Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9.2.2017 - 6 L 73/17 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin zu 1) sowie ihre 2006 geborene Tochter, die Antragstellerin zu 2), sind bosnisch-herzegowinische Staatsangehörige. Sie reisten am 8.12.2015 visumsfrei zu Besuchszwecken in die Bundesrepublik Deutschland ein, nachdem die deutsche Botschaft in Sarajewo ihren Visumsantrag, welchen die Antragstellerin zu 1) zur Arbeitsaufnahme gestellt hat, abgelehnt hatte.(Vgl. Bl. 19 der Verwaltungsakte des Antragsgegners)
Anfang Januar 2016 beantragten sie bei dem Antragsgegner die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Hinweis darauf, dass der Ehemann bzw. Vater der Antragstellerinnen, Herr A., im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 17 AufenthG im Rahmen seiner Ausbildung zum Altenpfleger sei. Die Antragstellerin zu 1) könne ebenfalls in der Pflegeeinrichtung als Pflegehelferin beschäftigt werden, außerdem sei geplant, dass sie dort eine dreijährige Ausbildung absolvieren werde. Neben entsprechenden Bescheinigungen wurden weitere Unterlagen und Dokumente von den Antragstellerinnen zu den Akten gereicht.(Vgl. Bl. 5 - 12; 36, 37; 41 - 48 der Verwaltungsakte))
Mit Bescheid vom 5.12.2016 lehnte der Antragsgegner nach vorheriger Anhörung der Antragstellerinnen deren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab, forderte sie zur Ausreise auf und drohte ihnen für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung an. Im Falle der Abschiebung wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Bundesrepublik Deutschland auf ein Jahr befristet.
In der Begründung heißt es im Wesentlichen, die Antragstellerinnen seien nicht im Besitz eines nationalen Visums, welches für einen längerfristigen Aufenthalt zur Familienzusammenführung mit dem Ehemann bzw. Vater im Bundesgebiet erforderlich gewesen wäre. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG könne nicht abschließend geprüft werden, ob die Antragstellerin zu 1) die erforderlichen Deutschkenntnisse nachweisen können. Die Antragstellerin zu 1) habe in Kopie Zertifikate des K... C... U..., Novi Grad, vom 31.12.2013 und 5.6.2014 vorgelegt, wonach ihr sowohl die erfolgreiche Teilnahme an einem Deutschkurs und an der Prüfung zum Sprachniveau A1 als auch zum Sprachniveau A2 nach dem Europäischen Referenzrahmen bescheinigt werde. Bei der Beantragung des Visums für den Ehegattennachzug seien die Sprachkenntnisse grundsätzlich durch ein Zertifikat des Goethe-Instituts oder eines seiner Kooperationspartner nachzuweisen. Ob das K... C... U... in Novi Grad ein Kooperationspartner des Goethe-Instituts sei, sei nicht bekannt. Eine Stellungnahme auf die Anfrage des Antragsgegners bei der Deutschen Botschaft in Sarajewo stehe noch aus.
Die von den Antragstellerinnen nicht erfüllte Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum sei nicht auf der Grundlage des § 39 AufenthV entbehrlich. § 39 Nr. 3 AufenthV setze das Bestehen eines Rechtsanspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels voraus, der nach der Einreise entstanden sein müsse. Die Eheschließung der Antragstellerin zu 1) mit ihrem Ehemann sei aber bereits vor der Einreise nach Deutschland erfolgt.
Auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG lägen nicht vor, weil die Antragstellerinnen nicht mit dem für den Daueraufenthalt erforderlichen Visum eingereist seien. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG besage zwar, dass von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG abgesehen werden könne, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt seien oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar sei, das Visumverfahren nachzuholen. Die Anwendung dieser Vorschrift scheide aber aus, denn die Antragstellerinnen hätten weder einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch liege ein atypischer Sachverhalt vor, der das Absehen von der Nachholung des Sichtvermerkverfahrens gebiete. Ihnen sei durchaus zumutbar, kurzzeitig nach Bosnien und Herzegowina zurückzukehren und das erforderliche Visumverfahren nachzuholen, um danach legal in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren.
