Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 1 A 621/17
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11. November 2016 - 3 K 601/16 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist bezüglich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1997 in Daraa geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er reiste im September 2015 aus Syrien aus und am 29.2.2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 3.3.2016 beantragte er seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Bei seiner persönlichen Anhörung am 8.4.2016 gab er im Wesentlichen an, er habe im September 2014 geheiratet und 2015 das Abitur abgelegt. Wegen der Schule sei er vom 18.8.2015 bis zum 15.3.2016 vom Wehrdienst zurückgestellt gewesen. Im September 2015 sei er über den Libanon, die Türkei, die sogenannte Balkanroute und Deutschland nach Frankreich gereist, habe sich dort - ohne einen Asylantrag zu stellen - drei Monate aufgehalten und sei am 29.2.2016 erneut in das Bundesgebiet eingereist. Seine Mutter sei verstorben, sein Vater, seine fünf Geschwister und seine Ehefrau lebten noch in Syrien. Er habe Syrien wegen des Krieges und wegen des drohenden Ablaufs seiner Zurückstellung vom Wehrdienst verlassen. Für den Fall, in eine Kontrolle zu geraten, habe er mit seiner Festnahme rechnen müssen, denn das Militär nehme wehrpflichtige Personen auch vor Ablauf der Zurückstellung fest. Man werde gezwungen, zu kämpfen und andere umzubringen. Im Fall seiner Rückkehr müsse er mit seiner Einziehung rechnen. Er habe Angst vor dem Krieg. Seine Heimatregion Daraa stehe unter Kontrolle der Freien syrischen Armee und werde vom Regime mit Flugzeugen bombardiert und beschossen.
Mit Bescheid vom 21.4.2016 erkannte die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte seinen Asylantrag im Übrigen ab. In der Begründung heißt es unter anderem, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen vor; es sei davon auszugehen, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinn des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG drohe. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft seien hingegen nicht gegeben. Der Kläger sei kein Flüchtling im Sinn des § 3 AsylG. Er habe keine individuellen staatlich zu verantwortenden Verfolgungsgründe vorgetragen. Insbesondere seien konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ihm im Zusammenhang mit dem Wehrdienst Maßnahmen seitens des syrischen Militärs bevorstünden, nicht ersichtlich. Denn seine Zurückstellung vom Militärdienst deute nicht auf ein akutes Interesse des Militärs am Antritt des Kriegsdienstes hin.
Gegen den ihm am 27.4.2016 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 9.5.2016 Klage erhoben, mit der er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG begehrt. Zur Begründung hat er zur Menschenrechts- und Sicherheitslage in Syrien vorgetragen. Wegen des illegalen Verlassens des Landes, der Asylantragstellung und dem Aufenthalt im Ausland drohten ihm im Fall der Rückkehr Zwangs- und Verfolgungsmaßnahmen, zumal er sich der Wehrpflicht entzogen habe.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 21.4.2016 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzusprechen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 11.11.2016 - 3 K 601/16 -, der Beklagten am 18.11.2016 zugestellt, hat das Verwaltungsgericht der Klage entsprochen. In der Begründung des Urteils heißt es unter anderem, unabhängig von einer Vorverfolgung sei der Kläger aufgrund der aktuellen Situation in Syrien wegen der Ausreise, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland von Verfolgungen im Sinne des § 3 AsylG bedroht. Diese Handlungen würden vom syrischen Staat als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst. Asylantragsteller hätten bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Anknüpfung an ihre tatsächliche oder jedenfalls vermutete politische Überzeugung mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen. Rückkehrer hätten im Fall einer Abschiebung nach Syrien eine obligatorische Befragung durch die Sicherheitskräfte unter anderem zur allgemeinen Informationsgewinnung über die Exilszene zu erwarten. Es sei davon auszugehen, dass bereits diese Befragung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung in Form menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zur Folter auslöse. Zwar fehle es für die letzten Jahre hinsichtlich der Behandlung der aus westlichen Ländern abgeschobenen Personen an belastbaren Zahlen der Rückkehrer. Die Beurteilung könne daher nur im Wege einer Prognose erfolgen. Unter den derzeitigen Umständen werde jeder sich im westlichen Ausland aufhaltende Syrer im Fall seiner Rückkehr als möglicher Oppositioneller angesehen.
Die Beklagte hat am 16.12.2016 die Zulassung der Berufung beantragt und zur Begründung ihrer durch Beschluss des Senats vom 1.8.2017, zugestellt am 8.8.2017, zugelassenen Berufung am 14.8.2017 auf den angefochtenen Bescheid, ihr Vorbringen im Zulassungsverfahren und auf die von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende aktuelle Rechtsprechung des Zweiten Senats des erkennenden Gerichts verwiesen. Individuell risikoerhöhende Umstände seien im Fall des Klägers nicht erkennbar. Seine Ausführungen im Berufungsverfahren seien als gesteigertes Vorbringen zu qualifizieren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.11.2016 - 3 K 601/16 - abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er trägt zur Ergänzung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens vor, er habe sich einen Tag nach seinem 18. Geburtstag, mithin am 18.8.2015, zum Rekrutierungsbüro begeben, sei dort registriert worden und habe den Wehrpass erhalten. Ausweislich des Eintrags im Wehrpass sei er bis zum 15.3.2016 zurückgestellt worden. Inzwischen habe er von der Familie erfahren, dass ca. 14 Tage nach Ablauf der Zurückstellungsfrist bewaffnete Polizeibeamte, die mit einem Motorrad unterwegs gewesen seien, nach seinem Verbleib gefragt hätten. Demzufolge lägen gefahrerhöhende Umstände vor, zumal anzunehmen sei, dass die syrischen Sicherheitskräfte die Wehrdienstentziehung als oppositionelle Haltung interpretieren werden. Hinzu komme, dass sein inzwischen 19 Jahre alter Bruder seines Wissens seit mehr als einem Jahr für die Freie Syrische Armee kämpfe. Er sei in Daraa stationiert. Ein Cousin sei ebenfalls für die Freie Syrische Armee aktiv und vor etwa drei Jahren - zu diesem Zeitpunkt sei er selbst noch in Syrien gewesen - festgenommen worden. Er befinde sich seither im Gefängnis. Er, der Kläger, sei damals 17 Jahre alt gewesen und von bewaffneten zivilen Sicherheitskräften wegen des Cousins verhört worden. Ein weiterer Verwandter, der für die Freie Syrische Armee gekämpft habe, sei bei den Kämpfen getötet worden. Demzufolge lägen eine Reihe gefahrerhöhender Umstände zu Lasten des Klägers vor. Ihm drohten wegen der Asylantragstellung, der illegalen Ausreise und dem Umstand, dass er wehrpflichtig sei, politische Verfolgung im Sinn des § 3 AsylG. Ein zusätzlicher Risikofaktor sei seine Herkunft aus Daraa, der Region, in der die Proteste gegen das Assad-Regime begonnen hätten. Personen aus diesem Gebiet werde generell eine oppositionelle Haltung unterstellt. Nach der Auskunftslage würden Deserteure und Personen, die sich dem Militärdienst entzogen haben, inhaftiert und verurteilt. In der Haft komme es zu Folter, wobei Menschenrechtsorganisationen auch über Exekutionen berichteten. Auch Familienangehörige würden verhaftet oder von den Behörden unter Druck gesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten, über die mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin entschieden werden kann, ist zulässig und begründet.
Die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen und den von ihm mit der Klage auf den internationalen Schutz (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) in Form der Flüchtlingsanerkennung beschränkten Asylantrag (§ 13 Abs. 2 AsylG) im Übrigen abzulehnen, ist rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Soweit er sein Vorbringen im Berufungsverfahren gesteigert hat, bestehen bereits Zweifel an der Glaubhaftigkeit der neuen Bekundungen. Abgesehen hiervon vermögen sie eine Vorverfolgung bzw. für den Fall der Rückkehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer wegen der Annahme einer regimefeindlichen Gesinnung besonders harten Bestrafung der Wehrdienstentziehung nicht zu begründen.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Zwischen den in den §§ 3 Abs. 1 und 3b AsylG bezeichneten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen.
Ausgehend hiervon droht dem Kläger im Falle einer angesichts des ihm mit dem Bescheid der Beklagten zuerkannten subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG), der einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland (§ 25 Abs. 2 AufenthG) und gleichzeitig ein Abschiebungsverbot begründet (§ 60 Abs. 2 AufenthG), hier aktuell allenfalls hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe.
1. Der Kläger ist nicht individuell vorverfolgt aus Syrien ausgereist.
Er hat sich bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt darauf berufen, wegen des Bürgerkrieges, der Bombardierung seiner unter der Kontrolle der Freien Syrischen Armee stehenden Heimatregion Daraa und wegen des damals bevorstehenden Ablaufs seiner Zurückstellung vom Wehrdienst aus Syrien ausgereist zu sein. Mit diesen Beweggründen der Ausreise geht eine Vorverfolgung nicht einher.
