Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 1 B 323/18

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 5. November 2018 - 3 L 1167/18 - wird die aufschiebende Wirkung der vom Kläger gegen den Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 15.1.2014 erhobenen Klage 3 K 1166/18 angeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 1.294,43 EUR festgesetzt.

Gründe

Die am 19.11.2018 eingegangene Beschwerde des Antragstellers gegen den im Tenor näher bezeichneten, dem Antragsteller am 8.11.2018 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den auf § 80 Abs. 5 VwGO gestützten Antrag, die „Aussetzung der Vollstreckung des Gebührenbescheides des Antragsgegners vom 15.01.2014 anzuordnen“, seinem Sinn entsprechend der Sache nach zutreffend als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller gleichzeitig gegen den vorgenannten Gebührenbescheid erhobenen Anfechtungsklage ausgelegt (§ 88 VwGO) und diesen für zulässig erachtet. Insoweit ist das Verwaltungsgericht im Anschluss an den Beschluss des erkennenden Senats vom 18.4.2018 – 1 B 24/18 –(veröffentlicht in juris), mit dem dieser dem Antragsgegner die Vollstreckung aus dem Gebührenbescheid vom 15.1.2014 mangels Vorliegens notwendiger Vollstreckungsvoraussetzungen einstweilen untersagt hat, davon ausgegangen, dass der Antragsteller gegen den Bescheid fristwahrend im Sinne des § 70 Abs. 1 VwGO Widerspruch erhoben hat. Da der Antragsgegner dessen weitere Bearbeitung noch nicht veranlasst hat, ist die vom Kläger erhobene Klage als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig.

In der Sache hat das Verwaltungsgericht den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als unbegründet angesehen, da die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen einen Heranziehungsbescheid zu öffentlichen Abgaben voraussetze, dass an seiner Rechtmäßigkeit ernstliche Zweifel bestehen oder die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, diese Voraussetzungen fallbezogen aber nicht erfüllt seien. Der angefochtene Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in der aufgrund der §§ 12 KSVG, 2, 4, 6 KAG erlassenen Abwassersatzung der Gemeinde A-Stadt vom 20.12.2006 in Verbindung mit den §§ 2, 3, 4, 8 ff. und der Anlage I (Abwassergebührenverzeichnis) der Abwassergebührensatzung vom 19.11.2012 bezüglich der Kanalbenutzungsgebühren (Schmutzwassergebühr und Niederschlagswassergebühr) sowie hinsichtlich der Heranziehung zu Wassergebühren in der Wasserversorgungssatzung vom 22.11.2010 in Verbindung mit der Wassergebührensatzung vom 22.7.2010, hinsichtlich deren Rechtsgültigkeit Bedenken weder bestünden noch vorgetragen seien. Das Vorbringen des Antragstellers, der die dem angefochtenen Gebührenbescheid zugrunde gelegten Verbrauchswerte bestreite und im Übrigen davon ausgehe, hinsichtlich des Bescheides seien sowohl Verjährung als auch Verwirkung eingetreten, verfange nicht.

Das Vorbringen des Antragstellers in seiner mit der Beschwerdeschrift eingegangenen Beschwerdebegründung, das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der vom Senat vorzunehmenden Prüfung begrenzt, gibt Veranlassung, die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern.

Soweit sich das Beschwerdevorbringen des Antragstellers, den erstinstanzlichen Vortrag insoweit wiederholend, auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Gebührenbescheides vom 15.1.2014 bezieht, sind Ausführungen hierzu nicht veranlasst, nachdem das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss vom 5.11.2018 in Übereinstimmung mit der im Beschluss des Senats vom 18.4.2018 – 1 B 24/18 – zum Ausdruck kommenden Auffassung von einer Bekanntgabe des Gebührenbescheides im November 2017 und dem entsprechend von einer rechtzeitigen Widerspruchserhebung am 10.11.2017 ausgegangen ist. Sollte das Beschwerdevorbringen dahingehend zu verstehen sein, dass eine Bekanntgabe des Bescheides überhaupt in Abrede gestellt wird, nimmt der Senat insoweit auf seine diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss vom 18.4.2018 – 1 B 24/18 – Bezug.

Die die Richtigkeit der erhobenen Gebühr in Höhe von 5.177,71 EUR in Frage stellenden Ausführungen des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung geben indes Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gebührenbescheides vom 15.1.2014 „Schlussabrechnung 2013“.

Der Antragsteller wendet insoweit insbesondere ein, der Bescheid sei „nach so langer Zeit in keiner Weise mehr zu rekonstruieren bzw. zu überprüfen für den Verbraucher“. Der Bescheid lasse nicht die Art und Weise der Berechnung erkennen.

Dieser Einwand des Antragstellers, auf den der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung nicht ansatzweise eingeht, ist nicht von der Hand zu weisen.

