Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 2 A 365/17

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 3. Januar 2017 – 3 K 2306/16 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist bezüglich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der im September 1961 in Edlib geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger, Araber und sunnitischer Moslem. Er reiste nach eigener Aussage im Juli 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag.

Bei einer persönlichen Anhörung des Klägers im August 2016 gab er an, bis zu seiner Ausreise aus Syrien am 20.2.2016 habe er sich im Stadtteil E. von Edlib aufgehalten. Seine 1986 geborene Ehefrau Am. lebe mit den Söhnen Ab. (2011) und O. (2005) in Syrien. Der weitere Sohn Os. (2003) sei bei ihm in Deutschland. Er habe 1979 Abitur gemacht und 1988 ein Medizinstudium in Rumänien abgeschlossen. Er habe in Syrien als Arzt praktiziert und zwar von 1990 bis 1993 im Rahmen des Wehrdienstes beim Militär und anschließende in verschiedenen Krankenhäusern. Er sei zunächst in die Türkei gereist und nach einer Woche weiter mit dem Schlauchboot nach Griechenland. Dort sei er etwa vier Monate gewesen, bis mit dem Schleuser „Abu Ramadan“ alles geregelt gewesen sei. Dann sei er mit einem gefälschten Pass am 15.7.2016 nach Hamburg geflogen, habe den Pass weggeschmissen und sich am 22.7.2017 in Lebach gemeldet. Syrien habe er wegen der Kriegslage verlassen. Sein Ort sei stark bombardiert worden und er habe viele Tote gesehen. Es sei alles zerstört und es gebe Bombardierungen, bei denen sein Sohn Ab. im Dezember 2015 durch einen Splitter an der Hüfte verletzt worden sei. Er – der Kläger – habe ihn medizinisch versorgen können. Das Leben sei für die Kinder schwierig. Es herrschten Angst, Unruhe sowie Unsicherheit und es gebe keine Zukunft und keine Perspektive für Bildung. Persönlich sei ihm nichts passiert. Man habe in ständiger Angst gelebt. Er habe als Arzt „wegen den willkürlichen Entführungen und wegen dem Tod“ das Haus nicht mehr verlassen können und Angst um seine Kinder gehabt. Er sei in Idlib sehr bekannt und wohlhabend gewesen. Daher habe die Gefahr bestanden, dass er oder seine Kinder entführt würden. Man komme dann nur gegen Geldzahlung wieder frei oder auch gar nicht mehr nach Hause. Seiner Familie sei so etwas noch nicht zugestoßen, aber einem bekannten Apotheker. Während des Assad-Regimes habe es noch Regeln und Gesetze gegeben. Einen bestimmten Grund für seine Ausreise im Februar 2016 habe es nicht gegeben. Sein Sohn Os. sei zuerst nach Deutschland gekommen und er habe bei ihm sein sollen. Er wolle mit dem Sohn und seiner Frau in Deutschland in Sicherheit leben und hier als Arzt praktizieren. Bei einer Rückkehr nach Syrien sei sein Leben bedroht. Es herrschten Unsicherheiten und Unruhen. Mit seiner Frau könne er aus Angst vor Verfolgung nur verschlüsselt kommunizieren.

Im September 2016 erkannte die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu (Ziffer 1) und lehnte seinen weiter gehenden Antrag ab (Ziffer 2).(vgl. den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5.9.2016 – 6863545-475 –) In der Begründung heißt es unter anderem, es sei davon auszugehen, dass dem Kläger in Syrien ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG drohe. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG) lägen hingegen nach dem Vortrag des Klägers, der seinen Asylantrag auf den Krieg und auf die allgemeine Lage gestützt habe, nicht vor. Gleichzeitig seien die engeren Anforderungen für eine Asylberechtigung nicht erfüllt.

Im Oktober 2016 hat der Kläger Klage erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe seinen Antrag auf Flüchtlingsanerkennung zu Unrecht abgelehnt. Hintergrund der zugrundeliegenden willkürlichen Anweisung des Bundesinnenministeriums sei die beabsichtigte zeitweise Beschränkung der Familienzusammenführung. Dies solle abschreckend wirken. Bei der „Reduzierung“ des Schutzstatus gehe es nicht um die Frage politischer Verfolgung in Syrien, sondern um politische Erwägungen. Bereits in den Jahren 2012 und 2013 habe das Bundesamt der Beklagten den syrischen Flüchtlingen lediglich ein Abschiebeverbot auf der Grundlage des damaligen § 60 Abs. 2 AufenthG zuerkannt, was aber vor den Verwaltungsgerichten, auch beim Verwaltungsgericht des Saarlandes, keinen Bestand gehabt habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass sich die Situation seither wesentlich verändert habe. Präsident Assad sei ein Diktator und wolle ungeachtet anderslautender Äußerungen im tschechischen Fernsehen nach wie vor den Aufstand „mit harter Hand niederschlagen“. Er unterhalte wie bereits sein Vater über viele Jahre eine Vielzahl von Geheimdiensten, die Menschen, bei denen auch nur der Verdacht einer oppositionellen Haltung bestehe, inhaftierten und folterten. Das syrische Regime differenziere nicht danach, aus welchem Grund jemand das Land verlassen habe. Jeder, der ihm den Rücken kehre, müsse damit rechnen, dass sein Verhalten als „Abstimmung mit den Füßen“ gewertet werde. Auch wer aus einer Region stamme, in der viele Gegner des Regimes lebten, müsse damit rechnen, ebenfalls als solcher eingestuft zu werden. Anlass dafür sei auch die Beantragung von Asyl „im Westen“, der für den Kriegsausbruch verantwortlich gemacht werde. Die vom Bundesamt häufig angeführte Erteilung von Reisepässen durch syrische Stellen sei allein auf entsprechende Forderungen der deutschen Ausländerbehörden zurückzuführen. Eine vom Verwaltungsgericht eingeholte Stellungnahme der Beklagten(vgl. das Antwortschreiben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16.9.2016 – 6439121-475 bzw. 3 K 368/16 –) habe diese Einschätzungen bestätigt.

Der Kläger hat schriftlich beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 5.9.2016 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzusprechen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Januar 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage entsprochen.(vgl. das Urteil vom 3.1.2017 – 3 K 2306/16 –) In der Begründung des Urteils heißt es unter anderem, unabhängig von einer Vorverfolgung sei der Kläger aufgrund der aktuellen Situation in Syrien wegen der Ausreise, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland von Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG bedroht. Diese Handlungen würden vom syrischen Staat als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst. Asylantragsteller hätten bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Anknüpfung an ihre tatsächliche oder jedenfalls vermutete politische Überzeugung mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen. Rückkehrer hätten im Fall einer Abschiebung nach Syrien eine obligatorische Befragung durch die Sicherheitskräfte unter anderem zur allgemeinen Informationsgewinnung über die Exilszene zu erwarten. Es sei davon auszugehen, dass bereits diese Befragung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung in Form menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zur Folter auslöse. Zwar fehle es für die letzten Jahre hinsichtlich der Behandlung der aus westlichen Ländern abgeschobenen Personen an belastbaren Zahlen der Rückkehrer. Die Beurteilung könne daher nur im Wege einer Prognose erfolgen. Unter den derzeitigen Umständen werde jeder sich im westlichen Ausland aufhaltende Syrer im Falle seiner Rückkehr als möglicher Oppositioneller angesehen.

