Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 9 Q 103/01

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 25. September 2001 -3 K 341/00- wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

Für die Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Berufung ist auch nach Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozeß vom 20.12.2001 (i.d.F. von Art. 1 Nr. 28 RmbereinVpG, BGBl. I. S. 3987) und der Änderung des Berufungszulassungsrechts gemäß der Übergangsregelung in § 194 II VwGO das bis zum 31.12.2001 geltende Recht, maßgebend.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung nach §§ 124 a, 124 VwGO a. F. gegen das im Tenor bezeichnete Urteil bleibt ohne Erfolg. Die von dem Kläger zur Begründung des Berufungszulassungsantrages geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 II Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.

Der Kläger beruft sich gegenüber der durch das erstinstanzliche Urteil bestätigten (Wieder-)Entziehung der Fahrerlaubnis vom 18.11.1996 wegen einer am 17.5.1993 begangenen fahrlässigen Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr (Blutalkoholkonzentration von 2,52 Promille), nachdem die mit der Wiedererteilung dem Kläger mit von diesem unterschriebener Erklärung vom 22.3.1995 (vgl. Bl. 41 Verw.-Akte des Beklagten) zur Auflage gemachte medizinisch-psychologische Nachuntersuchung eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit einer erneuten Trunkenheitsfahrt belegt hat, darauf, daß das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht erkennen lasse, inwieweit es sich mit den erheblichen Gründen, die gegen den Wiederentzug der Fahrerlaubnis sprächen, auseinandergesetzt habe. Dazu weist der Kläger darauf hin, daß die dieser Entscheidung zugrundeliegende Trunkenheitsfahrt im Jahre 1993 erfolgt sei und er zwischenzeitlich die Fahrerlaubnis nach einer wiederholten (vgl. das vorausgegangene, negative Gutachten des TÜV-Saarland vom 28.4.1994) medizinisch-psychologischen Untersuchung vom 17.3.1995 wieder erteilt erhalten habe. Die aufgrund der in diesem medizinisch-psychologischen Gutachten empfohlenen Nachuntersuchung, die mit Gutachten des TÜV Saarland vom 30.8.1996 erfolgt ist, geäußerten Zweifel an der Eignung des Klägers zur Teilnahme am Straßenverkehr seien im wesentlichen auf zwei Punkte gestützt, die jedoch für sich alleine genommen nicht ausreichten, die Zweifel an der Fahreignung des Klägers zu belegen. Zum einen habe das Gutachten nicht schlüssig nachweisen können, daß der erhöhte Gamma-GT-Wert tatsächlich auf einen wieder erhöhten Alkoholgenuß zurückgeführt werden könne, da deutlich erhöhte Gamma-GT-Werte auch aufgrund bestimmter Krankheitsbilder ohne einen erhöhten Alkoholkonsum zu finden seien. Zum andern sei bereits in der Stellungnahme an die Widerspruchsbehörde vorgetragen worden, daß der Kläger aufgrund seiner Arbeitszeit, er habe ständig Spätschicht, nicht mehr in der Abstinenzgruppe, die er vorher besucht habe, habe mitarbeiten können. Diese Gesichtspunkte - erhöhter Gamma-GT-Wert und Absehen von einer weiteren Mitarbeit in einer Abstinenzgruppe -, aufgrund deren das Gutachten zu dem Schluß gekommen sei, daß Zweifel an der Eignung des Klägers bestünden, seien äußerst zweifelhaft; dies zumal der Kläger seit nunmehr fünf Jahren wieder im Besitze einer Fahrerlaubnis sei und regelmäßig - teilweise als Berufskraftfahrer - am Straßenverkehr teilnehme, ohne daß es in all diesen Jahren zu einem schwerwiegenden Verkehrsverstoß gekommen sei. Eine so langjährige Verkehrspraxis bestätige einwandfrei die Eignung des Klägers zur Teilnahme am Straßenverkehr. Das Verwaltungsgericht habe sich in seiner Entscheidung an keiner Stelle mit der aufgezeigten Problematik auseinandergesetzt und insbesondere nicht dargetan, warum angesichts einer so langjährigen, beanstandungsfreien Fahrpraxis auch heute noch von der Ungeeignetheit des Klägers auszugehen sei. Soweit das Verwaltungsgericht ausführe, dem Kläger habe es oblegen, in der mündlichen Verhandlung seine Bereitschaft, sich einer erneuten Überprüfung durch ein Verkehrstauglichkeitsgutachten zu unterziehen, darzulegen, sei dem entgegenzuhalten, daß das Verwaltungsgericht an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht habe, daß es trotz des dargelegten eindrucksvollen Beleges der Eignung des Kläger zum Führen eines Kraftfahrzeuges ein erneutes Verkehrstauglichkeitsgutachten für erforderlich halte. Das Verwaltungsgericht habe auch in keiner Weise deutlich gemacht, warum trotz des faktischen Nachweises der Eignung ein solches Gutachten weiterhin erforderlich sei.

