Beschluss vom Sächsisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 M 42/19

Gründe

I.

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Im Januar 2002 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zum Umschlagen, Lagern und Behandeln von besonders überwachungsbedürftigen und nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen auf ihrem Grundstück "A-Straße" 9 in A-Stadt. Diese Abfälle werden unter Nutzung ihrer bauphysikalischen Eigenschaften zur Sicherung instabiler Abbauhohlräume in einem von der Antragstellerin ebenfalls betriebenen Versatzbergwerk eingesetzt. Die Anlage sollte aus einer Mischanlage (Bestand und Erweiterung um einen zweiten Chargenmischer und zusätzliche Silos), einer Lagerhalle (neu) und einem Umschlagbereich (Bestand) bestehen. Die Lagerhalle sollte getrennt von der Umschlaghalle auf der auf dem Betriebsgelände bestehenden Freilagerfläche entstehen. In der Halle sollten gelagert werden:

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- Direktversatzgut (Feststoffe, die ohne weitere Aufbereitung direkt zum Versatz gelangen, bzw. Feststoffe, bei denen die notwendigen physikalischen Eigenschaften wie Feuchtigkeitsgehalt durch einfache Maßnahmen wie Befeuchtung oder Entwässerung ohne Aufbereitung in der Mischanlage eingestellt werden können).

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- Versatzmischungen, die aus Kapazitätsgründen nicht sofort nach Untertage befördert werden können, bzw. Versatzmischungen zum Abkühlen, falls ein Mischprozess unter Wärmetönung verlaufen ist,

4

- Feststoffe oder Böden als Schüttgüter mit einem für den Direktversatz unzulässigen Feuchtigkeitsgehalt (keine Stäube), die in der Mischanlage aufbereitet werden müssen.

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Mit Bescheid vom 22.09.2004 erteilte der Antragsgegner die begehrte Genehmigung, die unter Nr. I.1.1 u.a. den Betrieb eines Freilagers mit einer Lagerkapazität von 8.000 m³ (11.200 t) sowie unter Nr. I.1.2 die Errichtung und den Betrieb "zusätzlicher Einrichtungen" umfasste, darunter eine Lagerhalle mit einer Lagerkapazität von 12.000 m³ (16.900 t), die an die Stelle des Freilagers treten und dieses ersetzen sollte. Nach einer beigefügten Nebenbestimmung (Nr. II.1.1) erlischt die Genehmigung für die "zusätzlichen Einrichtungen", wenn nicht innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach Bekanntgabe dieses Bescheides mit der Errichtung begonnen wird. Nach einer weiteren Nebenbestimmung (Nr. II.1.2) ist der Ausbau des bestehenden Freilagers zu einer Lagerhalle auch dann vorzunehmen, wenn im Übrigen von der Genehmigung zu Nr. I.1.2 kein Gebrauch gemacht wird; der Ausbau zu einer Lagerhalle und ihre Inbetriebnahme hat innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe dieses Bescheides zu erfolgen.

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Auf Antrag der Antragstellerin verlängerte der Antragsgegner mit Bescheid vom 21.07.2006 die in Nr. II.1.1 des Bescheides vom 22.09.2004 festgesetzte Zwei-Jahres-Frist um zwei weitere Jahre und die in der Nebenbestimmung Nr. II.1.2 festgesetzte Zwei-Jahres-Frist für den Bau und die Inbetriebnahme der Lagerhalle um ein Jahr. Der Ausbau des bestehenden Freilagers zu einer Lagerhalle musste somit bis zum 27.09.2007 erfolgt sein. In der Begründung des Verlängerungsbescheides heißt es u.a., die Errichtung und der Betrieb der Lagerhalle gehörten zur genehmigten Erweiterung der bestehenden Anlage und dienten der Erhöhung der Lagerkapazität. Gleichzeitig solle damit die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Staub- und Geruchsimmissionen, die von der jetzigen Freilagerfläche ausgehen können, verbessert werden.

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Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.03.2019 gab der Antragsgegner der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 200.000,00 € auf, das von ihr betriebene Freilager innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung der Entscheidung stillzulegen und vollständig zu beräumen, Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG für eine Stilllegungsanordnung seien gegeben, weil das Freilager ohne die erforderliche Genehmigung betrieben werde. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Betrieb des Freilagers sei erloschen. Ein atypischer Fall, der gegeben wäre, wenn die Anlage nach überschlägiger Prüfung den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen entspräche, liege nicht vor. Hilfsweise stützte der Antragsgegner seine Anordnung auf § 20 Abs. 1 BImSchG. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung begründete er im Wesentlichen damit, dass aufgrund bisher gemeldeter und immer noch anhaltender Beschwerden über Gerüche davon auszugehen sei, dass sich die bereits festgestellten Nachteile und Gesundheitsgefahren verstärken würden, bevor ein Hauptsacheverfahren abgeschlossen werden könne. Dieser Umstand schließe das weitere Zuwarten mit dem Vollzug der Anordnung bis zum Abschluss eines sich möglicherweise über Jahre erstreckenden Gerichtsverfahrens aus.

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Die Antragstellerin hat gegen die Anordnung am 12.03.2019 Klage erhoben. Den am 15.03.2019 gestellten Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt und zur Begründung ausgeführt:

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Das Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiege das Aufschubinteresse der Antragstellerin. Der angegriffene Bescheid erweise sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig, und das besondere öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Stilllegungsanordnung sei nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen zu bejahen.

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Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG lägen vor. Bei dem streitgegenständlichen Freilager handele es sich um eine Anlage, die nach § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfe. Der Antragstellerin sei zwar mit Bescheid des Antragsgegners vom 22.09.2004 die Genehmigung für das Freilager erteilt worden; diese Genehmigung sei jedoch erloschen. Sie sei von Anfang an auf den Zeitraum bis zur Errichtung der Lagerhalle beschränkt gewesen. Die dafür festgelegte Frist sei am 27.09.2007 abgelaufen. Bei der “Nebenbestimmung” unter ll.1.2 des Genehmigungsbescheides und der hierin gesetzten Frist für den Ausbau zu einer Lagerhalle handele es sich entgegen der Ansicht der Antragstellerin um keine „echte“, selbstständig durchsetzbare Auflage im Sinne von § 12 BImSchG, sondern um eine Inhaltsbestimmung der Genehmigung. Die Errichtung und der Betrieb des Freilagers sowie der Lagerhalle seien nebeneinander genehmigt; allerdings habe die Lagerhalle nach dem Antrag der Antragstellerin gerade auf der auf dem Betriebsgelände bestehenden Freilagerfläche errichtet werden sollen. Bei dem Freilager habe es sich danach bereits nach dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag – in dem eine übergangsweise Nutzung des Freilagers erst gar nicht erwähnt werde – allenfalls um eine Übergangslösung bis zur Errichtung der Lagerhalle handeln können. Dementsprechend habe die Lagerhalle nach Nr. l.1.2 der Genehmigung auch "an die Stelle" des unter l.1.1 b) genannten Freilagers treten und dieses ersetzen sollen. Die Frage, für welchen Zeitraum jeweils die Freilagerfläche bzw. die Lagerhalle genehmigt sein solle, sei dabei erst unter II.1.2 geregelt worden. Vor dem Hintergrund, dass die Lagerhalle auf dem Gelände des Freilagers habe errichtet werden sollen, sei damit denknotwendig die zeitliche Befristung der Genehmigung des Freilagers verbunden gewesen. Die Festlegung des Zeitraums, innerhalb dessen die Lagerhalle zu errichten und das Freilager außer Betrieb zu nehmen sei, stelle dabei einen wesentlichen Genehmigungsinhalt der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22.09.2004 dar. Denn ohne diese Festlegung stünden zwei Genehmigungen im Raum, die aber denknotwendig nicht zeitgleich ausgenutzt werden könnten. Erst durch die Festlegung in Ziffer II.1.2 erhalte die Genehmigung für die Errichtung und/oder Betrieb des Freilagers und der Lagerhalle einen vollziehbaren Gehalt.

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Selbst wenn man davon ausgehe, dass es sich bei der unter Ziffer II.1.2 enthaltenen Regelung über die Errichtungsfrist für die Lagerhalle nicht um eine lnhaltsbestimmung, sondern um eine belastende Nebenbestimmung handelte, sei diese untrennbar mit der Hauptregelung, also der Genehmigung des Betriebes des Freilagers und der Errichtung und des Betriebes der Lagerhalle, verknüpft gewesen. Denn sowohl aus der Genehmigung vom 22.09.2004 als auch aus dem Verlängerungsbescheid vom 21.07.2006 gehe zweifelsfrei hervor, dass die Legitimation für den Betrieb des Freilagers nur bis zu der ebenfalls erst im Bescheid zeitlich definierten Anlagenerweiterung, d.h. bis zu der Errichtung der Lagerhalle, Wirkung habe entfalten sollen. Weder der Antrag noch die Genehmigung des Freilagerbetriebes seien somit auf Dauer oder unbefristet angelegt gewesen, insbesondere sei der Antragstellerin die Errichtung der Lagerhalle zwingend und als Ausführungsbestimmung mit einer festen Frist aufgegeben worden, was ebenso bedeute, dass der Freilagerbetrieb nach Ablauf der Umsetzungsfrist nicht mehr zulässig gewesen sei. Ob die Errichtung der Lagerhalle nach Ablauf der hierzu gesetzten Frist überhaupt noch rechtlich möglich sei, sei für die Frage des Entfallens der Genehmigung für den Freilagerbetrieb ohne Belang. Gegen die Annahme, dass es sich bei der unter II.1.2. getroffenen Fristsetzung um eine „echte“, selbstständig durchsetzbare Auflage handele, spreche schließlich auch der Umstand, dass es sich bei der Errichtung der Lagerhalle innerhalb einer bestimmten Frist nicht um eine vertretbare Handlung im Sinne des Vollstreckungsrechtes gehandelt haben dürfte.

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Eine unbefristete Genehmigung des Freilagers sei auch nicht durch den bergrechtlichen Bescheid über die Zulassung des Sonderbetriebsplanes „Errichten und Betreiben einer Lagerfläche für Bergbauersatzstoffe im Bereich der (…) Grube A-Stadt” erteilt worden. Eine Anlage, die sowohl unter das Bergrecht als auch das Immissionsschutzrecht falle, könne nur dann legal betrieben werden, wenn alle erforderlichen Genehmigungen vorhanden seien. Die bergrechtlichen Betriebsplanzulassungen und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen stünden selbstständig nebeneinander. Die Erteilung einer weiteren Genehmigung sei nach dem Erlöschen der mit Bescheid vom 22.09.2004 erteilten Genehmigung nicht erfolgt. Zwar sei im Jahr 2018 eine UVP-Vorprüfung hinsichtlich eines Betriebes des Freilagers durchgeführt worden. Nachdem der Antragsgegner die UVP-Pflichtigkeit dieses Vorhabens festgestellt habe, sei aber kein Antrag auf Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung gestellt worden.

13

Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Da es sich bei § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG um eine Sollvorschrift handele, habe ein formell illegaler Anlagenbetrieb in aller Regel, also in allen typischen Fällen, zur Folge, dass der Betrieb stillzulegen sei. Umstände, die eine Atypik des Falles begründen könnten, lägen nicht vor.

14

Insbesondere sei von keiner offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit des Freilagers auszugehen. Abzustellen sei insoweit auf den Betrieb des Freilagers in der derzeitigen Form, also nicht auf den von der Antragstellerin beabsichtigten, optimierten Freilagerbetrieb, hinsichtlich dessen im Jahr 2018 eine UVP-Vorprüfung durchgeführt worden sei. Anknüpfungspunkt für die Frage der offensichtlichen materiellen Genehmigungsfähigkeit sei die Anlage „so, wie sie betrieben werde". Ob das Freilager mit den von der Antragstellerin angedachten Optimierungsmaßnahmen offensichtlich genehmigungsfähig wäre, spiele daher für die Atypik im Hinblick auf eine Stilllegung des derzeit betriebenen Freilagers keine Rolle. Dass das Freilager in der derzeit betriebenen Form nicht offensichtlich genehmigungsfähig sei, stehe zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Die auf dem Freilager gelagerten Materialien enthielten gefährliche feste Stoffe im Sinne der Nummern 5.2.2 und 5.2.7 der TA-Luft, die entsprechend Nr. 5.2.3.5.1 TA-Luft in geschlossener Bauweise zu lagern seien.

15

Es liege auch kein Fall vor, in dem nur unwesentlich von einer grundsätzlich erteilten Genehmigung abgewichen, etwa gegen eine Nebenbestimmung verstoßen werde. Vielmehr sei die Genehmigung des Freilagers mit Fristablauf entfallen, sodass ein ungenehmigter Anlagenbetrieb vorliege. Hierbei sei insbesondere auch der Umstand in den Blick zu nehmen, dass das Freilager in seiner derzeit betriebenen Form im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung offenbar nicht Gegenstand der immissionsschutzrechtlichen Prüfung gewesen sei, sondern diese von vornherein auf den Betrieb einer Lagerhalle ausgerichtet gewesen sei. Mit Blick auf das Freilager sei damit auch nicht von einem geprüften Anlagenbetrieb auszugehen.

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Ebenso wenig könne sich die Antragstellerin darauf berufen, dass der (formell illegale) Betrieb des Freilagers durch den Antragsgegner in den letzten elf Jahren geduldet und damit ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei. Die Antragstellerin habe sich nicht der Einsicht verschließen können, dass der Betrieb des Freilagers in der derzeitigen Form in schwerwiegender Weise von der erteilten Genehmigung abweiche. Auch dem Verhalten des Antragsgegners hätten bei verständiger Würdigung keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass das Freilager immissionsschutzrechtlich unbedenklich sei. Es stehe zwischen den Beteiligten nicht in Streit, dass die Situation des Freilagers in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand von Besprechungen gewesen sei. So hätten im Jahr 2013 zwischen den Beteiligten mehrere Gespräche unter anderem wegen der geforderten Errichtung einer Lagerhalle auf der bisherigen Freilagerfläche stattgefunden. Hierbei sei eine Antragstellung durch die Antragstellerin bis voraussichtlich 2013 vereinbart worden; diese sei aber nicht erfolgt. Die Antragstellerin habe sich vielmehr aus finanziellen Erwägungen insoweit umorientiert, als sie von der Errichtung einer Lagerhalle Abstand nehmen und die Errichtung eines „optimierten“ Freilagers habe vorantreiben wollen. Hierzu habe es in der Folgezeit Besprechungen zwischen den Beteiligten gegeben. Auch der Umstand, dass der Antragsgegner sich offenbar darauf eingelassen habe, von der genehmigten Lagerhalle abweichende Ausgestaltungsmöglichkeiten der Lagerfläche zu prüfen, sei nicht geeignet gewesen, bei der Antragstellerin den Eindruck zu erwecken, der Betrieb des Freilagers in der jetzigen Form sei in irgendeiner Weise legalisiert. Wenn mit Blick auf laufende Gespräche hinsichtlich eines möglicherweise anderweitig legalisierbaren Betriebes der Freilagerfläche der von der Genehmigung abweichende Betrieb über längere Zeit hingenommen worden sei, so habe deswegen ein schutzwürdiges Vertrauen der Antragstellerin auf eine gleichsam genehmigungsähnliche Position nicht entstehen können. Ob im Rahmen der Überwachung schädliche Umwelteinwirkungen dokumentiert worden seien, sei insoweit ohne Belang.

