Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 8.3.2010 – 5 L 149/10 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen in zweiter Instanz tragen die Antragsteller.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Aussetzungsbegehren gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses. Sie sind Eigentümer der mit einem Wohnhaus bebauten Parzelle Nr. 520/47 in Flur 3 der Gemarkung A-Stadt (Anwesen P straße Nr. 8). Das auf der gegenüberliegenden Straßenseite zwischen den Anwesen Nr. 3 (Parzelle Nr. 37/2) und Nr. 13 (Parzelle Nr. 955/40) gelegene, von dort in nordöstlicher Richtung zur Bebauung entlang der T. Straße beziehungsweise zur Innenstadtlage von A-Stadt im Saartal hin abfallende Vorhabengrundstück (Parzellen Nrn. 38/7, 37/4 sowie Teilflächen aus Nrn. 37/3, 30/8 und 30/9) ist straßennah bisher nicht bebaut. In seinem rückwärtigen Anschluss (Parzelle Nr. 31/7) befindet sich ein Einfamilienhaus (Nr. 5).
Ende Dezember 2009 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine Baugenehmigung zum „Neubau einer Wohnanlage mit 11 Wohnungen“.
(vgl. den Bauschein vom 23.12.2009 – 20090490 –, Blatt 140 der Bauakte)
Der neben einem talseitig freistehenden Untergeschoss mit Tiefgarage ein Erdgeschoß und zwei Obergeschosse mit jeweils drei Wohnungen sowie ein „Penthouse“ mit weiteren zwei Wohnungen umfassende, ca. 35 m breite und bezogen auf Fahrbahnniveau etwa 12 m hohe Baukörper soll etwa 5 m abgesetzt von der P straße ausgeführt werden. Die Zufahrt zur Tiefgarage ist in den Plänen an der linken Gebäudeseite mit einem Abstand von 3 m zu der sich dort anschließenden Nachbarparzelle Nr. 37/2 (Anwesen Nr. 3) dargestellt. Nach den Unterlagen soll eine neue Grenzziehung hinter dem Standort des Neubauvorhabens vorgenommen werden.
(vgl. dazu den Ergänzungslageplan, Blatt 31 der Bauakte („neue Grenze“); nach der Auflage Nr. I.4. im Beiblatt zum Bauschein ist der Bestand des Baugrundstücks vor Baubeginn durch katastermäßige Vereinigung oder durch die Eintragung einer Vereinigungsbaulast sicherzustellen)
Gleichzeitig wurden Abweichungen wegen Unterschreitung der erforderlichen Abstandsflächen zugelassen, und zwar zum einen hinsichtlich des Gebäudes bezogen auf die nordwestlich belegene Parzelle Nr. 30/9 und zum anderen hinsichtlich einer Stützwand auf den Parzellen Nr. 31/7, Nr. 30/8 und Nr. 30/9.
(vgl. den Zulassungsbescheid (§ 68 LBO 2004) vom 23.12.2009, Blatt 147 der Bauakte)
Gegen die Baugenehmigung erhoben unter anderem die Antragsteller, die wie die Eigentümer von insgesamt 7 weiteren Grundstücken in der Umgebung bereits gegen einen im März 2008 erteilten Bauvorbescheid für das Bauvorhaben Rechtsbehelfe ergriffen hatten, Anfang Februar 2010 Widerspruch.
