Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 1 B 54/15

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. März 2015 - 2 L 1911/14 - wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 1.10.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.9.2014 bis zur Entscheidung über den Widerspruch wiederhergestellt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Antragsteller zu 3/7 und die Antragsgegnerin zu 4/7.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 34.416,36 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache nach Maßgabe des Beschlusstenors Erfolg.

Die vom Antragsteller fristgerecht vorgebrachten und nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist in zulässiger Weise ergänzten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen dazu, dass die erstinstanzliche Entscheidung keinen Bestand haben kann, soweit der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Zurruhesetzungsverfügung der Antragsgegnerin vom 19.9.2014 zurückgewiesen wurde (1.). Dagegen hat die Beschwerde keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt richtet, den Einbehalt der das Ruhegehalt übersteigenden Dienstbezüge bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (2.).

1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die für sofort vollziehbar erklärte Zurruhesetzungsverfügung der Antragsgegnerin vom 19.9.2014 ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig und nach Maßgabe des Entscheidungstenors begründet. Bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, auch an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierten Interessenabwägung muss der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nach derzeitigem Erkenntnisstand als offen bezeichnet werden. Die auf dieser Grundlage vorzunehmende Interessenabwägung führt zu einem Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers vor dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug der streitgegenständlichen Verfügung.

a. Allerdings vermögen die Einwände des Antragstellers gegen die Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der Zurruhesetzung des Antragstellers sowie gegen die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung nicht zu überzeugen.

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde unterliegt die in der streitgegenständlichen Verfügung vorgenommene Begründung des besonderen Interesses am Sofortvollzug der Zurruhesetzungsverfügung keinen Rechtmäßigkeitsbedenken. Hierzu bestimmt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, dass in den Fällen des Abs. 2 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen ist. Fallbezogen verweist die Antragsgegnerin in dem Zurruhesetzungsbescheid vom 19.9.2014 unter Aufzählung einzelner Vorkommnisse im Wesentlichen darauf, dass aufgrund des im Gutachten des Dr. H… vom 4.7.2014 dargestellten Krankheitsbildes und des hierdurch bedingten Verhaltens des Antragstellers zu befürchten sei, dass bei weiterer Ausübung der Beamtentätigkeit eine schädigende Außenwirkung für die L… Stadt S… eintrete. Diese Darlegungen genügen den - ausschließlich formalen - Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, dass das Kriterium der „schädigenden Außenwirkung“ keinen inhaltlichen Bezug zur vorzeitigen Zurruhesetzung aufweise und daher kein im vorliegenden Zusammenhang relevantes öffentliches Interesse darstelle, verkennt er, dass nach den Darlegungen der Antragsgegnerin das dem Antragsteller vorgehaltene schädigende Verhalten auf die die Dienstunfähigkeit begründende Erkrankung des Antragstellers zurückgeführt wird und daher sehr wohl ein Bezug zum Streitgegenstand des Zurruhesetzungsverfahrens gegeben ist. Denn wenn der Antragsteller aufgrund des Sofortvollzugs bis zum Abschluss des Verfahrens keinen Dienst mehr verrichtet, kann er aus der Sicht der Antragsgegnerin auch kein das Ansehen der Landeshauptstadt schädigendes Verhalten entfalten. Ebenso wenig verfängt der Einwand des Antragstellers, dass sich die tatsächlichen Vorkommnisse anders als in der Zurruhesetzungsverfügung dargestellt zugetragen hätten. Entscheidend ist allein, dass die dargelegten tatsächlichen Vorkommnisse - abstrakt - geeignet sind, das besondere öffentliche Interesse und damit den Sofortvollzug zu begründen. Auf die Richtigkeit der Darlegungen kommt es im Rahmen der Formerfordernisse des § 80 Abs. 3 VwGO nicht an

Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Auflage, § 80 Rdnr. 50.

