Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 L 89/09
Gründe
I.
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Der Kläger begehrt die anteilige Erstattung von Kosten für die Impfung seiner beiden Töchter gegen Gebärmutterhalskrebs.
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Der Kläger ist Beamter des Landes Sachsen Anhalt. Seine am … und am … geborenen Töchter erhielten in der Zeit von … bis … 2008 im Alter von 22 bzw. 20 Jahren die ersten der auf drei Dosen angelegten Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs (Humane Papillomaviren [HPV]) mit dem Impfstoff „Gardasil“. Den hierauf gerichteten, am 29. Juli 2008 bei der Beklagten eingegangenen Beihilfeantrag lehnte diese mit Bescheid vom 30. Juli/1. August 2008 mit der Begründung ab, dass § 10 Abs. 3 BhV die Beihilfefähigkeit an die amtliche Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) knüpfe. Das hier empfohlene Impfalter von 12 bis 17 Jahren hätten die Töchter des Klägers im Zeitpunkt ihrer Impfungen überschritten. Den dagegen am 25. August 2008 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2009 als unbegründet zurück.
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Hiergegen hat der Kläger mit dem am 20. Februar 2009 bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend machte: In den Impfempfehlungen der STIKO werde ausdrücklich aufgeführt, dass auch ältere Frauen von einer Impfung profitieren könnten und es in der Verantwortung der Ärzte liege, nach individueller Prüfung von Nutzen und Risiken der Impfung die Patienten darauf hinzuweisen. Auch aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 BhV sei kein Anhaltspunkt für eine einschränkende Auslegung ersichtlich, wonach nur Impfungen für die festgelegte Altersgruppe beihilfefähig seien. Die generelle Altersbeschränkung beruhe „nur“ auf statistischen Werten. Darüber hinaus sei im Wege der Gleichstellung zu berücksichtigen, dass der Impfstoff erst seit dem Jahr 2007 auf dem Markt sei und daher ältere Mädchen von vornherein nicht in die altersbeschränkende Zielgruppe hineinfielen. Dementsprechend obliege es der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, eine entsprechende Erstattungsfähigkeit anzunehmen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides vom 30. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2009 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe in Höhe von 476,99 € für Aufwendungen für den Impfstoff „Gardasil“ zu bewilligen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht: Die STIKO habe mit ihrem Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 die Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) nur für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren empfohlen. Diese Regelung sei mit Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 26. März 2007 und mit Erlass des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. April 2007 übernommen und für diesen Adressatenkreis ab dem 23. März 2007 gemäß § 10 Abs. 3 BhV als beihilfefähig anerkannt worden. Entscheidend für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen sei das Alter der geimpften Person bei der ersten Dosisimpfung. Die Impfung sei vor der Aufnahme des Geschlechtsverkehrs durchzuführen. Deshalb habe die STIKO die untere Altersgrenze auf einen Zeitpunkt gelegt, zu dem junge Mädchen üblicherweise noch keine sexuellen Kontakte hätten. Hinsichtlich der oberen Altersgrenze von 17 Jahren habe man sich davon leiten lassen, dass nach einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 73 % der Mädchen bis zum 17. Lebensjahr bereits Geschlechtsverkehr gehabt und 87 % der Mädchen einen Frauenarzt aufgesucht hätten. Demnach bestehe die realistische Chance, durch eine Impfung von Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren einen relevanten Teil der Mädchen zu erreichen, die von einer Impfung gegen HPV profitieren könnten. Soweit die STIKO nicht ausschließe, dass auch Frauen außerhalb der genanten Altersspanne von einer Impfung gegen HPV profitieren könnten, sei dies nicht als Impfempfehlung zu werten. Eine allgemeine Impfempfehlung für alle Mädchen und Frauen habe die STIKO gerade nicht ausgesprochen. Denn mit der Impfempfehlung sollten zum einen möglichst umfassend alle potentiell sinnvollen Zielgruppen einer Impfung benannt sein. Auf der anderen Seite sei das optimale Impfalter im Sinne einer unteren und oberen Grenze anhand von epidemiologischen Überlegungen und Ergebnissen der im Rahmen der Zulassung durchgeführten Studien und weiteren Studien zum Sexualverhalten von Mädchen und jungen Frauen in Deutschland zu definieren und zu begründen. Die Impfung sei daher weder i. S. v. § 10 Abs. 3 BhV „amtlich empfohlen“ noch medizinisch notwendig i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BhV. Die Kosten lediglich nützlicher, aber nicht notwendiger Behandlungen müsse der Beihilfeberechtigte selbst zahlen. Dies begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere verstoße es nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Denn diese werde durch die beihilferechtlichen Vorschriften grundsätzlich abschließend konkretisiert und verlange keine lückenlose Erstattung jeglicher Kosten.