In der Begründung des gemeinsam mit anderen Nachbarn – erstinstanzlich Antragsteller zu 3) bis 13) – beim Verwaltungsgericht gestellten Aussetzungsantrags schilderten die Antragsteller den Verfahrensablauf und verwiesen auf eine unzureichende Beteiligung ihrerseits sowie in der Sache auf eine seit Jahrzehnten in dem Wohngebiet in Hanglage vorhandene, durch Grünflächen „aufgelockerte Bebauung“ mit „repräsentativen Einzel- und Doppelhäusern“ insbesondere auf der vom Vorhaben abgewandten Straßenseite. Die P straße sei eine Sackgasse und diene ausschließlich dem Anliegerverkehr. Das genehmigte Vorhaben füge sich aufgrund der Massivität des geplanten Baukörpers nicht in die vorhandene Bebauung ein und „behindere“ die unmittelbar benachbarten Anwesen Nr. 3 und Nr. 13 in deren Belichtung und Belüftung. Die von der Antragsgegnerin angeführten „Referenzobjekte“ Nr. 1 und Nr. 3 beziehungsweise Nr. 15 und Nr. 19 begründeten keine Zulässigkeit des Neubauvorhabens. Die auf der Seite des Baugrundstücks liegenden beiden größeren Mehrfamilienhäuser träten von der Straße her aufgrund der Hanglage zwei- beziehungsweise dreigeschossig in Erscheinung. Das „Anwesen Nr. 15-16“ vermittle den Eindruck zweieinhalbgeschossiger „Bauweise“, da es in den von der Straße gesehen tiefer liegenden Hang hineingebaut worden sei. Die dem Vorhabengrundstück unmittelbar seitlich benachbarten Anwesen Nr. 3 und Nr. 13 und das rückseitig anschließende eingeschossige Einfamilienhaus (Nr. 5) aus der Nachkriegszeit seien von der Antragsgegnerin „übersehen“ worden. Beim Haus Nr. 13 handle es sich um ein Einfamilienhaus mit einer Firsthöhe von nur 5,50 m in einem Abstand von nur wenigen Metern zur 9,50 m bis 12,50 m hoch geplanten linken Giebelwand des Neubaus. Das „linke Referenzobjekt“ (gemeint wohl: das Doppelhaus Nrn. 1 und 3 auf den Parzellen Nrn. 1092/34 und 37/2) mit ausgebautem Walmdach rage bis zur Dachtraufe zweigeschossig über die Fahrbahnoberkante und wirke mit einer Firstlänge von ca. 15 m bei weitem nicht so massiv wie der geplante Neubau. Dessen Gesamthöhe betrage bezogen auf die „Mitte des Baukörpers“ mehr als 15 m und komme in der P straße sonst nicht vor. Erwägungen der Antragsgegnerin zur Bewältigung des zu erwartenden zusätzlichen Verkehrsaufkommens und zur „Einhaltung der Grenzwerte der TA-Lärm und TA-Luft“ seien nicht erkennbar.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag im März 2010 zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller auf der Grundlage des für die Beurteilung der Zulässigkeit von Bauvorhaben in unbeplanten Ortslagen heranzuziehenden § 34 Abs. 1 BauGB und des darin enthaltenen Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme könne nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden. Insbesondere ein von Nachbarn gewünschter Fortbestand faktischer Ruhezonen auf fremden Grundstücken oder ein Wegfall von Aussichtsmöglichkeiten begründe keine Rücksichtslosigkeit. Eine erdrückende Wirkung des Bauvorhabens lasse sich nicht schon aus einer Höhenüberschreitung bezogen auf die Umgebung herleiten und könne regelmäßig bei Einhaltung der Abstandsflächen nicht angenommen werden. Dass das rechts benachbarte Wohnhaus Nr. 13 den von der Umgebungsbebauung vorgegebenen Rahmen hinsichtlich Höhe und Baumasse deutlich unterschreite, gebe auch den Eigentümern dieses Anwesens nicht das Recht, Gleiches von der Beigeladenen zu verlangen. Eine von den Antragstellern zur Akte gereichte Skizze zeige deutlich, dass sich das Vorhaben hinsichtlich der Gebäudehöhe in den von den Häusern P straße 1 bis 15 vorgegebenen Rahmen einfüge. Auch hinsichtlich des von den Antragstellern befürchteten zusätzlichen Verkehrsaufkommens seien unzumutbare Auswirkungen nicht ersichtlich. Durch zulässige Bauvorhaben ausgelöster Kraftfahrzeugverkehr sei von Nachbarn regelmäßig hinzunehmen. Auch die genehmigte Tiefgarage mit Zufahrt mache eine Rücksichtslosigkeit im Verhältnis zu den Nachbarn wenig wahrscheinlich. Garagen- und Stellplatzimmissionen gehörten auch in Wohngebieten zu den „Alltagserscheinungen“. Auch rückwärtige Freiflächen auf Wohngrundstücken seien nicht von vorneherein einer Verwendung zur Schaffung von Stellplätzen entzogen. Die von der Antragsgegnerin zugelassenen 16 Stellplätze befänden sich nicht im rückwärtigen Grundstücksbereich, sondern im Unterschoss des Gebäudes mit entsprechender Abschirmungswirkung. Die Annahme einer Rücksichtslosigkeit wegen der entlang der Grenze zum Anwesen Nr. 3 (Parzelle Nr. 37/2) geplanten nicht eingehausten und um ca. 12 % geneigten Einfahrt zur Tiefgarage sei auf der Grundlage eines von der Antragsgegnerin eigens geforderten Gutachtens der SGS-TÜV GmbH vom Oktober 2009 ebenfalls fernliegend.