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Der Verweis der Antragstellerin auf ihrer Auffassung nach fehlende schädliche Umwelteinwirkungen durch den Betrieb des Freilagers könne auch sonst keinen atypischen Fall begründen. Auf die Frage, ob von dem Freilager schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen können, komme es im Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 BImSchG nicht an, weil es gerade keine Rolle spiele, ob der Anlagenbetrieb auch materiell rechtswidrig sei. Nur wenn positiv feststehe, dass der Anlagenbetrieb materiell rechtmäßig sei, sei eine Stilllegung regelmäßig ausgeschlossen. Das sei hier nicht der Fall. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem nunmehr vorgelegten toxikologischen Sachverständigengutachten der Frau Prof. F. vom 02.04.2019, zumal hierin lediglich aus toxikologischer Sicht "Entwarnung" gegeben, andererseits aber auch darauf hingewiesen werde, dass die andauernden Geruchsbelästigungen durchaus das Potential hätten, körperliche Reaktionen auszulösen. Im Übrigen lasse sich allein aus dem toxikologischen Gutachten und aus eigenen Geruchsemissionsmessungen nicht das Fehlen schädlicher Umwelteinwirkungen ersehen.

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Ein atypischer Fall lasse sich auch nicht damit begründen, dass die Stilllegung zu einem außergewöhnlich großen wirtschaftlichen Schaden für den Betrieb der Antragstellerin führe. Dass die Stilllegung einer ohne die erforderliche Genehmigung betriebenen Anlage zu wirtschaftlichen Einbußen beim Anlagenbetreiber und gegebenenfalls sogar zu dessen lnsolvenz führen könne, sei nicht atypisch, sondern der Stilllegung oftmals immanent. Im Hinblick auf die Gewichtigkeit der der Antragstellerin drohenden wirtschaftlichen Schäden sei der Antragstellerin zudem entgegenzuhalten, dass sie das Freilager ohne die hierzu erforderliche Genehmigung betreibe. Es sei grundsätzlich Sache des Betreibers‚ für die Legalisierung seiner Anlage zu sorgen, anderenfalls könnte das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung unterlaufen werden. Die von der Antragstellerin geschaffenen Fakten könnten nicht dazu führen, dass die durch das Immissionsschutzrecht geschützten Anwohner nicht absehbaren Immissionen ausgesetzt seien.

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Auch soweit die Antragstellerin auf eine mögliche Gefährdung der Wahrnehmung des im öffentlichen Interesse bestehenden Sicherungsauftrages verweise, vermöge dies einen atypischen Fall im Sinne des § 20 Abs. 2 BImSchG nicht zu begründen. Der öffentlich-rechtliche Sicherungsauftrag sei vielmehr im Rahmen des rechtlich Möglichen wahrzunehmen. Eine Gefährdung dieses Sicherungsauftrages durch eine Stilllegung des Freilagers könnte deshalb auch im Fall ihres Vorliegens keinen atypischen Fall begründen. Unabhängig davon stehe auch nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen eine Gefährdung des Sicherungsauftrages als Folge der Stilllegung des Freilagers nicht im Raum. So sei auch nach Stilllegung des Freilagers ein Versatz der Hohlräume mit anderen als den auf dem Freilager zwischengelagerten Abfallen oder sonstigem Versatzgut möglich. Für den Fall, dass der Antragstellerin eine entsprechende Organisation ihrer Betriebsabläufe nicht gelinge, oder im Fall einer von der Antragstellerin für den Fall der Schließung des Freilagers befürchteten lnsolvenz wäre es gegebenenfalls Aufgabe des Antragsgegners, für eine anderweitige Sicherstellung des Sicherungsauftrages im Rahmen des rechtlich Möglichen zu sorgen.

20

Die Stilllegungsanordnung sei auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Antragstellerin ihren Angaben zufolge seit langem bereit sei, emissionsmindernde Maßnahmen umzusetzen. Eine solche Absicht finde im bisherigen Verhalten der Antragstellerin keine Stütze. Nach dem Akteninhalt stelle sich die Situation vielmehr so dar, dass die Antragstellerin mehrfach auf die Erforderlichkeit der Errichtung einer Lagerhalle hingewiesen worden sei und diesbezüglich auch mehrfach Maßnahmen angekündigt habe. Selbst hinsichtlich des von der Antragstellerin zuletzt favorisierten „optimierten“ Freilagers, für das im Jahr 2018 auch eine UVP-Vorprüfung durchgeführt worden sei, habe die Antragstellerin kein Genehmigungsverfahren eingeleitet. Von einer offensichtlichen Bereitschaft, schnellstmöglich emissionsmindernde Maßnahmen umzusetzen, könne vor diesem Hintergrund keine Rede sein. Etwas anderes gelte auch nicht im Hinblick auf den nunmehr mit Schreiben der Antragstellerin vom 20.03.2019 gestellten Antrag auf "die Genehmigung für die Einhausung des Freilagers gemäß § 16 Abs. 2 BImSchG". Denn aus diesem Schreiben, dem prüffähige Unterlagen nicht beigefügt gewesen seien, ergebe sich nicht, welche Art von "Einhausung" gemeint sei; auch sonst sei dieser ”Antrag" nicht prüffähig. Vor diesem Hintergrund könne der “Antrag" derzeit auch nur als weitere Ankündigung beabsichtigter Maßnahmen zur Beendigung der rechtswidrigen Genehmigungssituation verstanden werden.

21

Bei der Frage der Angemessenheit der Stilllegungsverfügung könnten eventuelle Folgewirkungen für andere, genehmigte Anlagenbestandteile keine Berücksichtigung finden; denn es sei Sache des Betreibers, einen legalen Anlagenbetrieb sicherzustellen. Gehe der Betreiber das Risiko ein, seine Anlage nicht in vollem Umfang genehmigen zu lassen, liege es auch in seinem Risikobereich, wenn genehmigte Anlagenbestandteile gegebenenfalls nicht oder nicht in dem Umfang weiter betrieben werden könnten. Dass die Antragstellerin einen Weiterbetrieb der Anlage im immissionsschutzrechtlich genehmigten Umfang möglicherweise als nicht (mehr) wirtschaftlich ansehe, sei als unternehmerische Entscheidung ihrer Verantwortung und ihrer Risikosphäre zuzurechnen. Vor diesem Hintergrund komme es auf die Ausführungen der Beteiligten zu möglichen Kompensationsmaßnahmen für die Antragstellerin an dieser Stelle nicht an. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf die zu erwartenden erheblichen Umsatzeinbußen und eine möglicherweise erforderliche Betriebseinstellung verweise, sei ihr entgegenzuhalten‚ dass diese Argumente nicht zur auch nur vorübergehenden Duldung eines illegalen Anlagenbetriebes zwingen könnten. Die Antragstellerin selbst habe diesen Zustand herbeigeführt, indem sie offenbar in erster Linie aus wirtschaftlichen Erwägungen über mehrere Jahre den ungenehmigten Betrieb des Freilagers in Kauf genommen und sich nur sporadisch und mit begrenztem Aufwand um einen genehmigungskonformen Betrieb bemüht habe.

22

Die angegriffene Verfügung erweise sich schließlich im Hinblick auf die darin gesetzte Frist zur Stilllegung des Freilagers als verhältnismäßig, insbesondere angemessen. Die Stilllegung des Freilagers sei auch nach den Angaben der Antragstellerin innerhalb dieser Frist zu bewerkstelligen. Für die Frage der Angemessenheit der Frist zur Abwicklung der Stilllegungsverfügung sei allein die Frage von Bedeutung, ob die Stilllegung des Freilagers an sich innerhalb dieser Frist möglich sei. Eventuelle Folgewirkungen und hieraus resultierende Kompensationsmaßnahmen für andere, genehmigte Anlagenbestandteile könnten hierbei keine Berücksichtigung finden.

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Bei dieser Ausgangslage sei das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Stilllegungsanordnung ebenfalls zu bejahen. Der Antragsgegner verweise insoweit auf zahlreiche Anwohnerbeschwerden über Gerüche am Standort A-Stadt-Bahnhof und mache die Befürchtung geltend, dass sich die bereits festgestellten Nachteile und Gesundheitsgefahren verstärken könnten, bevor ein Hauptsacheverfahren abgeschlossen werden könne. Diese Erwägung stelle ein gewichtiges Argument für den Sofortvollzug der Stilllegungsanordnung dar. Offen bleiben könne insoweit, ob die angeführten Gesundheitsbeschwerden tatsächlich vom Betrieb des Freilagers der Antragstellerin verursacht worden seien bzw. noch werden. Denn gerade die Klärung solcher Fragen sei Aufgabe des Genehmigungsverfahrens, dem im Immissionsschutzrecht eine überragende Bedeutung zukomme. Solange es nicht durchgeführt sei, lasse sich regelmäßig nicht absehen, ob sich die vom Gesetz- und Verordnungsgeber angenommene potentielle Gefährlichkeit der Anlage realisieren könne. Vor Abschluss des Genehmigungsverfahrens sei die Umweltverträglichkeit einer genehmigungsbedürftigen Anlage nicht geklärt. Dies gelte insbesondere auch für das hier betriebene Freilager, das bereits über zehn Jahre ohne die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung betrieben werde. Die von der Antragstellerin geschaffenen Fakten könnten nicht dazu führen, dass die Anwohner für die Dauer des Klageverfahrens nicht absehbaren Immissionen ausgesetzt seien. Schließlich sei es der Antragstellerin durchaus zuzumuten, durch eine zeitnahe Antragstellung die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Anlage bzw. einer zu errichtenden Lagerhalle überprüfen zu lassen und so letztlich die Legalität ihres Anlagenbetriebes zu erzielen. Im Hinblick darauf habe der Antragsgegner im Übrigen auch auf eine Beseitigungsanordnung verzichtet und im Ergebnis "lediglich" eine Stilllegung des Freilagers ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund komme es auch nicht entscheidungserheblich auf die ursprünglich durch den Antragsgegner übersandten Unterlagen an, in denen Geruchs- und Gesundheitsbeschwerden verschiedener Anwohner und Stellungnahmen der in A-Stadt ansässigen Frau Dr. S. hierzu dokumentiert sein sollen. Diese Unterlagen habe die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners mit einem "Sperrvermerk" versehen übersandt. Sie seien ihr daraufhin durch das Gericht zurückgesandt und nicht zum gerichtlichen Verfahren beigezogen worden. Das Akteneinsichtsrecht nach § 100 Abs. 1 VwGO umfasse nur die Akten, die Gegenstand des Verfahrens geworden seien, nicht aber auch die Akten, um deren Kenntnisgabe gestritten werde.

24

Soweit sich die Antragstellerin auch im Hinblick auf ihr Interesse, vom Sofortvollzug der streitgegenständlichen Anordnung verschont zu bleiben, auf erhebliche Umsatzeinbußen und eine möglicherweise erforderliche Betriebseinstellung und damit zu erwartende Arbeitsplatzverluste für mehr als 100 Beschäftigte berufe, sei ihr auch insoweit entgegenzuhalten‚ dass diese Argumente nicht zur – auch nur vorübergehenden – Duldung eines illegalen Anlagenbetriebes zwingen könnten. Vielmehr erfordere im Regelfall der ohne Genehmigung erfolgende Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage auch deren sofortige Stilllegung. Auch insoweit könne nicht außer Betracht bleiben, dass die Antragstellerin selbst diesen Zustand herbeigeführt habe, es jedoch in ihrem Verantwortungsbereich liege, für einen legalen Anlagenbetrieb zu sorgen.

25

Schließlich stehe auch eine möglicherweise drohende Gefährdung des Sicherungsauftrages dem Sofortvollzugsinteresse in Bezug auf die streitgegenständliche Stilllegungsverfügung nicht entgegen. Zum einen stehe eine ernsthafte Gefährdung des Sicherungsauftrages nicht im Raum. Zum anderen sei auch an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass der öffentlich-rechtliche Sicherungsauftrag im Rahmen des rechtlich Möglichen wahrzunehmen sei. Eine Gefährdung dieses Sicherungsauftrages durch eine Stilllegung des Freilagers würde mithin auch im Fall ihres Vorliegens dem öffentlichen Sofortvollzugsinteresse nicht entgegenstehen.

II.

26

A. Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die von ihr dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

27

1. Die Antragstellerin vermag zunächst nicht mit dem Einwand durchzudringen, das Verwaltungsgericht habe unter verschiedenen Gesichtspunkten ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowie auf Akteneinsicht nach § 100 Abs. 1 Abs. verletzt, insbesondere weil es sich zur Begründung des Überwiegens des Vollzugsinteresses auf vom Antragsgegner vorgebrachte "zahlreiche Anwohnerbeschwerden" gestützt habe, zugleich aber die vom Antragsgegner übermittelten, mit "Sperrvermerken" versehenen Anlagen zurückgesandt habe. Das Vorliegen von Verfahrensfehlern allein würde der Beschwerde selbst dann nicht zum Erfolg verhelfen, wenn die angegriffene Entscheidung tatsächlich darauf beruhte. Hierauf wäre es nur nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Prozessrecht angekommen. Danach hatte das Rechtsmittelgericht zunächst über die Zulassung der Beschwerde zu befinden. Die Beschwerde war unter anderem zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wurde und vorlag, auf dem die erstinstanzliche Entscheidung beruhen konnte (vgl. § 146 Abs. 4 VwGO a.F.). Im Fall der Zulassung war die Beschwerde jedoch schon nach altem Prozessrecht nur dann erfolgreich, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung des Beschwerdeführers inhaltlich begründet war. Nachdem das Zulassungserfordernis weggefallen und das Beschwerdeverfahren unbeschränkt eröffnet ist, kommt es nur noch auf den Erfolg in der Sache selbst an (vgl. Beschl. d. Senats v. 28.01.2019 – 2 M 128/18 –, juris, RdNr. 18).

28

2. Die Antragstellerin macht geltend, das Verwaltungsgericht habe einen unzutreffenden Maßstab bei der summarischen Prüfung im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO angelegt, indem es ausgeführt habe, dass die angefochtene Stilllegungsverfügung "keinen durchgreifenden Bedenken" begegne und es "auch nicht ersichtlich" sei, dass die Behörde ihr Ermessen "offensichtlich fehlerhaft ausgeübt" habe. Richtiger Maßstab sei jedoch, ob der Verwaltungsakt insgesamt offensichtlich rechtmäßig sei; sei dies – wie hier – nicht der Fall, bedürfe es einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung. Mit diesem Einwand vermag die Antragstellerin nicht durchzudringen.