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Mit - der Beklagten am 13. November 2009 zugestelltem - Urteil vom 13. Oktober 2009 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 30. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2009 verpflichtet, die Aufwendungen des Klägers für den Impfstoff „Gardasil“ als beihilfefähig anzuerkennen und ihm eine entsprechende Beihilfe zu bewilligen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß §§ 5 Abs. 1 und 10 Abs. 3 BhV einen Anspruch auf die Gewährung einer Beihilfe in Höhe des geltend gemachten Betrages. Nach der Impfempfehlung der STIKO in dem Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 (Ausgabe Nr. 12/2007, S. 97 bis 102; veröffentlicht im Internet) werde die Impfung gegen HPV unzweifelhaft und unstreitig für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren generell empfohlen. Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränke sich diese Impfempfehlung jedoch nicht auf den Adressatenkreis der Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Denn dies ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang der in „Empfehlung“ und „Begründung“ unterteilten Mitteilung der STIKO. Neben Empfehlungen zur Dosierung der Impfung und ihrem Zeitpunkt enthalte der Empfehlungsabschnitt ferner die Aussage der STIKO, dass auch Frauen, die innerhalb des benannten Zeitraums keine Impfung gegen HPV erhalten hätten, ebenfalls von einer solchen Impfung nach individueller Prüfung von Nutzen und Risiko der Impfung durch den betreuenden Arzt profitieren könnten. Es fehle daher die Aussage, dass sich die Impfempfehlung „nur“ auf die genannte Altersgruppe beschränke und etwa älteren Mädchen und jungen Frauen die Impfung nicht empfohlen werde. Der Altersrahmen stelle sich daher nicht als Ausschließlichkeitskriterium dar.
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Auf den hiergegen von der Beklagten am 30. November 2009 bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg gestellten Antrag hat der beschließende Senat mit Beschluss vom 18. Januar 2010 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen. Die Beklagte trägt zu deren Begründung mit ihrem am 2. Februar 2010 bei dem beschließenden Gericht eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht interpretiere die Impfempfehlung der STIKO falsch. Diese lasse vielmehr hinreichend deutlich erkennen, dass sie sich nur auf die Altersgruppe von 12 bis 17 Jahren beschränke. Insofern habe nach Maßgabe der Empfehlung der STIKO eine Indikation für eine HPV-Impfung der Töchter des Klägers nicht vorgelegen. Da § 10 Abs. 3 BhV hieran anknüpfe, könne nicht auf Rechtsprechung Bezug genommen werden, der andere Vorschriften zugrunde lägen. Diese Beschränkung sei weder sach- noch rechtswidrig. Der Beamte müsse dementsprechend Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus Pauschalierungen und Typisierungen ergäben. Im Übrigen sei ein HPV-Test bei den Töchtern des Klägers nicht durchgeführt worden, so dass die Notwendigkeit einer Impfung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV auch individuell nicht gegeben gewesen sei. Kosten nur nützlicher, aber nicht notwendiger Behandlungen müsse der Beihilfeberechtigte selbst tragen. Dies sei hier weder generell noch individuell für den nach der Besoldungsgruppe B 2 BBesO besoldeten Kläger unzumutbar, insbesondere nicht fürsorgepflichtwidrig.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteiles des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 13. Oktober 2009 den Kläger in vollem Umfange mit der Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er führt unter Ergänzung seines bisherigen Vorbringens zur Begründung im Wesentlichen aus: Maßgeblich sei gemäß § 10 Abs. 3 BhV allein die amtliche Empfehlung der STIKO, nicht hingegen der von der Beklagten angeführte Erlass des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. April 2007. Dieser könne eine amtliche Empfehlung der STIKO nicht ersetzen. Die einschränkende Auslegung der STIKO-Empfehlung sei nicht sachgerecht. Sie stehe nicht nur im Widerspruch zum Inhalt der Empfehlung, sondern auch zur Anwendungspraxis der Beklagten für andere Bereiche von Schutzimpfungen. Die Beklagte verwechsele den weiten Begriff der „amtlich empfohlenen Schutzimpfungen“ im Sinne von § 10 Abs. 3 BhV und den weiten Inhalt der STIKO-Empfehlungen mit den Standardimpfungen und dem jeweils empfohlenen Impfalter, die aber nur einen Teil der gesamten STIKO-Empfehlungen darstellten. Im Übrigen gewähre die Beklagte Beihilfeberechtigten unter 60 Jahren Beihilfe bei Influenzaimpfungen, wenngleich das empfohlene Impfalter gemäß den STIKO-Empfehlungen bei 60 Jahren und höher liege. Mit Recht führe das Verwaltungsgericht im Übrigen aus, dass sich die HPV-Impfempfehlung der STIKO nicht auf den Adressatenkreis der Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren beschränke und es auch nicht so sei, dass die Impfung älterer Mädchen und junger Frauen ausdrücklich nicht empfohlen werde. Es komme insoweit auf eine individuelle Prüfung an. Die hier behandelnde Ärztin sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die HPV-Impfung indiziert gewesen sei. Damit sei die medizinische Notwendigkeit gegeben gewesen. Hinzu komme, dass die am 18. Juli 1987 geborene Tochter des Klägers die STIKO-Empfehlung auch deswegen erfülle, weil sie seit dem Jahr 2006 an Diabetes mellitus Typ 1 leide. Schließlich sei im Hinblick auf die Höhe der Kosten deren Tragung durch ihn - den Kläger - unzumutbar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte A) verwiesen.