(vgl. die „Gutachterliche Stellungnahme“ vom 12.10.2009, Blätter 99 – 131 der Bauakte)
Eine Verletzung nachbarschützender Bestimmungen des Bauordnungsrechts sei nicht festzustellen. Im Verhältnis zu den Grundstücken der Antragsteller würden die Abstandsflächen eingehalten. Erweise sich damit insgesamt der Widerspruch als „wenig erfolgversprechend“, so müsse es bei der gesetzgeberischen Grundentscheidung für die von Nachbarrechtsbehelfen ungehinderte Ausnutzbarkeit von Baugenehmigungen bleiben.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Der Antragsgegner und die Beigeladenen haben die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt.
II.
Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8.3.2010 – 5 L 149/10 – ist zulässig, aber unbegründet. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren bestimmende Beschwerdebegründung lässt keine abweichende Beurteilung des Eilrechtsschutzbegehrens der Antragsteller zu. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag – insoweit der Antragsteller zu 1) und 2) – auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen unter dem 29.12.2009 erteilte Baugenehmigung zum „Neubau einer Wohnanlage mit 11 Wohnungen“ zu Recht zurückgewiesen.
In derartigen Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des in der Hauptsache eingelegten Nachbarrechtsbehelfs. Maßgebend ist daher nicht die objektive (umfassende) Zulässigkeit des bekämpften Bauvorhabens, sondern allein die Frage des Vorliegens einer für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer anschließenden Anfechtungsklage der Antragsteller unabdingbaren Verletzung ihrem Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts durch die Baugenehmigung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 28.8.1998 – 2 V 15/98 -, SKZ 1999, 120, Leitsatz Nr. 52, wonach der Umstand, dass eine Baugenehmigung lediglich gegen im öffentlichen Interesse erlassene Vorschriften verstößt und sich insoweit als erkennbar rechtswidrig erweist, keinen Grund darstellt, dem Nachbarinteresse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit den Vorrang einzuräumen; ebenso etwa Beschlüsse vom 26.1.2007 – 2 W 27/06 –, SKZ 2007, 135, vom 16.12.2003 – 1 W 42/03 -, vom 24.6.2004 – 1 W 18/04 –, SKZ 2005, 71, Leitsatz Nr. 26, und vom 6.9.2004 – 1 W 26/04 -, SKZ 2005, 94, Leitsatz Nr. 35)
Lassen sich die Erfolgsaussichten im Aussetzungsverfahren aufgrund der verfahrensformbedingt eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten nicht abschließend positiv beurteilen, so ist für eine Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines Nachbarrechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung nur Raum, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung ergibt.
(vgl. hierzu im Einzelnen etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 -, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40, st. Rechtsprechung)
Das hat das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss bezogen auf die Rechtsstellung der Antragsteller als Eigentümer des dem Baugrundstück an der P straße gegenüber liegenden Wohnanwesens Nr. 8 (Parzelle Nr. 520/47) zutreffend verneint.