Die allgemeine Gefahrenlage infolge des Krieges vermag eine zielgerichtete individuelle politische Verfolgung des Klägers im Verständnis des § 3 Abs. 1 AsylG nicht zu begründen. Von den sich aus den kriegerischen Auseinandersetzungen ergebenden Gefahren war und ist die gesamte in Syrien befindliche Zivilbevölkerung betroffen, so dass insoweit eine individuelle Verfolgung gerade des Klägers nicht gegeben ist. Die möglicherweise bevorstehende Einberufung zum Militärdienst und die behauptete Gefahr, unvermittelt an einem der Kontrollpunkte eingezogen zu werden, rechtfertigen für sich genommen ebenfalls nicht die Annahme einer zielgerichteten individuellen politischen Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG.(Siehe hierzu Urteil des Senats vom 26.4.2018 - 1 A 543/17 -) In Syrien besteht eine allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Syrer im Alter von 18 bis 42 Jahren.(Auskunft des Deutschen Orient-Instituts an das OVG Schleswig vom 8.11.2016 – 3 LB 17/16 -; VGH München, Urteil vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 -, Asylmagazin 2017, 108) Die Heranziehung von Wehrpflichtigen zum Militärdienst dient der Auffüllung des Personalbestands der Streitkräfte und ist in der Staatenpraxis üblich. Sie erfolgt gerade nicht in Anknüpfung an eines der in § 3 AsylG genannten Merkmale, die für die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes gegeben sein müssen. Vielmehr rekrutiert die syrische Armee prinzipiell alle wehrpflichtigen Männer unabhängig von ihrem ethnischen und religiösen Hintergrund.(Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee vom 28.3.2015, Seite 2)
Soweit der Kläger sein schriftliches Vorbringen in der Berufungserwiderung vom 9.10.2017 dahingehend gesteigert hat, dass er als Siebzehnjähriger von zivilen bewaffneten Sicherheitskräften wegen eines Cousins, der für die Freie Syrische Armee gekämpft habe und vor ca. drei Jahren festgenommen worden sowie seither im Gefängnis sei, verhört worden sei, hat er in der mündlichen Verhandlung angegeben, zu einem Verhör sei es damals nicht gekommen. Er und weitere Cousins hätten von der durch die Festnahme veranlassten Kontrolle der Häuser und der Suche vornehmlich nach jungen Männern erfahren; sie seien rechtzeitig geflüchtet und erst nach fünf Tagen bis einer Woche wieder nach Hause zurückgekehrt. Zunächst sei angemerkt, dass nicht erkennbar wäre, inwiefern das anfänglich behauptete einmalige Verhör, zu dessen Dauer und Ablauf Einzelheiten nicht vorgetragen waren, eine individuelle Vorverfolgung des Klägers belegen könnte. Ausgehend von seinen Angaben wäre das Verhör zeitlich etwa im Herbst 2014 einzuordnen, das heißt, er hätte sich anschließend noch fast ein Jahr in Syrien aufgehalten, offenbar ohne wegen der Angelegenheit (Festnahme eines für die Freie Syrische Armee kämpfenden Cousins) ein weiteres Mal behelligt zu werden. Nichts anderes gilt in Bezug auf die nunmehrige Darstellung, er habe sich durch sein rechtzeitiges mehrtägiges Verschwinden einem Zugriff seitens der Sicherheitskräfte entziehen können. Seinem Vorbringen zufolge wurde damals nicht speziell nach ihm gefahndet, sondern die Sicherheitskräfte hätten vor allem nach jungen Männern gesucht. Ein spezielles Interesse gerade an seiner Person ergibt sich auch nicht aus seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, anhand der Registrierungsnummer im Wehrpass sei seine Zugehörigkeit zu der Familie des verhafteten Cousins erkennbar. Denn in den Folgemonaten nach seiner Rückkehr zur Familie wurde er offenbar nicht mehr behelligt. Er konnte die Schule abschließen, heiraten und hat im August 2015 erfolgreich seine Zurückstellung vom Wehrdienst beantragt. Im September 2015 ist er, wenn auch seinen Angaben zufolge unter Zahlung eines Bestechungsgeldes, legal unter Verwendung seines Reisepasses aus Syrien ausgereist.
Damit vermögen die angeblichen Ereignisse im Zusammenhang mit der Verhaftung des immer noch verschwundenen Cousins eine Vorverfolgung des Klägers nicht zu belegen, so dass es auf die Glaubhaftigkeit des diesbezüglich gesteigerten Sachvortrags nicht entscheidungserheblich ankommt. Abgesehen hiervon spricht der objektiv zu verzeichnende Gang des Verfahrens eher gegen als für die Richtigkeit des neuen Vorbringens. Das gilt auch, wenn man dem Kläger zugute hält, dass er zur Zeit seiner Anhörung angesichts der bis kurz zuvor gehandhabten Anerkennungspraxis der Beklagten noch nicht erwarten musste, dass eine ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkennende Entscheidung ohne Darlegung eines individuellen Verfolgungsschicksals nicht ergehen würde. Eine - etwaige - so bedingte anfängliche Sorglosigkeit und ein fehlendes Bewusstsein, dass derartiges von Relevanz sein könnte - so die Einlassung in der mündlichen Verhandlung -, würden allenfalls erklären, dass er anlässlich der Anhörung vom 8.4.2016 auf die Frage, ob er in der Heimat bereits einmal Probleme mit der Polizei, Sicherheitskräften oder anderen Personengruppen gehabt habe, mit „Nein“ geantwortet hat, nicht aber, dass er die angebliche Bedrängung durch syrische Sicherheitskräfte trotz Ergehens des ablehnenden Bescheids nicht zur Begründung seiner Klage offenbart hat. Es kann schwerlich zu seinen Gunsten unterstellt werden, sein Rechtsanwalt habe ihn nicht gefragt, ob er seinen Angaben anlässlich der Anhörung etwas hinzuzufügen habe, was den Erfolgsaussichten der Klage zuträglich sein könnte. Ungeachtet der sich im Klageverfahren frühzeitig andeutenden Tendenz des Verwaltungsgerichts hätte - auch vor dem Hintergrund seiner Mitwirkungspflicht - nahe gelegen, einen etwaigen individuellen Verfolgungsgrund vorsorglich aufzudecken.
Da der Kläger somit keine Umstände vorgetragen hat, aus denen sich Anhaltspunkte für eine bereits erlittene oder im Zeitpunkt der Ausreise unmittelbar bevorstehende individuelle politische Verfolgung durch den syrischen Staat oder sonstige Akteure im Sinne des § 3c Nr. 2 und Nr. 3 AsylG ergeben könnten, kommt ihm die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU nicht zugute.
2. Ist ein Schutzsuchender unverfolgt ausgereist, liegt eine Verfolgungsgefahr nur vor, wenn ihm bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falls mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, weswegen ihm die Rückkehr in den Heimatstaat nicht zumutbar ist. Hiervon kann im Fall des Klägers nicht ausgegangen werden.
2.1. Der in der mündlichen Verhandlung bekräftigte Vortrag der Berufungserwiderung, nicht nur besagter Cousin, sondern auch sein neunzehnjähriger Bruder kämpfe seit einem Jahr, also seit 2016, für die Freie Syrische Armee und ein weiterer Verwandter, der der Freien Syrischen Armee angehört habe, sei bei Kämpfen getötet worden, vermag eine beachtliche Wahrscheinlichkeit drohender Verfolgung im Fall einer Rückkehr in die Heimat nicht darzutun. Dass Familienmitglieder des Klägers für die Freie Syrische Armee kämpfen, zwingt nach der Auskunftslage - wenngleich Maßnahmen einer sogenannten Reflexverfolgung in Syrien durchaus vorkommen(Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 25.1.2017 zu Syrien: Reflexverfolgung, S. 2 betreffend das Vorliegen von Hinweisen darauf, dass die syrischen Sicherheitskräfte Familienangehörige von gesuchten Personen festnehmen, um diese dazu zu bewegen, sich den Behörden auszuliefern) - weder per se zu der Annahme, der Kläger könnte im Fall seiner Rückkehr einer individuell auf seine Person bezogenen Verfolgung seitens des syrischen Staates ausgesetzt sein, noch hat der Kläger seine diesbezüglich in den Raum gestellte Befürchtung anderweitig plausibel gemacht. So ist weder besonders naheliegend noch fallbezogen dargetan, dass dem Regime der Umstand, dass ein Bruder sich nach der Ausreise des Klägers der Freien Syrischen Armee angeschlossen hat, bekannt geworden ist oder - etwa wegen einer Art „Schlüsselrolle“ des Bruders in der Freien Syrischen Armee- bekannt geworden sein müsste. In Bezug auf den angeblich inhaftierten Cousin könnte - wie ausgeführt - eine etwaig einen Rückschluss auf den Familienzusammenhang zulassende Registrierungsnummer im Wehrpass für sich genommen mit Blick auf die nach der Verhaftung des Cousins erfolgte Zurückstellung des Klägers ein besonderes Misstrauen des Militärs gegenüber dem Kläger in Gestalt der Vermutung einer regimefeindlichen Gesinnung des Klägers ebenfalls schwerlich plausibel machen.