II.
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1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Beklagten gemäß § 130a Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und - wie sich aus den nachfolgenden Gründen ergibt - die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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2. Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 13. Oktober 2009 gerichtete Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der Bescheid der Beklagten vom 30. Juli/1. August 2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2009 sind, soweit sie vorliegend angefochten wurden, rechtmäßig und verletzen den Kläger mithin nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Als Beamter des Landes Sachsen-Anhalt erhielt der Kläger bislang gemäß § 88a Abs. 1 BG LSA u. a. in Krankheitsfällen Beihilfen nach den für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes jeweils geltenden Vorschriften. Dies ist vorliegend die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (BhV) vom 1. November 2001 ( GMBl. S. 919; MBl. LSA 2002, 10 ), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verwaltungsvorschrift vom 30. Januar 2004 ( GMBl. S. 379; MBl. LSA 2004, 235 ), welche für den vorliegenden Fall noch Anwendung findet ( vgl. auch: BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2008 - Az.: 2 C 24.07 und 2 C 108.07 -; Beschluss vom 25. September 2008 - Az.: 2 B 16.08 -, jeweils zitiert nach juris [m. w. N.] ). Denn die Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) ist erst mit Wirkung vom 14. Februar 2009 in Kraft getreten und bestimmt in § 58 Abs. 1 BBhV, dass auf Aufwendungen, die - wie hier - vor ihrem Inkrafttreten entstanden sind, weiter die BhV anzuwenden ist.
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Daran, dass die BhV im gegebenen Fall als solche weiter anzuwenden ist, hat sich auch nichts dadurch geändert, dass gemäß Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Landesbeamtenrechts vom 15. Dezember 2009 ( GVBl. LSA S. 648 ) mit Wirkung ab dem 1. Februar 2010 das Beamtengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (Landesbeamtengesetz - LBG LSA) in Kraft getreten ist. Denn nach § 120 Abs. 8 LBG LSA gelten die für die Beamten, Versorgungsempfänger und früheren Beamten des Bundes jeweils geltenden Vorschriften bis zum Inkrafttreten der Verordnung nach § 120 Abs. 7 LBG LSA weiter. Diese Verordnung ist bislang nicht erlassen worden. Im Übrigen regelt § 120 LBG LSA - insoweit in der Sache übereinstimmend mit dem früheren § 88a Abs. 1 BG LSA - lediglich, dass dem vorgenannten Personenkreis als Ergänzung der aus den laufenden Bezügen zu bestreitenden Eigenvorsorge Beihilfe zudem zu den Aufwendungen berücksichtigungsfähiger Angehöriger gewährt wird (Abs. 1 und 2).
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Des Weiteren regelt § 120 Abs. 3 LBG LSA, dass grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen in Krankheits- und Pflegefällen (Nr. 1), zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten oder Behinderungen (Nr. 2), in Geburtsfällen, zur Empfängnisverhütung, bei künstlicher Befruchtung sowie in Fällen des nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs und der nicht rechtswidrigen Sterilisation (Nr. 3) und zur Früherkennung von Krankheiten und zu Schutzimpfungen (Nr. 4) beihilfefähig sind.
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Der Kläger hat nach dem hiernach maßgeblichen § 120 Abs. 1 und 3 Nr. 4, Abs. 8 LBG LSA i. V. m. der BhV keinen Anspruch auf die begehrte Beihilfe in Bezug auf die in der Zeit von Februar bis April 2008 erfolgten Impfungen seiner Töchter gegen Gebärmutterhalskrebs (Humane Papillomaviren [HPV]) mit dem Impfstoff „Gardasil“.