29

Lassen sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren noch nicht hinreichend klar voraussehen, ist das für die Regelung der Vollziehung vorrangige bzw. nachrangige Interesse auf der Grundlage einer allgemeinen Interessen- bzw. Folgenabwägung zu bestimmen (vgl. Beschl. des Senats v. 06.11.2018 – 2 M 56/18 –, juris, RdNr. 23, m.w.N.). Dagegen geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 5 VwGO keinen Erfolg hat, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als aller Voraussicht nach rechtmäßig erweist und gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht (vgl. Beschl. v. 22.03.2019 – 2 R 9/19 –, juris, RdNr. 22, 24; Beschl. v. 18.10.2018 – 2 M 76/18 –, juris, RdNr. 7 f.; Beschl. v. 09.02.2015 – 2 M 118/14 –, juris, RdNr. 11). Auch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschl. v. 10.10.2012 – BVerwG 7 VR 11.12 –, juris. RdNr. 5; Beschl. v. 19.05.2005 – BVerwG 4 VR 2000.05 –, juris, RdNr. 4) und andere Oberverwaltungsgerichte (vgl. BayVGH, Beschl. v. 08.04.2019 – 21 CS 18.728 –, juris, RdNr. 10; HessVGH, Beschl. v. 20.03.2019 – 2 B 261/19 –, juris, RdNr. 7; VGH BW, Beschl. v. 25.10.2018 – 5 S 1474/18 –, juris, RdNr. 12; speziell zu einer Stilllegungsanordnung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG: OVG NW, Beschl. v. 08.11.2016 – 8 B 1395/15 –, juris, RdNr. 9; NdsOVG, Beschl. v. 25.04.2013 – 12 ME 41/13 –, juris, RdNr. 15) haben diesen Prüfungsmaßstab vielfach zugrunde gelegt.

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Soweit in der Rechtsprechung angenommen wird, es bedürfe im Rahmen der vorläufigen Rechtsschutzentscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO einer allgemeinen Interessenabwägung dann, wenn keine abschließende Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage im Sinne einer Evidenzkontrolle getroffen, also weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts festgestellt werden könne (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 23.02.2018 – BVerwG 1 VR 11.17 –, juris, RdNr. 15; Beschl. v. 05.07.2010 – 7 VR 5.10 –, juris, RdNr. 8 f), ergibt sich daraus in der Sache kein anderer Maßstab. Wesentliches Element der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache; ist es – wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der Sach- und Rechtsfragen – nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind alleine die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014 – BVerwG 7 VR 5.14 –, RdNr. 9, juris). Damit sind diejenigen Fälle gemeint, bei denen sich der Ausgang des Hauptsacheverfahrens, sei es wegen der Komplexität der im Verfahren aufgeworfenen rechtlichen und/oder tatsächlichen Fragen oder wegen der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zur Verfügung stehenden Zeit, nicht abschätzen lässt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.02.2018, a.a.O., RdNr. 16; OVG BBg, Beschl. v. 02.04.2019 – OVG 11 S 72.18 –, juris, RdNr. 17, m.w.N.; VGH BW, Beschl. v. 03.11.2014 – 3 S 1368/14 –, juris, RdNr. 10). Zwar hält Funke-Kaiser (in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl., § 80 RdNr. 93) es für problematisch, wenn in der Rechtsprechung die Fallgruppen der voraussichtlichen Erfolglosigkeit und der offensichtlichen Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache gleichgesetzt würden, weil nur mit einer "völlig eindeutigen" Prognose eine weitere Interessenabwägung weitgehend, wenn auch nicht vollständig, unterbleiben könne; mit einer Evidenzkontrolle sei nicht gemeint, dass die Erfolglosigkeit "jedem ins Auge springen müsse", vielmehr genüge, dass das Gericht – ggf. nach einer umfassenden und zeitaufwändigen Prüfung der Sach- und Rechtslage – zu einer zweifelsfreien Aussage gelange. Dem vermag sich der Senat aber nicht anzuschließen. Das Risiko einer "Fehlprognose" über die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs im vorläufigen Rechtsschutzverfahren besteht auch dann, wenn das Gericht zu dem – im Zeitpunkt seiner Entscheidung und aus seiner Sicht – "eindeutigen" bzw. "zweifelsfreien" Ergebnis kommt, der Verwaltungsakt sei rechtmäßig bzw. rechtswidrig. Die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren steht stets unter dem Vorbehalt, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts im Hauptsacheverfahren abweichend beurteilt wird, etwa infolge ergänzenden Vortrags der Beteiligten, neuer Unterlagen oder Erkenntnisse, neuer höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung oder auch nur aufgrund einer geänderten Besetzung des Spruchkörpers. Auch dies ist unter dem Blickwinkel des Art. 19 Abs. 4 GG hinzunehmen.

31

Ein anderer Prüfungsmaßstab ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Für die Beantwortung der "Maßstabsfrage" im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bietet die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ein uneinheitliches Bild (vgl. die Nachweise bei (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 RdNr. 376). Von Verfassungs wegen ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn sich die vorzunehmende Interessenabwägung in erster Linie an der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts orientiert; kommt diese Prüfung bei einem von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Verwaltungsakts zu dem Ergebnis, dass an dessen Rechtmäßigkeit keine ernstlichen Zweifel bestehen oder dieser sogar offensichtlich rechtmäßig ist, steht Art. 19 Abs. 4 GG einer Ablehnung des Eilrechtsschutzbegehrens nicht entgegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.12.2017 – 2 BvR 1872/17 –, juris, RdNr. 17, m.w.N.).

32

Hiernach ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausfällt. Die Stilllegungsanordnung erweist sich auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens als aller Voraussicht nach rechtmäßig (dazu 3. bis 6.), und es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung (dazu 7.).

33

3. Die Antragstellerin wendet ein, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 22.09.2004 für das Freilager sei nicht erloschen mit der Folge, dass die Voraussetzungen für ein behördliches Einschreiten nach § 20 Abs. 2 BImSchG nicht vorlägen. Die in Nr. II.1.1 der allgemeinen Nebenbestimmungen enthaltene und sodann in Nr. 1 des Bescheides vom 21.07.2006 um zwei Jahre verlängerte Befristung habe sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut allein auf die Genehmigung bezogen, die in Nr. I.1.2 des Ursprungsbescheides genannten "zusätzlichen Einrichtungen" zu errichten, nicht aber auf das streitgegenständliche Freilager. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass nach der Regelung in Nr. I.1.2. des Genehmigungsbescheides die dort als zusätzliche Einrichtung genehmigte Lagerhalle bei ihrer Errichtung an die Stelle des Freilagers trete und dieses ersetze und nach der Nebenbestimmung Nr. II.1.2 der Ausbau des bestehenden Freilagers zu einer Lagerhalle auch dann vorzunehmen sei, wenn im Übrigen von der Genehmigung in Nr. I.1.2 kein Gebrauch gemacht werden sollte. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergebe sich daraus nicht, dass damit denknotwendig die zeitliche Befristung der Genehmigung des Freilagers verbunden gewesen sei, weil ansonsten zwei Genehmigungen im Raum stünden, die nicht zeitgleich ausgenutzt werden könnten. Die unbefristete Genehmigung des Freilagers hätte im Fall der späteren Errichtung der Lagerhalle ihre Erledigung auf andere Weise im Sinne von § 43 Abs. 2 letzte Alt. VwVfG gefunden. Eine von vornherein angeordnete, vom Antragsgegner aber für das Freilager gerade nicht verfügte Befristung sei daher zur Vermeidung des vom Verwaltungsgericht befürchteten denklogischen Widerspruchs nicht erforderlich gewesen und könne daher nicht in die Ursprungsgenehmigung hineingelesen werden. An dieser Genehmigungslage habe sich durch den Bescheid vom 21.07.2006 nichts geändert, da dieser nicht das Freilager, sondern allein die "zusätzlichen Einrichtungen" betroffen habe. Diese Einwände verfangen nicht.

34

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG soll die zuständige Behörde anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist. Die Vorschrift betrifft nicht nur Fälle, in denen eine genehmigungsbedürftige Anlage ganz oder teilweise ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder geändert wird, etwa weil die Genehmigung erloschen ist. Erfasst sind auch diejenigen Fälle, in denen der Anlagenbetreiber Inhaltsbestimmungen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht beachtet (vgl. Jarass, BImSchG, 12. Aufl., § 20 RdNr. 43; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. III, § 20 RdNr. 45; BayVGH, Urt. v. 30.07.2013 – 22 B 11.1459 –, juris, RdNr. 52; jew. m.w.N.). Wird eine Anlage unter Verstoß gegen eine Inhaltsbestimmung betrieben, so ist der Betrieb insoweit von der Genehmigung nicht gedeckt, da Inhaltbestimmungen integrierende und untrennbare Bestandteile der Genehmigung sind (vgl. Czajka, in: Feldhaus, BImSchG, § 12 RdNr. 115; Mann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. III, § 12 BImSchG RdNr. 264; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 36 RdNr. 12).

35

Der Senat teilt die Auffassung der Vorinstanz, dass es sich bei der Verpflichtung zum Ausbau des Freilagers zu einer Lagerhalle um eine Inhaltbestimmung und nicht nur um eine selbständig anfechtbare Auflage handelt.

36

Während die Auflage im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG eine Bestimmung ist, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird, so dass die so statuierte Verhaltenspflicht mit dem begünstigenden Hauptverwaltungsakt akzessorisch verknüpft und selbstständig durchsetzbar ist, ist eine Inhaltsbestimmung ein Element der Hauptregelung, die das genehmigte Tun oder Verhalten entsprechend dem Antrag oder hiervon abweichend festlegt und konkretisiert, indem sie die genehmigte Handlung bzw. das Verhalten räumlich und inhaltlich bestimmt und damit die Genehmigung erst ausfüllt. Für die Abgrenzung ist die im Verwaltungsakt zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht der Genehmigungsbehörde maßgeblich; es kommt darauf an, welche Rechtsfolgen sie – innerhalb des gesetzlichen Rahmens – mit der jeweiligen Festsetzung erzeugen will. Dabei ist für die rechtliche Einordnung einer im Genehmigungsbescheid enthaltenen Einschränkung der objektive Erklärungsgehalt des Bescheids und nicht die Bezeichnung der entsprechenden Regelung durch die Behörde entscheidend (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 22.11.2018 – BVerwG 7 C 9.17 –, juris, RdNr. 23, m.w.N.). Auch eine als Befristung bezeichnete Regelung kann als Inhaltbestimmung zu verstehen sein (vgl. OVG NW, Beschl. v. 06.11.2017 – 12 B 1265/17 –, juris RdNr. 3).

37

Bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sind alle Regelungselemente, die das zugelassene Handeln des Betreibers räumlich und sachlich bestimmen und damit ihren Gegenstand und Umfang festlegen, zu den Inhaltsbestimmungen zu rechnen. Als weitere Kriterien für die Abgrenzung sind ergänzend auch das Gewicht und die Bedeutung der Genehmigungsvoraussetzung maßgeblich, deren Sicherstellung die Einzelbestimmung dienen soll (zum Ganzen: OVG NW, Urt. v. 10.12.1999 – 21 A 3481/96 –, juris, RdNr. 15 ff., m.w.N.). Regelungen von substanziellem Gewicht sind regelmäßig als Inhaltsbestimmungen einzuordnen (vgl. Mann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, § 12 RdNr. 124, 126, m.w.N.). Eine echte Auflage liegt nur dann vor, wenn deutlich wird, dass die Einhaltung der Nebenbestimmung Bestand und Wirksamkeit der Genehmigung nicht berühren soll; soweit eine Bestimmung besonderes Gewicht für die Anforderungen nach § 5 BlmSchG hat, handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung oder um eine Bedingung (vgl. HessVGH, Beschl. v. 10.04.2014 – 9 B 2156/13 –, juris, RdNr. 53). Kommt der Regelung objektiv solches Gewicht zu, dass der Genehmigungsbescheid bei ihrem Wegfall sinnvoller- und rechtmäßigerweise nicht bestehen bleiben könnte, kann nicht angenommen werden, es habe dem Willen der Behörde entsprochen, dass die Genehmigung auch bei einem Wegfall der Regelung fortbestehen sollte (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.07.2013, a.a.O., RdNr. 51).

38

Gemessen daran stellt die Verpflichtung zum Ausbau des Freilagers zu einer Lagerhalle ungeachtet der Bezeichnung als "Nebenbestimmung" in der Sache eine Inhaltbestimmung dar. Nach der Begründung des Genehmigungsbescheides vom 22.09.2004 (S. 18, zweiter Absatz), die für die Auslegung einer Regelung als "echte Auflage" oder als Inhaltsbestimmung heranzuziehen ist (vgl. HessVGH, Beschl. v. 10.04.2014, a.a.O., RdNr. 55), stellt der Ausbau eine wesentliche Maßnahme zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) von dort gelagerten Abfällen dar, die nicht in das Ermessen der Antragstellerin gestellt werden könne. Insbesondere sollte damit sichergestellt werden, dass der Immissionsbeitrag der Anlage den in Nr. 3.3 der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) vorgesehenen Irrelevanzwert für die relative Häufigkeit von Geruchsstunden von 0.02 der Jahresstunden nicht überschreitet (vgl. S. 24, letzter Absatz des Genehmigungsbescheides). Die Immissionsprognose "Luftverunreinigungen" der W.U.P. vom November 2002 (Beiakte J, Bl. 431 ff.), auf den der Genehmigungsbescheid insoweit Bezug nahm, ging noch davon aus, dass eine Lagerhalle errichtet wird (S. 10 der Prognose), so dass die zu erwartenden Geruchsimmissionszusatzbelastungen auf allen Beurteilungsflächen im Untersuchungsraum weit unter der Relevanzgrenze der GIRL von 2 % Geruchsstunden im Jahr liegen werde und eine Ermittlung der Geruchsvorbelastung deshalb nicht erforderlich sei. Es war bereits wesentlicher Inhalt des Genehmigungsantrages der Antragstellerin, dass an die Stelle des Freilagers die Lagerhalle treten sollte, insbesondere um Staub- und Geruchsemissionen zu verhindern (vgl. Abschnitt 3.4.2 des Genehmigungsantrages). Vor diesem Hintergrund kam dem späteren Ausbau des Freilagers zu einer Lagerhalle erkennbar besonderes Gewicht für die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens zu. Das Freilager sollte – in Übereinstimmung mit dem Genehmigungsantrag – nur für eine Übergangszeit genutzt werden können. Der Antragsgegner musste davon ausgehen, dass die Frage, ob von der Anlage schädliche Umweltauswirkungen insbesondere in Form unzumutbarer Geruchsbelästigungen ausgehen, bei Beibehaltung des Freilagers offen und damit die Genehmigungsfähig der Anlage fraglich war.