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung gegen dieses Urteil verweist die Beklagte auf ihren angefochtenen Bescheid, auf den umfänglichen Vortrag im Berufungszulassungsverfahren und auf die von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende aktuelle Rechtsprechung des Senats und anderer deutscher Obergerichte. Individuell maßgeblich risikoerhöhende Umstände seien im Fall des Klägers nicht erkennbar.

Die Beklagte beantragt schriftlich,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 3.1.2017 – 3 K 2306/16 – abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Auch er nimmt auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren Bezug und verweist hinsichtlich einer Gefährdung aufgrund „des Wehrdienstentzugs“ unter anderem auf die abweichende Rechtsprechung des VGH München. Danach sei es allen wehrdienstpflichtigen Männern von 18 bis 42 Jahren offiziell verboten worden, ins Ausland zu reisen. Habe die Ausreise dem Zweck gedient, sich dem Wehrdienst zu entziehen, so habe dies eine harte Bestrafung bis hin zur Todesstrafe, aber auch Folter zur Folge. Das syrische Regime unterstelle diesen Personen eine illoyale, politisch oppositionelle Haltung. Sie hätten sich trotz des das Regime in seiner Existenz bedrohenden Krieges nicht für den Militäreinsatz bereitgehalten, so aus Sicht der Machthaber durch Flucht ins Ausland ein Verhalten gezeigt, das drängenden militärischen Bedürfnissen zuwiderlaufe und würden von daher bei einer Rückkehr der weitverbreiteten Folterbehandlung unterzogen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, in der der Kläger weiter vorgetragen hat.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung durch den Berichterstatter (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 2 VwGO). Das Ausbleiben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung stand der Verhandlung und Entscheidung der Sache nicht entgegen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

I.

Die hinsichtlich ihrer Zulässigkeit keinen Bedenken unterliegende Berufung der Beklagten ist begründet. Das Rechtsmittel richtet sich gegen die durch das angegriffene Urteil vom 3.1.2017 ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen. Das Verwaltungsgericht hat der hierauf gerichteten Klage zu Unrecht entsprochen.

Die Entscheidung der Beklagten vom 5.9.2016, dem Kläger den subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen und den von ihm auf den internationalen Schutz (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) in Form der Flüchtlingsanerkennung beschränkten Asylantrag (§ 13 Abs. 2 AsylG) im Übrigen abzulehnen, ist rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Kläger hat nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Die Frage, ob einem Schutzsuchenden eine politische Verfolgung oder eine sonstige in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannte Verfolgung droht, ist anhand einer Prognose zu beurteilen, die von einer zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes auszugehen und die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat.

1. Ausgehend hiervon droht dem Kläger, der Syrien nach seinen Angaben im Februar 2016 verlassen hat, im Falle einer angesichts des ihm mit Bescheid vom 5.9.2016 zuerkannten subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG), der einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland (§ 25 Abs. 2 AufenthG) und gleichzeitig ein Abschiebungsverbot begründet (§ 60 Abs. 2 AufenthG), hier aktuell allenfalls hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe. Der Kläger ist nicht individuell vorverfolgt sondern wegen der Kriegsereignisse in Idlib aus Syrien ausgereist. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des neuen Vorbringens des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 17.10.2017. Dort hat er behauptet, dass er im Dezember 2013 im Zusammenhang mit der Beantragung seines Reisepasses für einen Monat bis zum 7.1.2014 wegen des – unzutreffenden – Vorwurfs einer Behandlung von Bewaffneten befragt worden sei, was sich aus einem in dem Reisepass eingelegten „Zettel“ ergebe. Dieses Vorbringen ist zum einen völlig unglaubhaft, da nicht ersichtlich oder von ihm nachvollziehbar erklärt worden ist, weshalb der Kläger diese Umstände beim Bundesamt nach ansatzweise erwähnt hat. Auf die Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat er lapidar geantwortet, das „wisse er nicht“. Zum anderen hätte es sich um einen Vorgang gehandelt, der nach eigenem Bekunden völlig folgenlos geblieben wäre und der sich zudem über zwei Jahre vor der Ausreise aus Syrien Ende Februar 2016 ereignet hätte, ohne dass irgendein (weiteres) Interesse syrischer Stellen an der Person des Klägers erkennbar oder geschildert worden wäre. Eine Vorverfolgung im Verständnis des § 3 Abs. 1 AsylG ergibt sich aus den Angaben daher unter mehreren Aspekten sicher nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger sein Heimatland wegen der allgemeinen durch den Bürgerkrieg gekennzeichneten Verhältnisse verlassen hat, wobei eine wesentliche Motivation nach seinen Angaben auch vor Gericht war, dass er seinen damals bereits in Deutschland befindlichen Sohn Os. nicht alleine in Deutschland lassen wollte. Nach dem zuvor Gesagten bedarf es auch keines weiteren Eingehens auf die seitens des Prozessbevollmächtigten in der Sitzung angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach sich erhebliche subjektive Nachfluchtgründe ergeben sollen, wenn sie sich als Ausdruck einer im Heimatland bereits öffentlich gewordenen allgemeinen Lebenshaltung darstellten. Dass hier mit Blick auf den angeblichen „Vorfall“ im Dezember 2013/Januar 2014 ohnehin nicht von einer erkennbaren gewordenen „allgemeinen Lebenshaltung“ des Klägers gesprochen werden könnte, sei daher nur ergänzend erwähnt.