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Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und wenn die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. § 10 Abs. 3 BhV stellt insoweit eine Sonderbestimmung zur Beihilfefähigkeit von Aufwendungen bei Vorsorgemaßnahmen dar, die in Bezug auf die hier streitbefangenen Schutzimpfungen regelt, dass Aufwendungen für amtlich empfohlene Schutzimpfungen beihilfefähig sind, jedoch nicht anlässlich privater Reisen in Gebiete außerhalb der Europäischen Union.
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§ 10 Abs. 3 BhV ist dahin zu verstehen, dass die Beihilfefähigkeit ausschließlich Aufwendungen für amtlich empfohlene Schutzimpfungen erfasst. Dies folgt schon daraus, dass die Neufassung von § 10 Abs. 3 BhV mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 mit der Einfügung der weiteren Tatbestandsmerkmale „amtlich empfohlene“ eine Einschränkung des vorherigen Anwendungsbereiches der Regelung zur Folge hat.
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„Schutzimpfung“ im Sinne von § 10 Abs. 3 BhV ist die Gabe eines Impfstoffes mit dem Ziel, vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen (vgl. § 2 Nr. 9 Infektionsschutzgesetz - IfSG). „Amtlich empfohlen“ im Sinne von § 10 Abs. 3 BhV ist eine Schutzimpfung, wenn sie von der beim Robert Koch-Institut gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 IfSG eingerichteten Ständigen Impfkommission (STIKO) nach § 20 Abs. 2 Satz 3 IfSG empfohlen wird. Die Empfehlung der STIKO wird gemäß § 20 Abs. 2 Satz 7 IfSG vom Robert Koch-Institut den obersten Landesgesundheitsbehörden übermittelt und anschließend veröffentlicht. Denn die STIKO ist gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 IfSG von Gesetzes wegen dazu berufen, Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten zu geben und Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung zu entwickeln. Auf der Grundlage dieser öffentlichen (amtlichen) Empfehlungen sollen nicht nur die obersten Landesgesundheitsbehörden öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission aussprechen (§ 20 Abs. 3 IfSG), sondern wird zudem bestimmt, dass die Gesundheitsämter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gegen bestimmte übertragbare Krankheiten durchführen (§ 20 Abs. 5 IfSG) sowie die Kosten für bestimmte Schutzimpfungen von den Trägern der Krankenversicherung nach dem dritten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB V getragen werden, falls die Person bei einer Krankenkasse nach § 4 SGB V versichert ist (§ 20 Abs. 4 Satz 1 IfSG).
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Die Impfung von Mädchen bzw. jungen Frauen gegen Gebärmutterhalskrebs (Humane Papillomaviren [HPV]) nach Vollendung des 18. Lebensjahres, d. h. insbesondere - wie hier - im Alter von 20 bzw. 22 Jahren, war weder im Zeitpunkt der Impfung der Töchter des Klägers noch ist sie gegenwärtig von der STIKO empfohlen. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtes und - ihr folgend - des Klägers ist unzutreffend.
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Die STIKO hat erstmals mit dem Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 ( 12/2007, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) eine Empfehlung (und Begründung) für die Impfung gegen HPV abgegeben; noch in dem Epidemiologischen Bulletin vom 28. Juli 2006 ( 30/2006, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) war eine auf HPV bezogene Empfehlung nicht enthalten. In dem Epidemiologischen Bulletin 12/2007 heißt es auf Seite 97 ausdrücklich: „Die STIKO empfiehlt zur Reduktion der Krankheitslast durch den Gebärmutterhalskrebs die Einführung einer generellen Impfung gegen humane Papillomaviren (Typen HPV 16, 18) für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren .“ (ebenda, S. 97). Dass sich die Empfehlung auf alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren beschränkt, ergibt sich schon aus den nachfolgenden Ausführungen der STIKO, soweit diese gerade auf Frauen Bezug nimmt, „die innerhalb des von der STIKO empfohlenen Zeitraumes (Alter 12 - 17 Jahre) keine Impfung gegen HPV erhalten haben“.
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Die STIKO hat ihre Empfehlung in dem Epidemiologischen Bulletin 12/2007 im Einzelnen begründet (Seite 98 ff.) und dabei mehrfach auf die „obere und untere Altersgrenze“, die „empfohlene Altersgruppe“ bzw. die „generelle Impfempfehlung für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren“ rekurriert (vgl. Seite 100 bis 102). Eine anderslautende „Empfehlung“ ist dem Epidemiologischen Bulletin 12/2007 nicht zu entnehmen. Vielmehr begründen die Ausführungen der STIKO lediglich, aus welchen Gründen die vorbezeichnete Empfehlung dergestalt abgegeben worden ist. Dass sich die amtliche, öffentliche Empfehlung der STIKO in Bezug auf HPV seinerzeit und im Übrigen auch nach wie vor lediglich auf „ alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren “ beschränkt, ergibt sich überdies den nachfolgenden Empfehlungen der STIKO.