39

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Antragstellerin, der "übergreifenden Interpretation" des Verwaltungsgerichts, dass auch die Genehmigung für das Freilager befristet sei, stehe der rechtsstaatliche Grundsatz der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit entgegen. Die Verpflichtung zum Ausbau des Freilagers zu einer Lagerhalle ergibt sich eindeutig aus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Mit der Begründung, sie habe die Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung dieser Verpflichtung nicht erkennen können, vermag die Antragstellerin die formelle Illegalität des Freilagers nicht in Frage zu stellen. Auch wenn der Antragsgegner lange Zeit davon ausgegangen sein sollte, dass der Betrieb des Freilagers ungeachtet des unterbliebenen Ausbaus zu einer Lagerhalle weiterhin von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gedeckt sei, vermag dies an der formellen Illegalität (objektiv) nichts zu ändern. Dass der Antragsgegner jahrelang keine Maßnahmen ergriffen hat, um die Verpflichtung zum Bau der Lagerhalle durchzusetzen, ist bei der Frage zu prüfen, welche Rechtsfolgen sich aus der formellen Illegalität der Anlage ergeben.

40

4. Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin, es liege ein atypischer Fall vor mit der Folge, dass der Antragsgegner seinen Ermessensspielraum verkannt habe.

41

Wegen des hohen Rangs, den das Gesetz der Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen bei Errichtung und Betrieb bestimmter Anlagen einräumt, und wegen der Bedeutung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für die Erreichung dieses Ziels ermächtigt danach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG die Behörde dazu, im Regelfall die Stilllegung einer ungenehmigten Anlage anzuordnen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet jedoch, in atypischen Fällen zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob ein milderes Mittel ausreicht, die Einhaltung der Pflichten des Betreibers, wie § 5 BImSchG es fordert, zu gewährleisten (BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 – BVerwG 7 C 35.87 –, juris, RdNr. 29; Beschl. v. 04.11.1992 – BVerwG 7 B 160.92 –, juris, RdNr. 3). Der zuständigen Behörde ist durch § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ein nur eingeschränktes Ermessen eingeräumt; sie soll bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Stilllegungsanordnung treffen und muss demnach in der Regel gegen eine ungenehmigte Errichtung, einen ungenehmigten Betrieb und eine ungenehmigte wesentliche Änderung einer Anlage einschreiten und darf nur bei Vorliegen besonderer Gründe, also eines atypischen Falls, davon absehen (NdsOVG, Beschl. v. 12.12.2013 – 12 ME 194/13 –, juris, RdNr. 7).

42

a) Die Antragstellerin wendet ein, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne ein atypischer Fall nicht nur dann vorliegen, wenn die Genehmigungsfähigkeit der Anlage feststehe. Eine Genehmigungsfähigkeit des optimierten Freilagers sei, jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Geruchsemissionen/-immissionen, nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Aus der TA Luft ergebe sich nicht zwingend eine Pflicht zur Einhausung des Lagers. Die Stellungnahme des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (LAU) vom 30.01.2019, in der dies gefordert werde und auf die das Verwaltungsgericht Bezug genommen habe, widerspreche der Stellungnahme derselben Behörde vom 06.07.2018 zum optimierten Freilager, in welcher mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit von Auflagen von der grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit ausgegangen werde. Im Übrigen habe sie sich mit dem öffentlich-rechtlichen Vertragsangebot vom 06.03.2019 und dem Antrag vom 20.03.2019 inzwischen auch zur Planung einer geschlossenen Halle verpflichtet, die auch genehmigungsfähig sei. Diese Einwände überzeugen nicht.

43

Ein atypischer Fall im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG liegt vor, wenn die Behörde begründeten Anlass für die Annahme hat, die Anlage entspreche so, wie sie betrieben wird, den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen. Dabei braucht die Behörde allerdings keine umfangreichen und zeitraubenden Ermittlungen über die materielle Genehmigungsfähigkeit der Anlage anzustellen. Sie darf dies umso weniger, je schädlicher die Umwelteinwirkungen sind, die von dem ungenehmigten Betrieb der Anlage ausgehen können. Dies gilt vor allem bei Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen. Der Schutz dieses Rechtsguts vor möglichen Gefahren wiegt ungleich schwerer als das Interesse des Betreibers, den möglicherweise nicht gefährlichen Betrieb einer ungenehmigten Anlage vorerst fortsetzen zu dürfen (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 15.12.1989, a.a.O., RdNr. 30; Beschl. v. 04.11.1992, a.a.O.). Dies bedeutet, dass die formelle Illegalität der Anlage allein die Stilllegung dann nicht rechtfertigt, wenn die materielle Genehmigungsfähigkeit offensichtlich ist, also die Genehmigungsvoraussetzungen unzweifelhaft vorliegen und der Betreiber unverzüglich einen Antrag auf Erteilung der fehlenden Genehmigung stellt und das Genehmigungsverfahren zügig betreibt (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 09.08.2016 – 12 ME 102/16 –, juris, RdNr. 16). Einen atypischen Fall hat der Senat auch angenommen, wenn die Behörde nicht erstmals und unvermittelt mit dem ungenehmigten Betrieb befasst wird, sondern die davon verursachten Umwelteinwirkungen aufgrund ihrer bisherigen Überwachungstätigkeit und bezüglich der Anlage erlassenen Maßnahmen bereits so weit unter Kontrolle hält, dass die Fortsetzung des Betriebes für die Zeit bis zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens hingenommen werden kann (Beschl. d. Senats v. 12.06.2013 – 2 M 75/13 –, n.v., unter Hinweis auf OVG B-Stadt, Beschl. v. 16.07.1985 – 2 S 90.85 –, juris).

44

Gemessen daran genügt es für eine Atypik nicht, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass das Freilager nicht so, wie es derzeit betrieben wird, sondern in "optimierter" Gestalt, nämlich durch zusätzliche Maßnahmen zur Emissionsminderung genehmigt werden kann, was nach der Rechtsauffassung des Antragsgegners allerdings die Durchführung eines Änderungsgenehmigungsverfahrens nach § 16 Abs. 1 BImSchG mit Umweltverträglichkeitsprüfung voraussetzt. Ebenso wenig vermag das gegenüber dem Antragsgegner gemachte Angebot vom 06.03.2019 (Anlage Ast 2), unter bestimmten Bedingungen eine Leichtbauhalle über der Freilagerfläche zu errichten, für das die Antragstellerin die Erarbeitung entsprechender Antragsunterlagen angekündigt hat, nach den oben dargestellten Grundsätzen eine Atypik des Falles zu begründen.

45

b) Die Antragstellerin macht geltend, eine Atypik des Falles könne auch darin liegen, dass es sich bei der Verpflichtung zur Errichtung einer Lagerhalle um eine Inhaltsbestimmung handele und die Anlage nicht ohne jegliche Genehmigung betrieben werde, für das Freilager ohne Halle vielmehr eine bergrechtliche Zulassung existiere. Gegenstand der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung vom 22.09.2004 sei nicht nur die Errichtung der Lagerhalle gewesen. Im Übrigen sei der Betrieb des Freilagers im Jahr 2018 im Rahmen der UVP-Vorprüfung einer materiellen immissionsschutzrechtlichen Prüfung unterzogen worden, bei der auch fachbehördlich nicht festgestellt worden sei, dass der optimierte Freilagerbetrieb nicht genehmigungsfähig sei. Bei einer Besprechung am 12.02.2018 seien beide Beteiligte davon ausgegangen, dass eine Genehmigung bis Ende 2018 vorliegen werde. Sie habe neben den Unterlagen für die UVP-Vorprüfung auch die Antragsunterlagen vorbereitet, die allerdings nicht mehr eingereicht worden seien, nachdem das Verfahren der Vorprüfung – nach Beginn der öffentlichen Diskussion der Geruchsbeschwerden am Abwetterschacht in Angersdorf im August 2018 – keinen Fortgang mehr genommen habe. Auch diese Einwände sind nicht stichhaltig.

46

Wie oben bereits dargelegt, werden von der Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG gerade auch diejenigen Fälle erfasst, in denen der Anlagenbetreiber Inhaltsbestimmungen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht beachtet. Vor diesem Hintergrund kann allein der Charakter der "Nebenbestimmung" Nr. II.1.2 des Genehmigungsbescheides vom 22.09.2004 als Inhaltsbestimmung nicht zu einer Atypik des Falles führen. Das Vorliegen einer bergrechtlichen Zulassung ist im Rahmen des
§ 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ohne Belang, da es lediglich auf das Vorliegen bzw. den Inhalt einer immissionsschutzrechtlichen (Änderungs-)Genehmigung ankommt (vgl. Jarass, a.a.O., § 20 RdNr 41) Die bergrechtliche Zulassung ersetzt die nach § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV und Nr. 8.12.1.1 des Anhangs zur 4. BImSchV erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Freilager nicht. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BImSchG bedürfen Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen der Genehmigung nach Absatz 1, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden. Im Übrigen enthält der von der Antragstellerin genannte Bescheid vom 12.08.2015 (Beiakte R, Bl. 1 ff.), mit der die Gültigkeit der Zulassung vom 22.08.1994 des Sonderbetriebsplans "Errichten und Betreiben einer Lagerfläche für Bergbauversatzstoffe im Bereich der (…) A-Stadt" unbefristet verlängert wurde, die Nebenbestimmung Nr. III. 2., wonach die Nebenbestimmungen der Zulassung des Sonderbetriebsplans vom 22.08.1994 weiterhin ihre Gültigkeit behalten, soweit Nebenbestimmungen der immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 22.09.2004 nicht etwas anderes bestimmen. Der Umstand, dass im Rahmen der UVP-Vorprüfung die Genehmigungsfähigkeit des optimierten Freilagers nicht verneint, sondern nur die UVP-Pflicht festgestellt wurde, vermag – wie oben dargelegt – einen atypischen Fall ebenso wenig zu begründen wie die von der Antragstellerin vorgetragene Antragsvorbereitung.

47

c) Die Antragstellerin macht zur Begründung eines atypischen Falles weiter geltend, der Antragsgegner habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen, indem er das Freilager über einen Zeitraum von mehr als 12 Jahren faktisch geduldet und bis zur Anhörung im Jahr 2019 zu keinem Zeitpunkt die Auffassung vertreten haben, die Genehmigung vom 22.09.2004 sei insgesamt erloschen. Wenn dies der Fall gewesen wäre oder sie, die Antragstellerin, dies hätte erkennen können, hätte sie nicht ab dem Jahr 2012 Änderungsanträge zum Bescheid vom 22.09.2004 gestellt, um – auf unterschiedliche Weise – emissionsmindernde Maßnahmen umzusetzen. Das Fehlen eines Vertrauenstatbestandes könne nicht pauschal damit begründet werden, dass die Situation des Freilagers immer wieder Gegenstand von Besprechungen gewesen sei. Sie habe darauf bauen dürfen, dass zwischen ihr und dem Antragsgegner Einigkeit darüber bestanden habe, dass der Betrieb des Freilagers geduldet werde, um emissionsmindernde Maßnahmen umzusetzen. Gegen die Annahme, dass der Antragsgegner vom Erlöschen der Genehmigung für das Freilager ausgegangen sei, spreche auch der Entwurf einer – ihr allerdings zunächst nicht zur Kenntnis gelangten – nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG vom Januar 2014, der das Bestehen einer Genehmigung voraussetze. Die von ihr seit 2013 betriebenen und vom Antragsgegner bearbeiteten Änderungsgenehmigungsverfahren setzten denknotwendig voraus, dass eine Genehmigung existiere. Hinzu komme, dass der Antragsgegner seit Jahren mindestens einmal monatlich routinemäßig Befahrungen der Anlagen einschließlich des Freilagers durchgeführt, Festlegungen zur Vermeidung von Geruchsemission bzw. einer Einhausung des Freilagers aber zu keinem Zeitpunkt getroffen habe. Auch diese Einwände greifen nicht durch.

48

Die Behörde setzt allein durch jahrelange Duldung grundsätzlich keinen, einen atypischen Fall begründenden Vertrauenstatbestand dahingehend, dass sie von einer Stilllegung einer formell illegal betriebenen Anlage Abstand nehmen werde (VGH BW, Beschl. v. 19.09.2013 – 10 S 1725/13 –, juris, RdNr. 10, 12, m.w.N.); dies gilt jedenfalls solange die Behörde nicht eine entsprechende Erklärung abgibt (Jarass, a.a.O., § 20 RdNr. 47, m.w.N.). Ein zeitweiliges Nichteinschreiten kann nicht dazu führen, dass eine spätere Anordnung der Beseitigung unzulässig wird; dem steht schon entgegen, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG eine gesetzliche Regelverpflichtung zur Herstellung genehmigungskonformer Zustände begründet (OVG BBg, Beschl. v. 18.08.2010 – OVG 11 S 10.10 –, juris, RdNr. 41; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 30.01.2008 – BVerwG 7 B 47.07 –, juris, RdNr. 9). Das Vorbringen des Betreibers, er habe auf die Legalität des Vorhabens vertraut, kann unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nur dann beachtlich sein, wenn der Betreiber durch Behördenauskünfte in diesem Vertrauen bestärkt worden ist und ihn insoweit ein Verschuldensvorwurf nicht trifft (vgl. Peschau, in: Feldhaus, Immissionsschutzrecht, Bd. 1/I § 20 BImSchG RdNr. 58, m.w.N.).

