Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 M 97/13

Gründe

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Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 21. August 2013, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

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Das Verwaltungsgericht hat die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung zu Recht abgelehnt. Dem Antrag mangelt es bereits an der erforderlichen Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO sowie an dem allgemeinen Rechtsschutzinteresse. Überdies hat der Antragsteller den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Aussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 - 1 M 1/07 -, juris [m. w. N.]).

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Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes zu besetzen, dessen Geltung durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet wird. Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl unmittelbar nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann verlangen, dass seine Bewerbung nur aus Gründen zurückgewiesen wird, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (Bewerbungsverfahrensanspruch). Der Bewerberauswahl dürfen nur Gesichtspunkte zugrunde gelegt werden, die den von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Leistungsbezug aufweisen (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 - 2 C 19.10 -, NVwZ 2011, 1270 [m. w. N.]). Ein Beförderungsbewerber hat dementsprechend einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entscheidet (BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2002 - 2 BvQ 25/02 -, NVwZ 2002, 1367, und Kammerbeschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200; BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 -, BVerwGE 118, 370 [m. z. N.]).

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Die im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, bei dem der Ernennungsbehörde durch Art. 33 Abs. 2 GG ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist mit der Folge, dass Verwaltungsgerichte bei der Überprüfung der behördlichen Entscheidung darauf beschränkt sind, die Einhaltung seiner Grenzen zu kontrollieren, nämlich ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen der Beurteilungsermächtigung verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (siehe: OVG LSA, Beschluss vom 26. August 2009 - 1 M 52/09 -, juris [m. w. N.]). Wird das subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200).

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Hiervon ausgehend mangelt es - entgegen der Annahme der Beschwerde - bereits an der analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Antragsbefugnis des Antragstellers. Denn die Antragsbefugnis setzt voraus, dass die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechtes zumindest als möglich erscheint (vgl. etwa: BVerfG, Beschluss vom 16. September 2010 - 2 BvR 2349/08 -, NVwZ-RR 2011, 1; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Juli 2013 - 11 S 26.13 -, juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 4 ME 315/08 -, NVwZ-RR 2009, 412 [m. w. N.]). In Betracht kommt vorliegend insoweit lediglich der aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG resultierende und vom Antragsteller auch nur geltend gemachte Bewerbungsverfahrensanspruch. Dieser hat - wie soeben ausgeführt - indes zum Inhalt, dass der Dienstherr über die Bewerbung eines Beförderungsbewerbers ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entscheidet. Von einer Bewerbung kann nur für den Fall abgesehen werden, dass der Dienstherr ausnahmsweise ohne vorangegangene Ausschreibung eine Stelle, d. h. ein Amt im statusrechtlichen Sinne oder einen (höherwertigen) Dienstposten, nach dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG besetzen will. Letzteres ist vorliegend indes nicht der Fall, da der hier streitgegenständliche, nach der Besoldungsgruppe A 16 LBesO LSA bewertete Beförderungsdienstposten am 15. Februar 2013 ausgeschrieben wurde. Der Antragsteller hat sich allerdings innerhalb der Bewerbungsfrist (8. März 2013) nicht um die ausgeschriebene Stelle beworben.

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Auch wenn es sich bei der Bewerbungsfrist nicht um eine Ausschlussfrist handelt, hat der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner oder dem Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt eine solche Bewerbung auch nicht bis zur Auswahlentscheidung des Antragsgegners am 11. Juni 2013 abgegeben. Vielmehr hat er sich erst unter dem 2. Juli 2013 gegen die getroffene Entscheidung im Wege des Widerspruches gewandt. Ein Bewerber hat aber trotz Ablaufs der Bewerbungsfrist nur dann einen Anspruch auf Einbeziehung in ein laufendes Stellenbesetzungsverfahren, wenn dies zu keiner nennenswerten Verzögerung des Verfahrens führt (siehe: BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 -, NVwZ 2013, 955 [m. w. N.]). Auf die zu erwartende Verzögerung wird sich der Dienstherr regelmäßig berufen können, wenn das Verfahren - wie hier - bereits das Stadium der Entscheidungsreife erreicht hat, weil der Leistungsvergleich bereits durch den sogenannten Auswahlvermerk dokumentiert ist und damit stattgefunden hat (so: BVerwG, a. a. O.). Aus welchen Gründen dies vorliegend ausnahmsweise anders zu bewerten sein sollte, zeigt die Beschwerde nicht schlüssig auf, zumal eine Stellenbesetzung ausweislich der Stellenausschreibung bereits zum 1. April 2013 vorgesehen war und das Begehren des Antragstellers überdies letztlich auf eine Neuausschreibung und nicht eine bloße Miteinbeziehung in einen Leistungsvergleich gerichtet ist.