Soweit der Antragsteller mit Blick auf die unterbliebene Beteiligung des Personalrates dem Bescheid weiterhin entgegenhält, dass sein nachträglicher Antrag vom 22.12.2014, gemäß § 80 Abs. 1 a Nr. 8 SPersVG den Personalrat zu beteiligen, auch noch im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden könne und daher die Entscheidung über die Ruhestandsversetzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts mangels einer Beteiligung des Personalrates rechtswidrig gewesen sei, kann ihm nicht gefolgt werden. Da die Antragsgegnerin ihrer aus dem nach der Ruhestandsversetzung vom 19.9.2014 gestellten Antrag nach § 80 Abs. 1 a Nr. 8 SPersVG folgenden Verpflichtung, die Mitbestimmung des Personalrates herbeizuführen, noch während des Widerspruchsverfahrens nachkommen kann

BVerwG, Urteile vom 24.11.1983 - 2 C 9/82 -, Juris, Rdnr. 14, und vom 9.5.1985 - 2 C 23/83 -, Juris, Rdnr. 11,

vermag die bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts unterbliebene Beteiligung des Personalrats die Rechtswidrigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht zu begründen. Ebenso wenig kann sich der Antragsteller mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 8.1.2015 die Verspätung des Antrags auf Mitbestimmung gerügt und damit zu erkennen gegeben habe, dass sie eine Beteiligung des Personalrats nicht beabsichtige. Die Antragsgegnerin hat jedenfalls im Beschwerdeverfahren klargestellt, dass sie mit Schriftsatz vom 16.4.2015 dem Personalrat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe.

Im Weiteren kann der Antragsteller gegen den Bescheid vom 19.9.2014 nicht mit Erfolg einwenden, dass die Antragsgegnerin vor der Entscheidung über die vorzeitige Zurruhesetzung nicht die Schwerbehindertenvertretung beteiligt habe. Zwar bestimmt § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen Einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören sowie ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen hat. Satz 2 dieser Bestimmung schreibt vor, dass die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung auszusetzen, die Beteiligung innerhalb von sieben Tagen nachzuholen und sodann endgültig zu entscheiden ist. Eine mit § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Wesentlichen übereinstimmende Regelung enthält zudem Ziffer 8.2 Abs. 2 der Richtlinien zur Integration und Gleichstellung von schwerbehinderten Menschen in der saarländischen Landesverwaltung (Integrationsrichtlinien) vom 19.12.2005. Zu beachten ist jedoch, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Verletzung dieses - gemäß den §§ 71, 73 Abs. 1 SBG IX auch für Beamte geltenden - Beteiligungsrechts lediglich die Rechtswidrigkeit von Ermessensentscheidungen nach sich zieht

BVerwG, Urteil vom 21.6.2007 - 2 A 6/06 -, Juris, Rdnr. 32; Beschluss vom 15.2.1990 - 1 WB 36/88 -, Juris, Rdnr. 31.

Dagegen führt die fehlende Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bei gebundenen Entscheidungen nach dem Rechtsgedanken des § 46 VwVfG nicht zur Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahme

BVerwG, Beschluss vom 20.12.2010 - 2 B 39/10 -, Juris, Rdnr. 6; sowie für die gleichlautende Vorschrift des § 25 Abs. 2 SchwbG: Beschlüsse vom 17.8.1998 - 2 B 61/98 -, Juris, Rdnr. 12, und vom 25.10.1989 - 2 B 115.89 –, Juris, Rdnr. 4.

In Bezug auf die hier in Rede stehende vorzeitige Zurruhesetzung eines Beamten besteht für den Dienstherrn kein Ermessensspielraum. Denn hierzu bestimmt § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, dass ein Beamter im Falle seiner Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen ist. Nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen führt in einem solchen Fall die fehlende Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nicht zur durchgreifenden Rechtswidrigkeit der Zurruhesetzung.

Ungeachtet dessen ist zu sehen, dass ein etwaiger Verstoß gegen § 95 Abs. 2 Satz 1 SBG X im Ergebnis ohne Bedeutung ist, wenn die Anhörung nachgeholt wird, wobei eine Nachholung spätestens im Widerspruchsverfahren ausreichend ist

OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.4.2012 - 6 B 5.12 -, Juris, Rdnr. 42.

In diesem Zusammenhang ist beachtlich, dass die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren dargelegt hat, dass sie nach Eingang der Stellungnahme des Personalrates die Schwerbehindertenvertretung beteiligen wird.

b. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens müssen aber in Bezug auf die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ruhestandsversetzung des Antragstellers als offen bezeichnet werden.