Darüber hinaus sei nicht bekannt, ob die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt seien, denn es sei nicht belegbar nachgewiesen worden, dass der Ehemann der Antragstellerin zu 1) mit seinem Ausbildungsgehalt den Lebensunterhalt für die Familieneinheit auf Dauer eigenständig sicherstellen könne. Nach einer Bedarfsberechnung liege auch nach Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragstellerinnen gemeinsam mit dem Ehemann bzw. Vater mietfrei wohnten, ein Fehlbedarf von 143,17 Euro vor. Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin zu 2) offensichtlich noch die Grundschule besuche, sei die Durchführung eines Visumverfahrens im Rahmen des Familienzusammenzugs über eine deutsche Auslandsvertretung zumutbar, was durchaus in den Ferienzeiten möglich erscheine. Hierzu könnte bei Erfüllen der übrigen Voraussetzungen eine Vorabzustimmung nach § 31 Abs. 3 AufenthV erteilt werden. Die Familiennachzugsbestimmungen des Aufenthaltsgesetzes genügten Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK. Andere gesetzliche Ansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis seien nicht erkennbar. Der Abschiebung in das Heimatland stehe kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG entgegen; auch seien keine Hinderungsgründe dargelegt, die eine Duldung nach § 60 a Abs. 2 AufenthG geböten oder sonst ermöglichten. Unter Würdigung der Gesamtumstände werde im Rahmen des Ermessens das Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Bundesrepublik Deutschland auf ein Jahr gerechnet ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Am 6.1.2017 haben die Antragstellerinnen Widerspruch eingelegt.
Ihren Antrag vom 13.1.2017 auf Verpflichtung des Antragsgegners, vorläufig von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen, hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 9.2.2017 - 6 L 73/17 - zurückgewiesen. Darin heißt es, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug stehe entgegen, dass die Antragstellerin zu 1) nicht mit dem nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen Visum eingereist sei. Die in § 39 AufenthV normierten Voraussetzungen, nach denen über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern könne, lägen nicht vor. Ein Absehen von dem Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nach Satz 2 der Vorschrift scheide aus. Es unterliege im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK keinen rechtlichen Bedenken, dass der Antragsgegner die Nachholung des Visumverfahrens vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks für zumutbar erachtet habe. Die Antragstellerin zu 1) habe keine besonderen Umstände ihres Einzelfalls dargetan, wonach auch eine nur vorübergehende Trennung von ihrem Ehemann bzw. dem Vater der Antragstellerin zu 2) unverhältnismäßig sein könne. Nach den vom Antragsgegner eingeholten Auskünften betrage die Wartezeit für einen Antragstermin bei der Deutschen Botschaft Sarajewo mehrere Monate. Hierbei sei allerdings zu beachten, dass die Antragstellerin zu 1) bereits durch Schreiben im Januar 2016 im Rahmen ihrer Anhörung auf das Fehlen des erforderlichen Visums hingewiesen und ihr mit Schreiben vom August 2016 sowie mit dem angefochtenen Bescheid die Möglichkeit einer Vorabzustimmung im Falle der Vorlage der erforderlichen Visumsunterlagen angeboten worden sei. Dennoch habe sie seit nunmehr einem Jahr keine Versuche unternommen, sich bei der Deutschen Botschaft in Sarajewo auf einer Termin-Vormerkliste registrieren zu lassen. Es sei nicht anzunehmen, dass der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in Bosnien und Herzegowina für die Dauer des Visumverfahrens unüberwindbare Hinderungsgründe entgegenstünden. Die Antragstellerin zu 1) könne nicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit nach § 18 AufenthG verlangen, da diese Vorschrift ebenfalls die Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen voraussetze. Im Ergebnis nichts anderes gelte für den Anspruch der Antragstellerin zu 2) zum Zwecke des Kindernachzugs gemäß § 32 Abs. 1 AufenthG. Eine Unzumutbarkeit der Nachholung des erforderlichen Visumverfahrens folge nicht aus dem Umstand, dass die Antragstellerin zu 2) derzeit, ohne im Besitz des hierfür erforderlichen Aufenthaltstitels zu sein, die Grundschule in A-Stadt besuche und gezwungen wäre, für die Dauer des Visumverfahrens den Schulbesuch zu unterbrechen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerinnen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9.2.2017 - 6 L 73/17 - ist zulässig aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ihrem Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen Abstand zu nehmen, nicht entsprochen. Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang für den Senat bestimmende Vorbringen in der Beschwerdebegründung gebietet keine davon abweichende Beurteilung. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand kann nicht von dem Bestehen eines sicherungsbedürftigen Anspruchs der Antragstellerinnen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne Einhaltung des Visumverfahrens ausgegangen werden.