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Hiernach erscheint es als ausgeschlossen, dass der Antragsgegner ein subjektives öffentliches Recht des Antragstellers, insbesondere dasjenige aus Art. 33 Abs. 2 GG, verletzt haben könnte.

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Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass es dem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch an dem erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzinteresse mangelt. Denn der Antragsteller hätte auf zumutbare wie einfache Art und Weise schlicht durch seine rechtzeitige Bewerbung den von ihm nunmehr erst reklamierten Bewerbungsverfahrensanspruch begründen können. Dies hat er indes - wie ausgeführt - unterlassen. Hierfür bestand - entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen - auch kein sachlicher Grund. Hält ein potentieller Bewerber um eine ausgeschriebene Stelle ein vom Dienstherrn aufgestelltes Anforderungsprofil insgesamt oder in Teilen für sachwidrig, kann und hat er dies im Rahmen seiner Bewerbung geltend zu machen (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, IÖD 2013, 194 [m. w. N.]). Daher handelt es sich - entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen - bei einer solchen Bewerbung gerade nicht um einen (unzulässigen) Fall vorbeugenden Rechtsschutzes. Der Antragsteller hat sich durch seine fehlende - rechtzeitige - Bewerbung um die hier in Rede stehende Stelle der einfachsten und ihm zumutbaren Möglichkeit begeben, die seiner Ansicht nach gegebene Rechtswidrigkeit des festgelegten Anforderungsprofils oder eine anderweitige Fehlerhaftigkeit der zugunsten der Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidungen zu rügen und auf diese Weise eine Verletzung seines aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruches geltend zu machen (siehe auch: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 6 B 513/13 -, juris). Auf einen ausdrücklichen Verzicht kommt es insofern nicht entscheidungserheblich an, da die Bewerbung um eine Stelle ein positives Tun des Beamten voraussetzt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kommt es wegen des insoweit gleichermaßen geltenden Leistungsgrundsatzes des Art. 33 Abs. 2 GG ebenso wenig maßgeblich darauf an, ob lediglich ein (Beförderung-)Amt im statusrechtlichen Sinne, ein Dienstposten als Amt im konkret-funktionellen Sinne oder Beides miteinander verbunden ausgeschrieben wird. Mit jeder dahingehenden Ausschreibung unterwirft der Dienstherr seine Auswahlentscheidung dem Leistungsgrundsatz und begründet für jeden Bewerber einen Bewerbungsverfahrensanspruch.

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Auf das weitere Beschwerdevorbringen zur vermeintlichen Begründetheit des Antrages kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an. Ungeachtet dessen hat der Antragsteller mangels rechtzeitiger Bewerbung aber auch den erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zur fehlenden Verletzung eines Bewerbungsverfahrensanspruches nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine vorstehenden Ausführungen Bezug.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht aus Gründen der Billigkeit für erstattungsfähig zu erklären, da dieser sich weder dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt noch das Beschwerdeverfahren wesentlich gefördert hat.

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Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. §§ 47, 52 Abs. 1 und 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung (§ 40 GKG), wobei hier die Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr nach der Besoldungsgruppe A 16 LBesO zu zahlenden Bezüge im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung zugrunde zu legen und der sich daraus ergebende Betrag im Hinblick auf das Neubescheidungsbegehren zu halbieren war.

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Dieser Beschluss ist  unanfechtbar  (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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