Rechtsgrundlage des Bescheides der Antragsgegnerin vom 19.9.2014, durch den der Antragsteller mit Ablauf des 30.9.2014 in den Ruhestand versetzt wurde, ist § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1 SBG. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Ergänzend bestimmt § 45 Abs. 1 Satz 1 SBG für die im Dienste des Saarlandes bzw. der saarländischen Gemeinden stehenden Beamten (vgl. § 80 Abs. 1 KSVG), dass diese auch dann als dienstunfähig angesehen werden können, wenn sie infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig werden.

Auszugehend ist davon, dass es für die Rechtmäßigkeit der Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ohne seinen Antrag auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt. Bis dahin eintretende Änderungen der Sach- oder Rechtslage muss der Dienstherr berücksichtigen, unabhängig davon, ob dies der Ausgangs- oder Widerspruchsbescheid ist

BVerwG, Urteil vom 16.10.1997 - 2 C 7/97 -, Juris, Rdnr. 16; Beschluss vom 27.11.2008 - 2 B 32.08 -, Juris, Rdnr. 4.

Daraus ergibt sich, dass maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO die Sach- und Rechtslage bei Ergehen der gerichtlichen Entscheidung ist. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen das behördliche Verfahren - wie hier - noch nicht abgeschlossen ist, für den Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides

Sächsisches OVG, Beschluss vom 30.5.2012 - 2 B 183/11 - Juris, Rdnr. 9; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.11.2013 - 1 B 1161/13 - Juris, Rdnr. 14; OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27.5.2009 – 2 M 71/09 -, Juris, Rdnr. 7; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage, Rdnr. 953; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage, § 80 Rdnr. 147.

Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin ausweislich ihres Schreibens an den Betreuer des Antragstellers vom 13.8.2014 in Verbindung mit dem Bescheid vom 19.9.2014 die Ruhestandsversetzung darauf gestützt, dass der Antragsteller seit dem 16.4.2014 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt sei und mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht innerhalb der nächsten sechs Monate zu rechnen sei. Hierbei hat sich die Antragsgegnerin zum einen auf das Schreiben des Amtsarztes vom 7.8.2014 und zum anderen auf die Begutachtung des von dem Amtsarzt hinzugezogenen Ärztlichen Leiters der Kliniken S… Dr. H… vom 4.7.2014 bezogen. Der Facharzt Dr. H…, der den Antragsteller aus mehreren stationären Behandlungen in der Klinik S…, zuletzt vom 16.4. bis 14.5.2014, kannte und ihn anlässlich der Begutachtung am 20.6.2014 ambulant untersuchte, kam in dem Gutachten vom 4.7.2014 zu der Feststellung, dass die letzte – von insgesamt drei – Krankheitsepisode sich wohl seit Sommer oder Herbst 2013 entwickelt und insgesamt einen sehr protrahierten und langwierigen Verlauf genommen habe. Während des stationären Aufenthaltes habe eine Teilremission erzielt werden können. Bei der Nachuntersuchung am 20.6.2014 habe sich eine erhebliche Residualsymptomatik mit kognitiven Einbußen, affektiver Verflachung, Leistungsminderung, Kritikminderung, erhöhter Reizbarkeit und Logorrhoe gezeigt. Aufgrund der Residualsymptomatik sei keine weitere Besserung im Zeitablauf von sechs Monaten zu erwarten. Im Weiteren hat der Facharzt ausgeführt, dass in Anbetracht dieser Residualsymptomatik eine Dienstfähigkeit des Beamten in den nächsten sechs Monaten nicht zu erwarten sei. Die Wiederaufnahme der Diensttätigkeit könne vom Antragsteller nicht adäquat geleistet werden in Anbetracht der verringerten Leistungsfähigkeit. Nähere Angaben dazu, in welchem Umfange die Leistungsfähigkeit verringert bzw. in welchem Ausmaß noch ein Rest von Leistungsvermögen vorhanden ist, lassen sich der Begutachtung nicht entnehmen.

