3 KiTaG angelegte Ungleichbehandlung ist aber sachlich gerechtfertigt. Mit der Regelung will der Gesetzgeber eine Kommerzialisierung verwandtschaftlicher Beziehungen vermeiden (LT-Drs. 19/1699, S. 153-154). Dies betrifft ersichtlich Missbrauchskonstellationen, aber nicht nur diese. Auch in Konstellationen, in denen – wie hier – ein Kind mit einer auch im Übrigen als Tagespflegeperson arbeitenden Person verwandt ist, will der Gesetzgeber mit dem in § 43 Abs. 3 KiTaG vorgesehenen Ausschluss erreichen, dass die Bereitschaft, in derartigen Beziehungen Betreuungsleistungen zu erbringen, frei von kommerziellen Erwägungen gehalten wird. Dem liegt die Erwartung zugrunde, dass dort, wo Betreuungskapazitäten vorhanden sind, die Bereitschaft zur Betreuung eines verwandten Kindes aufgrund der engen familiären Beziehung und wegen der persönlichen Nähe nicht von einer staatlichen Bezuschussung abhängig gemacht wird. Fehlt diese Bereitschaft, so soll sie nicht durch den Anreiz, hierfür staatliche Geldleistungen erhalten zu können, geweckt werden. Vor diesem Hintergrund ist es das Anliegen des Gesetzgebers, das familiäre Verhältnis nicht durch kommerzielle Erwägungen im weitesten Sinne zu belasten bzw. zu beeinflussen. Diese Erwägungen sind weder unsachlich noch willkürlich. Verwandtschaftliche Betreuungsleistungen außerhalb des rechtlichen Rahmens der Kindertagespflege und ohne hierfür vorgesehene staatliche Subventionierungen sind weit verbreitet und üblich. Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund angenommen, dass es weder geboten noch anzustreben ist, staatliche Subventionierungen für verwandtschaftliche Betreuungsleistungen vorzusehen, weil bzw. wenn die/der Verwandte auch außerhalb der Familie Betreuungsleistungen erbringt (so auch für eine vergleichbare Regelung des dortigen Landesrechts in § 28 Abs. 4 HmbKiBeG OVG Hamburg, Urt. v. 26.11.2015 - 4 Bf 121/14 -, juris Rn. 40 – 47). Angesichts dieser zulässigerweise typisierten Betrachtungsweise kommt es auch nicht darauf an, auf welcher Motivation im Einzelfall die entsprechende Betreuung erbracht wird.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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Referenzen
- VwGO § 146 1x
- § 23 Abs. 2 SGB VIII 1x (nicht zugeordnet)
- § 43 Abs. 3 KiTaG 3x (nicht zugeordnet)
- § 28 Abs. 4 HmbKiBeG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x