Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 MB 8/22

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer -vom 5. Mai 2022 geändert:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Stelle der Generalstaatsanwältin bzw. des Generalstaatsanwalts bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein mit der Beigeladenen oder anderweitig endgültig zu besetzen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entschieden worden ist.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 29.728,65 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5. Mai 2022 ist begründet. Das fristgerecht eingereichte Beschwerdevorbringen rechtfertigt es nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO, die angefochtene Entscheidung wie begehrt zu ändern und dem Antrag stattzugeben.

2

Der Senat hat das Passivrubrum nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen dahin geändert, dass Antragsgegner das Land als Dienstherr des Antragstellers ist, das nach § 103 Abs. 1 Satz 1 LBG vom bislang im Passivrubrum angeführten Ministerium für Justiz und Gesundheit als oberster Dienstbehörde, der der Antragsteller und die Beigeladene unterstehen, vertreten wird. Ein Fall des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 69 Abs. 2 LJG liegt nicht vor. Insbesondere handelt es sich beim Rechtsbehelf in der Hauptsache nicht um eine Verpflichtungsklage, sondern um eine auf Unterlassen gerichtete Leistungsklage (vgl. ausführlich zum Rechtsschutz im Zusammenhang mit beamtenrechtlichen Auswahlentscheidungen Eck, in: Schütz/​Maiwald, Beamtenrecht – Kommentar, 196. AL, März 2021, 6.1 Rn. 178 m. w. N.).

3

Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers mit der Begründung abgelehnt, die Entscheidung des Antragsgegners zugunsten der Beigeladenen verletze den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers nicht. Sie sei weder in verfahrensrechtlicher noch in materiell-rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Die Beurteilung der Beigeladenen sei nicht fehlerhaft. Zwar schlössen die Beurteilungsrichtlinien aus, dass außerdienstliche Tätigkeiten Gegenstand der Beurteilung würden. Insofern diene die Erwähnung der außerdienstlichen Tätigkeiten der Beigeladenen im Rahmen der Fachkenntnisse nur dazu, ihr herausragendes Fachwissen zu veranschaulichen und als Bestätigung ihrer Fachkenntnisse darzustellen; sie würden nicht bewertet. Die Beurteilung erfasse auch nicht Tätigkeiten außerhalb des Beurteilungszeitraums. Insofern werde lediglich aus früheren Beurteilungen zitiert, ohne diese Zeiträume zu bewerten. Der unterschiedliche Beurteilungszeitraum, der bei der Beigeladenen fünf Jahre und beim Antragsteller eineinhalb Jahre betrage, begegne keinen Bedenken. Der Antragsgegner habe den Antragsteller und die Beigeladene zu Recht sowohl hinsichtlich des Gesamturteils als auch in Bezug auf die Einzelbewertungen in den dienstlichen Beurteilungen als gleich beurteilt ansehen und daher Auswahlgespräche als ergänzende Grundlage für die Auswahlentscheidung durchführen dürfen. Die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten an diesen sowie die Durchführung und Dokumentation der Auswahlgespräche im Übrigen begegne keinen Bedenken. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Auswahlkommission ihre Entscheidung, welche Bewerberin bzw. welcher Bewerber am besten geeignet sei, maßgeblich auf zwei Kompetenzbereiche, namentlich „ausgeprägte Qualitäten und Erfahrungen mit organisatorischen Aufgaben und Personalführung“ sowie eine „herausgehobene juristische und justizpolitische Expertise“, abgestellt habe.

4

Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Überprüfung der Auswahlentscheidung des Antragsgegners die sich aus dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Grundsätze zutreffend zugrunde gelegt. Wenn der Dienstherr ein Amt durch Beförderung der Inhaberin oder des Inhabers eines niedrigeren Amtes vergeben will, ist er an den Leistungsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 2 GG gebunden. Danach dürfen Ämter nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße die Beamtin oder der Beamte den Anforderungen ihres bzw. seines Amtes genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Art. 33 Abs. 2 GG gilt für Beförderungen unbeschränkt und vorbehaltlos; er enthält keine Einschränkungen, die die Bedeutung des Leistungsgrundsatzes relativieren. Diese inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG für die Vergabe höherwertiger Ämter machen eine Bewerberauswahl notwendig. Der Dienstherr muss Bewerbungen von Beamtinnen und Beamten um das höherwertige Amt zulassen und darf das Amt nur derjenigen Bewerberin oder demjenigen Bewerber verleihen, die bzw. den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs als die am besten geeignete bzw. den am besten geeigneten ausgewählt hat. Art. 33 Abs. 2 GG dient dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Fachliches Niveau und rechtliche Integrität des öffentlichen Dienstes sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zudem vermittelt Art. 33 Abs. 2 GG Bewerberinnen und Bewerbern ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Jede Bewerberin und jeder Bewerber um das Amt hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr ihre bzw. seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind. Der Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG kann durch ganz unterschiedliche Fehler verletzt werden. Ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG kann sich daraus ergeben, dass ein Leistungsvergleich gar nicht möglich ist, weil es bereits an tragfähigen Erkenntnissen über das Leistungsvermögen, d. h. an aussagekräftigen dienstlichen Beurteilungen, fehlt. Der eigentliche Leistungsvergleich verletzt Art. 33 Abs. 2 GG, wenn nicht unmittelbar leistungsbezogene Gesichtspunkte in die Auswahlentscheidung einfließen oder die Leistungsmerkmale fehlerhaft gewichtet werden oder gegenüber den Bewerberinnen und Bewerbern unter Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit auf unterschiedliche Maßstäbe zurückgegriffen wird (stRspr, vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteile vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris Rn. 20-21, 24 m. w. N., vom 29. November 2012 - 2 C 6.11-, juris Rn. 23 ff., zuletzt vom 7. Juli 2021 - 2 C 2.21 -, juris Rn. 30 f., sowie Beschluss vom 28. Mai 2021 - 2 VR 1.21 -, juris Rn. 15).