In dem angegriffenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass einem Anspruch der Antragstellerinnen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 27, 29 i.V.m. §§ 30 Abs. 1, 32 Abs. 1 AufenthG ihre Einreise ohne das erforderliche nationale Visum entgegensteht (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Ferner ist die erstinstanzliche Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass ein Absehen von der Pflicht zur Nachholung des Visumverfahrens im Einzelfall vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt wurde, wenn die (sonstigen) Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind oder wenn es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visum nachträglich - im Heimatstaat - einzuholen, und der Antragsgegner fallbezogen sein Ermessen im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt hat.
Dagegen wenden die Antragstellerinnen ohne Erfolg ein, die Ermessenserwägungen des Antragsgegners und die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts seien mittlerweile aufgrund der nach Bescheiderlass erfolgten Stellungnahmen der Deutschen Botschaft in Sarajewo im Januar diesen Jahres als überholt anzusehen. Von einem nur kurzzeitigen Aufenthalt („in den Ferienzeiten“) in Bosnien und Herzegowina zur Durchführung des Visumverfahrens könne nicht mehr ausgegangen werden, nachdem die Deutsche Botschaft mitgeteilt habe, dass die vorgelegten Sprachzertifikate nicht anerkennt würden und ein Sprachtest durch die Ausländerbehörde nicht von der Vorlage eines anerkannten Sprachzertifikates befreie.(Vgl. Schreiben des Antragsgegners vom 4.1.2017 und vom 12.1.2017 (Bl. 90, 97 GA))
Der Sache nach berufen sich die Antragstellerinnen damit auf eine nach Ergehen des angegriffenen Beschlusses eingetretene Veränderung der Sach- und Rechtslage. Insofern sind die Antragstellerinnen nicht auf das alternativ einschlägige Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO zu verweisen, denn veränderte Umstände und neue Prozesslagen können auch im Beschwerdeverfahren vorgetragen werden und müssen grundsätzlich berücksichtigt werden (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO). Dies gilt zumindest so lange, wie die Begründungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Maßstab für die Begründetheit der Beschwerde nach § 146 VwGO ist nicht, ob das Verwaltungsgericht unter Zugrundelegung der ihm bekannten Tatsachen richtig entschieden hat, sondern ob die Entscheidung in der Sache im Ergebnis richtig ist.(Vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25.5.2009 – 2 M 88/09 –; Sächs. OVG, Beschl. v. 24.02.2009 - 5 B 266/08 -; VGH Mannheim, Beschl. v. 27.01.2006 - 6 S 1860/05 -; OVG Brandenburg, Beschl. v. 12.03.2003 - 1 B 298/02 -, zit. nach juris; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 146 Rn. 42)
Auch unter der Voraussetzung, dass sich die Dauer des bei der deutschen Auslandsvertretung in Sarajewo durchzuführenden Visumverfahrens wegen der fehlenden Anerkennung der von der Antragstellerin zu 1) vorgelegten Sprachzertifikate voraussichtlich nicht verkürzen lässt (Ausweislich der im Internet veröffentlichten Informationen der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Sarajevo, Stand: März 2017, beträgt die Wartezeit nach Registrierung auf der Warteliste für einen Termin zur persönlichen Beantragung eines Visums im Februar 2017 zwischen 12 und 16 Monaten (vgl. Bl. 98 f. der Gerichtsakte).), erweist sich die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes als richtig. Nach dem gegenwärtigem Erkenntnisstand kann nicht festgestellt werden, dass die Nachholung des Visumverfahrens für die Antragstellerinnen aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist, so dass - nach der Einordnung des Verwaltungsgerichts - derzeit nicht von einer fehlerhaften Ausübung des dem Antragsgegner in § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG eingeräumten, in den Grenzen des § 114 Satz 1 VwGO gerichtlicher Nachprüfung unterliegenden Ermessens ausgegangen werden kann.(Vgl. zur Kopplung von unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite und Ermessensermächtigung auf der Rechtsfolgeseite in § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG: Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand Oktober 2015, § 5 Rdnr. 144 f.)
