Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 1 W 24/03

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 25. Juli 2003 - 3 F 21/03 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde gegen den im Tenor genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen A und C 1E durch den Bescheid des Antragsgegners vom 6.6.2003 abgelehnt worden ist, ist nicht begründet.

Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prüfungsumfang durch den Senat beschränkende Beschwerdevorbringen gemäß Schriftsatz vom 12.8.2003 ist nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu erschüttern. Das Verwaltungsgericht hat unter Beachtung der einschlägigen verfassungsgerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Recht angenommen, dass die Weigerung des Antragstellers, sich der mit Schreiben des Antragsgegners vom 9.1.2003 und weiterem Schreiben vom 24.4.2003 - darin unter letztmaliger Fristsetzung bis 24.5.2003 - angeordneten ärztlichen Untersuchung beim Gesundheitsamt Saarlouis zu unterziehen, nach den konkreten Gegebenheiten den Schluss auf die mangelnde Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen rechtfertigt.

Nach der erwähnten Rechtsprechung muss sich die Anforderung einer gutachterlichen Untersuchung auf solche Mängel beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, dass der Betroffene sich als Führer eines Kraftfahrzeugs nicht verkehrsgerecht umsichtig verhalten werde, was auf der anderen Seite ausschließt, jeden Umstand, der auf die entfernt liegende Möglichkeit eines Eignungsmangels hindeutet, als hinreichenden Grund für die Anforderung eines (ärztlichen) Gutachtens anzusehen. Die Überprüfung der Fahreignung erfordert mithin insgesamt einen hinreichenden Gefahrenverdacht, der einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lässt. In einer so geprägten Situation werden Grundrechte des Betroffenen wie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), insbesondere aber auch der verfassungsrechtlich geschützte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt

vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 24.6.1993, BVerfGE 89, 69 (85 f.) = NJW 1993, 2365, vom 20.6.2002, NJW 2002, 2378, und vom 8.7.2002, NJW 2002, 2381; BVerwG, Urteil vom 5.7.2001, NJW 2002, 78 (79).

Ein in diesem Sinne hinreichender Gefahrenverdacht, der einen Eignungsmangel beim Antragsteller als naheliegend erscheinen ließ (und lässt) und deshalb den Antragsgegner gemäß den §§ 46 Abs. 3, 13 Nr. 1, 11 Abs. 2 FeV in Verbindung mit Ziffer 8.3 der Anlage 4 zur FeV ermächtigte, zur Klärung von Eignungszweifeln mit Blick auf eine beim Antragsteller möglicherweise bestehende ausgeprägte Alkoholproblematik von diesem eine ärztliche Untersuchung beim Gesundheitsamt Saarlouis zu verlangen, war nach den konkreten Umständen, wie sie dem Antragsgegner aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisse (Ermittlungsverfahren 65 Js 1254/02) zur Kenntnis gekommen waren, eindeutig gegeben.

Aus dem dem Antragsgegner übersandten Bericht der Polizeiinspektion B. vom 21.5.2002 sowie der diesem Bericht beigefügten Blutalkoholbestimmung des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 23.5.2002 geht im Wesentlichen folgendes hervor:

Der Antragsteller wurde am 18.5.2002 gegen 3.55 Uhr schlafend in dem Fahrzeug Audi A6, amtliches Kennzeichen ..., angetroffen. Er saß mit geöffnetem Mund und nach hinten gefallenem Kopf angegurtet auf dem Fahrersitz. Das Fahrzeug, dessen Motor lief und bei dem das Abblendlicht eingeschaltet war, stand auf einem Parkstreifen in der Saarbrücker Straße (B 51) in B. in Richtung E., wobei der linke Frontbereich des Fahrzeugs ca. einen Meter in die Fahrbahn hineinragte. Die um 4.40 Uhr beim Antragsteller entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt vom 2,21 Promille.

Dass für den Antragsgegner bei dem festgestellten hohen Blutalkoholwert von 2,21 Promille hinreichend Anlass für die Annahme des Bestehens einer dauerhaften und ausgeprägten Alkoholproblematik beim Antragsteller bestand, hat das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die gefestigte Rechtsprechung

u.a. BVerwG, Beschluss vom 9.9.1996 - 11 B 61/96 -, dokumentiert bei JURIS, sowie Urteil vom 27.9.1995, BVerwGE 99, 249 (252); VGH Mannheim, Beschluss vom 29.7.2002, ZfS 2002, 555; VG Minden, Urteil vom 27.2.2002 - 3 K 1764/02 -, dokumentiert bei JURIS,

der einschlägige verkehrsmedizinische Untersuchungen zu Grunde liegen, eingehend und überzeugend dargelegt. Der Senat macht sich diese Ausführungen (Seite 4 des Beschlusses vom 25.7.2003) zu Eigen.