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Mit ihrem Epidemiologischen Bulletin vom 27. Juli 2007 ( 30/2007, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) hat die STIKO die neu gefassten Impfempfehlungen zusammengefasst und bekannt gegeben. Der darin enthaltene Impfkalender (Tabelle 1, Seite 268) wie auch die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die Altergruppe von Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren und geben die im Epidemiologischen Bulletin 12/2007 gegebene Empfehlung wörtlich wieder (Seite 269 f.). In dem nachfolgenden Epidemiologischen Bulletin vom 3. August 2007 ( 31/2007, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) wird sowohl auf das Epidemiologische Bulletin 12/2007 als auch das Epidemiologische Bulletin 30/2007 Bezug genommen und auf Seite 287 ausgeführt: „Zusätzlich zu diesen bereits bestehenden Empfehlungen zur Impfung Jugendlicher empfiehlt die STIKO seit März 2007 eine generelle Impfung gegen humane Papillomaviren (Typen HPV 16, 18) für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren. “ Im Hinblick auf die „Einführung einer generellen Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren“ wird auf Seite 288 auf die„ausführliche Begründung der STIKO zur Einführung der generellen Impfung gegen HPV für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren“ im Epidemiologischen Bulletin 12/2007 verwiesen. Insoweit inhaltlich gegenüber dem Epidemiologischen Bulletin 30/2007 unverändert hat die STIKO mit ihren Epidemiologischen Bulletins vom 25. Juli 2008 ( 30/2008, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) und vom 27. Juli 2009 ( 30/2009, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) ihre Impfempfehlungen zusammengefasst und bekannt gegeben.
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Schließlich hat sich die STIKO in dem Epidemiologischen Bulletin vom 10. August 2009 ( 32/2009, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) nochmals zur Impfung gegen HPV mit einer „aktuellen Bewertung“ geäußert. Sie hat zunächst darauf hingewiesen, dass seit dem Jahr 2006 ein Impfstoff gegen HPV der Typen 6, 11, 16 und 18 und seit dem Jahr 2007 ein Impfstoff gegen HPV der Typen 16 und 18 zur Verfügung steht und sie „im März 2007 eine Empfehlung zur Impfung gegen HPV für alle 12 bis 17 Jahre alten Mädchen ausgesprochen“ hat (Seite 319). Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über den Nutzen der HPV-Impfung wurde die STIKO um eine erneute Bewertung der HPV-Impfung gebeten und hat in ihrer fachlichen Stellungnahme diese Bewertung unter Berücksichtigung aktueller Veröffentlichungen aus der wissenschaftlichen Fachliteratur vorgenommen (siehe hierzu: Seite 319). Darin hat die STIKO nochmals darauf hingewiesen, dass sich ihre Empfehlung zur HPV-Impfung nur an „an junge Mädchen und Frauen vor Beginn der sexuellen Aktivität“ richtet und „das empfohlene Impfalter von 12 bis 17 Jahren“ Erkenntnissen aus nationalen Daten zur Jugendsexualität entspricht. „In der Begründung zur HPV-Impfempfehlung von 2007“ sei „darauf ausführlich eingegangen“ worden (siehe Seite 325). Zusammenfassend hat die STIKO ausgeführt: „In Zusammenschau der zur Verfügung stehenden Literatur unter Einbeziehung neu veröffentlichter Daten hält die STIKO die Impfung gegen HPV für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahre unverändert für empfehlenswert.“
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Es besteht daher nach Auffassung des Senates kein Zweifel daran, dass sich die „amtliche“ öffentliche „Empfehlung“ der STIKO bezogen auf eine HPV-Impfung ausschließlich auf Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren erstreckt(e) und beschränkt(e) ( ebenso: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Februar 2009 - Az.: 2 A 11125/08 -, OVG Niedersachsen, Beschluss vom 19. Januar 2010 - Az.: 5 LA 80/09 -, VG Stuttgart, Urteil vom 8. April 2008 - Az.: 6 K 761/08 -, VG Sigmaringen, Urteil vom 24. Juli 2008 - Az.: 6 K 2527/07 -, VG Düsseldorf, Urteil vom 18. September 2008 - Az.: 26 K 3691/08 -, VG Hannover, Urteil vom 30. April 2009 - Az.: 13 A 2460/08 -,VG Cottbus, Urteil vom 9. Juni 2009 - Az.: 5 K 1323/07 -, a. A. wohl nur: VG Arnsberg, Urteil vom 18. April 2008 - Az.: 13 K 1904/07 -, jeweils zitiert nach juris; siehe zudem, wie hier: Schröder/Beck-mann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Stand: April 2008, Band II, § 10 BhV, S. 45 ).