Demgegenüber stehen zum einen die Fachärztliche Bescheinigung vom 1.9.2014 sowie das neurologische und psychiatrische Fachgutachten vom 19.9.2014 des den Antragsteller seit dem 25.6.2014 behandelnden Facharztes für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Allgemeinmedizin P…, der insbesondere in dem Fachgutachten vom 19.9.2014 und damit aus mehrmonatig aktuellerer Sicht näher ausführt, dass sich der Antragsteller in den Monaten nach der stationären Behandlung intensiv und überwiegend auch erfolgreich bemüht habe, seine durch die dritte prolongierte Krankheitsphase in gewisse Unordnung geratenen persönlichen Angelegenheiten zu regeln. Dabei hätten die vom Antragsteller in eigener Regie und Anstrengung in Gang gesetzten Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Probleme, die sich durch Entscheidungen in der dritten manischen Phase ergeben hätten, bereits jetzt Früchte getragen und belegten eindeutig, dass die Beurteilung einer erheblichen Residualsymptomatik aufgrund der gutachterlichen Untersuchung vom 20.6.2014 keineswegs mehr haltbar sei. Zusammenfassend könne festgestellt werden, dass die von Dr. H… in seiner Eigenschaft als Klinikchef und ehemals behandelnder Arzt des Antragstellers – gemeint ist: durchgeführten Behandlungen - erfreulicherweise sehr viel erfolgreicher gewesen seien, schneller gefruchtet hätten und zu einem nachhaltigeren Ergebnis geführt hätten, als Dr. H… selbst in seiner Eigenschaft als Gutachter aufgrund der Untersuchung vom 20.6.2014 prognostiziert habe. Von daher könne der Antragsteller seine dienstliche Tätigkeit ab dem 6.10.2014 mit einer stufenweisen Wiedereingliederung erneut einnehmen, und zwar vom 6.10. bis 19.10. mit zwei Stunden täglich, vom 20.10. bis 16.11. mit vier Stunden täglich und unter der Voraussetzung, dass die Remission weiterhin ähnlich gute Fortschritte wie in den letzten Monaten mache, ab 17.11. bis zum 31.12.2014 sechs Stunden täglich sowie eventuell bei Fortschreitung der genannten Voraussetzungen ab Januar 2015 wieder in vollem Umfange.

Im Weiteren ist in der vom Antragsteller vorgelegten Bescheinigung des Facharztes P… vom 22.5.2015 dargelegt, dass derzeit keine wesentliche Residualsymptomatik mehr bestehe, testpsychologisch keine wesentlichen konzentrativen Störungen mehr festgestellt werden könnten, eine erhöhte Reizbarkeit nicht mehr feststellbar sei, ebenso wenig eine Logorrhoe und auch keine Kritikminderung mehr, auch sei keine affektive Verflachung mehr festzustellen.

Zwar lagen die von dem behandelnden Facharzt P… erstellten Gutachten vom 19.9.2014 und vom 22.5.2015 der Antragsgegnerin im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 19.9.2014 über die vorzeitige Zurruhesetzung des Antragstellers nicht vor. Dies ändert aber nach den dargelegten Grundsätzen nichts daran, dass sie sowohl in dem noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahren als auch bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden gerichtlichen Entscheidung zu beachten sind. Insoweit ist zu beachten, dass der medizinischen Beurteilung durch den Amtsarzt im Konfliktfall grundsätzlich nur dann der Vorrang gegenüber einem – wie hier - näher erläuterten medizinischen Befund des privat behandelnden Facharztes zukommt, wenn der Amtsarzt oder der von diesem hinzugezogene Facharzt auf diese Erwägungen eingeht und nachvollziehbar darlegt, warum er ihnen nicht folgt

BVerwG, Beschluss vom 15.2.2010 – 2 B 126/09 -, Juris, Rdnr. 16.