Besondere Umstände i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG liegen dann vor, wenn sich der Ausländer in einer Sondersituation befindet, die sich signifikant von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet.(Vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand Oktober 2015, § 5 Rdnr. 137 f.) Die typischen Probleme, mit denen Betroffene konfrontiert werden (Kosten, Mühen, Zeitaufwand, vorübergehende Trennung von Angehörigen und Freunden) sind als allgemein bekannte Unannehmlichkeiten einer Aus- und Wiedereinreise vom Gesetzgeber als zumutbar vorausgesetzt. Vor diesem Hintergrund erfordert die Zumutbarkeitsprüfung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG eine Güterabwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Dabei sind die legitimen Interessen (z. B. wirtschaftliche Interessen, Interesse an der Aufrechterhaltung der Familieneinheit) des Ausländers oder der Ausländerin gegen das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumverfahrens abzuwägen, wobei die Wirkungen der Grundrechte, insbesondere der Schutz von Bindungen des Ausländers im Inland durch Art. 6 Absätze 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK als höherrangiges Recht beachtet werden müssen. Dem ausreisepflichtigen Familienmitglied ist danach ein auch nur vorübergehendes Verlassen des Bundesgebietes dann nicht zuzumuten, wenn einer der Angehörigen aufgrund individueller Besonderheiten, wie etwa Krankheit oder Pflegebedürftigkeit mehr als im Regelfall auf persönlichen Beistand angewiesen ist oder wenn die Betreuung von Kindern im Fall der Ausreise nicht gesichert wäre. In diesen Fällen drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. (Vgl. BVerfG, Beschl. vom 30.1.2002 - 2 BvR 231/00 -, NVwZ 2002, S. 849 <850> m.w.N.; Beschluss des Senates vom 30.6.2016 - 2 B 177/16 -)
Gemessen daran haben die Antragstellerinnen keine diese Annahme rechtfertigenden besonderen Umstände ihres Einzelfalls dargetan. Zunächst ist davon auszugehen, dass - worauf das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung hingewiesen hat - eine Trennung der Familie während der Nachholung des Visumverfahrens nicht unumgänglich erscheint, da der Ehemann der Antragstellerin zu 1) und der Vater der Antragstellerin zu 2) ebenfalls die bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit besitzt und daher das gemeinsame Familienleben vorübergehend in Bosnien und Herzegowina erfolgen könnte. Selbst wenn dies im Hinblick auf die zeitliche Einbindung des Ehemannes der Antragstellerin zu 1) im Rahmen seiner Ausbildung zum Altenpfleger im W. in A-Stadt nicht während der gesamten Dauer des Visumverfahrens möglich sein sollte, wäre zumindest anlässlich eines Urlaubs der gemeinsame Aufenthalt denkbar. Auch unter Berücksichtigung des Wohles der Antragstellerin zu 2) würde sich eine voraussichtliche Trennung von 12 bis 16 Monaten nicht als unzumutbar erweisen. Die Antragstellerin zu 2) ist mittlerweile elf Jahre alt und besucht derzeit die Klassenstufe 4 der Grundschule A-Stadt. Den Ausführungen im Halbjahreszeugnis der Klassenstufe 4 für das Schuljahr 2016/2017(siehe Bl. 100 f. der Gerichtsakte) zufolge ist sie eine freundliche und zuverlässige Schülerin, die aufgrund ihrer Leistungsentwicklung für den Besuch einer Gemeinschaftsschule empfohlen wird. Aufgrund dieser Aussagen ist anzunehmen, dass die Antragstellerin zu 2) aufgrund ihrer altersentsprechenden Reife die Einsichtsfähigkeit besitzt, um die Notwendigkeit einer vorübergehenden Trennung von ihrem Vater nachvollziehen zu können und daher nicht die Gefahr besteht, dass ihr nicht begreiflich gemacht werden kann, dass es hier nicht um einen „endgültigen Verlust“ des Vaters geht, zumal sie vor ihrer Einreise ebenfalls von ihrem in Deutschland lebenden Vater getrennt gewesen war. Außerdem dürfte auf Grund der digitalen Vernetzung und Kommunikationsmöglichkeiten ein kontinuierlicher Kontakt und Austausch mit ihrem Vater sowie mit ihren in Deutschland lebenden Freunden ohne weiteres über verschiedene Medien und Messaging-Dienste zu bewerkstelligen sein. Allerdings ist im Hinblick auf ihr schulisches Fortkommen nicht auszuschließen, dass sich der beabsichtigte Wechsel auf eine weiterführende Schule in Deutschland durch das Nachholen des Visumverfahrens verzögern wird. Dieser Umstand stellt aber für sich betrachtet keine individuelle unzumutbare Besonderheit des vorliegenden Einzelfalles dar, sondern betrifft regelmäßig alle jugendlichen schulpflichtigen Ausländer, die in Folge der Nachholung des Visumverfahrens im Ausland den Schulbesuch in Deutschland unterbrechen müssen. Dies ist daher von der Antragstellerin zu 2) hinzunehmen, zumal sie auch in Bosnien und Herzegowina, wo sie sich mit der Antragstellerin zu 1) bis zu ihrer Ausreise im Dezember 2015 aufgehalten hat, eine weiterführende Schule besuchen könnte.