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Da die Impfung der Töchter des Klägers gegen HPV erst im Alter von 20 bzw. 22 Jahren erfolgt ist, war diese weder im Zeitpunkt der Impfung noch hiernach amtlich empfohlen. Die Beihilfefähigkeit ist daher gemäß § 10 Abs. 3 BhV bereits dem Grunde nach ausgeschlossen. Auf die Erlasse des Bundesministeriums des Innern vom 26. März 2007 und des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. April 2007 kommt es daher nicht (mehr) entscheidungserheblich an.
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Dass eine Impfung der Töchter des Klägers gegen HPV (mittels „Gardasil) vor Vollendung des 18. Lebensjahres nicht möglich oder amtlich empfohlen gewesen ist, rechtfertigt entgegen dem klägerischen Vorbringen keine andere Sichtweise. Dass sich der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ändert und damit erst ab einem bestimmten, hiernach liegenden Zeitpunkt Kosten einer Schutzimpfung im Wege der Beihilfe vom Dienstherrn übernommen werden, liegt in der Natur der Sache. Wie im Falle einer Stichtagsregelung hat der Betroffene damit verbundene Härten und eine anderweitige Behandlung gegenüber den zeitlich hiernach liegenden Fällen hinzunehmen.
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Da es in Fällen eines geänderten Sachverhaltes - wie hier bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen - gegebenenfalls nicht möglich oder sinnvoll ist, die unter dem alten Recht stehenden Rechtsverhältnisse vollständig dem neuen Recht zu unterstellen, und der Grundsatz der Rechtssicherheit klare schematische Entscheidungen über die zeitliche Abgrenzung zwischen altem und neuem Recht verlangt, ist der Normgeber berechtigt, Stichtage einzuführen. Die Wahl des Stichtages überhaupt, die Wahl des Zeitpunktes sowie die Auswahl unter den für die Stichtagsanknüpfung in Betracht kommenden Faktoren müssen dabei am gegebenen Sachverhalt orientiert und sonst sachlich vertretbar sein. Härten, die darin gesehen werden können, dass die tatsächliche Situation derjenigen Personen, die durch Erfüllung der Stichtagsvoraussetzungen gerade noch in den Genuss der Neuregelungen gelangen, sich nur geringfügig von der Lage derjenigen unterscheidet, bei denen diese Voraussetzung fehlt, machen eine Stichtagsregelung jedenfalls nicht verfassungswidrig ( siehe zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - Az.: 2 C 27.99 -, BVerwGE 112, 92 [m. w. N.] ).
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Hier haben die Töchter des Klägers bereits im Zeitpunkt der hier maßgeblichen, geänderten wissenschaftlichen Erkenntnisse in Bezug auf die HPV-Impfung, wie sie im Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 ( 12/2007 ) durch die STIKO niedergelegt und veröffentlicht wurden, das 18. Lebensjahr vollendet und damit das empfohlene Impfalter überschritten. Dass der Normgeber die Übernahme von Aufwendungen für die hier streitbefangene Schutzimpfung gemäß §§ 88a Abs. 1 BG LSA, 120 LBG LSA i. V. m. §10 Abs. 3 BhV inhaltlich wie zeitlich allein an die „amtliche Empfehlung“ der STIKO knüpf(e), unterliegt keinen sachlichen Bedenken, da sie sich auf die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse bezieht und für die Einbeziehung von „Alt-Fällen“ bei Überschreitung des empfohlenen Impfalters - wie hier - nach dem Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 ( 12/2007 ) kein Anlass bestand.
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Hieraus folgt zugleich, dass kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin liegt, dass der Dienstherr in Bezug auf andere Schutzimpfungen gegebenenfalls Kosten übernimmt, wenngleich eine amtliche Empfehlung der STIKO nicht vorliegen sollte. Die Erforderlichkeit einer bestimmten Schutzimpfung und die damit einhergehende anteilige Kostenerstattung ist von den jeweiligen Einzelumständen abhängig und damit die Vergleichbarkeit der Sachverhalte im Falle - wie hier - unterschiedlicher Schutzimpfungen schon bereits dem Grunde nach nicht gegeben. Dass die Beklagte Aufwendungen für HPV-Impfungen von über 17 Jahre alten Mädchen bzw. jungen Frauen erstattet hätte, macht der Kläger nicht (substantiiert) geltend und ist dem beschließenden Senat auch nicht anderweitig bekannt.