Die vom Antragsteller beanstandete Schätzung betrifft lediglich den Abrechnungszeitraum Januar 2013 und ergibt einen Verbrauch von 0 m³. Hierdurch ist der Antragsteller zwar gebührenrechtlich ersichtlich nicht beschwert, gleichwohl sei angemerkt, dass weder dem angefochtenen Gebührenbescheid selbst, noch dem Inhalt der vom Antragsgegner übersandten Verwaltungsunterlagen oder den schriftsätzlichen Ausführungen des Antragsgegners ein Grund dafür entnehmen lässt, weshalb die „Schlussabrechnung 2013“ lediglich den Monat Januar 2013 erfasst. Die vom Antragsteller geforderten Gebühren in Höhe von insgesamt 5.177,71 EUR sollen sich ausweislich der Rubrik „Kontoauszug 2013“ des Bescheides aus Zahlungsrückständen aus den Vorjahren (5.168,84 EUR), der Differenz aus geforderten Vorauszahlungen in Höhe von 546,44 EUR und einer Gutschrift von 540,07 EUR sowie einer Gebühr von 2,50 EUR zusammensetzen.

Hinsichtlich der sich hieraus ergebenden Gesamtforderung von 5.177,71 EUR ist der angefochtene Gebührenbescheid in Höhe eines Teilbetrags bereits deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil er nicht berücksichtigt, dass die dem Antragsteller in Rechnung gestellten Zahlungsrückstände aus 2012 Gebühren für insgesamt 850 m³ Abwasser in einer Gesamthöhe von 3.357,50 EUR umfassen, die daraus resultieren, dass infolge eines Wasserrohrbruchs auf dem Grundstück des Antragstellers Wasser ausgetreten ist, welches hauptsächlich ins Gelände und nicht in die öffentliche Kanalisation gelangt ist. Der Antragsgegner selbst hat diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, dass er dem Antragsteller mit Schreiben vom 19.3.2014 eine entsprechende Gutschrift zugesagt und mitgeteilt hat, den Gutschriftsbetrag mit der Schlussabrechnung verrechnet zu haben. Ein dem entsprechender Änderungsbescheid ist indes – soweit aus den Verwaltungsunterlagen ersichtlich – nicht ergangen. Der Antragsgegner beharrt vielmehr auf dem angefochtenen Gebührenbescheid vom 15.1.2014.

Die Umstände, derentwegen der Antragsgegner mit der Konsequenz einer Abhilfezusage offensichtlich selbst davon ausgeht, dass ein Großteil der für das Jahr 2012 abgerechneten Abwassergebühren zu Unrecht festgesetzt worden ist, stehen insoweit bereits der Rechtmäßigkeit des diese Gebühren umfassenden Gebührenbescheides vom 15.1.2014 und nicht, wovon offenbar das Verwaltungsgericht ausgeht, erst dessen Vollstreckbarkeit entgegen.

Hinsichtlich der demnach verbleibenden Gebührenforderung von 1.820,21 EUR ist der angefochtene Gebührenbescheid weder aus sich heraus noch – anders als die Gebührenfestsetzung im Verfahren 1 B 322/18 – mithilfe der Verwaltungsunterlagen nachvollziehbar. Die in der Verwaltungsakte befindliche Aufstellung „Offene Posten“ vom 6.6.2017 listet hinsichtlich im Jahre 2013 fällig gewesener Gebühren einschließlich Mahngebühren vom 23.5.2013 und vom 15.5.2014 ein „Soll“ von 3.944,49 EUR, ein „Ist“ von 2.121,78 EUR und einen sich hieraus ergebenden Saldo von 1.822,71 EUR aus. Den größten Teil des Sollbetrags nimmt dabei die Position „Abrechnung Abwasser“, fällig am 1.2.2013, in einer Höhe von 3.393,05 EUR ein, deren Zustandekommen anhand der Verwaltungsunterlagen nicht nachvollzogen werden kann. Insbesondere ist der Betrag mit dem Bescheid vom 21.12.2012 „Abrechnung 2012 und Vorauszahlung 2013“ nicht in Einklang zu bringen. Darin ist für das Abwasser ein Betrag von insgesamt 3.590,55 EUR ausgewiesen, wobei dem Umstand des Wasserrohrbruchs im Jahre 2012 noch nicht Rechnung getragen war.

Demnach kann der angefochtene Gebührenbescheid weder aus sich heraus, noch mithilfe der Verwaltungsunterlagen – diese genügen der Aufforderung des Verwaltungsgerichts vom 31.8.2018, die Akten im Original, auf ihre Vollständigkeit überprüft, nach der zeitlichen Reihenfolge geheftet sowie mit fortlaufenden Blattzahlen versehen vorzulegen, nicht annähernd – nicht nachvollzogen und demgemäß seine Rechtmäßigkeit nicht festgestellt werden, was ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Heranziehung im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bedingt. Der Versuch einer weiteren Sachaufklärung ist unter den Gegebenheiten des vorläufigen Rechtsschutzes nicht angezeigt. Vielmehr wirkt sich das Vorliegen ernstlicher Zweifel im Rahmen der Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers, von der Durchsetzung des ihm gegenüber ergangenen Gebührenbescheides bis zu einer abschließenden Entscheidung über seinen Rechtsbehelf verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einer unverzüglichen, von der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs nicht gehinderten Durchsetzung der angefochtenen Entscheidungen vorzunehmen, zu Lasten des Antragsgegners aus.

Der Beschwerde war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 Satz 1 Alternative 2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.(zur Befugnis des Beschwerdegerichts zur Nachholung einer vom Erstgericht nicht getroffenen Streitwertfestsetzung im Beschwerdeverfahren: Bayerischer VGH, Beschluss vom 7.10.2017 – 10 CE 17.1491 –, juris, Rdnr. 7)

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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