Im vorliegenden Fall hat es die Antragsgegnerin sogar in Bezug auf das bereits unter dem 19.9.2014 ergangene Gutachten des behandelnden Facharztes P… bis zum heutigen Tag versäumt, eine Stellungnahme des Amtsarztes bzw. des von diesem herangezogenen Facharztes einzuholen. Auch hinsichtlich der fachärztlichen Bescheinigung vom 22.5.2015 hat die Antragsgegnerin in der rechtsirrigen Annahme, dass ungeachtet des noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens einer Verbesserung des Krankheitsbildes nur im Rahmen der Reaktivierung Rechnung getragen werden könne, keine amtsärztliche bzw. fachärztliche Überprüfung vorgenommen. Schon aus diesem Grund bestehen beachtliche Zweifel, ob die am 19.9.2014 von der Antragsgegnerin getroffene Prognose, dass mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Antragstellers in den nächsten sechs Monaten nicht zu rechnen sei, sich in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung noch als gerechtfertigt erweist. Dies führt dazu, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens aus derzeitiger Sicht nicht abschließend beurteilt werden kann.

c. Im Weiteren bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Zurruhesetzung auch im Hinblick auf die Fragen einer etwaigen anderweitigen Verwendung oder einer begrenzten Dienstfähigkeit des Antragstellers.

Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG soll von der Versetzung in den Ruhestand abgesehen werden, wenn eine andere Verwendung möglich ist. Dies ist nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG dann der Fall, wenn dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG ist in den Fällen des Satzes 1 die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Gemäß § 26 Abs. 3 BeamtStG kann dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.

In Bezug auf die sich aus den vorgenannten Vorschriften ergebende Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen Verwendung des Beamten zu suchen, hat das Bundesverwaltungsgericht kürzlich entschieden, dass diese Suche regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken ist. Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung muss sich dabei auf Dienstposten erstrecken, die frei sind oder in absehbarer Zeit - angemessen ist ein Zeitraum von sechs Monaten - voraussichtlich erneut zu besetzen sind. Die Suchanfrage muss eine die noch vorhandene Leistungsfähigkeit des dienstunfähigen Beamten charakterisierende und eine sachliche Kurzbeschreibung enthalten. Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der ihm obliegenden Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die gesetzlichen Vorgaben beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es zu Lasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat

BVerwG, Urteil vom 19.3.2015 - 2 C 37.13 -.

Im Weiteren bestimmt § 27 Abs. 1 BeamtStG, dass von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden soll, wenn der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit).

Im vorliegenden Fall enthält der angefochtene Bescheid vom 19.9.2014 weder hinsichtlich der Frage einer anderweitigen Verwendung im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG noch in Bezug auf die Frage einer begrenzten Dienstfähigkeit gemäß § 27 BeamtStG irgendwelche Feststellungen. Die genannten Vorschriften sind in dem Bescheid nicht einmal erwähnt. Soweit in dem Anhörungsschreiben an den Betreuer vom 13.8.2014 ausgeführt ist, dass eine dienstliche Verwendung in einem anderen Bereich aufgrund der Erkrankung ausgeschlossen sei, genügt dies den gesetzlichen Anforderungen ersichtlich nicht. Soweit in den Verwaltungsunterlagen dokumentiert ist, dass im August 2013 - zum damaligen Zeitpunkt war der Antragsteller dem Sport- und Bäderamt der Antragsgegnerin zugewiesen - auf der Grundlage eines Gesprächs mit dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers diesem auf seine Behinderung zugeschnittene Aufträge erteilt worden sind, die nach der Wertung der Antragsgegnerin nicht zufriedenstellend erledigt worden seien, ergibt sich daraus nicht, dass den vom Bundesverwaltungsgericht beschriebenen Anforderungen an die Erfüllung der Suchpflicht nach einer anderweitigen Verwendung des Antragstellers im gesamten Geschäftsbereich der Antragsgegnerin Rechnung getragen worden ist. Von daher ist die Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung des Antragstellers im Geschäftsbereich der Antragsgegnerin aus derzeitiger Sicht als offen zu beurteilen. Das Gleiche gilt mit Blick auf die sich angesichts des Gutachtens Dr. H… vom 4.7.2014 stellende Frage, in welchem Umfang noch ein Restleistungsvermögen des Antragstellers vorhanden ist, sowie die im Gutachten P… vom 19.9.2014 befürwortete stufenweise Wiedereingliederung.

