Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 1 A 157/18

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2018 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 1 K 2524/16 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 48.799,44 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg.

Das Vorbringen der Klägerin in ihrem zur Begründung ihres Zulassungsantrags eingereichten Schriftsatz vom 16.5.2018, das gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO den Umfang der vom Senat vorzunehmenden Prüfung begrenzt, vermag die erstinstanzliche Entscheidung nicht im Sinn des geltend gemachten Zulassungsgrundes des Bestehens ernstlicher Zweifel an deren Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu erschüttern. Ebenso wenig ist ein Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) dargetan.

Das Verwaltungsgericht hat die auf die Gewährung von Berufsunfähigkeit über den 31.3.2016 hinaus zielende Klage nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die Klägerin in der Lage ist, ihren Beruf als Ärztin auszuüben, abgewiesen. Die Sachverständige habe in ihrem Gutachten vom 11.4.2017 unter Berücksichtigung des Ergebnisses einer am 7.3.2017 durchgeführten neuropsychologischen Zusatzbegutachtung - ebenso wie der vorgerichtlich seitens des Beklagten bestellte Gutachter in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 9.5.2016 - für den in Rede stehenden Zeitraum die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit der Klägerin verneint und auf die Einwendungen der Klägerin an dieser Einschätzung festgehalten (ergänzende Stellungnahme vom 2.11.2017). Die im Urteil zusammengefasst wiedergegebenen Feststellungen der einzelnen Gutachter und die jeweils gezogenen Schlussfolgerungen seien eindeutig, schlüssig und nachvollziehbar. Einer mündlichen Erläuterung seitens der Sachverständigen habe es nicht bedurft. Die seitens der Klägerin erhobenen Einwendungen gegen das Ergebnis der Begutachtung stellten dieses nicht in Frage. Auch ergäben sich weder aus der Vorgeschichte noch aus den von der Klägerin vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen Anhaltspunkte dafür, dass eine körperliche Erkrankung Ursache der von ihr geschilderten Symptomatik sein könnte. Nach Einschätzung der Sachverständigen ließen die geschilderten Beschwerden sich einem Erschöpfungsbild zuordnen. Dieser Befund trage indes nicht die Feststellung einer Berufsunfähigkeit, sondern sei dem Begriff einer temporären Erkrankung mit konkreter Aussicht auf Heilung zuzuordnen.

Die Klägerin weist in ihrer Antragsbegründung zunächst darauf hin, dass sie seit 2010 wegen Krankheit nicht mehr gearbeitet habe und vom 1.10.2012 bis zum 31.3.2016 Berufsunfähigkeitsrente von der Beklagten bezogen habe, ihre Berufsunfähigkeit mithin über dreieinhalb Jahre hinweg anerkannt gewesen sei.

Diese Vorgeschichte schließt eine Versagung der Weitergewährung von Berufsunfähigkeitsrente nicht aus. Vielmehr waren ohne vorherige Begutachtung jeweils Rentenbescheide wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit (Bewilligung für sechs Monate, ein Jahr, zwei Jahre) ergangen, um die von den behandelnden Ärzten empfohlenen Therapien zu ermöglichen und den weiteren Verlauf abzuwarten. Das auf den Weitergewährungsantrag vom 8.12.2015 vorgerichtlich eingeholte Gutachten vom 9.5.2016 kam zu dem Ergebnis, dass eine Erkrankung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht erkennbar sei und - soweit dies anhand der vorgelegten internistischen Berichte beurteilt werden könne - auch eine körperliche Erkrankung nicht vorliege.

Hinsichtlich der Auswahl des vorgerichtlich mit der Frage ihrer Berufsfähigkeit befassten Gutachters verweist die Klägerin in der Begründung ihres Zulassungsantrags pauschal auf bereits früher geäußerte Bedenken in Bezug auf dessen Unabhängigkeit. Dieser Vortrag wird schon den Darlegungsanforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gerecht und vermag die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auch der Sache nach nicht zu erschüttern.

Wenngleich das Verwaltungsgericht Passagen des vorgerichtlich erstellten Gutachtens zitiert, stützt es seine Entscheidung maßgeblich auf das seinerseits eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten und das Ergebnis der neuropsychologischen Zusatzbegutachtung. Auch von daher ist eine Entscheidungsrelevanz der angeblichen Zweifel an der Unabhängigkeit des vorgerichtlich tätigen Gutachters nicht aufgezeigt. Dass im Internet über ihn nachzulesen sei, er sei der Auffassung, dass 40 bis 70 % aller Leistungsanträge auf vorgetäuschten Beschwerden der Versicherungsnehmer beruhten, besagt unabhängig davon, ob dies tatsächlich seine Auffassung ist oder nicht, weder etwas über die Berechtigung einer solchen Quote noch gäbe eine solche Auffassung Veranlassung zu der Annahme, er habe die Klägerin nicht unvoreingenommen begutachtet.