5

Hiervon ausgehend rügt der Antragsteller zu Recht, dass eine Verletzung seines aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruchs auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung darin zu sehen ist, dass die der Auswahlentscheidung zugrundeliegende Beurteilung der Beigeladenen fehlerhaft ist (hierzu 1). Es kann jedoch offenbleiben, ob ein Auswahlgespräch nach dem Ergebnis der Beurteilungen zulässigerweise als ergänzende Erkenntnisquelle herangezogen werden durfte, weil dem Auswahlvermerk jedenfalls nicht zu entnehmen ist, dass Erkenntnisse aus dem Auswahlgespräch für die Auswahlentscheidung entscheidend waren (hierzu 2). Demgegenüber greift die Rüge betreffend die Beteiligung einer Richterin als Gleichstellungsbeauftragte zumindest im Ergebnis (hierzu 3). Auch hätte der Antragsgegner seine Entscheidung inhaltlich nicht auf das Kriterium der „herausgehobenen juristischen und justizpolitischen Expertise“ stützen dürfen (hierzu 4). Schließlich erscheint die Auswahl des Antragstellers in einem neuen Auswahlverfahren möglich (hierzu 5).

6

1. Der Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG kann – wie bereits ausgeführt – insbesondere durch Fehler bei den über die Bewerberinnen und Bewerber erstellten dienstlichen Beurteilungen verletzt sein, da die Auswahlentscheidung grundsätzlich anhand dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2021 - 2 C 2.21 -, juris Rn. 31). Der Antragsteller rügt insoweit zu Recht, dass die der Auswahlentscheidung zugrunde liegende Beurteilung der Beigeladenen fehlerhaft ist.

7

Insofern ist zwar weder der Beurteilungszeitraum zu beanstanden (hierzu a) noch führt das umfangreiche Zitat aus einer früheren Beurteilung der Beigeladenen in der Gesamtbewertung zur Rechtswidrigkeit der Beurteilung (hierzu b). Jedoch werden im Beurteilungsmerkmal „Fachkenntnisse“ entgegen den Vorgaben in den insoweit maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien außerdienstliche Tätigkeiten zum Gegenstand der Beurteilung gemacht (hierzu c).

8

a) Der Beurteilungszeitraum der Anlassbeurteilung der Beigeladenen ist nicht zu beanstanden.

9

Nach 2.3. Abs. 1 der als Dienstvereinbarung zwischen dem Ministerium für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein und dem Hauptstaatsanwaltschaftsrat beim Ministerium für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein vereinbarten Richtlinien für die Beurteilung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Landes Schleswig-Holstein (BURL-StA, SchlHAnz 2021, S. 220) schließt der Beurteilungszeitraum grundsätzlich an den in der letzten dienstlichen Beurteilung beurteilten Zeitraum an; wenn danach der Beurteilungszeitraum länger als fünf Jahre wäre, besteht der Beurteilungszeitraum aus den vorangegangenen fünf Jahren.

10

Der vorangegangene Beurteilungszeitraum der Antragstellerin endete am 7. Dezember 2015 (…), der Beurteilungszeitraum der Anlassbeurteilung aus Anlass der Bewerbung für die Planstelle der Generalstaatsanwältin oder des Generalstaatsanwalts bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein (…) war daher auf fünf Jahre zu begrenzen und umfasste den Zeitraum vom 1. August 2016 bis zum 31. Juli 2021.

11

Anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Beurteilungszeitraum des Antragstellers kürzer war. Der vorherige Beurteilungszeitraum des Antragstellers endete am 31. Januar 2020 (…). Sein Beurteilungszeitraum für die Anlassbeurteilung aus Anlass der Bewerbung für die Planstelle der Generalstaatsanwältin oder des Generalstaatsanwalts bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein (…) umfasste daher den Zeitraum 1. Februar 2020 bis zum 31. Juli 2021.

12

Die Beurteilungen sind trotz der Zeitraumdifferenz von etwa dreieinhalb Jahren vergleichbar. Es handelt sich um Anlassbeurteilungen. Damit gelten andere Anforderungen als in einem Regelbeurteilungssystem. Die beurteilten Zeiträume unterscheiden sich zwar, jedoch beeinträchtigt dies die Möglichkeit zum Qualifikationsvergleich nach dem Bestenauswahlgrundsatz nicht. Der Beurteilungszeitraum muss so gewählt sein, dass die Beurteilung die ihr zugedachte Funktion erfüllen kann. Beide Beurteilungszeiträume haben eine Länge – weder zu kurz, noch zu lang –, die es gestattet, die Beurteilungen als Prognosegrundlage für die Bewährung im angestrebten Amt heranzuziehen. Insofern handelt es sich bei dem bei der Beigeladenen angewendeten Beurteilungszeitraum von fünf Jahren bereits um die zeitliche Obergrenze für eine funktionsadäquate Anlassbeurteilung (Beschluss des Senats vom 21. Oktober 2019 - 2 MB 3/19 -, juris Rn. 79-80 m. w. N., insbesondere zur insoweit vergleichend heranzuziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verhältnis von Regelbeurteilungen zu deutlich kürzeren Anlassbeurteilungen <BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 - 2 VR 5.12 -, juris, Rn. 30 und Urteil vom 9. Mai 2019 - 2 C 1.18 -, juris LS 5 und Rn. 57 ff.>). Der Beurteilungszeitraum des Antragstellers ist ebenfalls hinreichend lang, um eine ausreichende Tatsachengrundlage zu geben (vgl. 4.2. Abs. 1 BURL-StA zur Mindestdauer der Wahrnehmung eines zu beurteilenden Amtes); mehr ist für eine Vergleichbarkeit nicht erforderlich.

13

b) Auch das im Rahmen der Gesamtbewertung erfolgende umfangreiche Zitat aus einer früheren Beurteilung der Beigeladenen führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Beurteilung.