d. Ist nach alledem der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der vorzeitigen Ruhestandsversetzung. Dabei ist zunächst zu sehen, dass nach der Vorgabe des Gesetzgebers der Widerspruch gegen die vorzeitige Ruhestandsversetzung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich den Suspensiveffekt auslöst. In Bezug auf die von der Antragsgegnerin einzelfallbezogen vorgebrachten ansehensschädigenden Verhaltensweisen des Antragstellers muss zum einen gesehen werden, dass dieser unter dem 5.1.2015 eine eidesstattliche Versicherung zu den Vorgängen abgegeben hat, die für sich genommen geeignet ist, die von der Antragsgegnerin vorgenommene Einschätzung in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Darüber hinaus liegen mit den fachärztlichen Bescheinigungen P… vom 19.9.2014 und 22.5.2015 Erkenntnisse vor, die dafür sprechen, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers verbessert habe und daher eine Wiederholung der von der Antragsgegnerin befürchteten Vorgänge weniger wahrscheinlich ist. Zudem muss gesehen werden, dass die besoldungsrechtlichen Folgen der Ruhestandsversetzung gemäß § 45 Abs. 3 Sätze 6 und 7 SBG unabhängig davon eintreten, ob die Ruhestandsversetzung sofort vollziehbar ist

OVG des Saarlandes, Beschluss vom 13.2.2014 - 1 B 473/13 -; Bayrischer VGH, Beschluss vom 23.4.2013 - 3 CE 13.366 -, Juris, Rdnr. 22.

Bei dieser Sachlage ist es gerechtfertigt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Dabei ist es allerdings ausreichend, den Suspensiveffekt bis zur Entscheidung über den Widerspruch zu begrenzen, da bis dahin eine amtsärztliche Bewertung der privatärztlichen Bescheinigungen vom 19.9.2014 sowie vom 22.5.2015 erfolgen und Feststellungen zu einer etwaigen anderweitigen Verwendung bzw. einer begrenzten Dienstfähigkeit des Antragstellers getroffen werden können und müssen.

2. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht des Saarlandes dem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache den Einbehalt der Dienstbezüge, die das Ruhegehalt übersteigen, auszusetzen, den Erfolg versagt. Ein entsprechender Anordnungsanspruch ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht gegeben.

Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 6 SBG werden Dienstbezüge, die das Ruhegehalt übersteigen, mit Beginn des Ruhestandes einbehalten. Im Weiteren bestimmt § 45 Abs. 3 Satz 7 SBG, dass die einbehaltenen Dienstbezüge nachzuzahlen sind, wenn die Versetzung in den Ruhestand im Widerspruchsverfahren oder durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird. Hierzu hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass die bei angefochtener Zurruhesetzungsverfügung gesetzlich angeordnete Folge der Einbehaltung des das Ruhegehalt übersteigenden Teils der Besoldung unabhängig davon gilt, ob der Rechtsbehelf gegen die Zurruhesetzungsverfügung aufschiebende Wirkung entfaltet oder ob die Zurruhesetzung des Beamten rechtmäßig ist. Daher kann einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 VwGO ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn die Zurruhesetzungsverfügung ersichtlich rechtsmissbräuchlich erfolgt ist und nur dem Zweck dient, die Rechtsfolge der Besoldungskürzung eintreten zu lassen, oder wenn die Annahme der Dienstfähigkeit aus der Luft gegriffen bzw. offensichtlich rechtswidrig erscheint

OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 17.4.2013 - 1 B 1282/12 -, Juris, Rdnr. 4, und vom 5.10.2012 - 1 B 790/12 -, Juris, Rdnr. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.8.2013 - 6 S 9/13 -, Juris, Rdnr. 3; Bayrischer VGH, Beschluss vom 23.4.2013, wie vor, Rdnr. 23.

Diese Ausnahmevoraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ergibt sich aus der bislang unterlassenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung schon nicht, dass die Entscheidung über die Versetzung in den Ruhestand offensichtlich rechtswidrig ist. Auch kann nicht festgestellt werden, dass die Ruhestandsversetzung des Antragstellers rechtsmissbräuchlich nur dem Zweck dient, die Rechtsfolge der Besoldungskürzung eintreten zu lassen.

3. Nach alledem ist mit der Kostenfolge aus § 155 Abs. 1 VwGO wie erkannt zu entscheiden.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf insgesamt 34.416,36 EUR festgesetzt, wobei der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit 20.284,32 EUR und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit 14.132,04 EUR zu bewerten sind. In der Begründung folgt der Senat der Argumentation des Verwaltungsgerichts.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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