Diese Darlegungen vermögen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht zu begründen.

Die von dem Kläger behauptete Eignung im Sinne von § 11 FEV setzt die endgültige Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik, wie sie beim Kläger im Hinblick auf die von ihm begangene Verkehrsstraftat zu Tage getreten ist, gemäß § 13 FEV voraus. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß die bestehenden Eignungszweifel durch das vom Kläger im Verwaltungsverfahren in Erfüllung der ihm erteilten Auflage bei Wiedererteilung der Fahrerlaubnis vorgelegte Gutachten des TÜV Saarland vom 30.8.1996 nicht ausgeräumt worden sind. Dabei durfte das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf die überzeugenden Darlegungen im eingeholten Gutachten stützen, ohne daß es erforderlich war, weitere Sachaufklärung - etwa auch durch Einholung eines weiteren Gutachtens bzw. Obergutachtens - zu betreiben. Nach § 13 Nr. 2 c) FEV ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille geführt wurde. Diese Voraussetzung lag bei dem Kläger, der mit 2,52 Promille gefahren ist, eindeutig vor. Nach der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FEV, deren Ziffer 8. sich mit dem Krankheitsbild bzw. dem Eignungsmangel "Alkohol" befaßt, ist die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu verneinen, wenn Mißbrauch von Alkohol vorliegt, d.h. wenn ein Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann. Die erforderliche Eignung (oder bedingte Eignung) liegt nach Beendigung des Mißbrauchs vor, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist. Bei bestehender Abhängigkeit von Alkohol ist die Eignung von vorneherein zu verneinen; sie kann nach einer Entwöhnungsbehandlung wieder bestehen, wenn die Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist. Insoweit ist Ziffer 8. der Anlage 4 ersichtlich zu entnehmen, daß wegen der Abstinenz nach Alkoholsuchtentwöhnung die Frage einer Trennungsproblematik sich von vornherein nicht stellt.