2.2. Eine begründete Furcht des Klägers vor individueller politischer Verfolgung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand der Ausreise, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Zweiten Senats des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes(vgl. dazu grundlegend Urteil des 2. Senats vom 2.2.2017 – 2 A 515/16 –, bei Juris, ebenso Urteile vom 14.9.2017 – 2 A 333/17 und 2 A 243/17 – oder zuletzt vom 19.4.2018 - 2 A 622/17 -), der sich der erkennende Senat vollinhaltlich angeschlossen hat(Vgl. hierzu Urteil vom 26.4.2018 - 1 A 543/17 -) und die mit der Rechtsprechung zahlreicher anderer deutscher Obergerichte übereinstimmt, droht dem Kläger in Syrien allein wegen der Ausreise aus dem Heimatland, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland keine politische Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG.(vgl. ebenso etwa OVG Schleswig, Urteil vom 5.9.2016 - 3 LB 17/16 -, Juris, VGH München vom 12.12.2016 – 21 ZB 16.30338 u.a. –, OVG Münster, Urteile vom 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A –, Juris, und vom 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A –, OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, Juris) Diese Umstände stellen keine ausnahmsweise beachtlichen Nachfluchtgründe dar.
Dass es sich bei den etwa fünf Millionen aus Syrien geflohenen Menschen in aller Regel nicht um Regimegegner handelt, sondern ganz überwiegend um Flüchtlinge, die wegen des anhaltenden Bürgerkriegs und der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben ihre Heimat verlassen haben, dürfte bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auch den syrischen Behörden bekannt sein. Es hieße, dem syrischen Regime Realitätsblindheit zu unterstellen, wenn angenommen würde, es könne nicht erkennen, dass die Masse der Flüchtlinge nicht aus politisch oppositioneller Haltung heraus, sondern wegen des anhaltenden Bürgerkriegs flieht, um sich davor in Sicherheit zu bringen.(so etwa auch OVG Münster, Urteil vom 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A. – bei Juris, wo unter Bezugnahme auf einen Bericht des Immigration an Refugee Board of Canada vom 19.1.2016 darauf hingewiesen wird, dass jährlich Hunderttausende Flüchtlinge nach Syrien einreisen und persönliche Angelegenheiten regeln, bevor sie wieder in ihre Zufluchtsländer zurückkehren, wie hier in der Sache nun auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.3.2017 – 3 L 249/16 –, Juris, mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass seine frühere abweichende Rechtsprechung inzwischen als überholt anzusehen sei)
Über die Frage hinaus, ob dem Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen drohen, geht der Senat ferner ebenso wie verschiedene andere deutsche Obergerichte davon aus, dass selbst eine - unterstellte - Rückkehrgefährdung sich jedenfalls nicht aus einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG ergäbe. Vielmehr fehlte gegebenenfalls die nach § 3a Abs. 3 AsylG zusätzlich notwendige Verknüpfung einer möglicherweise allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längeren Auslandsaufenthalts drohenden Verfolgungshandlung mit Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Ein solcher Zusammenhang zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund würde voraussetzen, dass gerade dem Kläger von den syrischen Behörden ein entsprechendes Merkmal zugeschrieben würde (§ 3b Abs. 2 AsylG).(vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, Juris) Dafür, dass die syrischen Sicherheitsbehörden jeden Rückkehrer, der Syrien möglicherweise illegal verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten hat, ohne weitere Anhaltspunkte der politischen Opposition zurechnen, gibt es aber keine stichhaltigen Erkenntnisse. Auch dem syrischen Staat ist bekannt, dass der Großteil der mehrere Millionen umfassenden Gruppe der seit 2011 Ausgereisten das Land nicht als Ausdruck einer politischen Gegnerschaft zum syrischen Regime verlassen hat, sondern aus berechtigter Sorge um das eigene Leben.(vgl. ebenso OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, OVG Schleswig, Urteil vom 3.1.2017 - 3 LB 17/16 -, OVG Münster, Beschluss vom 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A –, und VGH München, Urteile vom 12.12.2016 – 21 B 16.30338 sowie 21 B 16.30371 –, zuletzt Urteil vom 14.2.2017 – 21 B 16.31001 –, insoweit Rn 29, alle bei Juris) Selbst wenn unterstellt würde, dass alle Personen seitens der syrischen Behörden bei der Rückkehr verdachtsunabhängig Befragungen unterzogen würden, um die Motive der Ausreise und etwaige Verbindungen zu oppositionellen Gruppierungen beziehungsweise Kenntnisse über diese in Erfahrung zu bringen, wäre daher eine entsprechende Verfolgungsgefahr nicht „wegen“ eines der Verfolgungsgründe der §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG gegeben, sondern als wahlloser Zugriff auf potentielle Informationsquellen zu der Exilszene zu werten. Auch das Auswärtige Amt hat keine Erkenntnisse, dass Rückkehrer allein aufgrund eines Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung Verfolgungsmaßnahmen in Syrien ausgesetzt wären.(vgl. die Auskünfte des Auswärtigen Amtes an VG Wiesbaden vom 2.1.2017, an OVG Schleswig vom 7.11.2016 und an VG Düsseldorf vom 2.1.2017 - 5 K 7221/16 A -) Dem Auswärtigen Amt seien im Gegenteil sogar Fälle bekannt, in denen Syrer nach Anerkennung als Flüchtling in Deutschland für mehrere Monate ins Heimatland zurückgekehrt seien.
Wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien und der damit verbundenen Gefährdungen für Leib und Leben wurde dem Kläger in Deutschland zu Recht der internationale Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zuerkannt. Dagegen liegen nach dem Gesagten in seinem Fall die für eine Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Abs. 1 AsylG notwendigen Voraussetzungen nicht vor. Insoweit wird wegen der weiteren Einzelheiten und der verwerteten Erkenntnisquellen auf das erwähnte Grundsatzurteil des zweiten Senats vom 2.2.2017 – 2 A 515/16 – zu einem vergleichbar gelagerten Fall, auf das die Prozessbevollmächtigten hingewiesen worden sind, Bezug genommen. Die seither eingegangenen und in der Dokumentation Syrien (Stand: Juni 2018) aufgeführten Erkenntnisquellen geben keine Veranlassung zur abweichenden Beurteilung.(vgl. zu der Berichterstattung in Spiegel-online vom 11.9.2017 über angebliche Äußerungen des Generalmajors der Republikanischen Garden Issam Zahreddinezu einer Rückkehr von Flüchtlingen OVG des Saarlandes, Urteil vom 14.9.2017 – 2 A 314/17 –)
2.3. Es kann auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit(vgl. zu diesem Prognosemaßstab BVerwG, Urteil vom 1.6.2011 – 10 C 25.10 –, BVerwGE 140, 22) angenommen werden, dass der Kläger bei Rückkehr in sein Heimatland allein wegen seiner Herkunft aus Daraa der Gefahr einer politischen Verfolgung ausgesetzt ist.(OVG des Saarlandes, Urteil vom 21.6.2018 - 1 A 760/17 -, amtl. Abdr. S. 10 f.) Die bloße Herkunft aus Daraa, das neben einem Flüchtlingslager mit 6.000 Bewohnern nach der Volkszählung im Jahre 2004 eine Einwohnerzahl von knapp 100.000 Personen hatte, vermag eine besondere Gefährdungslage nicht begründen.(OVG des Saarlandes, Urteil vom 22.8.2017 – 2 A 262/17 -) Es liegen keine hinreichenden überzeugenden Erkenntnisse vor, dass alle oder eine signifikant große Zahl der aus dem angegebenen Heimatgebiet des Klägers stammenden Personen von dem syrischen Regime als Anhänger der politischen Opposition angesehen und bei Rückkehr verfolgt werden. Eine an die Herkunft anknüpfende Gefahrenlage kann auch den Angaben des Klägers zu seinem Vorfluchtschicksal nicht entnommen werden, vielmehr ergibt sich aus den vorgelegten Ausweispapieren, dass er über einen syrischen Reisepass verfügte und sein Heimatland über einen offiziellen Grenzübergang legal verlassen hat. Auch wenn er bei dem Grenzübertritt - wie in der mündlichen Verhandlung angegeben - etwas bezahlt haben sollte, haben die Sicherheitskräfte ihn ziehen lassen, was der Annahme, aus der Sicht des Regimes seien junge Männer aus der Region Daraa im Regelfall als potentielle Regimegegner einzuschätzen, entgegensteht. Die vom Kläger zum Beleg eines „erhöhten Risikos“ für unter anderem aus der Provinz Daraa stammende Menschen angeführten Ausführungen des UNHCR vom Februar 2017(UNHCR, Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien vom Februar 2017) geben zu keiner anderen Beurteilung Anlass.