14

Die Beurteilung der Beigeladenen enthält unter „2.2. Gesamturteil“ im Abschnitt vor der Bewertung ein Zitat im Umfang von fast drei Seiten aus ihrer vorherigen Beurteilung. Eingeleitet wird dieser Abschnitt mit der Formulierung, aus Anlass ihrer Bewerbung um ihr jetziges Amt erstellten Beurteilung heiße es in der Rubrik Gesamturteil unter anderem entsprechend des dann kursiv aufgeführten dreiseitigen Zitats. Nach dem Zitat wird ausgeführt, die Beigeladene habe die in sie gesetzten Erwartungen in hervorragender Weise erfüllt.

15

Insofern dürfen gemäß 4.5.3. BURL-StA in das Gesamturteil zwar – ebenso wie in die Eignungsprognose und anders als bei der Beurteilung der Einzelmerkmale – auch Fortbildungen und besondere Tätigkeiten nach 4.5.1. BURL-StA sowie besondere Interessen, außerdienstliche Tätigkeiten und die Mitarbeit in Berufsverbänden nach 4.5.2. BURL-StA zu Gunsten der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte einbezogen werden, nicht jedoch außerhalb des Beurteilungszeitraums erworbene Befähigungen und Leistungen; diese können nur in die Eignungsprognose eingezogen werden.

16

Aus der Formulierung der Einleitung des Zitats sowie den Ausführungen in Folge ergibt sich jedoch, dass gerade nicht Zeiträume außerhalb des Beurteilungszeitraums bewertet werden sollen, sondern das Zitat den Kontext zu den übrigen Ausführungen bildet. Daher ist die Wiedergabe der Ausführungen aus der vorherigen Beurteilung – ebenso wie die zu Beginn des Gesamturteils erfolgende Wiedergabe des bisherigen beruflichen Werdegangs der Beigeladenen – im Ergebnis unschädlich. Ein ähnliches Zitat sowie die Wiedergabe des bisherigen beruflichen Werdegangs enthält im Übrigen auch die Beurteilung des Antragstellers im Abschnitt Gesamturteil.

17

c) Die Beurteilung der Beigeladenen ist jedoch fehlerhaft, weil im Beurteilungsmerkmal „Fachkenntnisse“ außerdienstliche Tätigkeiten entgegen 4.5.3. Satz 1 BURL-StA zum Gegenstand der Beurteilung gemacht werden.

18

Insofern kann offenbleiben, ob bereits die Ausführung, dass die Beigeladene ihre qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten auch für das juristische Prüfungswesen – das eine Tätigkeit nach 4.5.1. BURL-StA darstellt und damit nicht Gegenstand der Beurteilung der Einzelmerkmale ist, 4.5.3. Satz 1 BURL-StA – einsetze, bereits zur Fehlerhaftigkeit führt. Jedenfalls soweit die Beurteilung im Folgenden außerdem ausführt, die Beigeladene stelle ihr herausragendes juristisches Wissen durch ihre Prüfertätigkeit – vgl. 4.5.1. BURL-StA – sowie durch ihr Engagement in einem Berufsverband – vgl. 4.5.2. BURL-StA – unter Beweis, werden die Prüfertätigkeit sowie das Engagement in einem Berufsverband entgegen 4.5.3. BURL-StA in die Bewertung eines Einzelmerkmals einbezogen. Dadurch wird die in der Beurteilung getroffene Bewertung der Fachkenntnisse der Beigeladenen gerade durch die Tätigkeiten, bei denen sie „ihr herausragendes juristisches Wissen unter Beweis“ stelle, plausibilisiert.

19

2. Es kann offenbleiben, ob ein Auswahlgespräch nach dem Ergebnis der Beurteilung zulässigerweise als ergänzendes Kriterium herangezogen werden durfte.

20

Insofern ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Auswahlgespräche jedenfalls grundsätzlich dazu dienen können, ergänzend zu dem sich aus dienstlichen Beurteilungen ergebenden Bild zusätzliche Erkenntnisse über die Eignung der jeweiligen Bewerberinnen und Bewerber für eine bestimmte Tätigkeit oder Funktion zur Vorbereitung einer Auswahlentscheidung zu gewinnen. Der Dienstherr darf im Rahmen des ihm zustehenden weiten Ermessens solche Gespräche als weiteres Kriterium für die Begründung einer Auswahlentscheidung heranziehen und ihnen eine gegebenenfalls auch ausschlaggebende Bedeutung beimessen, wenn sich aus den dienstlichen Beurteilungen im Wesentlichen ein Qualifikationsgleichstand mehrerer Bewerberinnen und Bewerber ergibt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 30. November 2007 - 1 B 1183/07 -, juris Rn. 14-15; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. April 2005 - 2 ME 141/05 –, juris Rn. 9; VGH Mannheim, Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 4 S 2543/11 -, juris Rn. 8 jeweils m. w. N.).

21

Dies könnte vorliegend der Fall sein. Der Antragsteller und die Beigeladene sind sowohl in ihren aktuellen Anlassbeurteilungen als auch in den vorangegangenen Beurteilungen jeweils im Gesamturteil und in allen Einzelmerkmalen mit der Höchstnote beurteilt worden (…). Insofern kann zwar die Beurteilung von Bewerberinnen und Bewerbern ausnahmslos mit der Spitzennote auf eine mit Art. 33 Abs. 2 GG und dem daraus folgenden Differenzierungsgebot nicht vereinbare Beurteilungspraxis hinweisen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 -, juris Rn. 17). Vorliegend könnte die durchgehende Vergabe der Höchstnoten jedoch auch darauf beruhen, dass es sich sowohl beim Antragsteller als auch bei der Beigeladenen um berufserfahrene Spitzenkräfte handelt, die aufgrund vorhergehender Auswahlverfahren in ihre derzeitigen Ämter als Leiter der größten Staatsanwaltschaften des Landes und damit nach der Generalstaatsanwältin bzw. dem Generalstaatsanwalt am höchsten besoldeten Ämtern für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Schleswig-Holstein gelangt sind.