Soweit die Antragsteller zur Begründung ihres Rechtsmittels auf eine „divergierende Rechtsprechung“ zu „Reichweite und Abwehrmöglichkeiten … gegen Bauvorhaben auf der Grundlage des § 15 BauNVO“ verweisen, ist festzuhalten, dass die Vorschrift für die rechtliche Beurteilung des Bauvorhabens der Beigeladenen schon nicht einschlägig ist. Sie betrifft die ausnahmsweise Unzulässigkeit von mit Blick auf das Kriterium der Art der baulichen Nutzung nach den §§ 2 bis 14 BauNVO festsetzungskonformen Vorhaben im Geltungsbereich von Bebauungsplänen (§§ 9a Nr. 2 BauGB 2004/2007, 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO 1990). Anhaltspunkte für das Vorliegen einer entsprechenden Satzung für den in Rede stehenden Bereich der Antragsgegnerin lassen sich weder den Akten noch dem Vortrag der Beteiligten entnehmen. Von daher stellt sich die von den Antragstellern aufgeworfene Rechtsfrage hier schon nicht. Das ergibt sich auch indirekt aus dem Beschwerdevorbringen selbst, wenn dort die Frage problematisiert wird, ob der § 15 BauNVO über den – wie hier – für Vorhaben in der nicht qualifiziert beplanten Ortslage planungsrechtlich einschlägigen § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinaus einen „generell abstrakten Interessenausgleich“ erfordert. Den beiden von den Antragstellern angeführten Entscheidungen
(vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 30.11.2009 – 8 S 1903/09 –, NVwZ-RR 2010, 179, OVG Hamburg, Beschluss vom 5.6.2009 – 2 Bs 26/09 –, BauR 2009, 1556)
lässt sich eine unterschiedliche Beantwortung der Frage entnehmen, ob der Nachbar im Falle einer Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans einen sog. Gebietserhaltungsanspruch – unabhängig von Kriterien des Rücksichtnahmegebots und der in dessen Rahmen anzustellenden konkreten Zumutbarkeitsbetrachtung – auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1990 reklamieren kann oder nicht.
(vgl. zur Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte zu dieser Frage Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 169-171, wonach sich der Nachbar auch in diesen Fällen nicht mit Erfolg allein auf die objektive Rechtswidrigkeit der Befreiung berufen kann; zur höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa BVerwG, Beschluss vom 8.7.1998 – 4 B 64/98 –, BRS 60 Nr. 183)
Die darin enthaltenen Erkenntnisse können daher von vorneherein nur für beplante Bereiche gelten, nicht aber für den vorliegenden Nachbarstreit.
Hier ist die Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen in planungsrechtlicher Hinsicht aber am Maßstab des § 34 BauGB vorzunehmen, da sich das Vorhabengrundstück nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten in der nicht beplanten Ortslage von A-Stadt befindet. Ein im Falle des Vorliegens eines faktischen Baugebiets nach den §§ 2 ff. BauGB nach § 34 Abs. 2 BauGB theoretisch denkbarer sog. Gebietserhaltungsanspruch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung steht mit Blick auf die genehmigte Nutzungsart („Wohnen“) des Vorhabens nicht ernsthaft in Rede. Unter dem Aspekt der zugelassenen oder zulässigen Nutzungsart lässt sich daher entgegen der Ansicht der Antragsteller auch keine besondere „Gebietseigenart“ konstruieren. Das gilt insbesondere von vorneherein für die dabei regelmäßig nicht relevante Zahl der zugelassenen Wohnungen im Gebäude, was insbesondere auch nichts mit dem städtebaulichen Kriterium des Maßes der baulichen Nutzung (entspr. §§ 16 ff. BauNVO 1990 für beplante Bereiche) zu tun hat. Um weiteren Missverständnissen bei den Antragstellern vorzubeugen, sei ergänzend darauf hingewiesen, dass sich die von ihnen zitierte Entscheidung des OVG Hamburg zentral mit der dort durch Dispens (§ 31 Abs. 2 BauGB) zugelassenen Nichteinhaltung einer bauleitplanerisch ausdrücklich vorgegebenen gebäudebezogenen Begrenzung der Wohnungszahl (heute § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB, sog. „Zwei-Wohnungsklausel“) befasst,
(hierzu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 157-159)
die im nicht beplanten Bereich von vorneherein nachbarrechtlich irrelevant ist, da die Anzahl der Wohnungen in Gebäuden kein Kriterium des „Einfügens“ im Verständnis des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB darstellt und daher nicht einmal im Rahmen des darin enthaltenen Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme Bedeutung erlangen kann.