Eine begründete Furcht des Klägers vor individueller politischer Verfolgung ergibt sich auch nicht aus Ereignissen, die eingetreten sind, nachdem er Syrien verlassen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats(vgl. dazu grundlegend Urteil des Senats vom 2.2.2017 – 2 A 515/16 –, bei juris, ebenso etwa die Urteile vom 14.9.2017 – 2 A 333/17 und 2 A 243/17 –) droht dem Kläger in Syrien nicht allein wegen seiner Ausreise aus dem Heimatland, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland aus ausnahmsweise beachtlichen Nachfluchtgründen eine politische Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG (§ 28 Abs. 1a AsylG).(vgl. ebenso etwa OVG Schleswig, Urteil vom 5.9.2016 – 3 LB 17/16 –, juris, VGH München 12.12.2016 – 21 ZB 16.30338 u.a. –, OVG Münster, Urteile vom 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A –, juris, und vom 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A –, OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, juris) Dass es sich bei den etwa fünf Millionen aus Syrien geflohenen Menschen in aller Regel nicht um Regimegegner handelt, sondern ganz überwiegend um Flüchtlinge, die wegen des anhaltenden Bürgerkriegs und der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben ihre Heimat verlassen haben, dürfte bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auch den syrischen Behörden bekannt sein. Es hieße, dem syrischen Regime Realitätsblindheit zu unterstellen, wenn angenommen würde, es könne nicht erkennen, dass die Masse der Flüchtlinge vor dem Bürgerkrieg flieht.(so auch OVG Münster, Urteil vom 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A. – bei juris, wo unter Bezugnahme auf einen Bericht des Immigration an Refugee Board of Canada vom 19.1.2016 darauf hingewiesen wird, dass jährlich Hunderttausende Flüchtlinge nach Syrien einreisen und persönliche Angelegenheiten regeln, bevor sie wieder in ihre Zufluchtsländer zurückkehren, wie hier in der Sache nun auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.3.2017 – 3 L 249/16 –, juris, mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass seine frühere abweichende Rechtsprechung inzwischen als überholt anzusehen sei)

Über die Frage hinaus, ob dem Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit(vgl. zu diesem Prognosemaßstab BVerwG, Urteil vom 1.6.2011 – 10 C 25.10 –, BVerwGE 140, 22) Verfolgungsmaßnahmen drohen, geht der Senat ferner ebenso wie verschiedene andere deutsche Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe davon aus, dass selbst eine – unterstellte – Rückkehrgefährdung sich jedenfalls nicht aus einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG ergäbe. Vielmehr fehlte gegebenenfalls die nach § 3a Abs. 3 AsylG zusätzlich notwendige Verknüpfung einer möglicherweise allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längerem Auslandsaufenthalt drohenden Verfolgungshandlung mit Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Ein solcher Zusammenhang zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund würde voraussetzen, dass gerade dem Kläger von den syrischen Behörden ein entsprechendes Merkmal zugeschrieben würde (§ 3b Abs. 2 AsylG).(vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, juris) Dafür, dass die syrischen Sicherheitsbehörden jeden Rückkehrer, der Syrien möglicherweise illegal verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten hat, ohne weitere Anhaltspunkte der politischen Opposition zurechnen, gibt es keine stichhaltigen Erkenntnisse. Auch dem syrischen Staat ist bekannt, dass der Großteil der mehrere Millionen umfassenden Gruppe der seit Ausbruch der Unruhen im Jahr 2011 Ausgereisten das Land nicht als Ausdruck einer politischen Gegnerschaft zum syrischen Regime verlassen hat, sondern aus berechtigter Sorge um das eigene Leben.(vgl. ebenso OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, OVG Schleswig, Urteil vom 3.1.2017 – 3 LB 17/16 –, OVG Münster, Beschluss vom 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A –, und VGH München, Urteile vom 12.12.2016 – 21 B 16.30338 sowie 21 B 16.30371 –, zuletzt Urteil vom 14.2.2017 – 21 B 16.31001 –, insoweit Rn 29, alle bei juris) Selbst wenn unterstellt würde, dass alle Personen seitens der syrischen Behörden bei der Rückkehr verdachtsunabhängig Befragungen unterzogen würden, um die Motive der Ausreise und etwaige Verbindungen zu oppositionellen Gruppierungen beziehungsweise Kenntnisse über diese in Erfahrung zu bringen, wäre daher eine entsprechende Verfolgungsgefahr nicht „wegen“ eines der Verfolgungsgründe der §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG gegeben, sondern als wahlloser Zugriff auf potentielle Informationsquellen zu der Exilszene zu werten. Auch das Auswärtige Amt hat keine Erkenntnisse, dass Rückkehrer allein aufgrund eines Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung Verfolgungsmaßnahmen in Syrien ausgesetzt wären.(vgl. die Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Wiesbaden vom 2.1.2017, an das OVG Schleswig vom 7.11.2016 und an das VG Düsseldorf vom 2.1.2017 - 5 K 7221/16 A) Dem Auswärtigen Amt seien im Gegenteil sogar Fälle bekannt, in denen Syrer nach Anerkennung als Flüchtling in Deutschland für mehrere Monate ins Heimatland zurückgekehrt seien.

Wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien und der damit verbundenen Gefährdungen für Leib und Leben wurde dem Kläger in Deutschland der internationale Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zuerkannt. Dagegen liegen nach dem Gesagten in seinem Fall die für eine Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Abs. 1 AsylG notwendigen Voraussetzungen nicht vor. Insoweit wird wegen der Einzelheiten und der verwerteten Erkenntnisquellen auf das erwähnte Grundsatzurteil des Senats vom 2.2.2017 – 2 A 515/16 – zu einem vergleichbar gelagerten Fall, auf das die Prozessbevollmächtigte hingewiesen worden ist, Bezug genommen. Die seither eingegangenen und in der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Aufstellung aufgeführten Erkenntnisquellen geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.(vgl. zu der Berichterstattung in Spiegel-online vom 11.9.2017 über angebliche Äußerungen des Generalmajors der Republikanischen Garden Issam Zahreddine zu einer Rückkehr von Flüchtlingen OVG des Saarlandes, Urteil vom 14.9.2017 – 2 A 314/17 –)

2. Der im September 1961 geborene, damit bereits 56 Jahre alte Kläger, der nach seinen Angaben bereits von 1990 bis 1993 als Mediziner Wehrdienst geleistet hatte, hat bei der Anhörung vor dem Bundesamt die allgemeine Kriegssituation in seiner Heimatstadt Idlib geschildert, selbst aber nicht substantiiert erklärt, dass er auch eine Gefährdung wegen einer „Wehrdienstverweigerung“ befürchte. Soweit der Kläger nun aber im Berufungsverfahren schriftsätzlich allgemein auf eine „Gefährdung wegen Wehrdienstentzugs“ verwiesen hat, rechtfertigt auch das in seinem Fall sicher nicht die Zuerkennung des individuellen Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 1 AsylG.(ebenso beispielsweise auch OVG Münster, Urteil vom 4.5.2017 – 14 A 2023/16.A –, zitiert nach der Pressemitteilung bei juris) Dem Kläger drohte im Fall einer – unterstellten – Rückkehr nach Syrien keine politische Verfolgung wegen einer „Wehrdienstentziehung“.(ebenso unter anderem OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, juris, InfAuslR 2017, 80 und AuAS 2017, 35) Er war bei der Ausreise aus Syrien im Februar 2016 schon 54 Jahre alt, daher nicht mehr im wehrpflichtigen Alter und hat weder bei seiner Anhörung beim Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung auch nur angedeutet, dass das syrische Militär Interesse speziell an seiner Person gezeigt hätte. In Syrien besteht eine allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Syrer im Alter von 18 bis 42 Jahren, so dass der Kläger damals auch keine Ausreisegenehmigung mehr benötigte.(vgl. dazu die Auskunft des Deutschen Orient-Institutes an das OVG Schleswig vom 8.11.2016 – 3 LB 17/16 –, VGH München, Urteil vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 –, Asylmagazin 2017, 108, wonach nach den Erkenntnissen des Orient-Instituts die syrische Regierung bereits im März 2012 beschlossen hat, dass die Ausreise für alle männlichen Staatsangehörigen im Alter von 18 bis 42 Jahren untersagt beziehungsweise nur nach einer zuvor erteilten Genehmigung gestattet sei, auch wenn diese bereits den Wehrdienst abgeleistet hätten)