Soweit die Antragstellerin zu 1) des weiteren geltend macht, sie habe die Verzögerung des Visumverfahrens nicht zu vertreten, da sie die von dem Antragsgegner für die Vorabzustimmung angeforderten Unterlagen eingereicht habe und erst nach Erlass des Bescheides aufgrund der Stellungnahme der Deutschen Botschaft in Sarajewo klar gewesen sei, dass die Vorabzustimmung wegen des nicht anerkannten Sprachstandsnachweises nicht möglich sei, kann sie ebenfalls nicht aus dem nun zu erwartenden Bearbeitungszeitraum die Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens herleiten. Insoweit muss sich die Antragstellerin zu 1) - wiederholt - entgegenhalten lassen, dass sie bereits im Januar diesen Jahres und auch in der Folgezeit Gelegenheit gehabt hätte, sich auf der Termin-Vormerkliste der Deutschen Botschaft in Sarajewo registrieren zu lassen, um die Wartezeit zu verkürzen. Dass dies geschehen ist, hat sie aber bislang - auch im gerichtlichen Verfahren - nicht nachgewiesen. Aufgrund ihrer Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hätte ihr - nicht zuletzt im eigenen Interesse - oblegen, eigene Bemühungen im Hinblick auf die Nachholung und Beschleunigung des Visumverfahrens zu unternehmen, da sie schon Ende Januar 2016 vom Antragsgegner auf das Visumerfordernis hingewiesen wurde und ihr in der Folgezeit mitgeteilt worden ist, dass die Anerkennung ihrer zum Nachweis der erforderlichen Sprachkenntnisse vorgelegten Sprachzertifikate ungewiss ist.
Die Überprüfung der von der Antragstellerin zu 1) aufgeworfenen Frage nach der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Deutschen Botschaft in Sarajewo, die von ihr vorgelegten Sprachzertifikate(Vgl. die von der Antragstellerin zu 1) in Bezug genommenen Entscheidungen des VG Berlin: Urteile vom 8.7.2016 - 4 K 23.16.V - und vom 11.7.2016 - 8 K 97.16 V -; juris) nicht anzuerkennen, ist indessen nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Dieser Frage wäre ggfs. im Fall der Ablehnung des Visumantrages der Antragstellerinnen durch die Deutsche Botschaft in Sarajewo im Rahmen eines Klageverfahrens gegen die deutsche Auslandvertretung, die eigenständig über das nationale Visum entscheidet, nachzugehen.(Vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand Oktober 2014, § 6 Rdnr. 186)
Im Ergebnis sind von den Antragstellerinnen damit keine (neuen) Gesichtspunkte dargetan, die das vorübergehende Verlassen des Bundesgebietes zur Nachholung des Visumverfahrens als unzumutbar im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG erscheinen lassen.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht daher auch offen gelassen, ob die Antragstellerinnen die Regelvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG erfüllen. In diesem Zusammenhang bleibt allerdings darauf hinzuweisen, dass die von dem Antragsgegner durchgeführte Bedarfsberechnung unter Berücksichtigung der Angaben der Antragstellerin zu 1) einen Fehlbedarf in Höhe von 143,17 Euro ergeben hat. Diese Diskrepanz hat die Antragstellerin zu 1) nicht ausgeräumt.
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 GKG, wobei für die Antragstellerinnen jeweils der – für das vorläufige Rechtsschutzverfahren wiederum zu halbierende – Auffangwert anzusetzen war.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.