2.4. Ebenso wenig hat der Kläger im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland wegen einer möglichen Wehrdienstentziehung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung nach § 3 Abs. 1 AsylG zu erwarten.(ebenso beispielsweise OVG Münster, Urteil vom 4.5.2017 – 14 A 2023/16.A –, Juris)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Zweiten Senats des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes sind Flüchtlinge, die vor ihrer Ausreise keinen Einberufungsbescheid erhalten haben, im Fall der Rückkehr nach Syrien wegen einer möglichen Wehrdienstentziehung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung ausgesetzt.(vgl. dazu grundlegend Urteil des Senats vom 2.2.2017, wie vor, sowie die Urteile vom 17.10.2017 - 2 A 330/17, 2 A 365/17. 2 A 334/17 und 2 A 329/17 -, jeweils in Auseinandersetzung mit der zum Teil abweichenden neueren Rechtsprechung anderer deutscher Obergerichte in Wehrdienstfällen, insbesondere des VGH Mannheim vom 14.6.2017 - A 11 S 511/17 -, im Anschluss an das Urteil vom 2.5.2017 - A 11 A 562/17 -, beide bei Juris, des VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 - 3 A 3040/16.A -, bei Juris, des OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 - 2 LB 91/17 -) Auch dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat angeschlossen.(Vgl. Urteil vom 26.4.2018 – 1 A 543/17 -)
Danach ist davon auszugehen, dass bei im wehrpflichtigen Alter vor einer Einberufung oder auch als Reservisten ausgereisten männlichen Syrern, die Gefahr laufen, bei der Rückkehr wegen Wehrdienstentziehung bestraft oder zwangsweise von der syrischen Armee eingezogen zu werden, im Regelfall keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die ihnen drohenden Maßnahmen aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe - etwa wegen einer als der Wehrdienstentziehung zugrunde liegend vermuteten politischen Opposition zum Regime - ergehen würden. Es gibt nach dem vorgetragenen Sachverhalt keinerlei Indizien dafür, dass gerade dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an eine politische Überzeugung anknüpfende härtere Bestrafung als sonst üblich – ein sog. Politmalus(vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.4.2009 – 2 BvR 78/08 –, Juris) – drohen würde, sofern er wegen Wehrdienstentziehung bestraft würde.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in neueren Entscheidungen speziell zu Syrien seine Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt, wonach die an eine Wehrdienstentziehung anknüpfenden Sanktionen auch bei totalitären Staaten nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung darstellen, wenn sie den Betroffenen darüber hinaus wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen.(vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.4.2017 – 1 B 22.17 –, Rn 10, m.w.N.) Dafür gebe es - so der Zweite Senat des erkennenden Gerichts - hier keine Anhaltspunkte. Unter den insgesamt fast fünf Millionen Flüchtlingen, die Syrien bis Ende 2015 verlassen haben, befinden sich hunderttausende Männer der für den Dienst in der syrischen Armee in Betracht kommenden Altersgruppe, die teilweise vor der Ausreise - als Wehrpflichtige oder als Reservisten - nicht einberufen worden waren. Jedenfalls hinsichtlich dieses Personenkreises dürfte es dem syrischen Staat beziehungsweise dem „Regime Assad“ vor allem darum gehen, die Betroffenen schnellstmöglich seiner personell notleidenden Armee zuzuführen.(vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 22.8.2017 – 2 A 262/17 –, dort insbesondere auch zu den Rekrutierungsbemühungen und Amnestien für Wehrdienstverweigerer, siehe auch Zeit online vom 26.7.2015: „Assad gehen die Soldaten aus“; FAZ.Net vom 19.9.2015: „Assads Armee gehen die Männer aus“) Im Übrigen dürfte auch dem syrischen Staat bekannt sein, dass die Flucht vor einer Einberufung durch die Armee in aller Regel nicht durch eine politische Gegnerschaft zum syrischen Staat, sondern vor allem durch Angst vor dem Krieg motiviert war.
Abweichende Entscheidungen anderer deutscher Obergerichte geben keine Veranlassung, diese Rechtsprechung zu ändern. Sie beruhen auf einer abweichenden Beurteilung der auch vom Senat ausgewerteten Dokumente.(vgl. in dem Zusammenhang BVerwG, Beschlüsse vom 24.4.2017 – 1 B 22.17 und 1 B 70.17 –, Juris) Das gilt insbesondere für das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14.6.2017(vgl. VGH Mannheim vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 –, im Anschluss an das Urteil vom 2.5.2017 – A 11 A 562/17 –, beide bei Juris), aber auch für die ohnedies einen Reservisten betreffende Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6.6.2017(vgl. VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16.A –, Juris), in der als zusätzliches Kriterium für eine flüchtlingsrechtlich beachtliche Rückkehrgefährdung die Herkunft des dortigen Klägers aus einer „vermeintlich regierungsfeindlichen Zone“, im konkreten Fall - wie vorliegend - aus Daraa, angeführt wird, weswegen ihm eine oppositionelle Einstellung unterstellt werde. In diesen Entscheidungen werden das zuvor erwähnte beachtliche Interesse des syrischen Regimes an einer Truppenverstärkung, die schon immer praktizierte Einbindung auch oppositioneller Gruppen in die syrische Armee sowie der Umstand, dass sich die Betreffenden durch Flucht aus einer regierungsfeindlichen Zone dem Konflikt und damit der Einnahme durch den Regierungsgegner gerade entzogen haben, nicht ausreichend in die Bewertung aufgenommen.(vgl. dazu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit dem Bericht UNHCR Nr. 4/2017) Auch deutet der im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg enthaltene Hinweis auf „Willkür“, extralegale Tötungen und Folterungen sowie Verschwindenlassen von Personen jeder Herkunft ungeachtet des konkreten Hintergrundes gerade auf das Fehlen eines Verfolgungsgrundes und vermag eine besondere Intensität der drohenden Verfolgungshandlungen angesichts des seit jeher stark repressiven Charakters des syrischen Staates die Gerichtetheit der drohenden Maßnahmen auf einen Verfolgungsgrund nicht zu indizieren. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat ebenfalls entschieden, dass der Umstand, dass der Schutzsuchende mit seiner Ausreise einer drohenden Einberufung zum Wehrdienst zuvorgekommen ist, ihn ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht in den Augen der syrischen Machthaber verdächtig erscheinen lässt, über die Flucht vor der Bürgerkriegssituation hinaus politische Opposition betreiben zu wollen. Selbst geflohenen Wehrdienstpflichtigen oder Reservisten, die eine Einberufung erhalten haben oder denen eine solche konkret bevorstand, drohe keine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG.(vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit dem Bericht UNHCR Nr. 4/2017) Auch das Hamburgische Oberverwaltungsgericht geht inzwischen davon aus, dass rückkehrenden syrischen Asylbewerbern nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, weil sie sich dem Wehrdienst in der syrischen Armee durch Flucht entzogen haben.(OVG Hamburg, Urteil vom 11.1.2018 - 1 Bf 81/17.A -, Juris) Soweit das Sächsische Oberverwaltungsgericht für - im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erwachsene - zurückkehrende syrische Asylbewerber, die sich der Wehrpflicht in Syrien durch Ausreise ins Ausland entzogen haben, eine Verfolgungsgefährdung bejaht, beruht diese Entscheidung auf nicht überzeugenden Wertungen der auch dem erkennenden Senat vorliegenden Erkenntnisquellen.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die §§ 3a Abs. 2 Nr. 5, 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG. Zwar ist bekannt, dass sich die verschiedenen, teilweise durch Interessen von außen gesteuerten Konfliktparteien des Bürgerkriegs in Syrien(vgl. dazu Gerlach, „Was geschieht in Syrien“, Bundeszentrale für politische Bildung, aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2016, Seiten 6 ff.) zum Teil schwerer Verletzungen des Völkerrechts schuldig gemacht haben.(vgl. hierzu etwa UN-Menschenrechtsrat (United Nations Human Rights Council, kurz: UNHRC) vom 10.3.2017 Human rights abuses and international humanitarian law violations in the Syrian Arab Republic, 21 July 2016 - 28 February 2017; siehe dazu beispielsweise auch BGH, Beschluss vom 11.8.2016 – AK 43/16 –, NStZ-RR 2016, 354, zu einem als Kriegsverbrechen eingestuften bewaffneten Angriff von Anhängern der Terrormiliz Jabhat al-Nusra in Syrien auf ein Mitglied des zivilen Hilfspersonals sowie auf Gerätschaften der friedenserhaltenden Mission der Vereinten Nationen auf den Golanhöhen (United Nations Disengagement Oberserver Force - UNDOF) sowie zur Entführung und Gefangenhaltung eines Mitglieds dieser Mission mit dem Zweck der Lösegelderpressung) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem der nationalen Regelung zugrunde liegenden Art. 9 Abs. 2e der RL 2011/95/EU(vgl. EuGH, Urteil vom 26.2.2015 – C-472/13 –, NVwZ 2015, 575) ist es indes nicht ausreichend, dass das „Militär“, in diesem Fall die Streitkräfte des syrischen Regimes, als solches (allgemein) Verbrechen im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG begeht. Vielmehr muss der sich auf die Vorschrift berufende Flüchtling konkret nachweisen, dass gerade seine Militäreinheit Einsätze unter Umständen durchgeführt hat oder durchführen wird, die unter diese Vorschrift fallen und dass er sich konkret unmittelbar an solchen Handlungen beteiligen müsste.(vgl. auch dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit der die Wehrpflichtproblematik anders beurteilenden Rechtsprechung des VGH München, Urteil vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 –, Asylmagazin 2017, 108, des VGH Mannheim, Urteil vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 – und des VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16, beide bei Juris) Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
Dass der Kläger im Rahmen der Berufungserwiderung vorgetragen hat, inzwischen erfahren zu haben, dass ca. 14 Tage nach Ablauf der Zurückstellungsfrist bewaffnete Polizeibeamte seine Eltern und seine Ehefrau nach seinem Verbleib gefragt hätten, rechtfertigt einzelfallbezogen keine andere Sichtweise.