(hierzu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 192 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung)
Mit dem Verwaltungsgericht ist ferner davon auszugehen, dass sich subjektive Abwehrrechte der Antragsteller gegen das von der Antragsgegnerin genehmigte Vorhaben voraussichtlich auch nicht aus dem im Tatbestandsmerkmal des Einfügens in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltenen Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme ergeben. Der in der Beschwerdebegründung vorgenommene Detailvergleich des Bauvorhabens der Beigeladenen mit bestehenden Gebäuden in der P straße ist in mehrfacher Hinsicht durch eine Verkennung der insoweit geltenden rechtlichen Maßstäbe gekennzeichnet. Dabei geht es nicht entscheidend darum, ob das von den Antragstellern bekämpfte Vorhaben sich objektiv hinsichtlich der genannten städtebaulichen Beurteilungskriterien „einfügt“, ob es mithin nach diesem Maßstab, etwa hinsichtlich der von den Antragstellern thematisierten Maßkriterien der Geschossflächen- und der Grundflächenzahl oder der Gesamthöhe des Baukörpers, genehmigungsfähig gewesen ist, beziehungsweise, ob – wie die Antragsteller behaupten – beim Bauantrag „verschiedene Unterlagen zur Bauzahlenberechnung fehlen“.
Da der Nachbar nach geltendem Recht in einem von ihm eingeleiteten Rechtsbehelfsverfahren gegen eine Baugenehmigung keine vollumfängliche rechtliche Überprüfung des Bauvorhabens verlangen kann, ist von einer Verletzung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme nur auszugehen, wenn die Auswirkungen des genehmigten Vorhabens im Rahmen einer an den Kriterien wechselseitiger Zumutbarkeit orientierten Bewertung seiner Auswirkungen bezogen auf den sich konkret dagegen wendenden Nachbarn als schlechthin unzumutbar und damit rücksichtslos angesehen werden können. Auch in dem Rahmen können von der Nachbarrechtsposition unabhängige Rechtsverstöße allenfalls eine sehr eingeschränkte Bedeutung erlangen; ansonsten würde dem privaten Nachbarn entgegen der auf die Gewährung von Individualrechtsschutz angelegten Prozessrechtsordnung mittelbar eine Berufung auf die objektive Rechtslage, speziell in städtebaulicher Hinsicht, zugestanden. Daher sei nur ergänzend darauf hingewiesen, dass zum einen bei der auf der ersten Stufe der Beurteilung des „Einfügens“ hinsichtlich der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten städtebaulichen Kriterien vorzunehmenden Ermittlung des durch die prägende Bebauung in der näheren Umgebung des Baugrundstücks gezogenen „Rahmens“ für die Beurteilung nicht die Frage im Vordergrund steht, ob in der Umgebung auch kleinere Gebäude vorhanden sind, und dass zum anderen nicht erkennbar ist, dass es sich bei dem von den Antragstellern als „Bausünde“ angesehenen Mehrfamilienhäusern Nr. 15 bis 21 und bei dem als „Ausraster“ bezeichneten Doppelhaus Nr. 1/3 um nicht zu berücksichtigende Fremdkörper handelt.