49

Hiernach verleiht der Umstand, dass der Antragsgegner nach dem 27.09.2007 gegen den Weiterbetrieb des Freilagers viele Jahre nicht eingeschritten ist, dem Fall keine Atypik. Der Antragsgegner hat gegenüber der Antragstellerin auch keinen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass er den Weiterbetrieb des Freilagers für formell rechtmäßig halte bzw. nicht dagegen einschreiten werde. Die Antragstellerin kann sich insoweit nicht darauf berufen, der Antragsgegner sei über viele Jahre davon ausgegangen, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht erloschen sei. Zunächst ist festzuhalten, dass weder der Antragsgegner noch das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten haben, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 22.09.2004 sei insgesamt erloschen; vielmehr sind sie zu der Auffassung gelangt, die Genehmigung für den Betrieb des Freilagers sei erloschen (S. 7, letzter Absatz des Bescheides vom 07.03.2019 und S. 20, letzter Absatz des Urteilsabdrucks). Im Übrigen ergibt sich die formelle Illegalität des Freilagers – wie oben ausgeführt – daraus, dass der Betrieb nach dem 27.09.2007 wegen der Nichtbeachtung der Inhaltsbestimmung zum Ausbau des Freilagers zu einer Lagerhalle nicht mehr von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gedeckt ist. Grund für die formelle Illegalität des Freilagers ist die fehlende Übereinstimmung des tatsächlichen Betriebs der Anlage mit dem genehmigten. Diese fehlende Übereinstimmung war auch für die Antragstellerin offenkundig, unabhängig davon, ob dies dazu führte, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung teilweise – in Bezug auf den Betrieb des Freilagers – erlosch. Vor diesem Hintergrund ist auch nachvollziehbar, dass der Antragsgegner die von der Antragstellerin gestellten Änderungsanträge bearbeitet hat. Auch der Umstand, dass für sie möglicherweise schwer oder nicht zu erkennen war, ob es sich bei der "Nebenbestimmung" Nr. II.1.2 um eine "echte Auflage" im Sinne von § 12 Abs. 1 BImSchG handelt, bei deren Nichterfüllung die Behörde gemäß § 20 Abs. 1 BImSchG den Betrieb der Anlage ganz oder teilweise untersagen kann, oder um eine Inhaltsbestimmung, deren Nichterfüllung zur formellen Illegalität der Anlage führt, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die Behörde den Zustand weiterhin dulden werde. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass im Jahr 2013 zwischen den Beteiligten u. a. wegen der geforderten Errichtung einer Lagerhalle auf der bisherigen Lagerfläche Gespräche stattfanden, bei denen eine Antragstellung im Jahr 2013 vereinbart worden sei, die dann aber nicht erfolgt sei. Spätestens mit dem an die Antragstellerin gerichteten Schreiben vom 12.07.2013 (Beiakte O, Bl. 94 ff.) gab der Antragsgegner zu erkennen, dass das Freilager abweichend von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung noch nicht zu einer Lagerhalle ausgebaut war und dies nicht hingenommen werden könne. Darin führte er aus, wie bereits aus einer Vielzahl von Gesprächen bekannt sei, bestünden zwischen der von der Antragstellerin betriebenen Anlage in ihrer jetzigen Gestalt und dem Stand der erteilten Genehmigungen mehrere Differenzen; u.a. wurde beanstandet, dass die geforderte und genehmigte Lagerhalle nicht errichtet worden sei, jedoch Grund zu der Annahme bestehe, dass die ehemals beantragte Lagerhalle nicht den nunmehr an sie zu stellenden immissionsschutzrechtlichen Anforderungen gerecht werde. Mit Blick auf die aufgeführten schwerwiegenden Abweichungen der Anlage vom Genehmigungsstand forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, den bereits mehrfach angekündigten Änderungsantrag bis zum 20.12.2013 vorzulegen. Die Errichtung der Lagerhalle war ferner Gegenstand eines Gesprächs vom 23.01.2014 (Beiakte O, Bl. 182 ff.). Dabei bestand Übereinstimmung, dass die Errichtung und der Betrieb der Halle, wie ursprünglich genehmigt, rechtlich nicht zulässig seien. Einvernehmlich sei festgelegt worden, dass zunächst kurzfristig eine Anordnung nach § 17 BImSchG mit dem Inhalt erlassen werde, dass die Planungsunterlagen für die Errichtung der Halle innerhalb einer noch festzusetzenden angemessenen Frist vorzulegen seien. Weder aus dem Umstand, dass zunächst der Erlass einer nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG vorgesehen war, der Antragsgegner aber dann keine solche nachträgliche Anordnung erließ, noch aus der Einschätzung, dass die Lagerhalle in der von der Antragstellerin ursprünglich geplanten und genehmigten Form nicht mehr errichtet werden konnte, konnte die Antragstellerin den Schluss ziehen, der Antragsgegner werde auf die Herstellung genehmigungskonformer Zustände verzichten. Sie musste auch damit rechnen, dass der Antragsgegner den Betrieb des Freilagers stilllegt, falls eine Lagerhalle – aus welchen Gründen auch immer – weiterhin nicht errichtet wird. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Antragsgegner bei routinemäßigen Befahrungen der Anlage keine Festlegungen zur Vermeidung von Geruchsemission bzw. einer Einhausung des Freilagers traf. Daraus konnte die Antragstellerin nicht den Schluss ziehen, der Antragsgegner werde auch künftig in keinem Fall einschreiten, also auch dann nicht, wenn – anders als bei den routinemäßigen Befahrungen – erhebliche Geruchsbelästigungen entstehen.

50

d) Die Antragstellerin rügt, es komme entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts für die Frage, ob ein atypischer Fall vorliege, sehr wohl darauf an, ob im Rahmen der Überwachung schädliche Umwelteinwirkungen dokumentiert worden seien. Vom Betrieb des Freilagers gingen keine schädlichen Umwelteinwirkungen aus, was durch die Ergebnisse der IED-Begehung und der Messungen der M. GmbH belegt werde. Unzutreffend sei die Annahme des Antragsgegners, die Frage, ob die von den Anwohnern bemängelten Geruchserscheinungen von dem Freilager herrührten, sei allein in einem noch durchzuführenden Genehmigungsverfahren zu klären. Selbst wenn es sich bei dem Freilager um eine ungenehmigte Anlage handeln sollte, müsse bei der Ermessensausübung nach § 20 Abs. 2 BImSchG der tatsächlich zutreffende Sachverhalt erst ermittelt werden. Auch damit vermag die Antragstellerin nicht durchzudringen.

51

Wo oben bereits dargelegt, würde die formelle Illegalität der Anlage die Stilllegung zwar dann nicht rechtfertigen, wenn die materielle Genehmigungsfähigkeit offensichtlich wäre, also die Genehmigungsvoraussetzungen unzweifelhaft vorliegen. Dazu müsste insbesondere feststehen, dass die Anlage so betrieben wird, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) und Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Eine solche Feststellung lässt sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren betreffend die Stilllegungsanordnung nicht treffen, vielmehr bedarf dies der näheren Prüfung in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren.

52

aa) Das Verwaltungsgericht ist unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die auf dem Freilager gelagerten Stoffe gefährliche feste Stoffe im Sinne der Nummern 5.2.2 und 5.2.7 der TA Luft enthalten, die entsprechend Nr. 5.2.3.5.1 der TA Luft in geschlossener Bauweise zu lagern seien. Die TA Luft konkretisiert die von Anlagenbetreibern einzuhaltenden Pflichten und stellt insoweit die Erfüllung von Schutz- und Vorsorgepflichten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG sicher (BVerwG, Urt. v. 24.10. 2013 – BVerwG 7 C 36/11 –, juris, RdNr. 49). Mit diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz setzt sich die Beschwerde nicht näher auseinander.

53

bb) Unabhängig davon ist auch nicht abschließend geklärt, ob von dem Freilager schädliche Umwelteinwirkungen in Form unzumutbarer Geruchsbelästigungen ausgehen.

54

Unter den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen fallen auch Geruchsbelästigungen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Ist die Schwelle der Erheblichkeit – wie bei Geruchsimmissionen – nicht durch Gesetz, Rechtsverordnung oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift bestimmt, kommt es darauf an, ob die Immissionen das nach der gegebenen Situation zumutbare Maß überschreiten. Die Zumutbarkeitsgrenze ist auf Grund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu bestimmen. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Gerüchen darf auch auf die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) als Orientierungshilfe zurückgegriffen werden, wobei sich aber jede schematische Anwendung der dort bestimmten Immissionswerte verbietet (zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 04.12.2018 – BVerwG 4 B 3.18 –, juris, RdNr. 6).

55

Nach Nr. 3.1 der GIRL sind Geruchsimmissionen in der Regel als erhebliche Belästigung zu werten, wenn die Gesamtbelastung IG (Nummer 4.6) die in Tabelle 1 angegebenen Immissionswerte (IW) überschreitet. Bei den Immissionswerten handelt es sich um relative Häufigkeiten der Geruchsstunden. Diese Häufigkeit beträgt nach der Tabelle 1 in Wohn- und Mischgebieten 0,10 und in Gewerbe-, Industrie- und Dorfgebieten 0,15 der Jahresstunden. Nach Nr. 3.3 der GIRL soll die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung der Immissionswerte der GIRL nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage in ihrer Gesamtheit zu erwartende Immissionsbeitrag (Kenngröße der zu erwartenden Zusatzbelastung nach Nummer 4.5) auf keiner Beurteilungsfläche, auf der sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten (vgl. Nummer 3.1), den Wert 0,02 überschreitet. Bei Einhaltung dieses Wertes ist davon auszugehen, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht (Irrelevanz der zu erwartenden Zusatzbelastung – Irrelevanzkriterium).

56

Die von der Antragstellerin herangezogene Protokoll über die Begehung des Geländes am 08.01.2018 (Anlage ASt 43), bei der offenbar keine (auffälligen) Geruchsemissionen festgestellt wurden, ist nicht aussagekräftig, da diese Begehung lediglich eine Momentaufnahme darstellt.

57

Auch das von der Antragstellerin zitierte Schreiben der M. GmbH vom 15.03.2019 (Anlage ASt 37) belegt nicht, dass von dem Freilager keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen können. Darin heißt es, nach den der M. vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Untersuchungen der I. GmbH und der darauf aufbauenden Geruchsimmissionsprognose der Fa. G. könnten erhebliche Geruchsbelästigungen durch den Betrieb der Außenlagerfläche im Bereich der L-Straße 13 in A-Stadt-Bahnhof gutachterlich nicht nachvollzogen werden. Die im Jahr 2017 gemessenen Geruchsemissionen seien zu gering, um in über 200 m Entfernung erhebliche Geruchsbelästigungen hervorzurufen. Da nach den Angaben der Betreiberin auf der Außenlagerfläche aktuell keine anderen Abfallstoffe gelagert würden als zum Zeitpunkt der Messung, dürften sich die Geruchsemissionen seit dem Zeitpunkt der Messung nicht geändert haben. Sollten die Geruchsemissionen – aus welchen Gründen auch immer – höher bzw. erheblich höher sein als zum Zeitpunkt der Messung 2017, wäre dies aus fachlicher Sicht zunächst durch Geruchsemissionsmessungen (entweder direkt über sog. Haubenmessungen nach VDI 3880 Blatt 1 oder indirekt durch Rückrechnung über Fahnenbegehungen nach DIN EN ISO 16841 Blatt 2) in einem ersten Ansatz zu prüfen bzw. die Geruchsbelastung zu bestimmen. Erkenntnisse zu Luftschadstoffemissionen aus der Außenlagerfläche und damit auch zu Luftschadstoffimmissionen im Umfeld lägen ihnen (den Gutachtern) derzeit nicht vor. Aus fachlicher Sicht sei anzunehmen, dass die Luftschadstoffemissionen aus der Aufbereitungsanlage und der Außenlagerfläche in Summe die Emissionen aus dem Schacht Angersdorf nicht überschreiten. Da nach dem bisherigen Erklärungsmodell auch keine (akuten) Gesundheitsgefahren hervorgerufen würden, sei es aus fachlicher Sicht aufgrund vergleichbarer Emissionen und Immissionen auch in A-Stadt nicht zu erwarten, dass es durch den Betrieb der Außenlagerfläche (akute) Gesundheitsgefährdungen hervorgerufen werden. Aus gutachterlicher Sicht seien Messungen analog zu den Messungen in Angersdorf durchzuführen, um die aktuelle Geruchs- und Luftschadstoffemission zu ermitteln. Unabhängig davon sollte von der Betreiberin geprüft werden, ob etwaig geruchsträchtige Abfallchargen zur Emissionsminderung abgedeckt werden könne, z.B. mit Folien oder Gewebe.

58

Aus diesen Ausführungen ergibt sich gerade nicht, dass schädliche Umwelteinwirkungen in Form erheblicher Geruchsbelästigungen ausgeschlossen werden können, insbesondere wenn geruchsträchtige Abfallchargen angeliefert werden. Entsprechend ihrem Vorschlag führte die M. GmbH im Auftrag der Antragstellerin am 28.03.2019 eine Geruchsemissionsmessung am Freilager und eine Geruchsimmissionsberechnung durch, die im Bericht Nr. M143719/19 vom 08.04.2019 (Anlage ASt 56, Bl. 49 ff. GA) dargestellt sind. Danach zeigte sich, dass die Irrelevanzschwelle der GIRL von 0,02 in den das Anlagengelände direkt umgebenden Wohnbebauungen überschritten werde. Es lägen Prognoseergebnisse von 0,04 – 0,07 vor. Unter der Voraussetzung, dass keine weiteren Vorbelastungen vorhanden seien, sei der Immissionswert von 0,10 bzw. 0,15 gemäß Genehmigungsbescheid aus dem Jahr 2004 eingehalten. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, bedarf der weiteren Aufklärung. Außerdem müsste sichergestellt werden, dass (besonders) geruchsintensive Stoffe, insbesondere solche, die ekelerregende Gerüche erzeugen und daher besonders belastend sind (vgl. dazu Nr. 5 der GIRL), dort nicht gelagert werden.

59

cc) Auch wenn vom Betrieb des Freilagers keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG ausgehen sollten, stünde die Genehmigungsfähigkeit dieses Anlagenteils noch nicht fest. Gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn 1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und 2. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Ob auch sichergestellt ist, dass die Antragsgegnerin die übrigen in § 5 BImSchG normierten Pflichten erfüllen wird und die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG erfüllt sind, ist bislang nicht geprüft worden.

60

e) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, eine atypische Situation liege auch deshalb vor, weil die Stilllegung des Freilagers bei ihr zu einem außergewöhnlich hohen Schaden führen würde und daher grundrechtsrelevant (Art. 12 und 14 GG) sei.

61

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, der Umstand, dass die Stilllegung einer ohne die erforderliche Genehmigung betriebenen Anlage zu wirtschaftlichen Einbußen bei dem Anlagenbetreiber und gegebenenfalls sogar zu dessen lnsolvenz führen könne, sei nicht atypisch. Der Anlagenbetreiber kann nicht einwenden, die Stilllegung der Anlage belaste ihn unverhältnismäßig, der illegale Betrieb sei deshalb auf unabsehbare Zeit zu dulden; es ist Sache des Betreibers, für die Legalisierung seiner Anlage zu sorgen (Hansmann/Röckinghausen, a.a.O., RdNr. 49, m.w.N.; vgl. auch Beschl. d. Senats v. 12.08.2016 – 2 M 24/16 –, juris, RdNr. 21). Das Fehlen finanzieller Mittel für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage vermag einen illegalen Betrieb nicht zu rechtfertigen (OVG BBg, Beschl. v. 31.08.2010 – OVG 11 S 17.10 –, juris, RdNr. 19).

62

f) Ohne Erfolg beanstandet die Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe sich mit den von ihr im erstinstanzlichen Verfahren dargestellten Folgen einer Stilllegung für den von ihr zu erfüllenden Sicherungsauftrag nicht (hinreichend) auseinandergesetzt.

63

In ihrer Antragsschrift vom 15.03.2019 hat die Antragstellerin ausgeführt, die Stilllegung führe zwangsläufig zum anteiligen Wegfall der sog. Schüttgutroute, die ca. 200.000 t im Jahr und ca. 2/3 der gesamten Versatztätigkeit umfasse, so dass sie ihren Sicherstellungsauftrag nicht mehr wahrnehmen könne. Insoweit hat sie auf ihre Ausführungen "unter B. II.2.a." verwiesen, die allerdings die Frage eines Verstoßes gegen Inhaltsbestimmungen betreffen. Auf Seite 15 der Antragsschrift hat die Antragstellerin angegeben, die Kapazität der Förderschachtanlage betrage ca. 210.000 t im Jahr, die Kapazität ihrer Mischanlage liege bei jährlich 125.000 t, wovon ca. 60 % ihres Outputs (ca. 75.000 t) direkt zum Schacht gehen könne. Auf Seite 18 der Antragsschrift hat sie ausgeführt, ohne das Freilager könnten nur temperaturunkritische Mengen aus der Mischanlage eingebracht werden; somit ergebe sich eine verbleibende Versatzmenge über die eigene Mischanlage von ca. 70.000 t. In ihrem Schriftsatz vom 10.04.2019 hat die Antragstellerin nochmals erklärt, dass 75.000 t aus der Mischanlage unter Umgehung des Freilagers direkt in Mulden gefüllt werden und nach Untertage verbracht werden könnten.