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Unzutreffend macht der Kläger im Hinblick auf die Erkrankung einer seiner Töchter an Diabetes mellitus Typ 1 unter Bezugnahme auf die „Einleitung vor Tabelle 1 der STIKO-Empfehlungen“ geltend, dass insoweit eine Impfempfehlung vorliege. Soweit es darin heißt,
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„Die im Impfkalender empfohlenen Standardimpfungen sollten auch alle Personen mit chronischen Krankheiten erhalten, sofern keine spezifischen Kontraindikationen vorliegen“,
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hat dies nämlich keine - gleichsam erweiternde - Impfempfehlung unabhängig oder jenseits von den öffentlichen Empfehlungen der STIKO zum Inhalt. Vielmehr knüpfen diese Ausführungen an die amtlichen, öffentlichen Empfehlungen an und empfehlen in diesem Zusammenhang die Impfung selbst chronisch Kranker, sofern keine Kontraindikation vorliegt. Es ist hiermit daher nur eine besondere Fallgestaltung innerhalb der getroffenen Impfempfehlungen betroffen.
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Soweit der Kläger schließlich darauf verweist, dass die STIKO in ihrem Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 ( 12/2007, Seite 97 ) ausführt
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„Frauen, die innerhalb des von der STIKO empfohlen Zeitraumes (Alter 12 - 17 Jahre) keine Impfung gegen HPV erhalten haben, können ebenfalls von einer Impfung gegen HPV profitieren. Es liegt in der Verantwortung des betreuenden Arztes, nach individueller Prüfung von Nutzen und Risiko der Impfung seine Patientinnen auf der Basis der Impfstoffzulassung darauf hinzuweisen“,
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kann darauf ein Anspruch auf Beihilfe nicht mit Erfolg gestützt werden, da es sich insofern - wie bereits dargelegt - nicht um eine Empfehlung der STIKO handelt, an die § 10 Abs. 3 BhV die Beihilfefähigkeit von Schutzimpfungen indes gerade knüpft. Im Übrigen mag die Impfung der Töchter des Klägers zwar - auch nach den sachverständigen Einschätzungen der STIKO - sinnvoll gewesen sein und eine verantwortungsvolle Abwägungsentscheidung der Töchter des Klägers und ihrer Frauenärztin darstellen. Ihre beihilferechtliche Notwendigkeit und Erstattungsfähigkeit folgt hieraus aber nicht, da sich diese allein aus den amtlichen Empfehlungen der STIKO ergibt. Die Kosten lediglich nützlicher, aber nicht im Sinne des Beihilferechtes notwendiger Behandlungen muss der Beihilfeberechtigte selbst tragen.
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Darin liegt auch kein Verstoß gegen den Fürsorgegrundsatz ( siehe auch: OVG Niedersachsen, a. a. O.; OVG Rheinland-Pfalz, a. a. O. [nachfolgend: BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2009 - Az.: 2 B 40.09 -] ).
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Die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht fordert vom Dienstherrn, dass er Vorkehrungen für den Fall besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Geburts- oder Todesfälle trifft, damit der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familien nicht gefährdet wird. Im verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht ist dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die er - in zumutbarer Weise - aus seiner Alimentation nicht bestreiten kann. Ob der Dienstherr seiner so umrissenen verfassungsrechtlichen Pflicht zur Fürsorge durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise Genüge tut, bleibt im Übrigen seiner Entscheidung überlassen ( siehe zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2008 - Az.: 2 C 42.07 -, Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 126 [m. w. N.] ).
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Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn wird durch die beihilferechtlichen Vorschriften grundsätzlich abschließend konkretisiert. Bei der näheren, abschließenden Ausgestaltung besteht für den Dienstherrn ein weiter Gestaltungsspielraum, welcher prinzipiell auch generalisierende und typisierende Regelungen zulässt, die zwangsläufig im Einzelfall zu gewissen Härten und Friktionen für die Betroffenen führen können. Da die Fürsorgepflicht keine lückenlose Erstattung jeglicher Kosten verlangt, muss der Beamte etwaige Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der Pauschalierung und Typisierung der Beihilfevorschriften ergeben. Der Dienstherr muss lediglich dafür Sorge tragen, dass der Beamte nicht in unzumutbarer Weise mit den Kosten einer notwendigen medizinischen Behandlung belastet bleibt ( siehe zum Vorstehenden schon: BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1980 - Az-.: 6 C 19.79 -, BVerwGE 60, 212; zudem: BVerwG, a. a. O.; BVerfG, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - Az.: 2 BvR 1715/03 u. a. -, NVwZ 2008, 66 ). Ist der Dienstherr danach berechtigt, bei der Konkretisierung der Fürsorgepflicht zu typisieren, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beihilfe die aus den laufenden Bezügen zu bestreitende Eigenvorsorge des Beamten lediglich ergänzt und sich die Gewährung einer Beihilfe auf nicht bloß nützliche, sondern die nur notwendigen Aufwendungen beschränkt.