Davon ausgehend vermag der Kläger mit den von ihm geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht durchzudringen. Das von dem Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Gutachten ist von einem dazu geeigneten Sachverständigen auf wissenschaftlicher Grundlage nach genügender Abklärung der Verhältnisse des Klägers erstellt und zur Beurteilung der Frage der Eignung des Klägers unter Einbeziehung der Vorgeschichte und der nach Entziehung der Fahrerlaubnis vorgelegten übrigen medizinisch-psychologischen Eignungsgutachten des TÜV-Saarland vom 28.4.1994 und 17.3.1995 auch geeignet. Danach ist bei dem Kläger von einer Alkoholabhängigkeit im Sinne von Ziffer 8.3 in der Anlage 4 auszugehen. Bereits die bei ihm anläßlich der erstmaligen Entziehung der Fahrerlaubnis vorgefundene Blutalkoholkonzentration von weit über 1,6 Promille deutet, wie auch die Gutachter festgestellt haben, auf eine hohe Alkoholtoleranz hin. Darüber hinaus wurde bei der medizinischen Untersuchung in der Begutachtung vom 28.4.1994 festgestellt, daß bei dem Kläger ein erhöhter Gamma-GT-Wert sowie ein erhöhter MCV-Wert vorlagen und festgestellt, daß beide Werte empfindlich auf Alkohol reagierten. In Verbindung mit der Vorgeschichte sei als Ursache für die Erhöhung beider Werte vermehrter Alkoholkonsum anzusehen, zumal sich weder aus dieser noch aus dem Untersuchungsbefund eine andere Ursache für diese erhöhten Werte ergebe. Weiter wurde auf Befunde wie deutliches Zittern der abgespreizten Finger, Lidflattern und vermehrtes Schwitzen hingewiesen, die für stärkeren Alkoholkonsum sprächen. Der Kläger selbst hat in der psychologischen Untersuchung - wenn auch nur eingeschränkt - zugegeben, in der Vergangenheit fast täglich erhebliche Mengen an Bier konsumiert zu haben, auch wenn er nicht hat zugestehen können, eine Gewöhnung an das Suchtmittel läge bei ihm vor. Aus dem zuvor erstatteten medizinisch-psychologischen Gutachten vom 17.3.1995 ergibt sich, daß bei festgestellten Laborwerten im Normbereich gesunder Erwachsener der Kläger erkannt hatte, daß bei ihm eine Alkoholproblematik vorlag und er durch entsprechendes Abstinenzverhalten und die Teilnahme an einer Therapiegruppe dieser hat entgegenwirken müssen, was die Gutachter letztlich dazu veranlaßt haben, eine eingeschränkte positive Eignungsbeurteilung dahingehend abzugeben, daß eine Nachuntersuchung nach einem Jahr, um die Stabilisierung der notwendigen Alkoholabstinenz überprüfen zu können, für erforderlich gehalten worden ist. Letzteres stimmt mit den Eignungsvoraussetzungen der Ziffer 8.4 der Anlage 4 überein, wonach nach Abhängigkeit und eventueller Entwöhnungsbehandlung die Eignung unter anderem nur dann bejaht werden kann, wenn die Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist. Gerade dem letztgenannten Nachweis diente die von den Gutachtern ausgesprochene Empfehlung zur Nachuntersuchung. Dieser Nachweis der Abstinenz über ein Jahr hinweg ist dem Kläger allerdings nicht gelungen, wie das zuletzt eingeholte Gutachten vom 30.8.1996 belegt. Dessen medizinischer Begutachtung ist nämlich zu entnehmen, daß sowohl Gamma-GT-Wert und MCV-Wert zum Zeitpunkt der Untersuchung am 7.5.1996 wieder erhöht waren. Hinzu kommt, daß der Kläger in dem Jahr seit Wiedererteilung der Fahrerlaubnis unter Auflage am 22.3.1995 entgegen der dort akzeptierten Verpflichtung, in einvierteljährigen Abständen die aktuellen Leberwerte ermitteln zu lassen und diese der Führerscheinstelle vorzulegen, nur einmal durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung vom 20.12.1995 nachgekommen ist. Diesem Befundbericht (Bl. 43 Verw.-Akte) ist bereits ein erhöhter Gamma-GT-Wert zu entnehmen. Hinzu kommt weiter, daß der Kläger keinerlei Anhaltspunkte dafür auch nur vorgetragen hat, daß die mehrfach festzustellende Erhöhung der entsprechenden Werte auf einer anderen Ursache beruhen könnte als dem Konsum von Alkohol. Letzteren hat der Kläger ausweislich der psychologischen Begutachtung im zuletzt erstellten Gutachten, wo er auch eingeräumt hat, daß bei ihm eine Alkoholproblematik bestanden habe, als weiterhin bestehend zugestanden, auch wenn er angegeben hat, sein Konsum sei gelegentlich und bewege sich auf niedrigem Niveau. Aus all diesen gutachterlichen Äußerungen ergibt sich letztlich, daß der Kläger die Voraussetzungen für die Eignung nach Ziffer 8.4 der Anlage 4 nicht erfüllt. Es kann nämlich zum Entscheidungszeitpunkt nicht gesagt werden, daß die Abhängigkeit, die er selber, wenn auch zuletzt nur unter Einschränkungen, zugestanden hat, nicht mehr besteht. Zudem ist jedenfalls festzustellen, daß die dort geforderte Abstinenz von einem Jahr nicht nachgewiesenermaßen eingehalten worden ist. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob es dem Kläger in der Zwischenzeit gelungen ist, Fahren und Trinken von Alkohol strikt auseinanderzuhalten, und kommt dem von ihm vorgetragenen Umstand, daß er in der Zwischenzeit nicht auffällig geworden sei, ebensowenig Bedeutung zu, wie der Frage, ob er zeitlich in der Lage gewesen ist, in der jüngeren Vergangenheit weiterhin in der Abstinenzgruppe mitzuarbeiten.

Nach allem ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 II VwGO zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 25 II, 13 I GKG. Da die Kosten des Verfahrens gemäß § 73 I GKG nach dem bisherigen, also bis zum 31.12.2001 geltenden Recht und damit auf der Grundlage von DM-Beträgen erhoben werden, erfolgt die Festsetzung des Streitwertes, der Berechnungsgrundlage für die Kosten, ebenso in Deutscher Mark.

Dieser Beschluß ist nicht anfechtbar.

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