Ein grundsätzliches Interesse, Personen, die sich ihrer Wehrpflicht entzogen haben, aufzuspüren, kann keinem Staat abgesprochen werden, sofern die Ermittlungsmaßnahmen die Grenzen der Angemessenheit nicht überschreiten. Dass letzteres der Fall gewesen wäre, ist nicht vorgetragen. Ein Bedrängen der zu Hause verbliebenen Familienmitglieder in Gestalt wie auch immer gearteter Repressalien ist nicht behauptet. Dies gilt auch in Bezug auf den ergänzenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung, das Regime habe inzwischen in seiner Heimatregion die Oberhand gewonnen, woraufhin die Häuser erst kürzlich erneut durchsucht worden seien und man nach ihm gefragt habe. Sein Bruder, der bei der Syrischen Armee gekämpft habe, sei nach Idlip geflohen. Diese Angaben bestätigen zwar das Interesse des Regimes, wehrpflichtiger junger Männer habhaft zu werden, belegen aber nicht, dass dem Kläger im Fall seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Maßnahmen drohen würden, die im Sinn eines Polit-Malus an eine ihm unterstellte Regimefeindlichkeit anknüpfen würden.
Insgesamt gelangt das Gericht daher zu der Überzeugung (§ 108 Satz 1 VwGO), dass bei einer Gesamtschau der den Fall prägenden Sachverhaltsumstände eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG vorliegend nicht „beachtlich wahrscheinlich“ ist. Es kann jedenfalls nicht als erwiesen angesehen werden, dass das syrische Regime eine generelle Zuschreibung einer oppositionellen Einstellung der - immer unterstellt - zurückkehrenden Personen im wehrdienstpflichtigen Alter vornehmen würde. Soweit die Betrachtungsweise des Zweiten Senats in den erwähnten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg(vgl. VGH Mannheim vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 –, dort Rn 71) schon im Ansatz als spekulativ bezeichnet wird, bleibt festzuhalten, dass es keine Erkenntnisse über eine entsprechende Einordnung und Behandlung von Rückkehrern speziell aus Westeuropa gibt. Sie kann es „belastbar“ wegen des seit 2011 geltenden und praktizierten Abschiebestopps für die Arabische Republik Syrien auch gar nicht geben, weil es keine solchen, jedenfalls keine unfreiwilligen „Rückkehrer“ in diesem Sinne gibt. Unter dem Aspekt ist in dem Zusammenhang sehr vieles, wenn nicht alles „spekulativ“. Das gilt letztlich auch für die im vorgenannten Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs(vgl. VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16.A –, Rn 96, „Verfolgungskapazitäten“) unter dem Aspekt personeller Ressourcen für eine Verfolgung in Syrien angestellten Betrachtungen, in welcher Gruppenstärke oder Reihenfolge eine Rückkehr nach Syrien - irgendwann - erfolgen könnte.
2.5. Schließlich vermag der Senat ausgehend von der Auskunftslage nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass jedenfalls das Zusammentreffen von Wehrdienstentziehung und Herkunft aus einer tendenziell als regimefeindlich eingeordneten Region die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigt.(anders HessVGH, Urteil vom 6.6.2017 - 3 A 3040/16.A -, juris Rdnrn. 28, 51, 64 ff.)
Hiergegen sprechen fallbezogen die bereits angeführte Einwohnerstärke der Region Daraa und der Umstand, dass der seiner äußeren Erscheinung nach ersichtlich im wehrdienstpflichtigen Alter befindliche Kläger Syrien legal unter Verwendung seines seine Herkunft offenlegenden Reisepasses verlassen konnte. Zudem sind über Ausweiskontrollen und Befragung nach seinem Aufenthalt hinausgehende Aktivitäten staatlicher Sicherheitskräfte gegenüber seinen zuhause verbliebenen Familienangehörigen nicht vorgetragen, so dass auch unter diesem Blickwinkel keine Indizien für ein durch die Herkunft geprägtes besonderes - asylrelevantes - Interesse des Regimes an der Person des Klägers erkennbar sind.
Nach alldem war der Berufung der Beklagten zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Gründe
Die Berufung der Beklagten, über die mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin entschieden werden kann, ist zulässig und begründet.
Die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen und den von ihm mit der Klage auf den internationalen Schutz (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) in Form der Flüchtlingsanerkennung beschränkten Asylantrag (§ 13 Abs. 2 AsylG) im Übrigen abzulehnen, ist rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Soweit er sein Vorbringen im Berufungsverfahren gesteigert hat, bestehen bereits Zweifel an der Glaubhaftigkeit der neuen Bekundungen. Abgesehen hiervon vermögen sie eine Vorverfolgung bzw. für den Fall der Rückkehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer wegen der Annahme einer regimefeindlichen Gesinnung besonders harten Bestrafung der Wehrdienstentziehung nicht zu begründen.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Zwischen den in den §§ 3 Abs. 1 und 3b AsylG bezeichneten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen.
Ausgehend hiervon droht dem Kläger im Falle einer angesichts des ihm mit dem Bescheid der Beklagten zuerkannten subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG), der einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland (§ 25 Abs. 2 AufenthG) und gleichzeitig ein Abschiebungsverbot begründet (§ 60 Abs. 2 AufenthG), hier aktuell allenfalls hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe.
1. Der Kläger ist nicht individuell vorverfolgt aus Syrien ausgereist.
Er hat sich bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt darauf berufen, wegen des Bürgerkrieges, der Bombardierung seiner unter der Kontrolle der Freien Syrischen Armee stehenden Heimatregion Daraa und wegen des damals bevorstehenden Ablaufs seiner Zurückstellung vom Wehrdienst aus Syrien ausgereist zu sein. Mit diesen Beweggründen der Ausreise geht eine Vorverfolgung nicht einher.
Die allgemeine Gefahrenlage infolge des Krieges vermag eine zielgerichtete individuelle politische Verfolgung des Klägers im Verständnis des § 3 Abs. 1 AsylG nicht zu begründen. Von den sich aus den kriegerischen Auseinandersetzungen ergebenden Gefahren war und ist die gesamte in Syrien befindliche Zivilbevölkerung betroffen, so dass insoweit eine individuelle Verfolgung gerade des Klägers nicht gegeben ist. Die möglicherweise bevorstehende Einberufung zum Militärdienst und die behauptete Gefahr, unvermittelt an einem der Kontrollpunkte eingezogen zu werden, rechtfertigen für sich genommen ebenfalls nicht die Annahme einer zielgerichteten individuellen politischen Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG.(Siehe hierzu Urteil des Senats vom 26.4.2018 - 1 A 543/17 -) In Syrien besteht eine allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Syrer im Alter von 18 bis 42 Jahren.(Auskunft des Deutschen Orient-Instituts an das OVG Schleswig vom 8.11.2016 – 3 LB 17/16 -; VGH München, Urteil vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 -, Asylmagazin 2017, 108) Die Heranziehung von Wehrpflichtigen zum Militärdienst dient der Auffüllung des Personalbestands der Streitkräfte und ist in der Staatenpraxis üblich. Sie erfolgt gerade nicht in Anknüpfung an eines der in § 3 AsylG genannten Merkmale, die für die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes gegeben sein müssen. Vielmehr rekrutiert die syrische Armee prinzipiell alle wehrpflichtigen Männer unabhängig von ihrem ethnischen und religiösen Hintergrund.(Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee vom 28.3.2015, Seite 2)
Soweit der Kläger sein schriftliches Vorbringen in der Berufungserwiderung vom 9.10.2017 dahingehend gesteigert hat, dass er als Siebzehnjähriger von zivilen bewaffneten Sicherheitskräften wegen eines Cousins, der für die Freie Syrische Armee gekämpft habe und vor ca. drei Jahren festgenommen worden sowie seither im Gefängnis sei, verhört worden sei, hat er in der mündlichen Verhandlung angegeben, zu einem Verhör sei es damals nicht gekommen. Er und weitere Cousins hätten von der durch die Festnahme veranlassten Kontrolle der Häuser und der Suche vornehmlich nach jungen Männern erfahren; sie seien rechtzeitig geflüchtet und erst nach fünf Tagen bis einer Woche wieder nach Hause zurückgekehrt. Zunächst sei angemerkt, dass nicht erkennbar wäre, inwiefern das anfänglich behauptete einmalige Verhör, zu dessen Dauer und Ablauf Einzelheiten nicht vorgetragen waren, eine individuelle Vorverfolgung des Klägers belegen könnte. Ausgehend von seinen Angaben wäre das Verhör zeitlich etwa im Herbst 2014 einzuordnen, das heißt, er hätte sich anschließend noch fast ein Jahr in Syrien aufgehalten, offenbar ohne wegen der Angelegenheit (Festnahme eines für die Freie Syrische Armee kämpfenden Cousins) ein weiteres Mal behelligt zu werden. Nichts anderes gilt in Bezug auf die nunmehrige Darstellung, er habe sich durch sein rechtzeitiges mehrtägiges Verschwinden einem Zugriff seitens der Sicherheitskräfte entziehen können. Seinem Vorbringen zufolge wurde damals nicht speziell nach ihm gefahndet, sondern die Sicherheitskräfte hätten vor allem nach jungen Männern gesucht. Ein spezielles Interesse gerade an seiner Person ergibt sich auch nicht aus seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, anhand der Registrierungsnummer im Wehrpass sei seine Zugehörigkeit zu der Familie des verhafteten Cousins erkennbar. Denn in den Folgemonaten nach seiner Rückkehr zur Familie wurde er offenbar nicht mehr behelligt. Er konnte die Schule abschließen, heiraten und hat im August 2015 erfolgreich seine Zurückstellung vom Wehrdienst beantragt. Im September 2015 ist er, wenn auch seinen Angaben zufolge unter Zahlung eines Bestechungsgeldes, legal unter Verwendung seines Reisepasses aus Syrien ausgereist.