64

Vor diesem Hintergrund ist die Annahme des Verwaltungsgerichts (S. 26 des Urteilsabdrucks), nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen stehe eine Gefährdung des Sicherungsauftrages als Folge der Stilllegung des Freilagers nicht im Raum, weil auch nach Stilllegung des Freilagers ein Versatz der Hohlräume mit anderen als auf dem Freilager zwischengelagerten Abfällen oder sonstigem Ersatzgut möglich sei, nicht zu beanstanden. Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 10.04.2019 eingewandt hat, das Freilager werde auch für die Fälle benötigt, in denen ein Versatz durch Ausfall der Kipper, des Rollwagens oder der Schachtförderanlage nicht stattfinden könne, was im Jahr 2018 an 10 Tagen im Oktober und November der Fall gewesen sei, ist nicht ersichtlich, inwieweit ein solcher (kurzzeitiger) Wegfall der Fördermöglichkeit den Sicherungsauftrag gefährden soll. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der öffentlich-rechtliche Sicherungsauftrag sei im Rahmen des rechtlich Möglichen wahrzunehmen, so dass eine Gefährdung dieses Auftrages durch eine Stilllegung des Freilagers keinen atypischen Fall begründen könne. Für den Fall, dass der Antragstellerin eine entsprechende Organisation der Betriebsabläufe (Versatz ohne Nutzung des Freilagers) nicht gelinge oder die von ihr befürchtete Insolvenz eintrete, wäre es gegebenenfalls Sache des Antragsgegners, für eine anderweitige Sicherstellung des Sicherungsauftrages – im Rahmen des rechtlich Möglichen – zu sorgen.

65

Damit kann keine Rede davon sein, dass sich das Verwaltungsgericht mit der von der Antragstellerin dargestellten Problematik des Sicherungsauftrages nicht auseinandergesetzt habe. Vielmehr fehlt es an dieser Stelle an einer Auseinandersetzung der Beschwerde mit den diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz.

66

5. Die Antragstellerin beanstandet ferner, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner mit der (Teil-)Stilllegung nur des Freilagers den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt habe. Die Unverhältnismäßigkeit der Anordnung ergebe sich gerade aus den Auswirkungen des Freilagers auf den Gesamtbetrieb sowie daraus, dass es weder ihr noch sonst jemandem möglich sei, innerhalb weniger Wochen nach Kenntnis der grundlegend geänderten Rechtsauffassung des Antragsgegners einen genehmigungsfähigen immissionsschutzrechtlichen Antrag vorzulegen, zumal der Antragsgegner die dazu notwendige Mitwirkung bzw. Beratung zur Verbesserung der Geruchssituation durch Errichtung eines optimierten Freilagers bzw. einer Leichtbauhalle mit optimiertem Freilager seit Ende 2018 verweigere. Letzteres habe der Antragsgegner u.a. in seinem Schreiben vom 18.04.2019 gezeigt, in welchem er die Durchführung einer Antragskonferenz nach § 2 der 9. BImSchV erneut mit der Begründung verweigert habe, die Antragstellerin habe noch keinen konkreten Antrag vorgelegt. Ändere die Behörde nach mehr als 12 Jahren ihre Rechtsauffassung derart grundlegend, müsse die Frist so bemessen sein, dass sie ihren Pflichten – unter Mitwirkung des Antragsgegners – innerhalb dieses Zeitraums nachkommen könne. Dies sei aber gar nicht gewollt, was die Fristsetzung und die "Diskussionen" um die Einleitung eines Genehmigungsverfahrens dokumentierten. Die vom Antragsgegner verfügte Frist zur Stilllegung und Beräumung des Freilagers von 6 Wochen nach Zustellung der Entscheidung sei daher unverhältnismäßig. Bei der Fristsetzung hätte beachtet werden müssen, dass ihr nicht bekannt gewesen sei und auch nicht habe bekannt sein können, dass das Freilager ohne Genehmigung betrieben werde, der Antragsgegner den Betrieb jahrelang geduldet habe und seine Rechtsauffassung plötzlich geändert habe. Sie könne die Räumung des Lagers innerhalb von 6 Wochen nur unter Inkaufnahme eines nicht wiedergutzumachenden existenziellen Schadens bewerkstelligen. Angemessen wäre eine Frist, die es ihr ermöglichen würde, einen genehmigungsfähigen Antrag zu stellen, ggf. mit Zustimmung des Antragsgegners Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um somit alsbald zu einem genehmigungskonformen Betrieb zu gelangen. Für eine gleichwohl ergehende Stilllegung müssten unmittelbar drohende Gefahren für Leib und Leben Dritter bestehen, die aber nach dem vorgelegten Gutachten von Frau Prof. Dr. Foth vom 02.04.2019 nicht existierten. Im Übrigen hätten auch die Geruchsbeschwerden in den letzten Wochen deutlich abgenommen. Auch mit diesen Einwänden vermag die Antragstellerin nicht durchzudringen.

67

a) Wie oben bereits dargelegt, kann der Anlagenbetreiber nicht einwenden, die Stilllegung der Anlage belaste ihn unverhältnismäßig, der illegale Betrieb sei deshalb auf unabsehbare Zeit zu dulden; vielmehr ist es Sache des Betreibers, für die Legalisierung seiner Anlage zu sorgen. Die Rechtmäßigkeit einer Anordnung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG hängt auch nicht davon ab, ob den Betreiber der Anlage hinsichtlich der Umstände, die ihre formelle Illegalität nach sich ziehen (bzw. daran, dass dieser Zustand noch nicht behoben wurde), ein Verschulden trifft (BayVGH, Beschl. v. 03. 07.2018 – 22 ZB 18.855 –, juris, RdNr. 18).

68

Unabhängig davon kann keine Rede davon sein, dass der Antragsgegner seine Rechtsauffassung zu der Frage, ob das Freilager (noch) von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gedeckt ist, unvermittelt geändert habe mit der Folge, dass der Antragstellerin nicht genügend Zeit geblieben sei, um einen genehmigungsfähigen (Änderungs-)Antrag stellen zu können. Wie bereits ausgeführt, gab der Antragsgegner spätestens mit dem an die Antragstellerin gerichteten Schreiben vom 12.07.2013 (Beiakte O, Bl. 94 ff.) zu erkennen, dass das Freilager abweichend von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung noch nicht zu einer Lagerhalle ausgebaut war und dies nicht hingenommen werden könne, und forderte die Antragstellerin mit Blick auf die aufgeführten schwerwiegenden Abweichungen der Anlage vom Genehmigungsstand auf, den bereits mehrfach angekündigten Änderungsantrag bis zum 20.12.2013 vorzulegen. Nur hinsichtlich des weiteren Vorgehens gegenüber der Antragstellerin mag aufseiten des Antragsgegners Unsicherheit bestanden haben. Zunächst war geplant, eine nachträgliche Anordnung nach § 17 BImSchG zu erlassen mit dem Inhalt, dass die Planungsunterlagen für die Errichtung der Halle innerhalb einer noch festzusetzenden angemessenen Frist vorzulegen seien. Die Antragstellerin konnte aber nicht darauf vertrauen, dass der Antragsgegner den illegalen Zustand weiter, ggf. sogar bis zum Ende der Versatztätigkeit, dulden und von einer Stilllegung des Freilagers absehen werde. Soweit die Antragstellerin geltend macht, der Antragsgegner verweigere die Mitwirkung bzw. Beratung zur Verbesserung der Geruchssituation durch Errichtung eines optimierten Freilagers bzw. einer Leichtbauhalle mit optimiertem Freilager seit Ende 2018, ist dem entgegenzuhalten, dass zwar Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Stilllegungsanordnung durchgreifen können, wenn der Betreiber alles unternimmt, um eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung alsbald zu erlangen und die Genehmigungsfähigkeit der Anlage offensichtlich ist (NdsOVG, Beschl. v. 12.12.2013, a,a,O., RdNr. 7). Diese betrifft allerdings nur diejenigen Fälle, in denen die Genehmigung der Anlage, so wie sie derzeit betrieben wird, Gegenstand des vom Betreiber gestellten Genehmigungsantrages ist. Dass der Antragsgegner nach Ergehen der Stilllegungsanordnung jedenfalls bis zum Ergehen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Antragstellerin zunächst nicht (mehr) dabei unterstützt, einen genehmigungsfähigen Zustand zu erreichen, ist für die Frage, ob die Stilllegungsanordnung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt, ohnehin unerheblich.

69

b) Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Antragstellerin, die ihr gesetzte Frist zur Stilllegung und Räumung des Freilagers von 6 Wochen nach Bekanntgabe der Anordnung sei zu kurz bemessen.

70

Damit vermag die Antragstellerin schon deshalb nicht (mehr) durchzudringen, weil sich diese Frist durch das mehrere Monate dauernde vorläufige Rechtsschutzverfahren erledigt hat, in welchem dem Antragsgegner durch die Zwischenentscheidung des Senats vom 09.05.2019 untersagt worden ist, die Stilllegungsanordnung vor Ablauf eines Monats nach einer Entscheidung über die Beschwerde zu vollstrecken. Im Übrigen erachtet der Senat sowohl die zunächst vom Antragsgegner gesetzte Frist von 6 Wochen ab Bekanntgabe der Entscheidung als die nunmehr geltende Monatsfrist (weiterhin) als angemessen.

71

Die dem Adressaten eines Verwaltungsakts zur Erfüllung einer Handlungspflicht gewährte Frist ist angemessen, wenn sie das behördliche Interesse an der Schnelligkeit der Ausführung berücksichtigt und zugleich dem Betroffenen die nach der Lebenserfahrung erforderliche Zeit gibt, seiner Pflicht nachzukommen. Hierbei kann die Behörde die Frist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit umso kürzer bemessen, je größer die Gefahrenlage ist. Maßgeblich ist, dass ein kooperationsbereiter Störer in der Situation des Betroffenen innerhalb der bestimmten Frist die ihm aufgegebene Maßnahme abschließen oder jedenfalls ins Werk setzen kann, zumal mit der Anwendung des Zwangsmittels zuzuwarten ist, wenn sich abzeichnet, dass der Pflichtige sich entschließt, die durchzusetzende Anordnung selbst zu erfüllen (vgl. Beschl. d. Senats v. 22.04.2015 – 2 L 53/13 –, juris, RdNr. 92, m.w.N.).

72

Gemessen daran ist die vom Antragsgegner verfügte Frist von 6 Wochen nach Zustellung der Stilllegungsanordnung nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, weshalb es ihr nicht möglich sein soll, das Freilager innerhalb dieses Zeitraums stillzulegen und zu beräumen. Die Antragstellerin benötigt nach ihren Angaben in den Schriftsätzen vom 18.04.2019 und 07.05.2019 ca. drei Wochen für die Beräumung des Freilagers, wenn die gelagerten Stoffe nicht mehr als eine Menge von ca. 4.000 t umfassen. Nach ihrem Vortrag im Schriftsatz vom 24.04.2019 (S. 2) und der Erklärung ihres Geschäftsführers vom 23.04.2019 (Anlage Ast. 77) hätte sie, um die Räumung des Freilagers bis zum Ablauf der Sechs-Wochen-Frist ab Zugang der erstinstanzlichen Entscheidung am 27.05.2019 zu gewährleisten, spätestens am 25. oder 26.04.2019 Anlieferungen aus bestehenden Verträgen ablehnen bzw. dies den Kunden mitteilen müssen, damit der für eine fristgerechte Räumung erforderliche maximale Freilagerbestand von maximal 4.000 t erreicht wird. Deshalb ist der Senat in der Zwischenentscheidung vom 09.05.2019 davon ausgegangen, dass sich die "Absteuerung" der Anlieferungen und die Beräumung des Freilagers innerhalb eines Monats bewerkstelligen lassen.

73

Dagegen kommt es für die Angemessenheit der Frist nicht darauf an, ob die Antragstellerin innerhalb dieser Frist auch in der Lage ist, einen genehmigungsfähigen Antrag zu stellen und wie auch immer geartete "Sofortmaßnahmen" zu ergreifen; denn solche Handlungen sind nicht Gegenstand der der Antragstellerin in der angegriffenen Verfügung aufgegebenen Verpflichtung. Die Forderung der Antragstellerin, der Antragsgegner hätte ihr für einen weiteren – nicht näher konkretisierten – Zeitraum Gelegenheit geben müssen, einen genehmigungsfähigen Zustand in Form einer doch noch zu errichtenden Lagerhalle oder eines "optimierten" Freilagers herzustellen, läuft letztlich darauf hinaus, dass eine Stilllegung des Freilagers in seiner jetzigen Form aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu unterbleiben habe. Dies ist aber aus den oben bereits dargelegten Gründen nicht der Fall.

74

Vor diesem Hintergrund sieht der Senat auch keinen Anlass, die in der Zwischenentscheidung vom 09.05.2019 zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes festgelegte Frist von einem Monat nach Ergehen einer Beschwerdeentscheidung, bis zu deren Ablauf es dem Antragsgegner untersagt bleibt, die Stilllegungsanordnung zu vollstrecken, zu ändern. Diese bleibt aufrechterhalten.

75

c) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin darf eine Stilllegungsanordnung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht nur dann ergehen, wenn Gefahr für Leib und Leben Dritter unmittelbar drohen. Die von ihr zitierte Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen vom 08.11.2016 (a.a.O.) trifft keine solche Aussage. Darin (RdNr. 72 f.) heißt es vielmehr:

76

"Gemessen daran lag hier kein atypischer Fall vor, den der Antragsgegner zum Anlass hätte nehmen müssen, ein milderes Mittel als die verfügte Stilllegung in Erwägung zu ziehen oder von einem Eingreifen sogar gänzlich abzusehen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es dabei nicht darauf an, dass der Antragsgegner bislang keine Anhaltspunkte für die fehlende Genehmigungsfähigkeit der vorgenommenen Änderungen aufgezeigt hat. Entscheidend ist umgekehrt, dass es – nicht zuletzt wegen der widersprüchlichen Einlassungen der Antragstellerin zum konkreten Zustand der Anlage – bislang keinen hinreichenden Grund für die Annahme gibt, dass die Änderungen genehmigt werden könnten.