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So liegt der Fall hier, denn nach dem bisherigen - oben im Einzelnen aufgezeigten - aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist nur für die Zielgruppe der 12-17-jährigen Mädchen eine gute Wirksamkeit der HPV-Impfung nachgewiesen. Zwar mögen nach der Bewertung der STIKO auch Frauen, die älter als 17 Jahre sind, von der HPV-Impfung profitieren können und kann diese im Einzelfall auch nach der Aufnahme des Geschlechtsverkehrs möglicherweise noch sinnvoll sein. Da die unzureichende Datenlage bislang jedoch diesbezüglich keine belastbaren Aussagen erlaubt, ist der Dienstherr nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, die Kosten einer Behandlung, deren Wirksamkeit nicht belegt ist, als beihilfefähig anzuerkennen ( siehe hierzu: OVG Rheinland-Pfalz, a. a. O. ).
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Ist der Dienstherr aus dem Fürsorgegrundsatz heraus dementsprechend nicht verpflichtet, sämtliche in Betracht kommenden gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen über eine Beihilfe anteilig zu tragen, haben die betroffenen Beamten die damit im Einzelfall verbundenen Härten grundsätzlich zu tragen. Der hier letztlich im Streite stehende, relativ geringe Erstattungsbetrag zwingt die Beklagte jedenfalls nicht, außerhalb der Beihilfevorschriften allein auf Grundlage der Fürsorgepflicht eine Beihilfe zu den streitigen Aufwendungen des Klägers zu leisten. Dies gilt sowohl allgemein, als auch insbesondere im Falle des Klägers selbst, der den hier streitigen Erstattungsbetrag als Ministerialrat der Besoldungsgruppe B 2 BBesO ohne erkennbare unzumutbare Härten zu tragen vermag; Gegenteiliges hat der Kläger im Übrigen auch nicht substantiiert vorgetragen.
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Unabhängig vom Vorstehenden käme im Falle einer ausnahmsweisen unzumutbaren Belastung für die hier in Rede stehenden „Alt-“ oder „Übergangsfälle“ bis zu der normativen Neuregelung des Beihilferechtes des Landes Sachsen-Anhalt zur etwaig erforderlichen Erfüllung der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht in Betracht, die Aufwendungen für nicht beihilfefähige Schutzimpfungen im Falle ihrer individuellen Notwendigkeit und Angemessenheit vorläufig im Rahmen des § 12 Abs. 2 BhV zusätzlich zu den in § 12 Abs. 1 BhV genannten Aufwendungen zu berücksichtigen ( vgl. für den Fall der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel: BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2008 - Az.: 2 C 2.07 -, BVerwGE 131, 234; OVG LSA, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - Az.: 1 L 144/08 -, veröffentlicht bei juris = JMBl. LSA 2009, 59 ). Damit werden indes Beihilfeansprüche als solche nicht begründet ( vgl.: BVerwG, a. a. O.; OVG LSA, a. a. O. ).
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Soweit sich das Verwaltungsgericht und der Kläger für die Annahme der Beihilfefähigkeit von HPV-Impfungen von über 17jährigen Mädchen bzw. Frauen schließlich auf anderslautende Rechtsprechung beziehen, kann diese für die vorliegend maßgebliche Rechtslage nicht herangezogen werden. Denn anders als der hier zugrunde zulegende § 10 Abs. 3 BhV sieht weder die BVO BW ( siehe darauf abstellend: VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 9. Juli 2009 - Az.: 10 S 3385/08 und 10 S 465/09 -, zitiert nach juris; VG Stuttgart, a. a. O. ) noch die BVO NRW ( siehe insoweit: VG Düsseldorf, a. a. O.; VG Arnsberg, a. a. O. ) für die Beihilfefähigkeit von Schutzimpfungen - einschränkend - vor, dass diese „amtlich empfohlen“ sein müssen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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5. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in §§ 132 VwGO, 127 BRRG genannten Gründe vorliegt.
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6. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 52 Abs. 3, 40, 47 GKG.
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