22

Ob die Voraussetzungen für die Durchführung von Auswahlgesprächen hier vorlagen, kann letztlich jedoch offenbleiben, weil dem Auswahlvermerk jedenfalls nicht zu entnehmen ist, dass Erkenntnisse aus dem Auswahlgespräch (hierzu b) für die hier gestuft erfolgte Auswahlentscheidung (hierzu a) entscheidend waren.

23

a) Zuständig für die Ernennung der Generalstaatsanwältin bzw. des Generalstaatsanwaltes des Landes Schleswig-Holstein ist der Ministerpräsident, Art. 38 Satz 1 LV. Eine Delegation, Art. 38 Satz 2 LV, ist weder durch den Erlass des Ministerpräsidenten zur Übertragung personalrechtlicher Befugnisse im Geschäftsbereich der Landesregierung (Delegationserlass) vom 17. August 2018 (Amtsblatt S. 728) noch im Übrigen erfolgt. Nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 Geschäftsordnung der Landesregierung vom 19. August 2013 (GVOBl. S. 358) ist der Landesregierung eine geplante Entscheidung zur Besetzung der Leitung einer Behörde, die der Besoldungsgruppe R zugeordnet ist, mithin auch der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Schleswig-Holstein, zur Kenntnis zu unterbreiten. Im vorliegenden Fall hat auf Grundlage des vom für Justiz zuständigen Minister erstellten Vorschlags eine Kabinettsabstimmung stattgefunden, nach der dem Ministerpräsidenten vorgeschlagen werden solle, die Stelle als Generalstaatsanwältin des Landes Schleswig-Holstein mit der Beigeladenen zu besetzen. Der Ministerpräsident hat sich diesem Vorschlag angeschlossen.

24

Ausweislich des die Grundlage der Auswahlentscheidung bildenden Auswahlvorschlags des für Justiz verantwortlichen Ministers, der auch die Stellenausschreibung vorgenommen hatte, ging dieser nach einer Sichtung der Bewerbungen und Anlassbeurteilungen davon aus, dass alle drei Bewerberinnen bzw. Bewerber das Anforderungsprofil (Bewährung in besonderer Weise, umfangreiche Erfahrungen in einer Leitungsfunktion innerhalb einer Staatsanwaltschaft, engagierte und verantwortungsbewusste Persönlichkeit, Aufgeschlossenheit gegenüber Strukturveränderungen in der Justiz in Verbindung mit Gestaltungskraft, ausgeprägtes Organisationsvermögen, Verständnis für wirtschaftliche Fragen, Bereitschaft zur Förderung des Digitalisierungsprozesses der Justiz, besondere Fähigkeit zur Personalführung <kooperativer Führungsstil und Motivation der Mitarbeiter zur Mitgestaltung>) erfüllten und nach ihren dienstlichen Beurteilungen ein identisches Leistungsbild aufwiesen (vgl. BA Auswahlvorgang Bl. 12).

25

Weil die Anlassbeurteilungen keine hinreichende Grundlage für eine tragfähige Differenzierung unter den Bewerberinnen bzw. Bewerbern zuließen, wurde daher entschieden, Auswahlgespräche durchzuführen. An diesen waren neben dem Minister selbst drei Mitarbeiter seines Hauses, ein Mitarbeiter der Staatskanzlei (vgl. Nr. 3.6 Delegationserlass) und eine Richterin am Amtsgericht als Gleichstellungsbeauftragte (siehe dazu 3) beteiligt. Eine Übertragung der Ausübung des Vorschlagsrechts des Ministers an dieses Gremium ist nicht ersichtlich; es dürfte sich insofern um Auswahlgespräche des Ministers handeln, bei denen die anderen Anwesenden beratend bzw. bezüglich des Mitarbeiters der Staatskanzlei zur vorherigen Abstimmung mit dieser beteiligt wurden.

26

Der Kabinettsvorschlag mit Beschluss vom 23. November 2021 (vgl. BA Auswahlvorgang Bl. 31) und die dem folgende Entscheidung des Ministerpräsidenten (vgl. Vermerk des Ministerpräsidenten vom 10. September 2022, Anlage zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 14. September 2022) haben sich den Erwägungen des Auswahlvermerks angeschlossen.

27

b) Dem Auswahlvermerk ist trotz des Verweises auf die Auswahlgespräche nicht zu entnehmen, dass tatsächlich die Erkenntnisse aus den Gesprächen für die Auswahlentscheidung entscheidend waren. Entscheidend waren danach vielmehr die von der Beigeladenen wahrgenommene Tätigkeiten in einem Berufsverband und einem weiteren Verein sowie die Art der von ihr im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit bearbeiteten Verfahren.

28

In dem Auswahlvermerk heißt es zunächst, dass sich während der Gespräche bestätigt habe, dass sich die Bewerber als engagierte und verantwortungsbewusste Persönlichkeiten in ihren jeweiligen Leitungsfunktionen innerhalb einer Staatsanwaltschaft in besonderer Weise bewährt haben. Hinsichtlich ihrer Aussagen zu kriminalpolitischen Zielen habe sich gezeigt, dass diese dem aktuellen justizpolitischen Diskussionsstand entsprächen und mit den Vorstellungen des Hauses in Einklang stünden. Die Erörterungen der kriminalpolitischen Vorstellungen hätten gezeigt, dass die Bewerber sich nicht nur mit den anstehenden Themen beschäftigt, sondern auch konkrete Vorstellungen über notwendige Maßnahmen entwickelt hätten und an deren Umsetzung aktiv gestaltend mitwirkten.

29

War danach also nach Auffassung des „Auswahlgremiums“ ein Gleichstand gegeben, heißt es weiter, das Auswahlgremium habe sich bei seiner Entscheidung insbesondere davon leiten lassen, welcher Bewerber sich in den beiden Kompetenzfeldern „ausgeprägte Qualitäten und Erfahrungen mit organisatorischen Aufgaben und der Personalführung“ sowie „herausgehobene juristische und justizpolitische Expertise“ (siehe zum letzteren 4) abhebe. Nur die Beigeladene decke beide Kompetenzfelder gleichermaßen herausragend ab, wie sich aus dem Gesprächsprotokoll ergebe (vgl. BA Auswahlvorgang, Bl. 14-15).