77

Die Behauptung, dass der Betrieb der geänderten Anlage bislang keine konkreten Gefährdungen Dritter verursacht habe, ändert daran nichts. Die Befugnis zum Erlass einer Stilllegungsanordnung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG bezweckt nicht allein eine ordnungsbehördliche Reaktion auf einen rechtswidrigen Anlagenbetrieb und etwaige in der Vergangenheit eingetretene Gefahrensituationen, sondern darüber hinaus die effektive zukunftsbezogene Gefahrenabwehr. Es ist gerade nicht ausgeschlossen, dass die von der Antragstellerin vorgenommenen Änderungen zukünftig solche Gefahren auslösen können. Nichts anderes hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin der Senat in seinem von ihr herangezogenen Beschluss vom 10. Juni 2015 (8 B 555/15) entschieden. Darin hat er unter anderem ausgeführt, es sei nicht erkennbar, dass über die vom Antragsgegner geltend gemachte formelle Illegalität der hier streitgegenständlichen Biogasanlage hinaus hinreichend konkrete Gefahren für gewichtige Rechtsgüter – wie etwa Leib und Leben – bestehen, die das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG zurücktreten ließen. Diese Ausführungen beziehen sich nicht auf die Ermessensentscheidung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG. Insbesondere hat der Senat gerade nicht festgestellt, dass ein begründeter Anlass zu der Annahme bestehe, die Änderungen seien genehmigungsfähig. Seine Ausführungen stehen allein im Kontext mit einer Interessenabwägung im Rahmen des Erlasses einer Zwischenentscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO betreffend Überwachungsmaßnahmen nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG. Der dabei vom Senat angelegte Prüfungsmaßstab, ob dem Grundrecht des jeweiligen Antragstellers aus Art. 19 Abs. 4 GG der Vorrang vor einem Interesse an dem Vollzug der angefochtenen Maßnahme noch während des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes gebührt, unterscheidet sich grundlegend von dem im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG anzulegenden Maßstab für ein ausnahmsweises Absehen vom Erlass einer Stilllegungs- oder Beseitigungsanordnung."

78

In dieser Entscheidung hat das OVG NW (RdNr. 71) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.12.1989, a.a.O., RdNr. 30; Beschl. v. 04.11.1992, a.a.O.) ferner ausgeführt, wegen des hohen Rangs, den das Gesetz der Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen einräume, und wegen der Bedeutung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für die Erreichung dieses Ziels ermächtige § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG die Behörde, wie aus der Verwendung des Wortes "soll" deutlich werde, im Regelfall die Stilllegung einer ungenehmigten Anlage anzuordnen. Darin liege zugleich die aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgende Beschränkung, dass in atypischen Fällen zu prüfen und darüber zu entscheiden sei, ob ein milderes Mittel ausreiche, die Einhaltung der Pflichten des Betreibers, wie § 5 BImSchG es erfordere, zu gewährleisten. Habe die Behörde begründeten Anlass zu der Annahme, die Anlage entspreche so, wie sie betrieben werde, materiell den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen, sei also lediglich formell illegal, könne von dem Erlass einer Stilllegungsverfügung abgesehen und dem Betreiber aufgegeben werden, unverzüglich die zur Einleitung eines Genehmigungsverfahrens erforderlichen Unterlagen einzureichen. Zweifel gingen indes zu Lasten des Betreibers der ungenehmigten Anlage. Die Behörde brauche bei der Prüfung, ob der gesetzlich vorausgesetzte Regelfall oder ein atypischer Sonderfall vorliege, keine umfangreichen und zeitraubenden Ermittlungen über die materielle Genehmigungsfähigkeit der Anlage anzustellen. Sie dürfe dies umso weniger, je schädlicher die Umwelteinwirkungen sind, die von dem ungenehmigten Betrieb der Anlage ausgehen können. Dies gelte vor allem bei Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen. Der Schutz dieser Rechtsgüter vor möglichen Gefahren wiege ungleich schwerer als das Interesse des Betreibers, den möglicherweise nicht gefährlichen Betrieb einer ungenehmigten Anlage vorerst fortsetzen zu dürfen.

79

Der Erlass einer Stilllegungsanordnung setzt mithin – auch nach dieser Rechtsprechung – gerade nicht voraus, dass Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter durch schädliche Umwelteinwirkungen unmittelbar drohen. Dies ist vielmehr ein Umstand, der "vor allem" eine Stilllegung rechtfertigt.

80

Unabhängig davon können solche Gefahren für die Bewohner der in der Nähe des Freilagers liegenden Wohngrundstücke auch nicht von vorn herein ausgeschlossen werden. Nach den Antragsunterlagen zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22.09.2004 gehören zu den Einsatzstoffen für die Mischanlage zur Versatzgutherstellung (Bl. 170 ff. der Beiakte G) u.a. Abfälle mit gefährlichen Stoffen. Auch mit der von der Antragstellerin herangezogenen gutachterlichen Beurteilung der Gesundheitsverträglichkeit in der Umgebung des Abwetterschachtes "Halle" von Frau Prof. Dr. F. vom 02.04.2019 (Zusammenfassung, Bl. 141 GA) ist nicht belegt, dass solche Gefahren ausgeschlossen sind. Darin zeigte die wissenschaftliche Analyse der Abluft dieses Schachtes zwar keine Zusammenhänge zwischen den geruchsaktiven Stoffen und toxikologischen Endpunkten eines Gesundheitsschadens. Es ist aber nicht geklärt, ob die vom Freilager ausgehenden Emissionen mit den Emissionen aus dem – ca. 6 bis 7 km entfernten – Abwetterschacht identisch sind. Die Ergebnisse dieses Gutachtens basieren auf Beschwerden aus der Bevölkerung (hauptsächlich in F-Stadt), einer Analyse der Stoffe in der Luft des Abwetterschachtes, einer vertieften Analyse zu Verdachtsstoffen mit starkem Geruch, Informationen zur Geländemorphologie, einer Modellierung der Ausbreitung luftgetragener Stoffe aus dem Abwetterschacht sowie einer Analyse von gewonnenen Luftproben des Untertagebaus.

81

6. Soweit die Antragstellerin im letzten Schriftsatz vom13.06.2019 darauf verweist, es fehle jeglicher Vortrag dazu, was das Ergebnis des vom Wirtschaftsministerium eingesetzten Sonderermittlers zur Aufklärung von Versäumnissen des Antragsgegners sei, ist nicht ersichtlich, inwieweit dieses Ergebnis entscheidungserheblich sein soll. Selbst wenn Versäumnisse aufseiten des Antragsgegners vorliegen sollten, folgt daraus nicht, dass der Antragsgegner daran gehindert wäre, die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen bei einem illegalen Betrieb des Freilagers zu ergreifen.

82

7. Die Antragstellerin macht geltend, selbst bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit der Anordnung bestehe kein besonderes Vollzugsinteresse. Allein die offensichtliche Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts könne die sofortige Vollziehung nicht rechtfertigen. Vielmehr seien die Umstände zu prüfen, die ein öffentliches Vollzugsinteresse ausschließen. Werde der Betroffene durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung schwer in durch Grundrechte geschützten Positionen betroffen, sei festzustellen, ob es einer Anordnung der sofortigen Vollziehung als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter noch vor Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung bedürfe. Werde – wie hier – die Berufsfreiheit betroffen, lasse das Bundesverfassungsgericht nicht schon die hohe Wahrscheinlichkeit genügen, dass das Hauptsacheverfahren zum gleichen Ergebnis wie die summarische Prüfung komme. Dies gelte auch und erst recht bei einem Existenz bedrohenden Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerin nach Art. 14 GG. Das Verwaltungsgericht habe sich zur Begründung des besonderen öffentlichen Interesses ungeprüft auf die – bestrittene – Behauptung des Antragsgegners bezogen, dass sich die bereits festgestellten Nachteile und Gesundheitsgefahren verstärken könnten und lasse offen, ob vom Betrieb der Antragstellerin schädliche Umwelteinwirkungen ausgingen und ob bzw. welche Folgen diese entsprechend den Feststellungen von Frau Dr. Sarodnick hätten. Mit der Argumentation, dass der von der Antragstellerin geltend gemachte Schaden nicht zur Duldung eines illegalen Anlagenbetriebs führen könne und die Antragstellerin selbst diesen Zustand herbeigeführt habe, verkenne das Verwaltungsgericht auch das Interesse des Betroffenen daran, einer Stilllegungsanordnung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG nicht ohne ordnungsgemäße Prüfung seiner (existenziellen) Belange im Rahmen des Eilverfahrens ausgesetzt zu sein, selbst wenn die Anordnung voraussichtlich rechtmäßig wäre. Es liege auf der Hand, dass die befürchteten Folgen für die Nachbarschaft während einer gerichtlichen Überprüfung nach einem mehr als 25-jährigen nicht beanstandeten Betrieb des Freilagers nicht so gravierend sein könnten, als dass dafür die Existenz des Unternehmens und der Verlust der Arbeitsplätze hinzunehmen wären. Auch diese Einwände bleiben ohne Erfolg.

83

a) Ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Stilllegungsverfügung besteht hier – ungeachtet des langen Zeitraums, in denen das Freilager mit Kenntnis des Antragsgegners bereits betrieben wird – deshalb, weil hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass vom Freilager über einen nicht unerheblichen Zeitraum schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG ausgegangen sind und eine Wiederholung nicht ausgeschlossen werden kann.

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aa) Wie oben bereits erörtert, fallen unter den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen auch Geruchsbelästigungen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Dabei kommt es darauf an, ob die Immissionen das nach der gegebenen Situation zumutbare Maß überschreiten.

85

Nach einer im Verwaltungsvorgang "Freilager" (Beiakte L, Bl. 597 ff.) enthaltenen (anonymisierten) Liste, die der Antragsgegner nach Ergehen des erstinstanzlichen Beschlusses in nicht anonymisierter Form ohne Sperrvermerk (Anlage AG 8, Beiakte V) vorgelegt hat und der Antragstellerin am 16.04.2019 zur Kenntnis übersandt wurde, gab es Beschwerden von Anwohnern umliegender Wohngrundstücke über erhebliche Geruchsbelästigungen in der Zeit vom 05.03.2018 bis 22.03.2019, die auch zu körperlichen Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen und Übelkeit geführt haben sollen. Eine starke Geruchsbelästigung am 17.08.2018 hatte sogar einen Feuerwehreinsatz in einem Kindergarten zur Folge. Auch aus den von der Antragstellerin selbst vorgelegten Unterlagen (Anlagen ASt 60 und 61, Bl. 68 f. GA) ergibt sich, dass es insbesondere von der 32. Kalenderwoche des Jahres 2018 bis zur 12. Kalenderwoche des Jahres 2019 solche Beschwerden gab. Ferner spricht vieles dafür, dass die Geruchsbelästigungen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Bewohner umliegender Grundstücke führten. Nach der Erklärung der in A-Stadt ansässigen Allgemeinmedizinerin Dr. S. vom 20.03.2019 (Anlagen AG 10, Beiakte V) klagten seit ca. einem Jahr mehrere ihrer Patienten über Beschwerden, die durch den Gestank ausgelöst würden bzw. in zeitlichem Zusammenhang mit ihm stünden; es handele sich vorrangig um Atembeschwerden, Kopfschmerzen, Übelkeit bis hin zum Erbrechen, Schlafstörungen, Bindehautentzündungen (die auch bei ihr aufgetreten sei), Hautreizungen, Beklemmungsgefühle und Angst. Ferner liegen Erklärungen verschiedener Bürger vor, in denen solche Beschwerden beschrieben werden. Auch diese Unterlagen hat der Antragsgegner mittlerweile ohne Sperrvermerk vorgelegt, und sie wurden der Antragstellerin am 16.04.2019 zur Kenntnisnahme übersandt. Dass solche erheblichen Belästigungen mit den dargestellten körperlichen Beschwerden vorgelegen haben, widerlegt auch nicht die von der Antragstellerin herangezogene gutachterliche Beurteilung von Frau Prof. Dr. F. vom 02.04.2019, nach der keine Zusammenhänge zwischen den geruchsaktiven Stoffen und toxikologischen Endpunkten eines Gesundheitsschadens bestünden. Unabhängig davon, ob diese für den Abwetterschacht in F-Stadt getroffene Aussage auch für das ca. 6 bis 7 km entfernte Freilager herangezogen werden kann, hat die Gutachterin – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – darauf hingewiesen, dass Gerüche umweltmedizinisch eindeutig der Anlass für körperliche Reaktionen seien, die überwiegend unbewusst und ungewollt abliefen. Letztendlich endeten diese dann in den beschriebenen Beschwerdemustern. Ihre Empfehlung sei daher, die Beschwerden in ihren Schweregraden mit dem Anlass Geruch/Gestank anzuerkennen.

86

Der Antragstellerin ist zwar darin beizupflichten, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Gerüchen auch auf die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) als Orientierungshilfe zurückgegriffen werden darf (BVerwG, Beschl. v. 04.12.2018, a.a.O., RdNr. 6), nach deren Nr. 3.1 Geruchsimmissionen in der Regel als erhebliche Belästigung zu werten sind, wenn die Gesamtbelastung IG (Nummer 4.6) die in Tabelle 1 angegebenen Immissionswerte (IW) überschreitet, also um relative Häufigkeiten der Geruchsstunden den Zumutbarkeitsmaßstab abbilden, so dass die Bewertung von Frau Prof. Dr. F. allein noch nicht die Feststellung rechtfertigen, die Geruchsbelastungen seien unzumutbar. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass nach Nr. 5 der GIRL für die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, ein Vergleich der nach dieser Richtlinie zu ermittelnden Kenngrößen mit den in Tabelle 1 festgelegten Immissionswerten u.a. dann nicht ausreichend ist, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass wegen atypischer Verhältnisse trotz Einhaltung der Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden (z.B. Ekel und Übelkeit auslösende Gerüche). Zudem verbietet sich jede schematische Anwendung der in der GIRL bestimmten Immissionswerte (BVerwG, Beschl. v. 04.12.2018, a.a.O.). Damit ist die Frage der Zumutbarkeit der vom Freilager ausgehenden Geruchsbelästigungen zwar noch nicht abschließend geklärt. Die von verschiedenen Anwohnern beklagten, verschiedenen körperlichen Beschwerden sind hierfür aber gewichtige Indizien. Dies genügt, um die sofortige Vollziehung einer Stilllegungsanordnung einer nicht genehmigten Anlage anordnen zu können.