Für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots spricht nach gegenwärtigem Erkenntnisstand im konkreten Fall bezogen auf die allein maßgebliche Rechtsstellung der Antragsteller als Eigentümer eines auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegenen Grundstücks (Parzelle Nr. 520/47) nichts Durchgreifendes. Ob das Vorhaben für andere Nachbarn, etwa die Eigentümer der mit vergleichsweise kleineren Wohngebäuden bestandenen, unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Anwesen Nr. 5 (Parzelle Nr. 31/7) oder Nr. 13 (Parzelle Nr. 955/40) wegen der „klotzigen Masse des Baus“ erdrückend wirken und deswegen diesen Nachbarn gegenüber als rücksichtslos eingestuft werden kann, ist bei der Bewertung der Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs der Antragsteller nicht entscheidend. Dass dem jenseits der P straße und von deren nordwestlichem Rand zudem etwa 5 m abgesetzten Bauvorhaben aller Voraussicht nach im Hauptsacheverfahren jedenfalls keine für die Antragsteller „erdrückende“ oder „einmauernde“ Wirkung und damit keine rücksichtslosen Auswirkungen auf ihr Eigentum beigemessen werden kann, hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Zuordnung und den Abstand der Grundstücke zutreffend dargelegt. Das gilt entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung auch für die Feststellung, dass eine Rücksichtslosigkeit im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB insbesondere nicht aus einem Verlust von bisher – möglicherweise auch über viele Jahre – innegehabten Aussichtsmöglichkeiten für den Nachbarn hergeleitet werden kann. In unbeplanten Innerortslagen kann der Nachbar unter Rücksichtnahmeaspekten keinen Erhalt „unverbauter Aussicht“ mit entsprechenden Einschränkungen in der baulichen Ausnutzbarkeit anderer Grundstücke beanspruchen. Dass die Aussichtsmöglichkeiten aus den neu zu schaffenden Wohnungen aufgrund der Hanglage zur Innenstadt von A-Stadt hin einen Wert bildenden Faktor darstellen und dementsprechend bei der Bewerbung des Objekts von der Beigeladenen nutzbar gemacht werden, ist ohne weiteres nachzuvollziehen und steht dem nicht entgegen. Dabei handelt es sich – worauf die Antragsteller zu Recht hinweisen – um einen Wert bildenden Faktor im Sinne eines Lagevorteils des Baugrundstücks, dessen bauliche Ausnutzung nicht zur Folge haben kann, dass die dadurch entfallende freie „Aussicht auf die Stadtmitte“ vom Anwesen der Antragsteller, die ihnen bisher zur Verfügung stand, solange das ihrem Grundstück gegenüberliegende Gelände lediglich mit dem hangabwärts befindlichen Haus Nr. 5 bebaut war, diesen einen Anspruch auf Erhaltung vermitteln könnte. Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand erscheint es daher zumindest sehr fernliegend, dass den Antragstellern aufgrund besonderer Gegebenheiten des Einzelfalls über den § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein Abwehranspruch wegen „verbauter Aussicht“ über das Rücksichtnahmegebot zusteht. Soweit die Antragsteller in dem Zusammenhang geltend machen, die P straße erhalte bei Realisierung des Vorhabens der Beigeladenen einen „Tunnelcharakter“ bleibt festzuhalten, dass der Standort des geplanten Neubaus ausweislich der mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen (ausdrücklich) in seinem Abstand zur Straße an der „Flucht“ des Hauptbaukörpers des linksseitig benachbarten Doppelhauses (Nr. 1 und Nr. 3, Parzellen Nrn. 1092/34 und 37/2)
(vgl. dazu den genehmigten Ergänzungslageplan („Lageplan“) Blatt 31 der Bauakten)
und auch in der Höhenentwicklung an dieser im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB objektiv (mit) Rahmen bildenden und damit Maßstab gebenden Anlage orientiert ist.