30

Aus der nach dem Gesprächsprotokoll im Anschluss an die Auswahlgespräche erfolgten und im Protokoll auch dort niedergelegten Beratung des „Auswahlgremiums“ (vgl. BA Auswahlvorgang Bl. 29-30) ergibt sich als Begründung zunächst, dass sowohl der Antragsteller als auch die Beigeladene „ausgeprägte Qualitäten und Erfahrungen mit organisatorischen Aufgaben und der Personalführung“ hätten, aber nur die Beigeladene – anders als der Antragsteller – sich auch im Kompetenzfeld „herausragende Expertise in juristischen und justiziellen Fragen“ (vgl. allgemein dazu 4) hervorhebe. Zur Begründung für das Hervorheben oder Nicht-Hervorheben in diesen beiden Kompetenzfeldern wird jedoch nicht auf das Auswahlgespräch zurückgegriffen, sondern im Weiteren ausschließlich auf den Inhalt der Personalakten der Bewerberinnen und Bewerber oder allgemeinkundige Tatsachen. So werden hinsichtlich des ersten Kompetenzfeldes die beruflichen Stationen der Bewerberinnen und Bewerber verglichen und beim Antragsteller und bei der Beigeladenen insoweit ein Gleichstand festgestellt. Zum zweiten Kompetenzfeld heißt es, die „herausragende Expertise“ der Beigeladenen in juristischen und justiziellen Fragen habe sie nicht zuletzt durch die nebenamtlichen Tätigkeiten als Vorsitzende der Großen Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes und als Vizepräsidentin des Verkehrsgerichtstages eindrucksvoll belegt. Fachlich und justiziell sei die Beigeladene bestens vernetzt und durch ihre jahrelange Verantwortung für zahlreiche Verfahren mit herausgehobener politischer Bedeutung mit parlamentarischen Abläufen und rechtspolitischen Implikationen der Strafverfolgungstätigkeit vertraut. Der Antragsteller könne trotz seiner zweifellos hervorragenden juristischen Fähigkeiten im Bereich der juristischen und justizpolitischen Expertise keine denen der Beigeladenen vergleichbaren Qualitäten und Erfahrungen vorweisen.

31

3. Die Rüge betreffend die Beteiligung einer Richterin als Gleichstellungsbeauftragte greift jedenfalls im Ergebnis. Im hier entscheidenden Zeitpunkt November 2021 hätte die beim Amtsgericht … beschäftigte Richterin am Amtsgericht … nicht als „Gleichstellungsbeauftragte der Justiz“ bestellt und am Auswahlverfahren beteiligt werden dürfen.

32

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 GStG hat die Gleichstellungsbeauftragte bei allen personellen, sozialen und organisatorischen Angelegenheiten auf die Gleichstellung von Frauen hinzuwirken. Sie ist nach § 20 Abs. 2 Satz 1 GStG insbesondere bei Beförderungen zu beteiligen. Dabei ist die Gleichstellungsbeauftragte bei Vorstellungsgesprächen und Auswahlverfahren teilnahmeberechtigt, soweit diese nicht durch ein Gremium geführt werden, dessen Zusammensetzung durch Gesetz geregelt ist; sie ist stimmberechtigt, wenn eine Personalentscheidung von einem Gremium, dessen Zusammensetzung nicht durch Gesetz geregelt ist, durch Abstimmung getroffen wird, § 20 Abs. 2 Satz 3 und 4 GStG. Vorliegend wurde – wie oben unter a) ausgeführt – die Auswahlentscheidung durch einen Vorschlag des Justizministers vorbereitet. An diesem war die Gleichstellungsbeauftragte zu beteiligen.

33

Jedoch hätte die am Amtsgericht … tätige Richterin am Amtsgericht … nicht als vom für Justiz zuständigen Ministerium zu beteiligende Gleichstellungsbeauftragte bestimmt werden dürfen, weil sie keine Beschäftigte des Ministeriums für Justiz, Europa und Verbraucherschutz war. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GStG ist bei allen Dienststellen mit mindestens fünf Beschäftigten eine Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Dabei muss die Gleichstellungsbeauftragte, wie sich auch im Rückschluss aus § 18 Abs. 6 GStG ergibt, Beschäftigte der jeweiligen Dienststelle sein. Richterin am Amtsgericht … war jedoch keine der Dienststelle Ministerium für Justiz, Europa und Verbraucherschutz zugeordnete Beschäftigte. Vielmehr war sie bei der Dienststelle Amtsgericht … tätig.

34

Soweit § 86 LRiG eine Sonderregelung trifft, nach der das für Justiz zuständige Ministerium aus dem Kreis der Richterinnen und Staatsanwältinnen eine Gleichstellungsbeauftragte für die Justiz sowie eine Vertreterin bestellt, die die Aufgaben und Rechte der Gleichstellungsbeauftragen des für Justiz zuständigen Ministeriums wahrnimmt, soweit überwiegend Gerichte und Staatsanwaltschaften betroffen sind, ist diese Regelung erst mit dem Gesetz zur Änderung beamten-, laufbahn- und mitbestimmungsrechtlicher Regelungen vom 3. Mai 2022 (GVOBl. S. 551) eingefügt worden und ist damit erst seit dem 20. Mai 2022 in Kraft.

35

4. Dass der Antragsgegner seine Entscheidung inhaltlich auf das Kriterium der „herausgehobenen juristischen und justizpolitischen Expertise“ gestützt hat, mag zwar in Bezug auf das zu vergebende Amt des Generalstaatsanwalts bzw. der Generalstaatsanwältin plausibel erscheinen. So wie dies hier geschehen ist, wurde dadurch jedoch der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers in mehrfacher Hinsicht verletzt.