Darüber hinaus entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass selbst bei im wehrpflichtigen Alter vor einer Einberufung oder auch als Reservisten ausgereisten männlichen Syrern, die Gefahr laufen, bei der Rückkehr wegen Wehrdienstentziehung bestraft oder zwangsweise von der syrischen Armee eingezogen zu werden, im Regelfall keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die ihnen drohenden Maßnahmen aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe – etwa wegen einer als der Wehrdienstentziehung zugrunde liegend vermuteten politischen Opposition zum Regime – ergehen würden. Es fehlt an belastbaren Fakten, für eine Auswahl anhand eines der in § 3 AsylG genannten Kriterien; vielmehr rekrutiert die syrische Armee prinzipiell alle Männer im wehrpflichtigen Alter unabhängig von ihrem ethnischen und religiösen Hintergrund.(vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, vom 28.3.2015, Seite 2) Es gibt nach dem vorgetragenen Sachverhalt keinerlei Indizien dafür, dass gerade dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an eine politische Überzeugung anknüpfende härtere Bestrafung als sonst üblich – ein sogenannter Politmalus(vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.4.2009 – 2 BvR 78/08 –, juris) – drohen würde, sofern er überhaupt bestraft würde. Das Bundesverwaltungsgericht hat in neueren Entscheidungen speziell zu Syrien seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt, wonach an eine Wehrdienstentziehung anknüpfende Sanktionen auch bei totalitären Staaten grundsätzlich nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung darstellen, wenn sie den Betroffenen darüber hinaus zusätzlich wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen.(vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.4.2017 – 1 B 22.17 –, Rn 10, m.w.N.) Unter den insgesamt fast 5 Millionen Flüchtlingen, die Syrien seit Beginn des Bürgerkriegs verlassen haben, befinden sich Hunderttausende Männer der für den Dienst in der syrischen Armee in Betracht kommenden Altersgruppe, die teilweise vor der Ausreise – als Wehrdienstpflichtige oder als Reservisten – nicht einberufen worden waren. Jedenfalls hinsichtlich dieses Personenkreises dürfte es dem syrischen Staat beziehungsweise dem „Regime Assad“ vor allem darum gehen, die Betroffenen schnellstmöglich seiner personell notleidenden Armee zuzuführen.(vgl. dazu zuletzt OVG des Saarlandes, Urteil vom 22.8.2017 – 2 A 262/17 –, dort insbesondere auch zu den Rekrutierungsbemühungen und Amnestien für Wehrdienstverweigerer, siehe auch Zeit online vom 26.7.2015: „Assad gehen die Soldaten aus“; FAZ.Net vom 19.9.2015: „Assads Armee gehen die Männer aus“) Im Übrigen dürfte auch dem syrischen Staat bekannt sein, dass die Flucht vor einer Einberufung durch die Armee in aller Regel nicht durch eine politische Gegnerschaft zum syrischen Staat, sondern – wie im Fall des Klägers dieses Verfahrens – vor allem durch Angst vor dem Krieg motiviert war.

Neuere Entscheidungen anderer deutscher Obergerichte geben keine Veranlassung, die Rechtsprechung des Senats zu ändern. Sie beruhen auf einer abweichenden Beurteilung der auch vom Senat ausgewerteten Dokumente.(vgl. in dem Zusammenhang BVerwG, Beschlüsse vom 24.4.2017 – 1 B 22.17 und 1 B 70.17 –, bei juris) Das gilt insbesondere für das Urteil des VGH Mannheim vom 14.6.2017,(vgl. VGH Mannheim vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 –, im Anschluss an das Urteil vom 2.5.2017 – A 11 A 562/17 –, beide bei juris) aber auch für die ohnedies einen Reservisten betreffende Entscheidung des Hessischen VGH vom 6.6.2017,(vgl. VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16.A –, bei juris) in der als zusätzliches Kriterium für eine flüchtlingsrechtlich beachtliche Rückkehrgefährdung zudem die Herkunft des dortigen Klägers aus einer „vermeintlich regierungsfeindlichen Zone“, im konkreten Fall aus Daraa, angeführt wird, weswegen ihm eine oppositionelle Einstellung unterstellt werde. In diesen Entscheidungen werden das zuvor erwähnte beachtliche Interesse des syrischen Regimes an einer Truppenverstärkung und die schon immer praktizierte Einbindung auch oppositioneller Gruppen in die syrische Armee sowie der Umstand, dass sich die Betreffenden durch Flucht aus einer regierungsfeindlichen Zone dem Konflikt und damit der Einnahme durch den Regierungsgegner gerade entzogen haben, nicht ausreichend in die Bewertung aufgenommen.(vgl. dazu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit dem Bericht UNHCR Nr. 4/2017) Auch weist der im Urteil des VGH Mannheim enthaltene Hinweis auf „Willkür“, extralegale Tötungen und Folterungen und Verschwindenlassen von Personen jeder Herkunft ungeachtet des konkreten Hintergrundes gerade auf das Fehlen eines Verfolgungsgrundes hin und vermag eine besondere Intensität der drohenden Verfolgungshandlungen angesichts des seit jeher stark repressiven Charakters des syrischen Staates die Gerichtetheit der drohenden Maßnahmen auf einen Verfolgungsgrund nicht zu indizieren. Das Niedersächsische OVG hat ebenfalls entschieden, dass der Umstand, dass der Schutzsuchende mit seiner Ausreise einer drohenden Einberufung zum Wehrdienst zuvorgekommen ist, ihm ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht in den Augen der syrischen Machthaber verdächtig erscheinen lässt, über die Flucht vor der Bürgerkriegssituation hinaus politische Opposition betreiben zu wollen. Selbst geflohenen Wehrdienstpflichtigen oder Reservisten, die eine Einberufung erhalten haben oder denen eine solche konkret bevorstand, drohe keine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG.(vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit dem Bericht UNHCR Nr. 4/2017)

Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die §§ 3a Abs. 2 Nr. 5, 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG. Zwar ist bekannt, dass sich die verschiedenen, teilweise durch Interessen von außen gesteuerten Konfliktparteien des Bürgerkriegs in Syrien(vgl. dazu Gerlach, „Was geschieht in Syrien“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2016, Seiten 6 ff.) zum Teil schwerer Verletzungen des Völkerrechts schuldig gemacht haben.(vgl. hierzu etwa UN-Menschenrechtsrat (United Nations Human Rights Council, kurz: UNHRC) vom 10.3.2017 Human rights abuses and international humanitarian law violations in the Syrian Arab Republic, 21 July 2016 - 28 February 2017; siehe dazu beispielsweise auch BGH, Beschluss vom 11.8.2016 – AK 43/16 –, NStZ-RR 2016, 354, zu einem als Kriegsverbrechen eingestuften bewaffneten Angriff von Anhängern der Terrormiliz Jabhat al-Nusra in Syrien auf ein Mitglied des zivilen Hilfspersonals sowie auf Gerätschaften der friedenserhaltenden Mission der Vereinten Nationen auf den Golanhöhen (United Nations Disengagement Oberserver Force - UNDOF) sowie zur Entführung und Gefangenhaltung eines Mitglieds dieser Mission mit dem Zweck der Lösegelderpressung) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem der nationalen Regelung zugrunde liegenden Art. 9 Abs. 2e der RL 2011/95/EU(vgl. EuGH, Urteil vom 26.2.2015 – C-472/13 –, NVwZ 2015, 575) ist es indes nicht ausreichend, dass das „Militär“, in diesem Fall die Streitkräfte des syrischen Regimes, als solches (allgemein) Verbrechen im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG begeht. Vielmehr muss der sich auf die Vorschrift berufende Flüchtling konkret nachweisen, dass gerade seine Militäreinheit Einsätze unter Umständen durchgeführt hat oder durchführen wird, die unter diese Vorschrift fallen und dass er sich konkret unmittelbar an solchen Handlungen beteiligen müsste.(vgl. auch dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit der die Wehrpflichtproblematik anders beurteilenden Rechtsprechung des VGH München, Urteil vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 –, Asylmagazin 2017, 108, des VGH Mannheim, Urteil vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 – und des VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16, beide bei juris) Davon kann hier erkennbar nicht ausgegangen werden.

Insgesamt gelangt das Gericht daher zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass bei einer Gesamtschau der den Fall prägenden Sachverhaltsumstände eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG vorliegend nicht „beachtlich wahrscheinlich“ ist. Es kann jedenfalls nicht als erwiesen angesehen werden, dass das syrische Regime, das gegenwärtig ohnehin nur einen Teil des ehemaligen Gesamtstaatsgebietes kontrolliert,(vgl. zu den konkurrierenden militärischen Organisationen und Gruppierungen sowie zu ihren jeweiligen Zielen etwa Gerlach, Was in Syrien geschieht – Essay, vom 19.2.2016) eine generelle Zuschreibung hinsichtlich einer oppositionellen Einstellung der – immer unterstellt – zurückkehrenden Personen im wehrdienstpflichtigen Alter vornehmen würde. Soweit die Betrachtungsweise des Senats in den erwähnten Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg(vgl. VGH Mannheim vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 –, dort Rn 71) als schon im Ansatz spekulativ bezeichnet wird, bleibt festzuhalten, dass es keine Erkenntnisse über eine entsprechende Einordnung und Behandlung von Rückkehrern speziell aus Westeuropa gibt. Sie kann es „belastbar“ wegen des seit 2011 geltenden und auch praktizierten Abschiebestopps für die Arabische Republik Syrien auch gar nicht geben, weil es keine solchen, jedenfalls keine unfreiwilligen „Rückkehrer“ in diesem Sinne gibt. Unter dem Aspekt ist in dem Zusammenhang sehr vieles, wenn nicht alles, „spekulativ“.(vgl. dazu auch die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 13.9.2017 an das VG Köln 26 K 3050/16.A –, wonach die Botschaft in Damaskus geschlossen ist und keine „geeigneten Stellen bekannt“ sind, die in der Sache, dort zur Frage einer Angehörigengefährdung, klärend tätig werden könnten) Das gilt letztlich auch für die in dem vorgenannten Urteil des Hessischen VGH(vgl. VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16.A –, Rn 96, „Verfolgungskapazitäten“) unter dem Aspekt personeller Ressourcen für eine Verfolgung in Syrien angestellten Betrachtungen, in welcher Gruppenstärke oder Reihenfolge eine Rückkehr nach Syrien – irgendwann – erfolgen könnte.

Daher war der Berufung der Beklagten zu entsprechen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Gründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung durch den Berichterstatter (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 2 VwGO). Das Ausbleiben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung stand der Verhandlung und Entscheidung der Sache nicht entgegen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

I.

Die hinsichtlich ihrer Zulässigkeit keinen Bedenken unterliegende Berufung der Beklagten ist begründet. Das Rechtsmittel richtet sich gegen die durch das angegriffene Urteil vom 3.1.2017 ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen. Das Verwaltungsgericht hat der hierauf gerichteten Klage zu Unrecht entsprochen.

Die Entscheidung der Beklagten vom 5.9.2016, dem Kläger den subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen und den von ihm auf den internationalen Schutz (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) in Form der Flüchtlingsanerkennung beschränkten Asylantrag (§ 13 Abs. 2 AsylG) im Übrigen abzulehnen, ist rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Kläger hat nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Die Frage, ob einem Schutzsuchenden eine politische Verfolgung oder eine sonstige in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannte Verfolgung droht, ist anhand einer Prognose zu beurteilen, die von einer zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes auszugehen und die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat.