Die Klägerin weist weiter darauf hin, dass sie erstinstanzlich eine Stellungnahme des sie behandelnden Arztes, eines Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Geriatrie, Verkehrsmedizin und Akupunktur, vorgelegt habe, der die Diagnosen „rezidivierende depressive Störungen, gegenwärtig mittelgradige Episode, generalisierte Angststörung, Insomnie und Tranquilizerabusus“ gestellt und ausgeführt habe, gegenüber den früheren Zuständen habe bisher nur eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau erzielt werden können; selbst kleine akute Auslöser der psychiatrischen Störungen führten zu deutlichen Verschlechterungen sowohl der depressiven Störung als auch der Angststörung, weshalb die antidepressive Medikation habe erhöht werden müssen. Tätigkeiten, die mit einem vermehrten Publikumsverkehr einhergingen, Tätigkeiten unter Stressbelastungen, unter Zeitdruck sowie im Schichtdienst seien unter keinen Umständen möglich. Damit zitiert die Klägerin aus der Epikrise des sie behandelnden Arztes vom 14.11.2016, die sich in der Gerichtsakte befindet, der Sachverständigen vorgelegen hat und deren Inhalt auf Seite 51 ff. ihres Gutachtens wiedergegeben, also von ihr zur Kenntnis genommen worden ist. Im Nachgang zur Gutachtenerstellung hat die Klägerin eine weitere ärztliche Stellungnahme des sie behandelnden Arztes vom 26.6.2017 zur Akte gereicht. Mit Blick auf diese und die weiteren Einwände der Klägerin hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29.9.2017 eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen veranlasst. Die Sachverständige hat sich mit der ärztlichen Stellungnahme und den weiteren Vorhalten auseinandergesetzt und an ihrer gutachterlichen Einschätzung festgehalten. Insofern besteht kein Grund zur Annahme, die Diagnosen und die Einschätzung des behandelnden Arztes seien nicht in die Begutachtung eingeflossen und das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausermittelt.

Die Argumentation, es sei die große Problematik bei der Anamnese, dass die Klägerin den Gutachtern nur habe schildern können, dass ihre Leistungsfähigkeit von einem Moment zum anderen zusammenbrechen könne und sie dann außer Stande sei, irgendeine Tätigkeit auszuüben, eine solche Situation aber während der Untersuchungen nicht aufgetreten sei, weswegen die Sachverständigen diesem Vortrag kein Gewicht beigemessen hätten, verfängt ebenfalls nicht. Insofern überrascht bereits, dass die behaupteten Einbrüche in ihrer Leistungsfähigkeit im Alltag der Klägerin immer wieder vorkommen sollen, obwohl sie dessen Ablauf so beschreibt, dass das morgendliche „In die Gänge“-Kommen, das Kochen und die Hilfe bei den Hausaufgaben ihres Sohnes die größten täglichen Herausforderungen seien, andererseits aber angibt, während der Begutachtungen nicht unter Leistungsdruck gestanden zu haben. Zudem war die Sachverständige auch mit diesem Vortrag befasst und hat sich außer Stande gesehen, ihm zu folgen. Dies begründet sie nicht nur damit, dass solche Situationen während ihrer Begutachtung und der Zusatzbegutachtung nicht aufgetreten seien, sondern auch damit, dass die Klägerin selbst derartiges auf die - ausführlich beantwortete - Frage nach ihren aktuellen Beschwerden nicht geschildert habe (Ergänzungsgutachten, S. 8 f.).

Die Klägerin rügt in diesem Zusammenhang weiter, dass das Verwaltungsgericht ihre Freundin und ihre Schwester, die vorbezeichneten Vortrag und den weiteren Umstand, dass sich ihre Leistungsfähigkeit seit Mitte Dezember 2017 nochmals gravierend verschlechtert habe, bestätigen könnten, nicht als Zeuginnen vernommen und die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung mit deren Aussagen konfrontiert habe. Zu einer solchen Beweiserhebung bestand keine Veranlassung. Unter anderem unter Hinweis auf diesen Vortrag ist die Sachverständige um eine Ergänzung ihrer gutachterlichen Stellungnahme gebeten worden und hat sich hierzu schriftlich geäußert. Eine dennoch gerade mit Blick auf dieses Vorbringen erfolgende Ladung der Sachverständigen und der benannten Zeuginnen hätte sich dem Verwaltungsgericht daher allenfalls aufdrängen müssen, wenn die Klägerin im Vorfeld der mündlichen Verhandlung entsprechende eidesstattliche Versicherungen der benannten Zeuginnen zur Akte gereicht hätte. Ferner hätte sie die Möglichkeit gehabt, in der mündlichen Verhandlung einen förmlichen Beweisantrag zu stellen, etwa auch in Gestalt einer erneuten Begutachtung wegen der behaupteten gravierenden Verschlechterung ihrer Leistungsfähigkeit. Ein Verfahrensfehler im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist nach alldem nicht dargetan.

Letzteres gilt auch hinsichtlich des Einwands, unter der Prämisse, eine durch eine psychiatrische Erkrankung bedingte Berufsunfähigkeit liege nicht vor, habe es in Bezug auf die Möglichkeit einer für die geschilderten Beschwerden ursächlichen körperlichen Erkrankung einer weiteren in diese Richtung zielenden Sachaufklärung bedurft. Abgesehen davon, dass die gerichtlich bestellte Sachverständige und der vorgerichtlich tätige Sachverständige übereinstimmend festgestellt haben, dass sich - soweit sie dies aus eigener Sachkunde beurteilen könnten - aus den seitens der Klägerin vorgelegten internistischen Befunden keinerlei Anhaltspunkte für eine zur Berufsunfähigkeit führende körperliche Erkrankung ergäben, und die behandelnden Ärzte dies ebenfalls nicht in den Raum gestellt haben, sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung mithin nicht aufdrängen musste, ist ein hierauf zielender förmlicher Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 3 und Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 14.3 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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