36

Wie bereits einleitend ausgeführt, darf der Dienstherr, wenn er ein Amt durch Beförderung der Inhaberin oder des Inhabers eines niedrigeren Amtes vergeben will, dies nur nach Kriterien tun, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt den Bewerberinnen und Bewerbern ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Dieser ist verletzt, wenn ein Leistungsvergleich gar nicht möglich ist, weil es bereits an tragfähigen Erkenntnissen über das Leistungsvermögen, d. h. an aussagekräftigen dienstlichen Beurteilungen fehlt, wenn nicht unmittelbar leistungsbezogene Gesichtspunkte in die Auswahlentscheidung einfließen, wenn die Leistungsmerkmale fehlerhaft gewichtet werden oder wenn sie objektiv eine einseitige Bevorzugung einer Bewerberin oder eines Bewerbers bewirken (stRspr, vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris Rn. 20-21, 24 m. w. N., zu letzterem auch: BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 C 6.11-, juris Rn. 24).

37

Unter Anlegung dieser Maßstäbe hätte der Antragsgegner seine Entscheidung inhaltlich nicht so wie geschehen auf das Kriterium der „herausgehobenen juristischen und justizpolitischen Expertise“ stützen dürfen. Das Kriterium ist inhaltlich unbestimmt (hierzu a). Die zur Begründung herangezogenen Nebentätigkeiten hätten ebenso wie die zur Begründung herangezogene vorherige dienstliche Erfahrung nicht nur einseitig bei der Beigeladenen in den Blick genommen werden dürfen (hierzu b, zur vorherigen dienstlichen Erfahrung siehe auch schon sogleich zu a). Zudem hätte das Auswahlkriterium in der Stellenausschreibung mit aufgenommen werden und entsprechend auch in den Anlassbeurteilungen Berücksichtigung finden müssen (hierzu c).

38

a) Das Merkmal ist bereits inhaltlich unbestimmt.

39

Während die Bezeichnung „juristische und justizpolitische Expertise“ nahelegt, dass es um besondere Fachkenntnisse geht, die neben rechtlichen auch rechtspolitische Fragen umfassen, hat der Antragsgegner erkennbar gerade nicht auf diese abgestellt. Insofern ergebe sich aus den Beurteilungen ein Leistungsgleichstand der Beigeladenen und des Antragstellers, die im Einzelmerkmal Fachkenntnisse jeweils mit der Höchstnote beurteilt wurden.

40

Eine nähere Bestimmung ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen im Auswahlvermerk. Diese beziehen sich in Verbindung mit dem Gesprächsprotokoll (BA Auswahlvorgang Bl. 29-30) insoweit darauf, dass die herausragende Expertise der Antragstellerin in juristischen und justiziellen Fragen nicht zuletzt durch ihre nebenamtlichen Tätigkeiten als Vorsitzende der Großen Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes und als Vizepräsidentin des Verkehrsgerichtstages eindrucksvoll belegt sei. Fachlich und justiziell sei sie bestens vernetzt und durch ihre jahrelange Verantwortung für zahlreiche Verfahren mit herausgehobener Bedeutung mit parlamentarischen Abläufen und rechtspolitischen Implikationen der Strafverfolgungstätigkeit vertraut. Der Antragsteller verfüge über keine vergleichbaren Qualitäten und Erfahrungen. Dies wurde nicht weiter ausgeführt.

41

Soweit der Auswahlvermerk mit der Formulierung, die Antragstellerin sei fachlich und justiziell bestens vernetzt und durch ihre jahrelange Verantwortung für zahlreiche Verfahren mit herausgehobener politischer Bedeutung mit parlamentarischen Abläufen und rechtspolitischen Implikationen der Strafverfolgungstätigkeit vertraut, nahelegt, dass für die Bewertung der besonderen justizpolitischen Expertise auf bisherigen dienstlichen Erfahrungen abgestellt wurde, fehlt es an eine Erläuterung, auf welche Erfahrungen bzw. daraus gewonnenen justizpolitischen Fähigkeiten oder Kenntnisse insoweit konkret abgestellt wurde. Dies ergibt sich auch nicht ohne Weiteres. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum die aus dienstlichen Erfahrungen gewonnen justizpolitischen Fähigkeiten oder Kenntnisse des Antragstellers nicht mit denen der Beigeladenen vergleichbar sein sollen. Der Antragsteller war, wie sich bereits aus dem in der Beurteilung unter „Gesamturteil“ zunächst aufgeführten Werdegang und im Übrigen aus den Personalakten ergibt, in ähnlichen dienstlichen Positionen wie die Beigeladene tätig. Der Antragsteller war zudem – anders als die Beigeladene – auch als Leitender Oberstaatsanwalt als Abteilungsleiter bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein sowie ständiger Vertreter des Generalstaatsanwalts tätig:

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Dies legt nahe, dass der Antragsteller über mindestens denen der Beigeladenen vergleichbare dienstliche Erfahrungen verfügt, die seine Eignung für das Amt des Generalstaatsanwalts prägen können. Warum dies nach Ansicht des Antragsgegners nicht der Fall sein soll, ergibt sich aus dem Auswahlvermerk nicht. Dieser beschränkt sich auf die Aussage, der Antragsteller könne trotz seiner zweifellos hervorragenden juristischen Fähigkeiten im Bereich der juristischen und justizpolitischen Expertise keine den beiden anderen Kandidaten vergleichbaren Qualitäten und Erfahrungen vorweisen.

44

Eine entsprechende Unterscheidung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beigeladene aktuell Leiterin der Staatsanwaltschaft in … und damit zuständig für den Ort des Sitzes der Landesregierung und des Landtages ist, während im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft …, deren Leiter der Antragsteller ist, kein Sitz eines Verfassungsorgans liegt. Denn zum einen würde dies den Bewerberkreis unzulässig auf die Beigeladene beschränken, da derzeit allein sie über entsprechende Erfahrungen verfügen kann. Zum anderen widerspräche dem auch, dass das Auswahlgremium die juristische und justizpolitische Expertise des weiteren Bewerbers, der ebenfalls kein Leiter der Staatsanwaltschaft … ist oder war, als mit derjenigen der Beigeladenen vergleichbar eingestuft hat.