1. Ausgehend hiervon droht dem Kläger, der Syrien nach seinen Angaben im Februar 2016 verlassen hat, im Falle einer angesichts des ihm mit Bescheid vom 5.9.2016 zuerkannten subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG), der einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland (§ 25 Abs. 2 AufenthG) und gleichzeitig ein Abschiebungsverbot begründet (§ 60 Abs. 2 AufenthG), hier aktuell allenfalls hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe. Der Kläger ist nicht individuell vorverfolgt sondern wegen der Kriegsereignisse in Idlib aus Syrien ausgereist. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des neuen Vorbringens des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 17.10.2017. Dort hat er behauptet, dass er im Dezember 2013 im Zusammenhang mit der Beantragung seines Reisepasses für einen Monat bis zum 7.1.2014 wegen des – unzutreffenden – Vorwurfs einer Behandlung von Bewaffneten befragt worden sei, was sich aus einem in dem Reisepass eingelegten „Zettel“ ergebe. Dieses Vorbringen ist zum einen völlig unglaubhaft, da nicht ersichtlich oder von ihm nachvollziehbar erklärt worden ist, weshalb der Kläger diese Umstände beim Bundesamt nach ansatzweise erwähnt hat. Auf die Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat er lapidar geantwortet, das „wisse er nicht“. Zum anderen hätte es sich um einen Vorgang gehandelt, der nach eigenem Bekunden völlig folgenlos geblieben wäre und der sich zudem über zwei Jahre vor der Ausreise aus Syrien Ende Februar 2016 ereignet hätte, ohne dass irgendein (weiteres) Interesse syrischer Stellen an der Person des Klägers erkennbar oder geschildert worden wäre. Eine Vorverfolgung im Verständnis des § 3 Abs. 1 AsylG ergibt sich aus den Angaben daher unter mehreren Aspekten sicher nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger sein Heimatland wegen der allgemeinen durch den Bürgerkrieg gekennzeichneten Verhältnisse verlassen hat, wobei eine wesentliche Motivation nach seinen Angaben auch vor Gericht war, dass er seinen damals bereits in Deutschland befindlichen Sohn Os. nicht alleine in Deutschland lassen wollte. Nach dem zuvor Gesagten bedarf es auch keines weiteren Eingehens auf die seitens des Prozessbevollmächtigten in der Sitzung angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach sich erhebliche subjektive Nachfluchtgründe ergeben sollen, wenn sie sich als Ausdruck einer im Heimatland bereits öffentlich gewordenen allgemeinen Lebenshaltung darstellten. Dass hier mit Blick auf den angeblichen „Vorfall“ im Dezember 2013/Januar 2014 ohnehin nicht von einer erkennbaren gewordenen „allgemeinen Lebenshaltung“ des Klägers gesprochen werden könnte, sei daher nur ergänzend erwähnt.

Eine begründete Furcht des Klägers vor individueller politischer Verfolgung ergibt sich auch nicht aus Ereignissen, die eingetreten sind, nachdem er Syrien verlassen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats(vgl. dazu grundlegend Urteil des Senats vom 2.2.2017 – 2 A 515/16 –, bei juris, ebenso etwa die Urteile vom 14.9.2017 – 2 A 333/17 und 2 A 243/17 –) droht dem Kläger in Syrien nicht allein wegen seiner Ausreise aus dem Heimatland, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland aus ausnahmsweise beachtlichen Nachfluchtgründen eine politische Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG (§ 28 Abs. 1a AsylG).(vgl. ebenso etwa OVG Schleswig, Urteil vom 5.9.2016 – 3 LB 17/16 –, juris, VGH München 12.12.2016 – 21 ZB 16.30338 u.a. –, OVG Münster, Urteile vom 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A –, juris, und vom 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A –, OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, juris) Dass es sich bei den etwa fünf Millionen aus Syrien geflohenen Menschen in aller Regel nicht um Regimegegner handelt, sondern ganz überwiegend um Flüchtlinge, die wegen des anhaltenden Bürgerkriegs und der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben ihre Heimat verlassen haben, dürfte bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auch den syrischen Behörden bekannt sein. Es hieße, dem syrischen Regime Realitätsblindheit zu unterstellen, wenn angenommen würde, es könne nicht erkennen, dass die Masse der Flüchtlinge vor dem Bürgerkrieg flieht.(so auch OVG Münster, Urteil vom 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A. – bei juris, wo unter Bezugnahme auf einen Bericht des Immigration an Refugee Board of Canada vom 19.1.2016 darauf hingewiesen wird, dass jährlich Hunderttausende Flüchtlinge nach Syrien einreisen und persönliche Angelegenheiten regeln, bevor sie wieder in ihre Zufluchtsländer zurückkehren, wie hier in der Sache nun auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.3.2017 – 3 L 249/16 –, juris, mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass seine frühere abweichende Rechtsprechung inzwischen als überholt anzusehen sei)

Über die Frage hinaus, ob dem Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit(vgl. zu diesem Prognosemaßstab BVerwG, Urteil vom 1.6.2011 – 10 C 25.10 –, BVerwGE 140, 22) Verfolgungsmaßnahmen drohen, geht der Senat ferner ebenso wie verschiedene andere deutsche Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe davon aus, dass selbst eine – unterstellte – Rückkehrgefährdung sich jedenfalls nicht aus einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG ergäbe. Vielmehr fehlte gegebenenfalls die nach § 3a Abs. 3 AsylG zusätzlich notwendige Verknüpfung einer möglicherweise allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längerem Auslandsaufenthalt drohenden Verfolgungshandlung mit Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Ein solcher Zusammenhang zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund würde voraussetzen, dass gerade dem Kläger von den syrischen Behörden ein entsprechendes Merkmal zugeschrieben würde (§ 3b Abs. 2 AsylG).(vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, juris) Dafür, dass die syrischen Sicherheitsbehörden jeden Rückkehrer, der Syrien möglicherweise illegal verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten hat, ohne weitere Anhaltspunkte der politischen Opposition zurechnen, gibt es keine stichhaltigen Erkenntnisse. Auch dem syrischen Staat ist bekannt, dass der Großteil der mehrere Millionen umfassenden Gruppe der seit Ausbruch der Unruhen im Jahr 2011 Ausgereisten das Land nicht als Ausdruck einer politischen Gegnerschaft zum syrischen Regime verlassen hat, sondern aus berechtigter Sorge um das eigene Leben.(vgl. ebenso OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, OVG Schleswig, Urteil vom 3.1.2017 – 3 LB 17/16 –, OVG Münster, Beschluss vom 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A –, und VGH München, Urteile vom 12.12.2016 – 21 B 16.30338 sowie 21 B 16.30371 –, zuletzt Urteil vom 14.2.2017 – 21 B 16.31001 –, insoweit Rn 29, alle bei juris) Selbst wenn unterstellt würde, dass alle Personen seitens der syrischen Behörden bei der Rückkehr verdachtsunabhängig Befragungen unterzogen würden, um die Motive der Ausreise und etwaige Verbindungen zu oppositionellen Gruppierungen beziehungsweise Kenntnisse über diese in Erfahrung zu bringen, wäre daher eine entsprechende Verfolgungsgefahr nicht „wegen“ eines der Verfolgungsgründe der §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG gegeben, sondern als wahlloser Zugriff auf potentielle Informationsquellen zu der Exilszene zu werten. Auch das Auswärtige Amt hat keine Erkenntnisse, dass Rückkehrer allein aufgrund eines Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung Verfolgungsmaßnahmen in Syrien ausgesetzt wären.(vgl. die Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Wiesbaden vom 2.1.2017, an das OVG Schleswig vom 7.11.2016 und an das VG Düsseldorf vom 2.1.2017 - 5 K 7221/16 A) Dem Auswärtigen Amt seien im Gegenteil sogar Fälle bekannt, in denen Syrer nach Anerkennung als Flüchtling in Deutschland für mehrere Monate ins Heimatland zurückgekehrt seien.

Wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien und der damit verbundenen Gefährdungen für Leib und Leben wurde dem Kläger in Deutschland der internationale Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zuerkannt. Dagegen liegen nach dem Gesagten in seinem Fall die für eine Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Abs. 1 AsylG notwendigen Voraussetzungen nicht vor. Insoweit wird wegen der Einzelheiten und der verwerteten Erkenntnisquellen auf das erwähnte Grundsatzurteil des Senats vom 2.2.2017 – 2 A 515/16 – zu einem vergleichbar gelagerten Fall, auf das die Prozessbevollmächtigte hingewiesen worden ist, Bezug genommen. Die seither eingegangenen und in der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Aufstellung aufgeführten Erkenntnisquellen geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.(vgl. zu der Berichterstattung in Spiegel-online vom 11.9.2017 über angebliche Äußerungen des Generalmajors der Republikanischen Garden Issam Zahreddine zu einer Rückkehr von Flüchtlingen OVG des Saarlandes, Urteil vom 14.9.2017 – 2 A 314/17 –)

2. Der im September 1961 geborene, damit bereits 56 Jahre alte Kläger, der nach seinen Angaben bereits von 1990 bis 1993 als Mediziner Wehrdienst geleistet hatte, hat bei der Anhörung vor dem Bundesamt die allgemeine Kriegssituation in seiner Heimatstadt Idlib geschildert, selbst aber nicht substantiiert erklärt, dass er auch eine Gefährdung wegen einer „Wehrdienstverweigerung“ befürchte. Soweit der Kläger nun aber im Berufungsverfahren schriftsätzlich allgemein auf eine „Gefährdung wegen Wehrdienstentzugs“ verwiesen hat, rechtfertigt auch das in seinem Fall sicher nicht die Zuerkennung des individuellen Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 1 AsylG.(ebenso beispielsweise auch OVG Münster, Urteil vom 4.5.2017 – 14 A 2023/16.A –, zitiert nach der Pressemitteilung bei juris) Dem Kläger drohte im Fall einer – unterstellten – Rückkehr nach Syrien keine politische Verfolgung wegen einer „Wehrdienstentziehung“.(ebenso unter anderem OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, juris, InfAuslR 2017, 80 und AuAS 2017, 35) Er war bei der Ausreise aus Syrien im Februar 2016 schon 54 Jahre alt, daher nicht mehr im wehrpflichtigen Alter und hat weder bei seiner Anhörung beim Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung auch nur angedeutet, dass das syrische Militär Interesse speziell an seiner Person gezeigt hätte. In Syrien besteht eine allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Syrer im Alter von 18 bis 42 Jahren, so dass der Kläger damals auch keine Ausreisegenehmigung mehr benötigte.(vgl. dazu die Auskunft des Deutschen Orient-Institutes an das OVG Schleswig vom 8.11.2016 – 3 LB 17/16 –, VGH München, Urteil vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 –, Asylmagazin 2017, 108, wonach nach den Erkenntnissen des Orient-Instituts die syrische Regierung bereits im März 2012 beschlossen hat, dass die Ausreise für alle männlichen Staatsangehörigen im Alter von 18 bis 42 Jahren untersagt beziehungsweise nur nach einer zuvor erteilten Genehmigung gestattet sei, auch wenn diese bereits den Wehrdienst abgeleistet hätten)

Darüber hinaus entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass selbst bei im wehrpflichtigen Alter vor einer Einberufung oder auch als Reservisten ausgereisten männlichen Syrern, die Gefahr laufen, bei der Rückkehr wegen Wehrdienstentziehung bestraft oder zwangsweise von der syrischen Armee eingezogen zu werden, im Regelfall keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die ihnen drohenden Maßnahmen aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe – etwa wegen einer als der Wehrdienstentziehung zugrunde liegend vermuteten politischen Opposition zum Regime – ergehen würden. Es fehlt an belastbaren Fakten, für eine Auswahl anhand eines der in § 3 AsylG genannten Kriterien; vielmehr rekrutiert die syrische Armee prinzipiell alle Männer im wehrpflichtigen Alter unabhängig von ihrem ethnischen und religiösen Hintergrund.(vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, vom 28.3.2015, Seite 2) Es gibt nach dem vorgetragenen Sachverhalt keinerlei Indizien dafür, dass gerade dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an eine politische Überzeugung anknüpfende härtere Bestrafung als sonst üblich – ein sogenannter Politmalus(vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.4.2009 – 2 BvR 78/08 –, juris) – drohen würde, sofern er überhaupt bestraft würde. Das Bundesverwaltungsgericht hat in neueren Entscheidungen speziell zu Syrien seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt, wonach an eine Wehrdienstentziehung anknüpfende Sanktionen auch bei totalitären Staaten grundsätzlich nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung darstellen, wenn sie den Betroffenen darüber hinaus zusätzlich wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen.(vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.4.2017 – 1 B 22.17 –, Rn 10, m.w.N.) Unter den insgesamt fast 5 Millionen Flüchtlingen, die Syrien seit Beginn des Bürgerkriegs verlassen haben, befinden sich Hunderttausende Männer der für den Dienst in der syrischen Armee in Betracht kommenden Altersgruppe, die teilweise vor der Ausreise – als Wehrdienstpflichtige oder als Reservisten – nicht einberufen worden waren. Jedenfalls hinsichtlich dieses Personenkreises dürfte es dem syrischen Staat beziehungsweise dem „Regime Assad“ vor allem darum gehen, die Betroffenen schnellstmöglich seiner personell notleidenden Armee zuzuführen.(vgl. dazu zuletzt OVG des Saarlandes, Urteil vom 22.8.2017 – 2 A 262/17 –, dort insbesondere auch zu den Rekrutierungsbemühungen und Amnestien für Wehrdienstverweigerer, siehe auch Zeit online vom 26.7.2015: „Assad gehen die Soldaten aus“; FAZ.Net vom 19.9.2015: „Assads Armee gehen die Männer aus“) Im Übrigen dürfte auch dem syrischen Staat bekannt sein, dass die Flucht vor einer Einberufung durch die Armee in aller Regel nicht durch eine politische Gegnerschaft zum syrischen Staat, sondern – wie im Fall des Klägers dieses Verfahrens – vor allem durch Angst vor dem Krieg motiviert war.