(vgl. hierzu insbesondere die Darstellung beider Anlagen in der Südwestansicht, Blatt 38 der Bauakte und die in den Schnittzeichnungen (A-A bzw. B-B), Blätter 37 f. der Bauakte ausgewiesene Silhouette)
Das Doppelhaus erreicht danach sogar mit einer Höhe von 238,90 m üNN (+ 14,70 m bezogen auf das Straßenniveau) eine größere Gesamthöhe als das Neubauvorhaben der Beigeladenen (236,45 m üNN bezogen auf die Höhe des Flachdachs des Penthouses). Dass nun gerade aus der Realisierung des insoweit lückenschließenden Bauwerks bei Fehlen ausdrücklicher nachbarschützender planerischer Vorgaben durch die Antragsgegnerin
(vgl. indes zur Erfolglosigkeit eines Nachbarrechtsbehelfs sogar trotz Nichteinhaltung einer in örtlichen Bauvorschriften enthaltenen „aussichtschonenden“ Vorgabe der zulässigen Dachformen (Flachdach) etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 22.2.1995 – 2 W 6/95 –, n.v.)
ein nachbarlicher Abwehranspruch wegen „verbauter Aussicht“ begründet werden sollte, erscheint mindestens sehr zweifelhaft. Davon kann für die hier vorzunehmende Interessenabwägung im Rahmen der §§ 80 Abs. 5, 80a VwGO jedenfalls nicht ausgegangen werden. Nichts Abweichendes ergibt sich insoweit aus der von den Antragstellern für ihre Auffassung im Schriftsatz vom 3.5.2010 angeführten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahre 1996.
(vgl. VGH München, Urteil vom 10.12.1996 – 20 B 95.3349 –, BayVBl. 1997, 244)
In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Bauaufsichtsbehörde Baugenehmigungen für Wohngebäude nach einem erfolgreichen Normenkontrollantrag gegen einen die Baugrundstücke erfassenden Bebauungsplan aufgrund einer erneuten objektivrechtlichen Prüfung mit Blick auf § 35 BauGB unter Verweis auf einen „krassen Außenbereichsfall“ zurückgenommen. In dem die Rücknahmebescheide auf die dagegen erhobene Anfechtungsklage des betroffenen Bauherrn bestätigenden Urteil wurde ebenfalls herausgestellt, dass der Nachbar „grundsätzlich … die Freihaltung einer gegebenen Aussicht nicht verlangen“ könne. Lediglich im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für eine erleichterte Rücknahme (§ 50 BayVwVfG) wurde anschließend bei der Interessenbewertung des Bauherrn eine von Nachbarn anhängig gemachte Klage als nicht von vorneherein aussichtslos (§ 42 Abs. 2 VwGO) beziehungsweise abstrakt als nicht bereits offensichtlich unbegründet eingestuft. Eine konkrete Aussage lässt sich dem nur insoweit entnehmen, dass das Gericht Fälle für denkbar hält, in denen eine „besonders wertvolle Aussicht“ im Rahmen des Rücksichtnahmegebots reklamiert werden kann. Ob das zutrifft, mag hier dahinstehen. Die Nachbarklage war im Übrigen auch in dem dortigen Fall wegen Fehlens einer subjektiven Rechtsverletzung des Nachbarn rechtskräftig abgewiesen worden. Ein Rückschluss darauf, dass die Beigeladene in dem hier zu entscheidenden Fall unter (teilweisem) Verzicht auf eine bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks verpflichtet wäre, den in der Vergangenheit von der bisherigen Baufreihaltung im straßennahen Bereich profitierenden Antragstellern eine Aussicht offen zu halten, lässt das nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Senats steht privaten Nachbarn in der Ortslage grundsätzlich kein Anspruch auf „unverbaute Aussicht“ zu.