45

Soweit danach zum Beleg für die „juristische und justizpolitische Expertise“ entscheidend auf das Engagement der Beigeladenen in einem Berufsverband und in einem Verein und damit auf Nebentätigkeiten, vgl. § 70 LBG, abgestellt wird, fehlt es an einer Darlegung, inwiefern diese konkrete, für die Tätigkeit erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln sowie inwiefern der Antragsgegner darüber – über den Umstand der Tätigkeit hinaus – Kenntnis gewonnen hat.

46

Denn auch eine Nebentätigkeit kann zwar im Einzelfall geeignet sein, das Bild von der dienstlichen Leistung und Befähigung der Beamtin bzw. des Beamten mit zu prägen. Eine Einbeziehung einer Nebentätigkeit in die Auswahlentscheidung setzt jedoch voraus, dass die von der Beamtin oder dem Beamten bei Ausübung der Nebentätigkeit gezeigten Leistungen und Fähigkeiten hinreichende Rückschlüsse auf ihr oder sein Leistungsbild im Statusamt und ihre oder seine weitere dienstliche Verwendung zulassen. Dabei können Art und Umfang der ausgeübten Nebentätigkeit sowie die sie prägenden Merkmale, der Erwerb von im Hauptamt nützlichen Zusatzqualifikationen sowie eine von der Beamtin bzw. dem Beamten bei der Ausübung der Nebentätigkeit gezeigte besondere Bereitschaft, Initiative oder Belastbarkeit eine Rolle spielen (vgl. für die Einbeziehung von Nebentätigkeiten in Beurteilungen OVG Münster, Beschluss vom 7. März 2016 - 6 A 623/14 -, juris Rn. 9-11; kritisch zur Einbeziehung von Nebentätigkeiten: BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2020 - 2 VR 2.19 -, juris LS und Rn. 39).

47

Dies entbindet dann jedoch nicht von der Pflicht zur Verschaffung hinreichender Tatsachengrundlagen zur Bewertung dieser Erkenntnisquellen zu den Nebentätigkeiten. Ein Verstoß gegen den durch Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Bewerbungsverfahrensanspruch liegt vor, wenn die Entscheidung ohne tragfähige Erkenntnisse über das Leistungsvermögen getroffen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris Rn. 24). Will der Dienstherr bei der Auswahlentscheidung zwischen im Wesentlich gleich geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern auf einzelne Merkmale besonders abstellen, sind dafür die dienstlichen Beurteilungen heranzuziehen, wobei insoweit zunächst das Gesamturteil weiter auszuschöpfen ist; ergänzend ist auf die Begründung der diesbezüglichen Einzelmerkmale abzustellen. Weitere Erkenntnisquellen – hier also zu den Nebentätigkeiten und der aus dieser folgenden „Expertise“ – können nur ergänzend herangezogen werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, juris Rn. 48 m. w. N.).

48

Insofern sehen die Beurteilungsrichtlinien für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gerade auch vor, dass Nebentätigkeiten im Sinne von Punkt 4.5.1 und 4.5.2 im Gesamturteil zu Gunsten der Staatsanwältin oder des Staatsanwalts berücksichtigt werden können. Es kann dahinstehen, ob ohne ausdrückliche normative Grundlage derartige Erkenntnisse aus Nebentätigkeiten in Beurteilungen überhaupt berücksichtigt werden dürfen, wenn es bei der Begründung des Gesamturteils nicht um eine bloße Erwähnung des Umstands geht, dass eine Nebentätigkeit ausgeübt wurde, sondern darum, ob und wie sich diese – positiv – auf das Bild von der dienstlichen Leistung und Befähigung der Beamtin bzw. des Beamten ausgewirkt hat. In diesem Sinne ist es mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar, wenn in dienstlichen Beurteilungen auf Nebentätigkeiten insoweit eingegangen wird, wie diese das Leistungsbild im Statusamt prägen und Schlüsse auf die weitere dienstliche Verwendung der Beamtin bzw. des Beamten zulassen.

49

Vorliegend ergibt sich aus den Beurteilungen jedoch nur, dass entsprechende Nebentätigkeiten wahrgenommen worden sind. Eine – insoweit den Beurteilungsrichtlinien widersprechende – Bewertung diesbezüglich erfolgte durch den Beurteiler allein im Einzelmerkmal Fachkenntnisse.

50

b) Zudem fehlt es an einer entsprechenden Berücksichtigung der Nebentätigkeiten und vorherigen dienstlichen Erfahrungen des Antragstellers und damit an gleichen Bewertungsmaßstäben für den Antragsteller und die Beigeladene (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris Rn. 52). Dies gilt selbst dann, wenn der Antragsgegner die Nebentätigkeiten und bisherigen dienstlichen Erfahrungen des Beigeladenen nicht als gleichermaßen geeignet sehen sollte, eine „juristische und justizpolitische Expertise“ zu begründen. Denn dafür hätte es jedenfalls einer Begründung bedurft.

51

Auch der Antragsteller ist in – inhaltlich mit seiner staatsanwaltlichen Tätigkeit verbundenen Bereichen – ehrenamtlich tätig. Er ist, wie sich auch aus seiner Anlassbeurteilung unter Punkt 5 (Nach Angaben des Beurteilten: Besondere Interessen, außerdienstliche Nebentätigkeiten, Mitarbeit in Berufsverbänden, Ehrenämter, vgl. 4.5.2. BURL-StA) ergibt, seit 2010 Vorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Landesbeirats für Bewährungs- und Straffälligenhilfe – wobei für diesen nach § 40 des Gesetzes zur ambulanten Resozialisierung und zum Opferschutz in Schleswig-Holstein beim für Justiz zuständigen Ministerium zu bildenden Landesbeirat ggf. zu klären wäre, inwiefern der Antragsteller in dienstlicher Eigenschaft (entweder unter 1.4 im Beurteilungsvordruck oder unter 1.5. als Tätigkeit nach 4.5.1. vorletzter Spiegelstrich BURL-StA aufzunehmen) in diesem Mitglied ist – sowie seit 2016 Vorstandsvorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Verbandes für soziale Strafrechtspflege e. V. – Straffälligenhilfe und Opferschutz.