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Die wahrgenommenen erheblichen Geruchsbelästigungen werden auch nicht durch die Immissionsprognose der G. GmbH (G.) vom 01.06.2018 (Beiakte T, Anlage Ast. 45) (S. 8 ff.) widerlegt, die zu dem Ergebnis kam, dass die auf dem Betriebsgelände der Antragstellerin vorhandenen Emissionsquellen Mischanlage/Schachthalle, Dickstoffversatzanlage und Freilager keine erheblichen Belästigungen im Sinne der GIRL verursachten. Die Prognose, die im Wesentlichen auf Messwerte aus dem Anlagenbetrieb zurückgreift (S. 24), geht davon aus, dass durch die Annahmekriterien der Antragstellerin der Einsatz von erheblich geruchsrelevanten Abfällen ausgeschlossen sei (S. 7 f.), was aber aufgrund der Anwohnerbeschwerden nicht ohne weiteres unterstellt werden kann. Auch das von der Antragstellerin zitierte Schreiben der M. GmbH vom 15.03.2019 (Anlage ASt 37) widerlegt nicht, dass es zu erheblichen Geruchsbelästigungen der Nachbarschaft gekommen ist. Darin konnten die Gutachter auf der Grundlage der Untersuchungen der I. GmbH und der darauf aufbauenden Geruchsimmissionsprognose der Fa. G. erhebliche Geruchsbelästigungen durch den Betrieb der Außenlagerfläche im Bereich der L-Straße 13 in A-Stadt-Bahnhof gutachterlich nicht nachvollziehen, weil die im Jahr 2017 gemessenen Geruchsemissionen zu gering seien, um in über 200 m Entfernung erhebliche Geruchsbelästigungen hervorzurufen. Diese Schlussfolgerung mag nachvollziehbar sein, beruht aber auf Messungen aus dem Jahr 2017, in welchem noch keine Beschwerden über Geruchsbelästigungen dokumentiert sind, und der Angabe der Antragstellerin, dass auf der Außenlagerfläche aktuell keine anderen Abfallstoffe gelagert würden als zum Zeitpunkt der Messung. Die von der M. GmbH im Auftrag der Antragstellerin vorgenommene Geruchsemissionsmessung am Freilager und die Geruchsimmissionsberechnung (Anlage ASt 56, Bl. 49 ff. GA) ergaben, dass die Irrelevanzschwelle der GIRL von 0,02 in den das Anlagengelände direkt umgebenden Wohnbebauungen überschritten, der Immissionswert der GIRL von 0,10 bzw. 0,15 aber eingehalten werde, wenn keine weiteren Vorbelastungen vorhanden seien. Ferner müsse sichergestellt werden, dass (besonders) geruchsintensive Stoffe, insbesondere solche, die ekelerregende Gerüche erzeugen und daher besonders belastend sind, dort nicht gelagert werden. Da die Emissionsmessung erst am 28.03.2019 durchgeführt wurde, mithin erst nach der letzten Meldung über "Gestank" am 22.03.2019, vermag diese Messung keine Aussage über die davor vom Freilager ausgehenden Geruchsemissionen zu treffen.

88

Zwar mögen die Beschwerden über Geruchsbelästigungen nach Erlass der angefochtenen Stilllegungsverfügung zurückgegangen sein. Dies vermag aber nichts daran zu ändern, dass von dem Freilager jedenfalls über einen nicht unerheblichen Zeitraum von ca. einem Jahr Geruchsbelästigungen ausgingen, die mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit die Schwelle der Erheblichkeit überschritten, und die Gefahr besteht, dass solche auch künftig wieder auftreten werden. Es ist nicht hinzunehmen, dass die Bewohner der näheren Umgebung des Freilagers fürchten müssen, künftig wieder solchen Belästigungen ausgesetzt zu sein, auch wenn diese nicht zu Gesundheitsschäden führen sollten, sondern nur "körperliche Reaktionen" auslösen sollten. Gerade um Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen insbesondere auch dieser Art zu treffen, sollte die – von der Antragstellerin ursprünglich auch geplante – Lagerhalle errichtet werden.

89

Auch der Umstand, dass nach der Immissionsprognose der G. vom 01.06.2018 (Beiakte T, Anlage Ast. 45, S. 8 ff.) auf dem Betriebsgelände der Antragstellerin in A-Stadt neben dem Freilager (668 GE/s) auch die Mischanlage/Schachthalle (280 GE/s) und die Dickstoffversatzanlage (220 GE/s) nicht unerhebliche Geruchsemissionen verursachen, führt zu keiner anderen Beurteilung; denn das Freilager stellt danach die Hauptemissionsquelle auf dem Gelände dar. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Geruchsbelästigungen auf andere Emissionsquellen außerhalb des Betriebsgeländes der Antragstellerin zurückzuführen sein könnten, bestehen nicht.

90

bb) Der Senat sieht auch keinen Anlass, wegen des von der Antragstellerin geltend gemachten Gehörsverstoßes den Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

91

Die Antragstellerin gibt hierzu an, der Antragsgegner habe sich bei seiner Entscheidung maßgeblich auf die in den Anlagen AG 8 bis AG 14 enthaltenen Unterlagen gestützt. Diese hätten ihr aber wegen des zunächst enthaltenen Sperrvermerks nicht zur Einsichtnahme zur Verfügung gestanden, so dass sie im erstinstanzlichen Verfahren nicht dazu habe Stellung nehmen können. Durch die Übersendung dieser Unterlagen ohne Sperrvermerk erst nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens sei eine der beiden ihr zur Verfügung stehenden Instanzen vollständig entwertet worden, so dass sich das vorläufige Rechtsschutzverfahren faktisch auf eine Instanz und damit unzumutbar verkürze. Zudem scheide wegen der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO von einem Monat von vorn herein jede Möglichkeit aus, sich im Beschwerdeverfahren noch mit den Umständen auseinanderzusetzen, die das Verwaltungsgericht – wiewohl es die in Rede stehenden Unterlagen seinerzeit dem Antragsgegner zurückgesandt habe – doch aus diesen Unterlagen entnommen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe.

92

Dieses Vorbringen rechtfertigt keine Zurückverweisung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens. In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob eine Zurückverweisung im Eilverfahren in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 2 VwGO bzw. nach § 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO zulässig ist (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 26.02.2009 – 4 M 29/09 –, juris, RdNr. 10, m.w.N.). Dies setzt jedenfalls voraus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 VwGO vorliegen (OVG LSA, Beschl. v. 06.03.2015 – 1 M 2/15 –, juris, RdNr. 2). Danach darf das Oberverwaltungsgericht die Sache nur zurückverweisen, soweit das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist (Nr. 1) oder wenn das Verwaltungsgericht noch nicht in der Sache selbst entschieden hat (Nr. 2). Beide Alternativen liegen hier nicht vor. Dass ein Verfahrensmangel eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme erforderlich macht, ist in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in aller Regel nicht der Fall (OVG NW, Beschl. v. 17.03.2009 – 7 B 1768/08 –, juris, RdNr. 7). Auch die Antragstellerin legt nicht dar, weshalb im hier vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme aufgrund des von ihr gerügten Verstoßes gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs notwendig sein könnte. Ein Fall des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist offenkundig nicht gegeben. Unabhängig davon kommt die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache wegen einer gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der Beschwerdeführer mit der Beschwerde ausreichend Möglichkeiten gehabt hat, rechtliches Gehör zu erlangen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 06.03.2015, a.a.O., RdNr. 8, m.w.N.; Beschl. v. 26.02.2009, a.a.O.). So liegt es hier. Es erschließt sich dem Senat nicht, weshalb die Antragstellerin nach Übersendung der nicht mehr mit einem Sperrvermerk versehenen Anlagen AG 8 bis 14 am 16.04.2019 keine Möglichkeit gehabt haben soll, im Beschwerdeverfahren zu diesen Unterlagen und den vom Verwaltungsgericht dazu angestellten Erwägungen innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO Stellung zu nehmen. Zudem bleibt es einem Beschwerdeführer unbenommen, die vor Ablauf dieser Frist dargelegten Gründe zu ergänzen und zu vertiefen (BayVGH, Beschl. v. 21.07.2016 – 15 CE 16.1279 –, juris, RdNr 47; VGH BW, Beschl. v. 15.04.2014 – 8 S 2239/13 –, juris, RdNr. 11; NdsOVG, Beschl. v. 14.09.2009 – 5 ME 130/09 –, juris, RdNr. 18; HessVGH, Beschluss vom 18.09.2007 – 8 TG 2841/06 –, juris, RdNr. 11).

93

b) Das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an einem Weiterbetrieb des Freilagers überwiegt dieses besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Stilllegungsanordnung nicht.

94

Der Wegfall des Freilagers mag dazu führen, dass die Antragstellerin – wie sie geltend macht – exotherm reagierendes temperaturkritisches Material, das ca. 40 % des Anlagendurchsatzes entsprechen und nach den zugelassenen Rezepturen, insbesondere aus arbeitshygienisch-toxikologischen Gründen, für die Herstellung der Versatzmischungen erforderlich sein mag, nicht mehr annehmen kann, weil das Freilager als Fläche zur Abkühlung dieses Materials nicht mehr zur Verfügung steht, und dass sie bei einem Ausfall technischer Anlagen keine Möglichkeit zur Zwischenlagerung der angelieferten Materialien auf dem Betriebsgelände hat. Diese Umständen mögen ferner dazu führen, dass der Antragstellerin dadurch Umsatzverluste von ca. 5 Mio. € im Jahr entstehen, die das Eigenkapital der rechtlich selbständigen Gesellschaft aufzehren und daher nicht mehr zur Risikoabdeckung zur Verfügung stehen. Es mag schließlich – wie die Antragstellerin weiter vorträgt – davon auszugehen sein, dass die nach dem Gesellschaftsvertrag bis zum 31.12.2020 zu bildende Liquiditätsreserve in Höhe von 14,2 Mio. €, die nach ihren Angaben derzeit ca. 12 Mio. € beträgt, wegen ihrer Zweckgebundenheit für einen Verlustausgleich nicht zur Verfügung steht und darüber hinaus die Antragstellerin über einen Anteil von 35 % des handelsrechtlichen Überschusses hinaus keine direkten oder indirekten Entnahmen/Ausschüttungen tätigen darf. Auf eine sich aus all dem ergebende Existenzgefährdung kann sich die Antragstellerin aber nicht berufen. Unabhängig davon, inwieweit für die Frage, ob eine Existenzgefährdung tatsächlich zu erwarten ist, auch die wirtschaftlichen Verflechtungen einer Gesellschaft etwa in einem Konzernverbund zu berücksichtigen sind (vgl. dazu NdsOVG, Beschl. v. 24.07.2013 – 12 ME 37/13 –, juris, RdNr. 19), fällt auch in diesem Zusammenhang zu Lasten der Antragstellerin ins Gewicht, dass ihr seit Bestehen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22.09.2004 bekannt war, dass das Freilager wegen der Gefahr, dass von ihm schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen können, nur für einen Übergangszeitraum bestehen bleiben konnte durch eine Lagerhalle zu ersetzen war. Da der Ausbau des Freilagers zu einer Lagerhalle auch Inhalt ihres Genehmigungsantrages vom Januar 2002 war, musste sie die dafür erforderlichen Kosten und letztlich auch Umsatzverluste bei einem Wegfall des Freilagers und vorübergehend fehlender Lagerkapazität einkalkulieren. Dass das Verhalten des Antragsgegners in der Vergangenheit mit dazu beigetragen hat, dass sich ein genehmigungswidriger Zustand über Jahre verfestigt hat, vermag das besondere Vollzugsinteresse nicht zu beseitigen.

95

c) Soweit die Antragstellerin auch in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass sie die Antragsunterlagen für eine dem Stand der Technik entsprechende Leichtbauhalle erarbeite, zu deren Errichtung sie sich in ihrem Schreiben/Vertragsentwurf vom 06.03.2019 verpflichtet habe, führt auch dies nicht dazu, dass ihr Interesse am Weiterbetrieb des Freilagers das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Es liegt bei ihr, die wirtschaftlichen Folgen der Stilllegung des Freilagers durch schnellstmögliche Errichtung einer dem Stand der Technik entsprechenden Lagerhalle zu minimieren. Solange die neue Lagerhalle nicht errichtet ist, muss der Antragsgegner aber weiterhin Vorsorge dafür treffen, dass vom Freilager keine erheblichen Geruchsbelästigungen oder sonstigen schädlichen Umweltauswirkungen ausgehen.

96

d) Aus der Zwischenentscheidung des Senats vom 09.05.2019 kann die Antragstellerin entgegen ihrer im Schriftsatz vom 13.06.2019 zum Ausdruck kommenden Auffassung nichts für die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung herleiten. Maßstab der Zwischenentscheidung, die der Gewährung effektiven (vorläufigen) Rechtsschutzes gedient hat, war ob es den Anwohnern zugemutet werden kann, bis zu einer Entscheidung des Senats über die Beschwerde, also für einen Zeitraum von wenigen Wochen, der Gefahr unzumutbarer Geruchsbelästigungen ausgesetzt zu sein. Der Maßstab des § 80 Abs. 5 VwGO ist ein anderer. Maßgebend sind insoweit die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren sowie das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesse am Sofortvollzug der Stilllegungsanordnung. Für letzteres kommt es u.a. darauf an, ob den Bewohnern bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zugemutet werden kann, dass sich die Gefahr unzumutbarer Geruchsbelästigungen durch den Betrieb des Freilagers erneut verwirklicht.

97

e) Die Antragstellerin macht geltend, dem Umstand, dass nach den gutachterlichen Feststellungen vom Freilager keine gesundheitsschädlichen Emissionen ausgingen, sei bei der Risikoabwägung gegenüberzustellen, dass für die Bevölkerung in der Region die Gefahr eines neuen Gebirgsschlages nicht nur theoretisch bestehe. Durch das existenzielle Risiko für ihren Betrieb sei die Fortsetzung des bergmännischen Versatzes der verbliebenen untertägigen Hohlräume im Teutschenthaler Revier gefährdet. Dieser Versatz sei zur Stabilisierung dieser Hohlräume nach dem LAF-Vertrag bis 2030 fortzusetzen und abzuschließen. Das Risiko eines neuen Gebirgsschlages sei wegen der zu befürchtenden gesundheitlichen Schäden als höher oder zumindest gleichwertig anzusehen. Parallel dazu würden die seit September 2018 eingeleiteten Maßnahmen zur Eindämmung der Geruchsbelästigung in der Nachbarschaft mit Nachdruck weiter intensiviert. Auch dieses Vorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

98

Wie oben bereits dargelegt, ist auch nach Stilllegung des Freilagers ein Versatz der Hohlräume mit anderen als auf dem Freilager zwischengelagerten Abfällen oder sonstigem Ersatzgut möglich. Auf eine drohende Insolvenz mit der Folge, dass sie die Versatztätigkeit einstellen müsste, kann sich die Antragstellerin nicht berufen, weil – wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat – es gegebenenfalls Sache des Antragsgegners wäre, die Sicherung der noch verbliebenen Hohlräume anderweitig zu gewährleisten.

99

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

100

C. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Die sich aus dem Antrag der Antragstellerin für sie ergebende Bedeutung der Sache bemisst der Senat nach den Empfehlungen in Nr. 19.1.6 und Nr. 19.1.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Darin wird bei Streitigkeiten im Immissionsschutzrecht um die Stilllegung einer Anlage als Streitwert eine Betrag in Höhe von 1,25 % der Investitionssumme bzw. 5 % der Herstellungskosten oder, soweit nicht feststellbar, der entgangene Gewinn, mindestens aber der Auffangwert vorgeschlagen. Da Angaben zur Investitionssumme und zum Herstellungswert des Freilagers nicht vorliegen und diese Werte zudem das Interesse der Antragstellerin am Weiterbetrieb des Freilagers nicht wiederspiegeln, legt der Senat den entgangenen Gewinn der Antragstellerin zugrunde, allerdings begrenzt auf ein Jahr. Die Antragstellerin hat den bisherigen Unternehmensgewinn auf jährlich ca. 1.000.000,00 € beziffert. Dieser Wert ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkataloges). Der Senat macht zudem von der Möglichkeit des § 63 Abs. 3 GKG Gebrauch, die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung von Amts wegen entsprechend zu ändern.

101

D. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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