(hierzu auch dazu Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 192 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung)
Das Ausmaß des den Nachbarn unter dem Aspekt ausreichender Belichtung, Besonnung und Belüftung des eigenen Grundstücks unter Rücksichtnahmegesichtspunkten Zumutbaren wird im Regelfall durch die landesrechtlichen Vorschriften über die Abstandsflächen konkretisiert (§§ 7, 8 LBO 2004). Diese sind nach den mit der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Verhältnis zum Grundstück der Antragsteller (deutlich) eingehalten. Besonderheiten des Einzelfalls sind insoweit nicht ersichtlich.
Auch ansonsten ergeben sich in bauordnungsrechtlicher Hinsicht keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller durch die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 29.12.2009. Auch hierbei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das Vorhaben der Beigeladenen am Maßstab der insoweit geltenden materiellen Anforderungen allgemein oder im Verhältnis zu sonstigen Nachbarn zulässig ist oder nicht. Die vom Verwaltungsgericht allgemein bejahte Einhaltung der Vorgaben des § 47 Abs. 6 LBO 2004 mit Blick auf die Tiefgarage und die linksseitig des Gebäudes angeordnete Zufahrt wird in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen und bedarf daher hier ebenfalls keiner Vertiefung. Ebenso wenig sind die von den Antragstellern angesprochene frühere Behandlung anderer Bauvorhaben im Bereich der P straße, insbesondere auf der Hangseite zur T. Straße hin, durch die Antragsgegnerin und etwaige in dem Zusammenhang durch die jeweiligen Bauherrn vorgenommene Reduzierungen hinsichtlich des Umfangs der Bebauung für die rechtliche Bewertung des nun konkret von ihnen bekämpften Neubauvorhabens ausschlaggebend.
Da sich eine Verletzung von Nachbarrechten von vorneherein nur aus einer Nichtbeachtung nachbarschützender Anforderungen des materiellen Rechts, nicht hingegen aus verfahrensrechtlichen Vorgaben ergeben kann, ist ferner nicht von Bedeutung, ob die Antragsgegnerin das Vorhaben hinsichtlich der Gebäudeklasse (§ 2 Abs. 3 LBO 2004, GK 4) zutreffend beurteilt und entsprechend verfahrensrechtlich nach den §§ 60 ff., 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 LBO 2004 richtig eingeordnet hat, beziehungsweise ob im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens eine ausreichende Beteiligung Dritter, hier konkret der Nachbarschaft (§ 71 LBO 2004), erfolgt ist oder ob – mit den Worten der Antragsteller – diese „vor vollendete Tatsachen gestellt“ wurden. Soweit die Antragsteller eine fehlende abschließende Entscheidung über ihren Rechtsbehelf gegen einen Bauvorbescheid (§ 76 LBO 2004) aus dem Jahre 2008 anmahnen, ist festzuhalten, dass der Bauwillige allgemein nicht verpflichtet ist, dem Bauantrag eine Bauvoranfrage vorzuschalten. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist nachbarrechtlich auch nicht von Belang, ob die von der Antragsgegnerin in Auflage Nr. 1.4. zum Bauschein mit Blick auf § 5 LBO 2004 geforderte rechtliche Vereinigung des katastermäßig neu zu bildenden Baugrundstücks vor Baubeginn tatsächlich durchgeführt wurde. Schließlich ist für die Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung von vorneherein nicht relevant, wer zivilrechtlich Eigentümer des zur Bebauung ausersehenen Grundstücks ist (§ 73 Abs. 4 LBO 2004).
Demnach musste die Beschwerde der Antragsteller erfolglos bleiben. Vor dem Hintergrund ist offensichtlich auch kein Raum für die von ihnen „hilfsweise“ begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Erlass einer Baueinstellungsanordnung (§ 81 LBO 2004).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO. Der Ausspruch über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen in zweiter Instanz entspricht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO; sie hat im Rechtsmittelverfahren einen eigenen Antrag gestellt und damit Kostenrisiken übernommen (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.
(vgl. entspr. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 11.5.2005 – 1 W 4/05 – (MFH mit 11 Wohneinheiten und Tiefgarage))
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.