Damit vermögen die angeblichen Ereignisse im Zusammenhang mit der Verhaftung des immer noch verschwundenen Cousins eine Vorverfolgung des Klägers nicht zu belegen, so dass es auf die Glaubhaftigkeit des diesbezüglich gesteigerten Sachvortrags nicht entscheidungserheblich ankommt. Abgesehen hiervon spricht der objektiv zu verzeichnende Gang des Verfahrens eher gegen als für die Richtigkeit des neuen Vorbringens. Das gilt auch, wenn man dem Kläger zugute hält, dass er zur Zeit seiner Anhörung angesichts der bis kurz zuvor gehandhabten Anerkennungspraxis der Beklagten noch nicht erwarten musste, dass eine ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkennende Entscheidung ohne Darlegung eines individuellen Verfolgungsschicksals nicht ergehen würde. Eine - etwaige - so bedingte anfängliche Sorglosigkeit und ein fehlendes Bewusstsein, dass derartiges von Relevanz sein könnte - so die Einlassung in der mündlichen Verhandlung -, würden allenfalls erklären, dass er anlässlich der Anhörung vom 8.4.2016 auf die Frage, ob er in der Heimat bereits einmal Probleme mit der Polizei, Sicherheitskräften oder anderen Personengruppen gehabt habe, mit „Nein“ geantwortet hat, nicht aber, dass er die angebliche Bedrängung durch syrische Sicherheitskräfte trotz Ergehens des ablehnenden Bescheids nicht zur Begründung seiner Klage offenbart hat. Es kann schwerlich zu seinen Gunsten unterstellt werden, sein Rechtsanwalt habe ihn nicht gefragt, ob er seinen Angaben anlässlich der Anhörung etwas hinzuzufügen habe, was den Erfolgsaussichten der Klage zuträglich sein könnte. Ungeachtet der sich im Klageverfahren frühzeitig andeutenden Tendenz des Verwaltungsgerichts hätte - auch vor dem Hintergrund seiner Mitwirkungspflicht - nahe gelegen, einen etwaigen individuellen Verfolgungsgrund vorsorglich aufzudecken.
Da der Kläger somit keine Umstände vorgetragen hat, aus denen sich Anhaltspunkte für eine bereits erlittene oder im Zeitpunkt der Ausreise unmittelbar bevorstehende individuelle politische Verfolgung durch den syrischen Staat oder sonstige Akteure im Sinne des § 3c Nr. 2 und Nr. 3 AsylG ergeben könnten, kommt ihm die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU nicht zugute.
2. Ist ein Schutzsuchender unverfolgt ausgereist, liegt eine Verfolgungsgefahr nur vor, wenn ihm bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falls mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, weswegen ihm die Rückkehr in den Heimatstaat nicht zumutbar ist. Hiervon kann im Fall des Klägers nicht ausgegangen werden.
2.1. Der in der mündlichen Verhandlung bekräftigte Vortrag der Berufungserwiderung, nicht nur besagter Cousin, sondern auch sein neunzehnjähriger Bruder kämpfe seit einem Jahr, also seit 2016, für die Freie Syrische Armee und ein weiterer Verwandter, der der Freien Syrischen Armee angehört habe, sei bei Kämpfen getötet worden, vermag eine beachtliche Wahrscheinlichkeit drohender Verfolgung im Fall einer Rückkehr in die Heimat nicht darzutun. Dass Familienmitglieder des Klägers für die Freie Syrische Armee kämpfen, zwingt nach der Auskunftslage - wenngleich Maßnahmen einer sogenannten Reflexverfolgung in Syrien durchaus vorkommen(Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 25.1.2017 zu Syrien: Reflexverfolgung, S. 2 betreffend das Vorliegen von Hinweisen darauf, dass die syrischen Sicherheitskräfte Familienangehörige von gesuchten Personen festnehmen, um diese dazu zu bewegen, sich den Behörden auszuliefern) - weder per se zu der Annahme, der Kläger könnte im Fall seiner Rückkehr einer individuell auf seine Person bezogenen Verfolgung seitens des syrischen Staates ausgesetzt sein, noch hat der Kläger seine diesbezüglich in den Raum gestellte Befürchtung anderweitig plausibel gemacht. So ist weder besonders naheliegend noch fallbezogen dargetan, dass dem Regime der Umstand, dass ein Bruder sich nach der Ausreise des Klägers der Freien Syrischen Armee angeschlossen hat, bekannt geworden ist oder - etwa wegen einer Art „Schlüsselrolle“ des Bruders in der Freien Syrischen Armee- bekannt geworden sein müsste. In Bezug auf den angeblich inhaftierten Cousin könnte - wie ausgeführt - eine etwaig einen Rückschluss auf den Familienzusammenhang zulassende Registrierungsnummer im Wehrpass für sich genommen mit Blick auf die nach der Verhaftung des Cousins erfolgte Zurückstellung des Klägers ein besonderes Misstrauen des Militärs gegenüber dem Kläger in Gestalt der Vermutung einer regimefeindlichen Gesinnung des Klägers ebenfalls schwerlich plausibel machen.
2.2. Eine begründete Furcht des Klägers vor individueller politischer Verfolgung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand der Ausreise, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Zweiten Senats des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes(vgl. dazu grundlegend Urteil des 2. Senats vom 2.2.2017 – 2 A 515/16 –, bei Juris, ebenso Urteile vom 14.9.2017 – 2 A 333/17 und 2 A 243/17 – oder zuletzt vom 19.4.2018 - 2 A 622/17 -), der sich der erkennende Senat vollinhaltlich angeschlossen hat(Vgl. hierzu Urteil vom 26.4.2018 - 1 A 543/17 -) und die mit der Rechtsprechung zahlreicher anderer deutscher Obergerichte übereinstimmt, droht dem Kläger in Syrien allein wegen der Ausreise aus dem Heimatland, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland keine politische Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG.(vgl. ebenso etwa OVG Schleswig, Urteil vom 5.9.2016 - 3 LB 17/16 -, Juris, VGH München vom 12.12.2016 – 21 ZB 16.30338 u.a. –, OVG Münster, Urteile vom 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A –, Juris, und vom 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A –, OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, Juris) Diese Umstände stellen keine ausnahmsweise beachtlichen Nachfluchtgründe dar.
Dass es sich bei den etwa fünf Millionen aus Syrien geflohenen Menschen in aller Regel nicht um Regimegegner handelt, sondern ganz überwiegend um Flüchtlinge, die wegen des anhaltenden Bürgerkriegs und der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben ihre Heimat verlassen haben, dürfte bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung auch den syrischen Behörden bekannt sein. Es hieße, dem syrischen Regime Realitätsblindheit zu unterstellen, wenn angenommen würde, es könne nicht erkennen, dass die Masse der Flüchtlinge nicht aus politisch oppositioneller Haltung heraus, sondern wegen des anhaltenden Bürgerkriegs flieht, um sich davor in Sicherheit zu bringen.(so etwa auch OVG Münster, Urteil vom 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A. – bei Juris, wo unter Bezugnahme auf einen Bericht des Immigration an Refugee Board of Canada vom 19.1.2016 darauf hingewiesen wird, dass jährlich Hunderttausende Flüchtlinge nach Syrien einreisen und persönliche Angelegenheiten regeln, bevor sie wieder in ihre Zufluchtsländer zurückkehren, wie hier in der Sache nun auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.3.2017 – 3 L 249/16 –, Juris, mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass seine frühere abweichende Rechtsprechung inzwischen als überholt anzusehen sei)
Über die Frage hinaus, ob dem Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen drohen, geht der Senat ferner ebenso wie verschiedene andere deutsche Obergerichte davon aus, dass selbst eine - unterstellte - Rückkehrgefährdung sich jedenfalls nicht aus einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG ergäbe. Vielmehr fehlte gegebenenfalls die nach § 3a Abs. 3 AsylG zusätzlich notwendige Verknüpfung einer möglicherweise allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längeren Auslandsaufenthalts drohenden Verfolgungshandlung mit Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Ein solcher Zusammenhang zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund würde voraussetzen, dass gerade dem Kläger von den syrischen Behörden ein entsprechendes Merkmal zugeschrieben würde (§ 3b Abs. 2 AsylG).(vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, Juris) Dafür, dass die syrischen Sicherheitsbehörden jeden Rückkehrer, der Syrien möglicherweise illegal verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten hat, ohne weitere Anhaltspunkte der politischen Opposition zurechnen, gibt es aber keine stichhaltigen Erkenntnisse. Auch dem syrischen Staat ist bekannt, dass der Großteil der mehrere Millionen umfassenden Gruppe der seit 2011 Ausgereisten das Land nicht als Ausdruck einer politischen Gegnerschaft zum syrischen Regime verlassen hat, sondern aus berechtigter Sorge um das eigene Leben.(vgl. ebenso OVG Koblenz, Urteil vom 16.12.2016 – 1 A 10922/16 –, OVG Schleswig, Urteil vom 3.1.2017 - 3 LB 17/16 -, OVG Münster, Beschluss vom 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A –, und VGH München, Urteile vom 12.12.2016 – 21 B 16.30338 sowie 21 B 16.30371 –, zuletzt Urteil vom 14.2.2017 – 21 B 16.31001 –, insoweit Rn 29, alle bei Juris) Selbst wenn unterstellt würde, dass alle Personen seitens der syrischen Behörden bei der Rückkehr verdachtsunabhängig Befragungen unterzogen würden, um die Motive der Ausreise und etwaige Verbindungen zu oppositionellen Gruppierungen beziehungsweise Kenntnisse über diese in Erfahrung zu bringen, wäre daher eine entsprechende Verfolgungsgefahr nicht „wegen“ eines der Verfolgungsgründe der §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG gegeben, sondern als wahlloser Zugriff auf potentielle Informationsquellen zu der Exilszene zu werten. Auch das Auswärtige Amt hat keine Erkenntnisse, dass Rückkehrer allein aufgrund eines Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung Verfolgungsmaßnahmen in Syrien ausgesetzt wären.(vgl. die Auskünfte des Auswärtigen Amtes an VG Wiesbaden vom 2.1.2017, an OVG Schleswig vom 7.11.2016 und an VG Düsseldorf vom 2.1.2017 - 5 K 7221/16 A -) Dem Auswärtigen Amt seien im Gegenteil sogar Fälle bekannt, in denen Syrer nach Anerkennung als Flüchtling in Deutschland für mehrere Monate ins Heimatland zurückgekehrt seien.
Wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien und der damit verbundenen Gefährdungen für Leib und Leben wurde dem Kläger in Deutschland zu Recht der internationale Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zuerkannt. Dagegen liegen nach dem Gesagten in seinem Fall die für eine Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Abs. 1 AsylG notwendigen Voraussetzungen nicht vor. Insoweit wird wegen der weiteren Einzelheiten und der verwerteten Erkenntnisquellen auf das erwähnte Grundsatzurteil des zweiten Senats vom 2.2.2017 – 2 A 515/16 – zu einem vergleichbar gelagerten Fall, auf das die Prozessbevollmächtigten hingewiesen worden sind, Bezug genommen. Die seither eingegangenen und in der Dokumentation Syrien (Stand: Juni 2018) aufgeführten Erkenntnisquellen geben keine Veranlassung zur abweichenden Beurteilung.(vgl. zu der Berichterstattung in Spiegel-online vom 11.9.2017 über angebliche Äußerungen des Generalmajors der Republikanischen Garden Issam Zahreddinezu einer Rückkehr von Flüchtlingen OVG des Saarlandes, Urteil vom 14.9.2017 – 2 A 314/17 –)
2.3. Es kann auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit(vgl. zu diesem Prognosemaßstab BVerwG, Urteil vom 1.6.2011 – 10 C 25.10 –, BVerwGE 140, 22) angenommen werden, dass der Kläger bei Rückkehr in sein Heimatland allein wegen seiner Herkunft aus Daraa der Gefahr einer politischen Verfolgung ausgesetzt ist.(OVG des Saarlandes, Urteil vom 21.6.2018 - 1 A 760/17 -, amtl. Abdr. S. 10 f.) Die bloße Herkunft aus Daraa, das neben einem Flüchtlingslager mit 6.000 Bewohnern nach der Volkszählung im Jahre 2004 eine Einwohnerzahl von knapp 100.000 Personen hatte, vermag eine besondere Gefährdungslage nicht begründen.(OVG des Saarlandes, Urteil vom 22.8.2017 – 2 A 262/17 -) Es liegen keine hinreichenden überzeugenden Erkenntnisse vor, dass alle oder eine signifikant große Zahl der aus dem angegebenen Heimatgebiet des Klägers stammenden Personen von dem syrischen Regime als Anhänger der politischen Opposition angesehen und bei Rückkehr verfolgt werden. Eine an die Herkunft anknüpfende Gefahrenlage kann auch den Angaben des Klägers zu seinem Vorfluchtschicksal nicht entnommen werden, vielmehr ergibt sich aus den vorgelegten Ausweispapieren, dass er über einen syrischen Reisepass verfügte und sein Heimatland über einen offiziellen Grenzübergang legal verlassen hat. Auch wenn er bei dem Grenzübertritt - wie in der mündlichen Verhandlung angegeben - etwas bezahlt haben sollte, haben die Sicherheitskräfte ihn ziehen lassen, was der Annahme, aus der Sicht des Regimes seien junge Männer aus der Region Daraa im Regelfall als potentielle Regimegegner einzuschätzen, entgegensteht. Die vom Kläger zum Beleg eines „erhöhten Risikos“ für unter anderem aus der Provinz Daraa stammende Menschen angeführten Ausführungen des UNHCR vom Februar 2017(UNHCR, Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien vom Februar 2017) geben zu keiner anderen Beurteilung Anlass.
2.4. Ebenso wenig hat der Kläger im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland wegen einer möglichen Wehrdienstentziehung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung nach § 3 Abs. 1 AsylG zu erwarten.(ebenso beispielsweise OVG Münster, Urteil vom 4.5.2017 – 14 A 2023/16.A –, Juris)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Zweiten Senats des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes sind Flüchtlinge, die vor ihrer Ausreise keinen Einberufungsbescheid erhalten haben, im Fall der Rückkehr nach Syrien wegen einer möglichen Wehrdienstentziehung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung ausgesetzt.(vgl. dazu grundlegend Urteil des Senats vom 2.2.2017, wie vor, sowie die Urteile vom 17.10.2017 - 2 A 330/17, 2 A 365/17. 2 A 334/17 und 2 A 329/17 -, jeweils in Auseinandersetzung mit der zum Teil abweichenden neueren Rechtsprechung anderer deutscher Obergerichte in Wehrdienstfällen, insbesondere des VGH Mannheim vom 14.6.2017 - A 11 S 511/17 -, im Anschluss an das Urteil vom 2.5.2017 - A 11 A 562/17 -, beide bei Juris, des VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 - 3 A 3040/16.A -, bei Juris, des OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 - 2 LB 91/17 -) Auch dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat angeschlossen.(Vgl. Urteil vom 26.4.2018 – 1 A 543/17 -)
Danach ist davon auszugehen, dass bei im wehrpflichtigen Alter vor einer Einberufung oder auch als Reservisten ausgereisten männlichen Syrern, die Gefahr laufen, bei der Rückkehr wegen Wehrdienstentziehung bestraft oder zwangsweise von der syrischen Armee eingezogen zu werden, im Regelfall keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die ihnen drohenden Maßnahmen aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe - etwa wegen einer als der Wehrdienstentziehung zugrunde liegend vermuteten politischen Opposition zum Regime - ergehen würden. Es gibt nach dem vorgetragenen Sachverhalt keinerlei Indizien dafür, dass gerade dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an eine politische Überzeugung anknüpfende härtere Bestrafung als sonst üblich – ein sog. Politmalus(vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.4.2009 – 2 BvR 78/08 –, Juris) – drohen würde, sofern er wegen Wehrdienstentziehung bestraft würde.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in neueren Entscheidungen speziell zu Syrien seine Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt, wonach die an eine Wehrdienstentziehung anknüpfenden Sanktionen auch bei totalitären Staaten nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung darstellen, wenn sie den Betroffenen darüber hinaus wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen.(vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.4.2017 – 1 B 22.17 –, Rn 10, m.w.N.) Dafür gebe es - so der Zweite Senat des erkennenden Gerichts - hier keine Anhaltspunkte. Unter den insgesamt fast fünf Millionen Flüchtlingen, die Syrien bis Ende 2015 verlassen haben, befinden sich hunderttausende Männer der für den Dienst in der syrischen Armee in Betracht kommenden Altersgruppe, die teilweise vor der Ausreise - als Wehrpflichtige oder als Reservisten - nicht einberufen worden waren. Jedenfalls hinsichtlich dieses Personenkreises dürfte es dem syrischen Staat beziehungsweise dem „Regime Assad“ vor allem darum gehen, die Betroffenen schnellstmöglich seiner personell notleidenden Armee zuzuführen.(vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 22.8.2017 – 2 A 262/17 –, dort insbesondere auch zu den Rekrutierungsbemühungen und Amnestien für Wehrdienstverweigerer, siehe auch Zeit online vom 26.7.2015: „Assad gehen die Soldaten aus“; FAZ.Net vom 19.9.2015: „Assads Armee gehen die Männer aus“) Im Übrigen dürfte auch dem syrischen Staat bekannt sein, dass die Flucht vor einer Einberufung durch die Armee in aller Regel nicht durch eine politische Gegnerschaft zum syrischen Staat, sondern vor allem durch Angst vor dem Krieg motiviert war.