Die weitere - vom Verwaltungsgericht verneinte - Frage, ob die beim Antragsteller festgestellte Alkoholauffälligkeit im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr stehen muss, um die Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zu rechtfertigen, kann vorliegend unbeantwortet bleiben

ein solcher Zusammenhang wird für den Fall der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung gemäß § 13 Nr. 2 FeV von der Rechtsprechung zum Teil gefordert, so etwa vom VGH Kassel, Beschluss vom 9.11.2001 - 2 TG 3571/00 -, Leitsatz dokumentiert bei JURIS; siehe dazu auch den vom Antragsteller für seine Auffassung zitierten Beschluss des früher für Verkehrsrecht zuständigen 9. Senats des hiesigen OVG vom 18.9.2000 - 9 W 5/00 -, ZfS 2001, 92; anderer Ansicht, unter ausdrücklicher Ablehnung der vom VGH Kassel und OVG Saarlouis (a.a.O.) vertretenen Auffassungen, VGH Mannheim, Beschluss vom 29.7.2002 - 10 S 1164/02 -, ZfS 2002, 555.

Denn die bei dem Antragsteller am 18.5.2002 festgestellte Alkoholauffälligkeit stand unzweifelhaft im Zusammenhang mit seiner Teilnahme am Straßenverkehr. Das ergibt sich klar aus dem bereits mitgeteilten Inhalt des Polizeiberichts vom 21.5.2002. Indem der Antragsteller bei laufendem Motor und eingeschaltetem Abblendlicht mit seinem Fahrzeug auf einem Parkstreifen der Saarbrücker Straße in B. stand, wobei das Fahrzeug mit dem linken Frontbereich ca. einen Meter in die Fahrbahn hineinragte, hat er, auch wenn er angegurtet auf dem Fahrersitz eingeschlafen war, das Fahrzeug also nicht bewegt hat, als verantwortlicher Führer eines Fahrzeugs am Straßenverkehr teilgenommen

von diesem Verständnis des ordnungsrechtlichen Begriffs des Führens eines Fahrzeuges in § 13 Nr. 2 c) FeV geht offenkundig auch der Beschluss des 9. Senats des hiesigen OVG vom 18.9.2000 - 9 W 5/00 - (Seite 6 ff.) aus.

Es liegt auf der Hand, dass weder die vom Antragsteller angeführten sportlichen Aktivitäten (Laufsport im Langstreckenbereich beim TC Überherrn) noch das vorgelegte ärztliche Attest des Facharztes für Innere Medizin, Dr. med. M ., vom 7.8.2003 geeignet sind, die vom Antragsgegner geforderte ärztliche Begutachtung entbehrlich zu machen. Denn es geht um eine objektive Klärung, ob die durch den festgestellten hohen Blutalkoholgehalt von 2,21 Promille ausgelösten berechtigten Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen sich bestätigen oder ausgeräumt werden können. Indikatoren für eine Alkoholabhängigkeit sind beispielsweise sogenannte Alkoholismusmarker

vgl. dazu Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Auflage, 2001, § 13 FeV Rz 3 und § 2 StVG Rz 16,

und dafür bedarf es einer ärztlichen Begutachtung; das vorgelegte ärztliche (Privat-) Attest enthält keinerlei Hinweis auf die Durchführung einer entsprechenden Untersuchung.

Da sich der Antragsteller nach alledem - aus welchen Gründen auch immer - zu Unrecht geweigert hat, der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung beim Gesundheitsamt Saarlouis Folge zu leisten, war der Antragsgegner gemäß den §§ 11 Abs. 8, 46 Abs. 3 FeV berechtigt, auf dessen Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen. Auf diese Rechtsfolge war der Antragsteller im Schreiben des Antragsgegners vom 9.1.2003 entsprechend § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV hingewiesen worden.

Davon ausgehend ist die vom Verwaltungsgericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu Lasten des Antragstellers vorgenommene Interessenabwägung, die zur Bestätigung des Sofortvollzugs der Entziehung der Fahrerlaubnis sowie der Aufforderung zur Ablieferung des Führerscheins führt, nicht durchgreifend zu beanstanden.

Abschließend bleibt - da der Antragsteller seine diesbezüglichen Einwände mit der Beschwerde wiederholt - darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, dass die Anordnung des sofortigen Vollzugs des Bescheides vom 6.6.2003 dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Im Bescheid vom 6.6.2003 wird insoweit darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage davon auszugehen sei, dass eine Alkoholabhängigkeit vorliegt. Das durfte der Antragsgegner, wie ebenfalls schon im Bescheid dargelegt, angesichts der unberechtigten Weigerung des Antragstellers, sich der angeordneten ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, nach den obigen Erwägungen des Senats zu Recht annehmen. Dann aber gilt, worauf bereits das Verwaltungsgericht der Sache nach hingewiesen hat, dass bei Fahrerlaubnisentziehungen unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr angesichts der hohen Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs die den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigenden Gründe im Regelfall zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen

vgl. dazu u.a. VGH Mannheim, Beschluss vom 24.6.2002, ZfS 2002, 504 (505).

Eine vom Regelfall abweichende Fallkonstellation ist nach den aufgezeigten Gegebenheiten für den Senat nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht entsprechend dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Ziffern I Nr. 7 und II Nrn. 45.2 und 45.4 - auf den §§ 25 Abs. 2, 20 Abs. 3, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 GKG, 5 ZPO entsprechend.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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