Neuere Entscheidungen anderer deutscher Obergerichte geben keine Veranlassung, die Rechtsprechung des Senats zu ändern. Sie beruhen auf einer abweichenden Beurteilung der auch vom Senat ausgewerteten Dokumente.(vgl. in dem Zusammenhang BVerwG, Beschlüsse vom 24.4.2017 – 1 B 22.17 und 1 B 70.17 –, bei juris) Das gilt insbesondere für das Urteil des VGH Mannheim vom 14.6.2017,(vgl. VGH Mannheim vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 –, im Anschluss an das Urteil vom 2.5.2017 – A 11 A 562/17 –, beide bei juris) aber auch für die ohnedies einen Reservisten betreffende Entscheidung des Hessischen VGH vom 6.6.2017,(vgl. VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16.A –, bei juris) in der als zusätzliches Kriterium für eine flüchtlingsrechtlich beachtliche Rückkehrgefährdung zudem die Herkunft des dortigen Klägers aus einer „vermeintlich regierungsfeindlichen Zone“, im konkreten Fall aus Daraa, angeführt wird, weswegen ihm eine oppositionelle Einstellung unterstellt werde. In diesen Entscheidungen werden das zuvor erwähnte beachtliche Interesse des syrischen Regimes an einer Truppenverstärkung und die schon immer praktizierte Einbindung auch oppositioneller Gruppen in die syrische Armee sowie der Umstand, dass sich die Betreffenden durch Flucht aus einer regierungsfeindlichen Zone dem Konflikt und damit der Einnahme durch den Regierungsgegner gerade entzogen haben, nicht ausreichend in die Bewertung aufgenommen.(vgl. dazu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit dem Bericht UNHCR Nr. 4/2017) Auch weist der im Urteil des VGH Mannheim enthaltene Hinweis auf „Willkür“, extralegale Tötungen und Folterungen und Verschwindenlassen von Personen jeder Herkunft ungeachtet des konkreten Hintergrundes gerade auf das Fehlen eines Verfolgungsgrundes hin und vermag eine besondere Intensität der drohenden Verfolgungshandlungen angesichts des seit jeher stark repressiven Charakters des syrischen Staates die Gerichtetheit der drohenden Maßnahmen auf einen Verfolgungsgrund nicht zu indizieren. Das Niedersächsische OVG hat ebenfalls entschieden, dass der Umstand, dass der Schutzsuchende mit seiner Ausreise einer drohenden Einberufung zum Wehrdienst zuvorgekommen ist, ihm ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht in den Augen der syrischen Machthaber verdächtig erscheinen lässt, über die Flucht vor der Bürgerkriegssituation hinaus politische Opposition betreiben zu wollen. Selbst geflohenen Wehrdienstpflichtigen oder Reservisten, die eine Einberufung erhalten haben oder denen eine solche konkret bevorstand, drohe keine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG.(vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit dem Bericht UNHCR Nr. 4/2017)

Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die §§ 3a Abs. 2 Nr. 5, 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG. Zwar ist bekannt, dass sich die verschiedenen, teilweise durch Interessen von außen gesteuerten Konfliktparteien des Bürgerkriegs in Syrien(vgl. dazu Gerlach, „Was geschieht in Syrien“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2016, Seiten 6 ff.) zum Teil schwerer Verletzungen des Völkerrechts schuldig gemacht haben.(vgl. hierzu etwa UN-Menschenrechtsrat (United Nations Human Rights Council, kurz: UNHRC) vom 10.3.2017 Human rights abuses and international humanitarian law violations in the Syrian Arab Republic, 21 July 2016 - 28 February 2017; siehe dazu beispielsweise auch BGH, Beschluss vom 11.8.2016 – AK 43/16 –, NStZ-RR 2016, 354, zu einem als Kriegsverbrechen eingestuften bewaffneten Angriff von Anhängern der Terrormiliz Jabhat al-Nusra in Syrien auf ein Mitglied des zivilen Hilfspersonals sowie auf Gerätschaften der friedenserhaltenden Mission der Vereinten Nationen auf den Golanhöhen (United Nations Disengagement Oberserver Force - UNDOF) sowie zur Entführung und Gefangenhaltung eines Mitglieds dieser Mission mit dem Zweck der Lösegelderpressung) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem der nationalen Regelung zugrunde liegenden Art. 9 Abs. 2e der RL 2011/95/EU(vgl. EuGH, Urteil vom 26.2.2015 – C-472/13 –, NVwZ 2015, 575) ist es indes nicht ausreichend, dass das „Militär“, in diesem Fall die Streitkräfte des syrischen Regimes, als solches (allgemein) Verbrechen im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG begeht. Vielmehr muss der sich auf die Vorschrift berufende Flüchtling konkret nachweisen, dass gerade seine Militäreinheit Einsätze unter Umständen durchgeführt hat oder durchführen wird, die unter diese Vorschrift fallen und dass er sich konkret unmittelbar an solchen Handlungen beteiligen müsste.(vgl. auch dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit der die Wehrpflichtproblematik anders beurteilenden Rechtsprechung des VGH München, Urteil vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 –, Asylmagazin 2017, 108, des VGH Mannheim, Urteil vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 – und des VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16, beide bei juris) Davon kann hier erkennbar nicht ausgegangen werden.

Insgesamt gelangt das Gericht daher zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass bei einer Gesamtschau der den Fall prägenden Sachverhaltsumstände eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG vorliegend nicht „beachtlich wahrscheinlich“ ist. Es kann jedenfalls nicht als erwiesen angesehen werden, dass das syrische Regime, das gegenwärtig ohnehin nur einen Teil des ehemaligen Gesamtstaatsgebietes kontrolliert,(vgl. zu den konkurrierenden militärischen Organisationen und Gruppierungen sowie zu ihren jeweiligen Zielen etwa Gerlach, Was in Syrien geschieht – Essay, vom 19.2.2016) eine generelle Zuschreibung hinsichtlich einer oppositionellen Einstellung der – immer unterstellt – zurückkehrenden Personen im wehrdienstpflichtigen Alter vornehmen würde. Soweit die Betrachtungsweise des Senats in den erwähnten Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg(vgl. VGH Mannheim vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 –, dort Rn 71) als schon im Ansatz spekulativ bezeichnet wird, bleibt festzuhalten, dass es keine Erkenntnisse über eine entsprechende Einordnung und Behandlung von Rückkehrern speziell aus Westeuropa gibt. Sie kann es „belastbar“ wegen des seit 2011 geltenden und auch praktizierten Abschiebestopps für die Arabische Republik Syrien auch gar nicht geben, weil es keine solchen, jedenfalls keine unfreiwilligen „Rückkehrer“ in diesem Sinne gibt. Unter dem Aspekt ist in dem Zusammenhang sehr vieles, wenn nicht alles, „spekulativ“.(vgl. dazu auch die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 13.9.2017 an das VG Köln 26 K 3050/16.A –, wonach die Botschaft in Damaskus geschlossen ist und keine „geeigneten Stellen bekannt“ sind, die in der Sache, dort zur Frage einer Angehörigengefährdung, klärend tätig werden könnten) Das gilt letztlich auch für die in dem vorgenannten Urteil des Hessischen VGH(vgl. VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16.A –, Rn 96, „Verfolgungskapazitäten“) unter dem Aspekt personeller Ressourcen für eine Verfolgung in Syrien angestellten Betrachtungen, in welcher Gruppenstärke oder Reihenfolge eine Rückkehr nach Syrien – irgendwann – erfolgen könnte.

Daher war der Berufung der Beklagten zu entsprechen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

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