Abweichende Entscheidungen anderer deutscher Obergerichte geben keine Veranlassung, diese Rechtsprechung zu ändern. Sie beruhen auf einer abweichenden Beurteilung der auch vom Senat ausgewerteten Dokumente.(vgl. in dem Zusammenhang BVerwG, Beschlüsse vom 24.4.2017 – 1 B 22.17 und 1 B 70.17 –, Juris) Das gilt insbesondere für das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14.6.2017(vgl. VGH Mannheim vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 –, im Anschluss an das Urteil vom 2.5.2017 – A 11 A 562/17 –, beide bei Juris), aber auch für die ohnedies einen Reservisten betreffende Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6.6.2017(vgl. VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16.A –, Juris), in der als zusätzliches Kriterium für eine flüchtlingsrechtlich beachtliche Rückkehrgefährdung die Herkunft des dortigen Klägers aus einer „vermeintlich regierungsfeindlichen Zone“, im konkreten Fall - wie vorliegend - aus Daraa, angeführt wird, weswegen ihm eine oppositionelle Einstellung unterstellt werde. In diesen Entscheidungen werden das zuvor erwähnte beachtliche Interesse des syrischen Regimes an einer Truppenverstärkung, die schon immer praktizierte Einbindung auch oppositioneller Gruppen in die syrische Armee sowie der Umstand, dass sich die Betreffenden durch Flucht aus einer regierungsfeindlichen Zone dem Konflikt und damit der Einnahme durch den Regierungsgegner gerade entzogen haben, nicht ausreichend in die Bewertung aufgenommen.(vgl. dazu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit dem Bericht UNHCR Nr. 4/2017) Auch deutet der im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg enthaltene Hinweis auf „Willkür“, extralegale Tötungen und Folterungen sowie Verschwindenlassen von Personen jeder Herkunft ungeachtet des konkreten Hintergrundes gerade auf das Fehlen eines Verfolgungsgrundes und vermag eine besondere Intensität der drohenden Verfolgungshandlungen angesichts des seit jeher stark repressiven Charakters des syrischen Staates die Gerichtetheit der drohenden Maßnahmen auf einen Verfolgungsgrund nicht zu indizieren. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat ebenfalls entschieden, dass der Umstand, dass der Schutzsuchende mit seiner Ausreise einer drohenden Einberufung zum Wehrdienst zuvorgekommen ist, ihn ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht in den Augen der syrischen Machthaber verdächtig erscheinen lässt, über die Flucht vor der Bürgerkriegssituation hinaus politische Opposition betreiben zu wollen. Selbst geflohenen Wehrdienstpflichtigen oder Reservisten, die eine Einberufung erhalten haben oder denen eine solche konkret bevorstand, drohe keine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG.(vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit dem Bericht UNHCR Nr. 4/2017) Auch das Hamburgische Oberverwaltungsgericht geht inzwischen davon aus, dass rückkehrenden syrischen Asylbewerbern nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, weil sie sich dem Wehrdienst in der syrischen Armee durch Flucht entzogen haben.(OVG Hamburg, Urteil vom 11.1.2018 - 1 Bf 81/17.A -, Juris) Soweit das Sächsische Oberverwaltungsgericht für - im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erwachsene - zurückkehrende syrische Asylbewerber, die sich der Wehrpflicht in Syrien durch Ausreise ins Ausland entzogen haben, eine Verfolgungsgefährdung bejaht, beruht diese Entscheidung auf nicht überzeugenden Wertungen der auch dem erkennenden Senat vorliegenden Erkenntnisquellen.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die §§ 3a Abs. 2 Nr. 5, 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG. Zwar ist bekannt, dass sich die verschiedenen, teilweise durch Interessen von außen gesteuerten Konfliktparteien des Bürgerkriegs in Syrien(vgl. dazu Gerlach, „Was geschieht in Syrien“, Bundeszentrale für politische Bildung, aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2016, Seiten 6 ff.) zum Teil schwerer Verletzungen des Völkerrechts schuldig gemacht haben.(vgl. hierzu etwa UN-Menschenrechtsrat (United Nations Human Rights Council, kurz: UNHRC) vom 10.3.2017 Human rights abuses and international humanitarian law violations in the Syrian Arab Republic, 21 July 2016 - 28 February 2017; siehe dazu beispielsweise auch BGH, Beschluss vom 11.8.2016 – AK 43/16 –, NStZ-RR 2016, 354, zu einem als Kriegsverbrechen eingestuften bewaffneten Angriff von Anhängern der Terrormiliz Jabhat al-Nusra in Syrien auf ein Mitglied des zivilen Hilfspersonals sowie auf Gerätschaften der friedenserhaltenden Mission der Vereinten Nationen auf den Golanhöhen (United Nations Disengagement Oberserver Force - UNDOF) sowie zur Entführung und Gefangenhaltung eines Mitglieds dieser Mission mit dem Zweck der Lösegelderpressung) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem der nationalen Regelung zugrunde liegenden Art. 9 Abs. 2e der RL 2011/95/EU(vgl. EuGH, Urteil vom 26.2.2015 – C-472/13 –, NVwZ 2015, 575) ist es indes nicht ausreichend, dass das „Militär“, in diesem Fall die Streitkräfte des syrischen Regimes, als solches (allgemein) Verbrechen im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG begeht. Vielmehr muss der sich auf die Vorschrift berufende Flüchtling konkret nachweisen, dass gerade seine Militäreinheit Einsätze unter Umständen durchgeführt hat oder durchführen wird, die unter diese Vorschrift fallen und dass er sich konkret unmittelbar an solchen Handlungen beteiligen müsste.(vgl. auch dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 27.6.2017 – 2 LB 91/17 –, dort insbesondere auch in Auseinandersetzung mit der die Wehrpflichtproblematik anders beurteilenden Rechtsprechung des VGH München, Urteil vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 –, Asylmagazin 2017, 108, des VGH Mannheim, Urteil vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 – und des VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16, beide bei Juris) Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
Dass der Kläger im Rahmen der Berufungserwiderung vorgetragen hat, inzwischen erfahren zu haben, dass ca. 14 Tage nach Ablauf der Zurückstellungsfrist bewaffnete Polizeibeamte seine Eltern und seine Ehefrau nach seinem Verbleib gefragt hätten, rechtfertigt einzelfallbezogen keine andere Sichtweise.
Ein grundsätzliches Interesse, Personen, die sich ihrer Wehrpflicht entzogen haben, aufzuspüren, kann keinem Staat abgesprochen werden, sofern die Ermittlungsmaßnahmen die Grenzen der Angemessenheit nicht überschreiten. Dass letzteres der Fall gewesen wäre, ist nicht vorgetragen. Ein Bedrängen der zu Hause verbliebenen Familienmitglieder in Gestalt wie auch immer gearteter Repressalien ist nicht behauptet. Dies gilt auch in Bezug auf den ergänzenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung, das Regime habe inzwischen in seiner Heimatregion die Oberhand gewonnen, woraufhin die Häuser erst kürzlich erneut durchsucht worden seien und man nach ihm gefragt habe. Sein Bruder, der bei der Syrischen Armee gekämpft habe, sei nach Idlip geflohen. Diese Angaben bestätigen zwar das Interesse des Regimes, wehrpflichtiger junger Männer habhaft zu werden, belegen aber nicht, dass dem Kläger im Fall seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Maßnahmen drohen würden, die im Sinn eines Polit-Malus an eine ihm unterstellte Regimefeindlichkeit anknüpfen würden.
Insgesamt gelangt das Gericht daher zu der Überzeugung (§ 108 Satz 1 VwGO), dass bei einer Gesamtschau der den Fall prägenden Sachverhaltsumstände eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG vorliegend nicht „beachtlich wahrscheinlich“ ist. Es kann jedenfalls nicht als erwiesen angesehen werden, dass das syrische Regime eine generelle Zuschreibung einer oppositionellen Einstellung der - immer unterstellt - zurückkehrenden Personen im wehrdienstpflichtigen Alter vornehmen würde. Soweit die Betrachtungsweise des Zweiten Senats in den erwähnten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg(vgl. VGH Mannheim vom 14.6.2017 – A 11 S 511/17 –, dort Rn 71) schon im Ansatz als spekulativ bezeichnet wird, bleibt festzuhalten, dass es keine Erkenntnisse über eine entsprechende Einordnung und Behandlung von Rückkehrern speziell aus Westeuropa gibt. Sie kann es „belastbar“ wegen des seit 2011 geltenden und praktizierten Abschiebestopps für die Arabische Republik Syrien auch gar nicht geben, weil es keine solchen, jedenfalls keine unfreiwilligen „Rückkehrer“ in diesem Sinne gibt. Unter dem Aspekt ist in dem Zusammenhang sehr vieles, wenn nicht alles „spekulativ“. Das gilt letztlich auch für die im vorgenannten Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs(vgl. VGH Kassel, Urteil vom 6.6.2017 – 3 A 3040/16.A –, Rn 96, „Verfolgungskapazitäten“) unter dem Aspekt personeller Ressourcen für eine Verfolgung in Syrien angestellten Betrachtungen, in welcher Gruppenstärke oder Reihenfolge eine Rückkehr nach Syrien - irgendwann - erfolgen könnte.
2.5. Schließlich vermag der Senat ausgehend von der Auskunftslage nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass jedenfalls das Zusammentreffen von Wehrdienstentziehung und Herkunft aus einer tendenziell als regimefeindlich eingeordneten Region die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigt.(anders HessVGH, Urteil vom 6.6.2017 - 3 A 3040/16.A -, juris Rdnrn. 28, 51, 64 ff.)
Hiergegen sprechen fallbezogen die bereits angeführte Einwohnerstärke der Region Daraa und der Umstand, dass der seiner äußeren Erscheinung nach ersichtlich im wehrdienstpflichtigen Alter befindliche Kläger Syrien legal unter Verwendung seines seine Herkunft offenlegenden Reisepasses verlassen konnte. Zudem sind über Ausweiskontrollen und Befragung nach seinem Aufenthalt hinausgehende Aktivitäten staatlicher Sicherheitskräfte gegenüber seinen zuhause verbliebenen Familienangehörigen nicht vorgetragen, so dass auch unter diesem Blickwinkel keine Indizien für ein durch die Herkunft geprägtes besonderes - asylrelevantes - Interesse des Regimes an der Person des Klägers erkennbar sind.
Nach alldem war der Berufung der Beklagten zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.