52

Gleiches gilt, soweit zur Begründung für eine „juristische und justizpolitische Expertise“ auf die bisherigen dienstlichen Erfahrungen abgestellt wird. Der Antragsteller war wie ausgeführt in ähnlichen dienstlichen Positionen wie die Beigeladene tätig. Dies legt nahe, dass er über mindestens denen der Beigeladenen vergleichbare dienstliche Erfahrungen verfügt, die seine Eignung für das Amt des Generalstaatsanwalts prägen können. Warum dies nach Ansicht des Antragsgegners nicht der Fall sein soll, ergibt sich aus dem Auswahlvermerk nicht.

53

c) Schließlich hätte das entsprechende – näher konkretisierte – Kriterium auch in das in der Stellenausschreibung formulierte Anforderungsprofil mit aufgenommen und im Rahmen der anlässlich der Bewerbung erstellten Beurteilungen beurteilt werden müssen. Die sachgerechte Prognose, wer von den Bewerberinnen und Bewerbern die zukünftigen Aufgaben am besten erfüllen wird, erfordert die Festlegung eines konkreten Anforderungsprofils. Daher sind im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die eine Bewerberin oder ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 5 C 16.10 -, juris Rn. 21, Beschluss vom 22. November 2012 - 2 VR 5.12 -, juris Rn. 36, zur Zulässigkeit und den Grenzen von Anforderungsprofilen allgemein vgl. auch: BVerfG, Beschluss vom 26. November 2010 - 2 BvR 2435/10 -, juris Rn. 15 ff., BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2012 - 2 VR 1.13 - Rn. 28). Zudem darf ein Anforderungsprofil zur Konkretisierung der Auswahlkriterien nur solche Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsmerkmale enthalten, die für das Amt ohne Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG gefordert werden dürfen (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 -, juris LS 2, Rn. 18 ff.).

54

Vorliegend hat der Antragsgegner zwar ein Anforderungsprofil formuliert (vgl. BA Auswahlvorgang Bl. 1 und 12). Dieses enthielt jedoch keine Anforderung einer besonderen justizpolitischen Expertise. Eine solche Anforderung ist auch nicht – soweit sie über die in der Beurteilung zu bewertenden Fachkenntnisse oder weitere Einzelmerkmale der Beurteilung, hinsichtlich derer der Antragsteller und die Beigeladene aber jeweils beide mit der Höchstnote beurteilt wurden, hinausgeht – in den allgemeinen, der Beurteilung unterliegenden Anforderungen an Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Landes Schleswig-Holstein (vgl. BURL-StA) enthalten und wurde daher auch nicht beurteilt. Erkenntnisquelle für das Auswahlverfahren sind jedoch wie ausgeführt in erster Linie die dafür erstellten dienstlichen Beurteilungen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, juris Rn. 48 m. w. N.).

55

Kann nach Aufstellung eines entsprechenden Anforderungsprofils die Anforderung einer besonderen justizpolitischen Expertise ausschlaggebend in die Auswahlentscheidung einbezogen werden, wäre eine entsprechende Bewertung und Berücksichtigung der dafür zum Beleg herangezogenen Nebentätigkeiten in der Begründung des Gesamturteils nicht nur bei der Beigeladenen, sondern auch beim Antragsteller vorzunehmen. Diese darf sich allerdings nicht in einer bloßen Aufzählung und Aufnahme dieser Tätigkeiten in der Begründung des Gesamturteils erschöpfen. Denn entscheidend nach Art. 33 Abs. 2 GG ist, ob und welche förderlichen Auswirkungen diese Tätigkeiten und die mit ihnen bzw. durch sie gewonnene justizpolitische Expertise für die zu erwartenden dienstlichen Leistungen und Fähigkeiten und die Eignung der Beamtin bzw. des Beamten in Bezug auf das angestrebte Amt einer Generalstaatsanwältin bzw. eines Generalstaatsanwalts haben.

56

5. Die Auswahl des Antragstellers in einem neuen Auswahlverfahren erscheint möglich. Ein Anspruch auf erneute Entscheidung über die Bewerbung einer im Auswahlverfahren unterlegenen Bewerberin bzw. eines im Auswahlverfahren unterlegenen Bewerbers ist bei Vorliegen einer fehlerbehafteten, das subjektive Recht der Bewerberin bzw. des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzenden Auswahlentscheidung nur dann nicht gegeben, wenn die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls klar erkennbar ergibt, dass die bzw. der Rechtsschutzsuchende auch im Fall einer nach den Maßstäben der Bestenauslese fehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zu den Mitbewerberinnen und Mitbewerbern chancenlos sein wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, juris Rn. 13-14; BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, juris Rn. 11 ff., vom 19. Dezember 2014 - 2 VR 1.14 -, juris Rn.18 und vom 23. Januar 2020 - 2 VR 2.19 -, juris Rn. 22). Dafür ist jedoch nichts ersichtlich. Vielmehr hat auch der Antragsgegner den Antragsteller und die Beigeladene, die derzeit statusgleiche Ämter ausüben und in ihren Anlassbeurteilungen jeweils sowohl im Gesamturteil als auch in allen Einzelmerkmalen die Höchstnote erreicht haben, als im Wesentlichen gleich geeignet eingeschätzt.

57

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht billigem Ermessen, dem Antragsgegner auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese keinen eigenen Antrag gestellt hat und damit selbst kein Kostenrisiko eingegangen ist, § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO.

58

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 GKG. Der Streitwert beträgt danach ein Viertel der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des angestrebten Amtes, hier: R 6, mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen bezogen auf den Zeitpunkt der instanzbegründenden Antragstellung, hier Mai 2022 (12 x 9.909,55 Euro : 4).

59

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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