Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 O 4/10

Gründe

1

Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG zulässige Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ist nur zu einem geringen Teil begründet.

2

Der Streitwert ist gemäß §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag der Antragstellerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Senat orientiert sich bei Streitigkeiten um eine baurechtliche Nutzungsuntersagung regelmäßig an der Empfehlung in Nr. 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 [1328]). Danach entspricht der Streitwert bei Streitigkeiten um ein baurechtliches Nutzungsverbot der (geschätzten) Höhe des Schadens oder der Aufwendungen. In entsprechender Anwendung des § 41 Abs. 2 GKG sind die insoweit maßgeblichen Aufwendungen regelmäßig auf den Jahresbetrag zu begrenzen (vgl. Beschl. d. Senats v. 12.09.2007 – 2 M 165/07 –, ZfBR 2008, 192 [194]; vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 12.03.2003 – 2 C 02.1503 –, Juris, m. w. Nachw.).

3

Mit der angegriffenen Verfügung vom 02.10.2009 hat der Antragsgegner allerdings kein (vollständiges) Nutzungsverbot ausgesprochen, sondern (lediglich) die Betriebszeiten der genehmigten Szene-Gastronomie mit Restaurantbetrieb an Freitagen, Samstagen und Sonntagen auf jeweils 11.00 Uhr bis 01.00 Uhr begrenzt und damit die Nutzung nur teilweise untersagt. Insoweit erscheint es angemessen, die Empfehlung in Nr. 54.4 des Streitwertkatalogs entsprechend heranzuziehen, die bei Sperrzeitenregelungen als Streitwert den Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten zusätzlichen Gewinns, mindestens aber 7.500,00 € vorsieht.

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Der Senat teilt nicht die Annahme der Beschwerdeführer, es sei entsprechend Nr. 54.2 des Streitwertkatalogs der Jahresgewinn des gesamten Betriebs maßgeblich, weil die Betriebszeitenbeschränkung einer Gewerbeuntersagung gleichkomme. Sie tragen hierzu vor, eine Begrenzung der Betriebszeiten hätte zur Folge, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt werden müsse, weil er als bloße Speisegaststätte defizitär wäre und der Umsatz nahezu ausschließlich mit dem Betrieb als Szene-Gaststätte/Tanzbar erwirtschaftet werde. Es mag zutreffen, dass die Szene-Gaststätte mit Tanzbar den Gesamtbetrieb nach dem derzeitigen Betriebskonzept erst rentabel macht. Der Senat vermag indes nicht zu erkennen, dass der Betrieb nur dann wirtschaftlich geführt werden kann, wenn er auch nach 1.00 Uhr nachts geöffnet bleibt. Es mag sein, dass die Szene-Gaststätte mit Tanzbar besonders am Wochenende und nach 24.00 Uhr frequentiert wird. Es fehlen aber hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Szene-Betrieb im Falle der Schließung bereits ab 1.00 Uhr auch in der Zeit davor mangels Attraktivität nur noch in einem so geringen Umfang besucht wird, dass Verluste aus dem Restaurantbetrieb nicht mehr ausgeglichen und keine Gewinne mehr erzielt werden können.

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Welche finanziellen Einbußen der Antragstellerin durch die Betriebszeitenbeschränkung jährlich entstehen, ist schwierig einzuschätzen. Die der Antragsschrift als Anlage AST 10 beigefügte betriebswirtschaftliche Auswertung ist unergiebig, da darin nur die Umsätze und Kosten für den (defizitären) Restaurantbereich, nicht aber für die (gewinnbringende) Szene-Gastronomie mit Tanzbar aufgeführt sind. Der (zunächst) behauptete Jahresgewinn von ca. 35.000,00 € ist nicht glaubhaft gemacht. Im Beschwerdeverfahren haben die Beschwerdeführer zwar eine betriebswirtschaftliche Auswertung für das Jahr 2009 vorgelegt, die ein (positives) Betriebsergebnis von 19.134,04 € ausweist. Diese vermag aber keinen Aufschluss darüber zu geben, wie sich die Umsätze im Fall der Schließung des Betriebs ab 1.00 Uhr nachts entwickeln würden. Daher erscheint es angemessen, auf den in Nr. 54.4 des Streitwertkatalogs genannten Mindestwert von 7.500,00 € zurückzugreifen.

6

Dieser Wert ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu halbieren (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs). Der Senat folgt nicht der Annahme der Beschwerdeführer, es sei der volle Streitwert anzusetzen, weil das vorläufige Rechtsschutzverfahren „faktisch dem Hauptsacheverfahren entspreche“. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Hauptsacheentscheidung vorwegnehmen, kann zwar nach der Empfehlung in Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Auch dürfte eine solche Anhebung nicht nur in den Fällen gerechtfertigt sein, in denen die Vorwegnahme der Hauptsache durch Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO begehrt wird, sondern auch in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, wenn die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen eine Maßnahme beantragt wird, deren Vollzug nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte (vgl. VGH BW, Beschl. v. 19.11.2009 – 9 S 1689/09 –, Juris; Beschl. v. 09.02.2009 – 10 S 3350/08 –, DAR 2009, 286; OVG SH, Beschl. v. 30.11.1993 – 2 O 12/93 –, SchlHA 1994, 55; a. A. allerdings: SächsOVG, Beschl. v. 03.05.2006 – 5 E 72/06 –, NVwZ-RR 2006, 851). Im vorliegenden Fall wäre indes mit der Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen worden. Der Vollzug einer Betriebszeitenbeschränkung kann im Fall des Obsiegens im Hauptsacheverfahren wieder rückgängig gemacht werden. Es mag sein, dass bei Ablehnung des begehrten vorläufigen Rechtsschutzes eine mehr oder weniger große Zahl von Besuchern das Lokal der Antragstellerin nicht mehr aufgesucht hätte, weil es für sie wegen der verkürzten Betriebszeit bzw. des veränderten Geschäftsbetriebs nicht mehr attraktiv gewesen wäre. Dabei handelt es sich aber nur um mittelbare Vollzugsfolgen. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, weshalb es der Antragstellerin im Fall des Obsiegens in der Hauptsache und Wiedereinführung der verlängerten Betriebszeiten nicht gelingen sollte, diese mittelbaren Folgen rückgängig zu machen und „abgewanderte“ Kunden zurückzugewinnen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.


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